Das frühe Christentum als Religion für Sklaven und Frauen?

G

Gast

Gast
Hallo,

einige von euch kennen sicher die etwas ältere Forschungsmeinung, nach der das frühe Christentum eine Religion für soziale Randgruppen - also Sklaven, Arme, Frauen etc. - gewesen sei. Diese Meinung gilt soweit ich weiß zwar mittlerweile als überholt, da ja vor allem die mittleren sozialen Schichten (z.B. Handwerker und Soldaten) für die Verbreitung des Christentums im Römischen Reich gesorgt haben, aber mich würde dennoch interessieren, auf welchen Quellen die ältere These beruht, das Christentum sei eine reine Sklavenreligion gewesen. Welche antiken Quellen haben diese Ansicht überliefert?

Würde mich freuen, wenn der ein oder andere etwas dazu schreiben könnte.
 
Bei Soldaten besaß wohl eher der Mithraskult, als das Christentum starke Anziehungskraft. Das Christentum war vor allem im griechischsprachigen Osten stark vertreten, und Latein wurde erst zur Zeit Augustinus Kirchensprache. Als Erlösungsreligion war es sicher für Sklaven faszinierend, und einige römische Schriftsteller schreiben, es sei ein Aberglauben für die untersten Bevölkerungsschichten. Da ist zunächst einmal bei Sueton eine Stelle, die darauf deutet. In der Biographie des Claudius schreibt Sueton, dass der Kaiser die Juden aus Italien verwies, die von Chrestus aufgewiegelt wurden. Das deuten einige Wissenschaftler als Indiz für Auseinandersetzungen zwischen Christen und Juden, wobei sich Sueton diesen Chrestus als in Rom lebend vorstellt. Chrestus war ein typischer Sklavenname, so dass der Eindruck entsteht, es handele sich um einen Sklavenkult. Dafür nennt Sueton sie in der Nerobiographie "christiani", wobei er Nero dafür lobt, dass er gegen sie vorgeht. Tacitus schreibt nur sehr wenig über die Christen. Er schreibt, dass der Kult auf einen Christus zurückgeht, der unter Pontius Pilatus gekreuzigt wurde. Die Christen wurden für den Brand Roms verantwortlich gemacht, letzlich aber eher wegen ihres Hasses gegen das Menschengeschlecht (odium humani generis, grich.misanthropia) Zur Kreuzigung konnten nur Sklaven und peregrini Ausländer verurteilt werden. Das der Gründer als Aufrührer gekreuzigt wurde, hielten Gegner der Christen ihnen noch zur Zeit der Apologeten vor.

Plinius schreibt dem Kaiser Trajan über seine Erfahrungen mit bithynischen Christen. Offenbar haben sich die Devotionalienhändler und Metzger bei ihm beschwert, der er schreibt, dass der Kult sich verbreitet habe und kaum noch Opferfleisch verkauft würde. Plinius hatte einige Christen verhört, zwei Diakonissen gefoltert und einige hinrichten lassen, die sich weigerten, dem Genius des Kaisers zu opfern und Christus zu verleugnen. Er schreibt, er habe nur einen wirren Aberglauben für die untersten Volksschichten vorgefunden, der eher ungefährlich war. Er erkundigt sich, ob die Bezeichnung Christ allein (nomen ipsum) Grund für Verfolgung sein solle, und Trajan rät ihm, nicht nach ihnen zu fahnden, (conquerendi non sunt), es entspräche nicht dem Geist seiner Regentschaft (nec est in saeculo nostro). Der Kaiser billigte aber Plinius Maßnahmen. Diese zweideutige Regelung begünstigte die Ausbreitung des Christentums, konnte aber auch zu Verfolgungen führen wie in Lyon zur Zeit Marc Aurels wo der hl. Polykarpus verbrannt wurde.

Ein früher Sympathisant des Christentums war Sergius Paullus Statthalter von Kreta und Kyrene, der Paulus auf seiner ersten Missionsreise nach Lykaonien und Südgalatien unterstützte. Septimius severus hatte keine Sympathien für das Christentum, seine Gattin, die hochgebildete Julia Domna korrespondierte aber mit dem Kirchenvater Origines.

Mit Apologeten wie Tertullian traten lateinischsprachige Autoren als Verteidiger des Christentums auf, wobei der juristisch geschulte Tertullian die Unsinnigkeit der Rechtspraxis betont. Entweder sind die Christen harmlos, dann dürfen sie keinesfalls verfolgt werden, oder sie seinen gefährlich, dann müssten sie natürlich verfolgt werden.
 
Ich denke auch dass die Grundlagen für eine solche Interpretation in den Glaubensgrundsätzen zu sehen sind.

Erlösungsgedanke sprach vor allen die Sklaven und Armen an, wobei man anmerken sollte das der Mittelstand alles andere als mit einem heutigen Mittelstand vergleichbar ist. So reichte oft eine Krankheitsphase oder andere Erwerbsuntätigkeit aus um in die Armut abzurutschen.
Für Frauen dürfte der fürsorgliche Aspekt der Religion ansprechend gewesen sein. Wo die polytheistischen Heidengötter ja primär Gewalt, Kraft und das Recht des Stärkeren propagierten, schlug das Christentum versöhnlichere Töne an, was sicherlich bei Frauen stärker "ankam" als bei Männern.
 
Zunächst vielen Dank für eure Beiträge, ihr habt mir damit sehr weiter geholfen! Allerdings hätte ich noch einige Verständnisfragen...

@Scorpio:

Du schreibst, dass Plinius das Christentum in seinem Brief an Trajan als Aberglauben für die untersten Volksschichten bezeichnet habe. Ich habe die Quellenstelle, die du meintest, gerade vor mir und wörtlich spricht Plinius davon, dass es Angeklagte "jeden Alters, jeden Standes, auch beider Geschlechter" ("multi enim omnis aetatis, omnis ordinis, utriusque sexus etiam") gegeben habe. Ich kann der Stelle nicht entnehmen, dass er damit nur die untersten Volksschichten gemeint hätte. Wie ist das zu verstehen?

Außerdem würde mich noch die Person des Sergius Paullus, Statthalter von Kreta und Kyrene, interessieren. Kennst du Quellen, die seine Nähe zum Christentum bezeugen?

@Sheik:

Der fürsorgliche Aspekt des Christentums war für Frauen sicherlich ein Anreiz, genauso wie beispielsweise die gleichberechtigte Stellung, die Frauen in den christlichen Gemeinden genossen haben. Allerdings stellt sich mir auch hier die Frage, weshalb das später so hervorgehoben wurde, dass man vom Christentum als eine Religion für Frauen gesprochen hat. Kennt ihr dazu Quellen, die die Rolle der Frau etwas mehr hervorheben?
 
Die spätere Hervorhebung mag darin begründet sein, dass ab dem 3. Jahrhundert es vor allem Frauen waren die zum einen die Kirche finanziell unterstützten ( Erbschaften, Almosen, Spenden) und gleichzeitig die Bedürftingen ( was vor allem Arme und Witwen/Kinder waren) von der Kirche unterstützt wurden. (Quelle hierfür wären nahezu alle Texte der Kirchenväter)

Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, unterstützte die Kirche jedoch anfangs fast ausschließlich Mitchristen. Somit wäre es indirekt ein weiterer Grund sich als Sklave dem Christentum zuzuwenden. Die Kirche selbst setzte nämlich durchaus auch Sklaven auf ihren Gütern ein und unternahm nicht viel um Sklaven zu befreien.
 
Zurück
Oben