Eremiten und Säulenheilige

Sepiola

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später gab es einen interessanten Konkurrenzkampf zwischen heiligen Männern, Asketen, Säulenheiligen, Märtyrern nicht nur innerhalb der verschiedenen frühchristl. Sekten, sondern auch zwischen Christen und Heiden - sehr detailliert dargestellt von Peter Brown, die letzten Heiden. Von hier wissen wir, dass entgegen des Bilds vom abgehärmten Asketen diese durchaus wohlbestallt waren (ihre pueri trugen ihnen das Gepäck sozusagen, sorgen nach Feierabend für das wohlsein des heiligen Mannes)

Aus einem Nebenthema, das nun schon öfter angeklungen ist, erlaube ich mir, ein neues Thema zu machen.

Wo ist die Sache mit den pueri belegt?
Insbesondere bei Anachoreten und Säulenheiligen kann ich mir das schlecht vorstellen.
 
in aller Kürze (bin mit der DB unterwegs...) bei Peter Brown in "die letzten Heiden" (dort sind auch so weit ich mich entsinne die zuständigen Quellen angegeben und ich gehe nicht davon aus, dass Brown da flunkert)

Vielleicht habe ich Tomaten auf den Augen, aber in diesem Büchlein finde ich die pueri nicht.
Liegt vielleicht eine Verwechslung mit den Klosterregeln des Pachomius vor?
 
Vielleicht habe ich Tomaten auf den Augen
das kann ebenso für mich gelten!
soweit ich mich entsinne, wird im letzten Drittel des Büchleins der Konkurrenzkampf der heiligen Männer genauer untersucht, und dort wird auch erwähnt, dass diese konträr zu ihrer Selbstdarstellung Bedienstete (servi, pueri) hatten; auch irgendwo bei Scheibelreiter wird sowas erwähnt. ((ob Brown dabei den Plural pueri verwendet, weiß ich nicht mehr und kann das derzeit (bin erst Im Februar wieder daheim) auch nicht nachschauen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er die Bediensteten der Asketen erwähnt))
 
das kann ebenso für mich gelten!
soweit ich mich entsinne, wird im letzten Drittel des Büchleins der Konkurrenzkampf der heiligen Männer genauer untersucht, und dort wird auch erwähnt, dass diese konträr zu ihrer Selbstdarstellung Bedienstete (servi, pueri) hatten; auch irgendwo bei Scheibelreiter wird sowas erwähnt. ((ob Brown dabei den Plural pueri verwendet, weiß ich nicht mehr und kann das derzeit (bin erst Im Februar wieder daheim) auch nicht nachschauen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er die Bediensteten der Asketen erwähnt))

Ich sehe eine Stelle, wo Brown von "Bediensteten" spricht (S. 131 unten), da geht es aber allenfalls um Klosterbedienstete, also keine persönlichen Diener einzelner Eremiten oder Säulenheiliger.
 
ein blaues Fischer Taschenbuch?
wie auch immer: ich kann das erst nachschauen, wenn ich wieder daheim bin. So weit ich mich erinnere: Brown beschreibt den Konkurrenzkampf verschiedener (salopp gesagt) "heiliger Männer" in den kleinasiatischen und ägyptischen Kolonien des spätrömischen Reichs, dabei wird auch die Herkunft und soziale Stellung mancher Asketen angesprochen (wobei eben dieses Asketentum erstaunlicherweise ganz und gar nicht ärmlich, sondern sehr großbürgerlich ausgestattet ist - genau das hatte mich ja beim lesen verblüfft) -- mag sein, dass das nicht in "den letzten Heiden" sondern in einem der anderen Brownbücher vorkommt, aber das kann ich erst nachschauen, wenn ich zuhause bin.
Scheibelreiter hat noch ein paar mehr Sachen publiziert, nicht nur das Barbarenbuch.
 
ein blaues Fischer Taschenbuch?
Nein, Verlag Klaus Wagenbach Berlin 1986, 156 Seiten.

wie auch immer: ich kann das erst nachschauen, wenn ich wieder daheim bin.
No prob, es eilt nicht.


dabei wird auch die Herkunft und soziale Stellung mancher Asketen angesprochen (wobei eben dieses Asketentum erstaunlicherweise ganz und gar nicht ärmlich, sondern sehr großbürgerlich ausgestattet ist - genau das hatte mich ja beim lesen verblüfft)
Was ist an der Herkunft der Asketen verblüffend?

Wer aus ärmlichen Verhältnissen stammt, kommt schwerlich auf die Idee, aus religiösen Gründen auf Wein, Öl und feinere Genüsse zu verzichten.

Auf so eine Idee kann man eigentlich nur kommen, wenn man wenigstens aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammt.


Scheibelreiter hat noch ein paar mehr Sachen publiziert, nicht nur das Barbarenbuch.
Welche davon Du gelesen hast, kann ich leider nicht erraten.
 
Was ist an der Herkunft der Asketen verblüffend?

Wer aus ärmlichen Verhältnissen stammt, kommt schwerlich auf die Idee, aus religiösen Gründen auf Wein, Öl und feinere Genüsse zu verzichten.

Auf so eine Idee kann man eigentlich nur kommen, wenn man wenigstens aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammt.
das ist ein origineller Gedanke :)
 
Ich sehe eine Stelle, wo Brown von "Bediensteten" spricht (S. 131 unten), da geht es aber allenfalls um Klosterbedienstete, also keine persönlichen Diener einzelner Eremiten oder Säulenheiliger.

Bin gerade dabei, mich mit der Pachomius-Regel zu befassen, auf die sich Brown an dieser Stelle bezieht.

"Bedienstete" ist eigentlich ein irreführender Ausdruck, es handelt sich um Mönche, die zu bestimmten Diensten eingeteilt werden. Vielleicht hat Brown in einer englischen Übersetzung der Regel den Ausdruck "servants" (für "ministri" - "servi" gibt es im Kloster nicht) gefunden und hier übernommen. In der Stelle, die Brown zitiert, kommt aber auch kein "minister" vor. Am besten, ich zitiere mal alles:

Brown schrieb:
Noch das Fallobst unter den Bäumen mußte säuberlich aufgereiht werden, und allein die hierfür vorgesehenen Bediensteten durften es einsammeln.

Pachomius-Regel schrieb:
75. Wer die Palmen betreut, soll von ihren Früchten nichts essen, bevor die Brüder [davon] gegessen haben.
76. Wenn sie den Auftrag erhalten, die Palmfrüchte einzusammeln, soll der Anführer der Sammler den einzelnen an Ort und Stelle davon ein wenig zu essen geben; und wenn sie ins Kloster zurückkommen, sollen sie mit den übrigen Brüdern ihre Anteile erhalten.
77. Wenn sie aber Fallobst unter den Bäumen finden, sollen sie sich nicht unterstehen, davon zu essen; vielmehr sollen sie das, was sie im Vorbeigehen gefunden haben, an den Fuß der Bäume legen. Auch jener, der den übrigen Sammlern [etwas] zuteilt, darf persönlich nichts davon genießen, sondern er soll [alles] zum Ökonomen bringen, der auch ihm seinen Anteil geben soll, wenn er den anderen Brüdern gegeben hat.
Heinrich Bacht
Das Vermächtnis des Ursprungs
Studien zum frühen Mönchtum II
Pachomius - Der Mann und sein Werk
Würzburg 1983
 
Was ist an der Herkunft der Asketen verblüffend?

Wer aus ärmlichen Verhältnissen stammt, kommt schwerlich auf die Idee, aus religiösen Gründen auf Wein, Öl und feinere Genüsse zu verzichten.

Auf so eine Idee kann man eigentlich nur kommen, wenn man wenigstens aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammt.

Du nimmst damit auf folgenden Satz von Dekumatland Bezug:

dabei wird auch die Herkunft und soziale Stellung mancher Asketen angesprochen

Also: manche Asketen. Nicht alle. Es spricht nichts dafür, das Askese-Phänomen als eine Erfindung der reichen Schicht anzusehen. Es entspringt der im indischen Raum um die Wende zum 2. Jt. vuZ aufkommenden Auffassung, dass die Bindung an Irdisches das postmortale Heil (Erlösung/Befreiung der Seele) behindert. Askese bedeutet Verzicht auf kulturelle Annehmlichkeiten und auf Sexualität. Sie bedeutet nicht, dass ihr ein in Gütern und Sex schwelgendes Leben vorausgegangen sein muss, es geht vielmehr um die innere Einstellung zum Weltlichen, unabhängig von vorausgehender faktischer Realisierung. Asketische Gruppen erhielten daher - in Ost und West - Zulauf aus allen sozialen Schichten. Im Judentum entwickelte sich der Asketismus ziemlich spät, etwa im 1. Jh. vor der Zeitenwende, in Gestalt der "Therapeuten", die vor allem um Alexandria ansässig waren. Ich vermute, dass sie im damaligen Welt-Kulturbrennpunkt Alexandria entsprechende Anregungen erfahren hatten zum einen durch Berichte über die aus Indien im 4. Jh. vuZ nach Griechenland eingewanderten Gymnosophisten, die der griechisch-antiken Askese ihren Anstoß gaben, und zum andern über indische Lehren, die in Alexandria vielfältig kursierten und von einigen gelehrten Juden rezipiert wurden. Die Therapeuten waren das Vorbild für spätere christliche Askese-Praktiken.
 
Also: manche Asketen. Nicht alle.

Ich habe nie behauptet, dass alle Asketen aus reichen Schichten stammen müssen.

Ich kann nur nicht verstehen, was an der gutbürgerlichern Herkunft mancher Asketen "erstaunlich" oder "verblüffend" sein soll.

Es spricht nichts dafür, das Askese-Phänomen als eine Erfindung der reichen Schicht anzusehen.
Das habe ich so auch nicht behauptet. Wer aber wirklich arm ist, hat wenig Motivation, asketische Praktiken zu erfinden.

Berichte über die aus Indien im 4. Jh. vuZ nach Griechenland eingewanderten Gymnosophisten, die der griechisch-antiken Askese ihren Anstoß gaben
Indiesche Gymnosophisten sollen nach Griechenland eingewandert sein?
Und das schon vor Diogenes?
Welche Berichte sind das?
 
Vermutlich geht es um den Gymnosophisten Kalanos, den Alexander der Große mitnahm (was ja auch noch im 4. Jhdt. war) - allerdings erst zu einer Zeit, als Diogenes längst gewirkt hatte. Dass die Gymnosophisten allerdings nach Griechenland gekommen wären, ist damit nicht gesagt. (Im Gegenteil, andere Gymnosophisten weigerten sich mitzukommen und verurteilten den Kalanos deswegen.) Kalanos verbrannte sich schon in Persis.

Ich glaube allerdings nicht, dass man den Einfluss auf Alexandria und das Judentum so hoch veranschlagen sollte. Da steckt wohl wieder einmal die Ansicht dahinter, dass jede Idee nur einmal entstanden ist und daher auch alle ähnlichen Erscheinungen in anderen Regionen darauf zurückgehen müssen.
 
sehr detailliert dargestellt von Peter Brown, die letzten Heiden. Von hier wissen wir, dass entgegen des Bilds vom abgehärmten Asketen diese durchaus wohlbestallt waren (ihre pueri trugen ihnen das Gepäck sozusagen, sorgen nach Feierabend für das wohlsein des heiligen Mannes)
mag sein, dass das nicht in "den letzten Heiden" sondern in einem der anderen Brownbücher vorkommt, aber das kann ich erst nachschauen, wenn ich zuhause bin.

Falls Du mal zufällig über die die Stelle stolpern solltest: Ich wäre nach wie vor interessiert. :winke:
 
Falls Du mal zufällig über die die Stelle stolpern solltest: Ich wäre nach wie vor interessiert. :winke:
und sowie ich sie gefunden habe, werde ich sie zitieren :) - aber du gönnst mir hoffentlich nach Urlaubsabsenz und momentan gehäufter Arbeitsbelastung, dass ich das nicht ad hoc machen kann.

was mich fasziniert hatte bei der Beschreibung der "holy men" und ihrem tun und trachten, das war der Aspekt der Konkurrenz der Heilsbringer. Diese moderne Perspektive auf das religiöse Geschehen in der Spätantike (vornehmlich im Süden des Imperiums) hat ihren eigenen Reiz. Und besonders reizvoll daran war der erwähnte Umstand, dass die asketischen heiligen Männer oft genug den wohlbestallten Oberschichten entstammten und deren Lebensgewohnheiten beibehielten :) (((dass Heinrich Heine für dergleichen herbe Worte gefunden hätte, ist nicht der Reder wert)))
 
saperlot: achteinhalb Jahre...
Ich kann übrigens das Zitat zu den Asketen/Säulenheiligen, die aus der begüterten Oberschicht stammten und Bedienstete bei ihrer Askeseausübung hatten, nicht finden: in Scheibelreiters Barbarenbuch finde ich es nicht, Browns "letzte Heiden" habe ich wohl nicht mehr (oder ich bin unfähig, die eigenen Bücherregale zu filzen... kann auch sein) - aber ich erinnere mich, so etwas gelesen zu haben. Nur wo?? Ich weiß es nicht mehr.
 
Die Stelle gibt es IMO nicht. Sie wird in der wikipedia tatsächlich so zitiert, aber ohne Quellenangabe. Weder in der dt. noch in der engl. Ausgabe von Browns "Making of late Antiquity" gibt es so etwas, auch nicht in "Die Keuschheit der Engel" und genauso wenig in dem Artikel über Askese in der Cambridge Ancient History, "Ascetism: Pagan and Christian". Ebenso wenig in "Through the Eye of a needle". (Mehr Bücher von ihm zu diesem Thema kenne ich nicht.)

Es steht auch nicht, wie ich erst einmal vermutete, bei Karlheinz Deschner (der sich zwar über Simeon lächerlich macht, aber nichts von Wert von ihm erzählt). Ebensowenig bei Gibbon, der ebenfalls über Simeon lästert.

Ich habe via JStor eine detailllierte Studie über alle 5 Quellen zu Simeons Leben gelesen, darin kam die entsprechende Behauptung auch nicht vor.

So, mehr weiß ich nicht. Urban myth.
 
(nostalgischen Blickes) vor über 8 Jahren, Diskussion über die Historizität Jesu, Seitenthema Wanderprediger im 1. und 2.Jh. - - - ich weiß nicht mehr, wo ich es gelesen hatte, nur dass ich es gelesen hatte: Konkurrenz der heidnischen und christlichen "heiligen Männer" in einer Zeit voller Endzeiterwartungen (Spätantike) und in diesem Kontext heilige Asketen, die aus der begüterten Oberschicht stammten und in ihre Wüsteneien, Eremitagen, ja auf ihre Säulen begleitet von Dienerschaft und wohlversorgt gingen. Offenbar verdächtige ich Peter Brown (die letzten Heiden) zu Unrecht, das in seinen Publikationen gelesen zu haben - Pardon. Dass ich mir einbilde oder geträumt habe, so etwas gelesen zu haben, glaube ich nicht - aber ich weiß schlichtweg nicht mehr, wo das war.
 
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