Urchristliche Gemeinden

cursus humorum

Neues Mitglied
Wer kann mir netterweise gute links oder kurze Infos zum wenig bekannten Leben urchristlicher Gemeinden geben?

Wer hat darüber hinaus das gleiche von modernen Kommunen, die abgesehen von religiösen Inhalten, ähnliche Lebensweisen praktizierten?
 
Such eigentlich mehr zum konkreten Zusammenleben im Alltag.

Da gibt es nicht viel.

Als Quellen für die Geschichte des Urchristentums stehen uns im Wesentlichen nur die neutestamentlichen Schriften zur Verfügung. Besonders wichtig sind dabei die Apg und die authentischen Paulusbriefe, die für die Zeit bis ca. 60 relativ breite Informationen liefern. Über die weitere Entwicklung wissen wir dagegen verhältnismäßig wenig, da die übrigen Schriften des Neuen Testaments und die älteren Texte der Apostolischen Väter zwar ein Bild der theologischen Entwicklungen gestatten, aber nur Schlaglichter auf historische Abläufe werfen. Die nichtchristlichen Quellen schweigen beinahe vollständig, wenn man sie über diese frühe Phase des Christentums befragt. Kurze Notizen zu Einzelereignissen finden sich bei Flavius Josephus, Tacitus und Sueton. Eine wichtige Quelle ist dann der Briefwechsel zwischen Plinius d.J und dem Kaiser Trajan, der einen Blick auf die Ausbreitung des Christentums am Beginn des 2. Jh. in Pontus und Bithynien (Nordkleinasien) und die römischen Gegenmaßnahmen gestattet.


In der Apostelgeschichte findet sich eine (wohl idealisierte) Darstellung der Jerusalemer Gemeinde, interessant sind z. B. die Kapitel 4-6.

Apostelgeschichte 4 - Luther 1984 :: Bibleserver.com


Dass es nicht immer so ideal zuging, zeigt vielleicht am besten der 1. Korintherbrief:
1.Korinther 1 - Luther 1984 :: Bibleserver.com



Der Briefwechsel Plinius-Trajan:

https://www.uni-due.de/~gev020/courses/course-stuff/pliniusjun.htm
 
Wer kann mir netterweise gute links oder kurze Infos zum wenig bekannten Leben urchristlicher Gemeinden geben?
Das Leben urchristlicher Gemeinden war vor allem von Streitereien geprägt, zumindest erscheint es in diversen frühchristlichen Schriften so. Es ging dabei wohl weniger um unmittelbar theologische Fragen, sondern eher um Autoritäten, also welchem prominenten frühchristlichen Führer (und somit auch dessen Ansichten) man folgte. (Welcher von ihnen war der frömmste, weiseste, angesehenste, am meisten von Gott begnadete ...?)
Ansonsten werden die frühen Christen im Alltag relativ normal gelebt haben. Sie hatten schließlich auch ihren Alltag zu bewältigen.

Wer hat darüber hinaus das gleiche von modernen Kommunen, die abgesehen von religiösen Inhalten, ähnliche Lebensweisen praktizierten?
Moderne Kommunen, die sich an "urchristlichen Gemeinden" orientieren, haben meist ein eher idealisiertes Bild der damaligen Zustände, z. B. vom "Urkommunismus" der Jerusalemer Gemeinde. Leider scheinen sie häufig in eine Form von Totalitarismus abzudriften.
 
Wer kann mir netterweise gute links oder kurze Infos zum wenig bekannten Leben urchristlicher Gemeinden geben?

Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Es gibt nicht den geringsten historischen Beleg für a) die Existenz eines Christentums im 1. Jh. und, daraus folgend, b) die Existenz "urchristlicher Gemeinden". Es gibt also weder Belege für die Entstehung der Evangelien, der Paulusbriefe und der Apostelgeschichte im 1. Jh. noch einen archäologischen Befund für dieses Jahrhundert noch zuverlässige nicht-christliche Zeugnisse aus diesem Jahrhundert.

Raveniks sehr allgemein gehaltener Beitrag spiegelt diese Situation, wenn auch ungewollt, 1 zu 1 wieder.

Der Wiki-Artikel "Urchristentum" ist ein pseudowissenschaftliches Märchen für Erwachsene. Gehen wir ihn ein bisschen durch:

Urchristentum ? Wikipedia

Als Urchristentum bezeichnet man die Anfangszeit des Christentums, die von Jesus von Nazaret, also um 30 n. Chr., bis zur Abfassung der letzten urchristlichen Schriften, die später in das Neue Testament (NT) aufgenommen wurden, reicht, also bis um ungefähr 100 n. Chr.

Keine Silbe davon ist historisch auch nur im Ansatz belegbar. Die christliche Mythologie um die Jesusfigur (ohne Belege wird man die christlichen Berichte so nennen dürfen) wird ganz unkritisch übernommen.

Besonders gut informiert sind wir über die Entstehungsphase, den die Apostelgeschichte des Lukas beschreibt.

Ein Text, für den weder der Verfasser noch die Entstehungszeit noch die Umstände der Entstehung bekannt sind, dient also als "gute Informationsquelle".

Diese befasst sich unter anderem mit der Jerusalemer Urgemeinde, die die Geschichte des Urchristentums maßgeblich bestimmte.

Leider sind die Protagonisten dieser angeblichen "Urgemeinde" historisch nicht belegt.

(...) Jedoch befürworteten die Urchristen seit dem Apostelkonzil (etwa 48) überwiegend die Völkermission.

"Etwa 48" - basierend auf der "guten Informationsquelle" ´Apostelgeschichte´. Die Schätzung stammt übrigens von Hans Conzelmann, einem evangelischen Theologen.

Meiner Ansicht nach kann man zwar über "frühchristliche Gemeinden" spekulieren (wie man denn über alles spekulieren kann), aber das sollte explizit in Form von Hypothesen geschehen und nicht in Form kategorischer Aussagen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Urchristentum ? Wikipedia

Als Urchristentum bezeichnet man die Anfangszeit des Christentums, die von Jesus von Nazaret, also um 30 n. Chr., bis zur Abfassung der letzten urchristlichen Schriften, die später in das Neue Testament (NT) aufgenommen wurden, reicht, also bis um ungefähr 100 n. Chr.

Keine Silbe davon ist historisch auch nur im Ansatz belegbar. Die christliche Mythologie um die Jesusfigur (ohne Belege wird man die christlichen Berichte so nennen dürfen) wird ganz unkritisch übernommen.

Ich bin auf dem Sektor nicht sehr bewandert, aber das Christentum ist doch nicht plötzlich vom Himmel gefallen. Es muss demnach vor seinen historisch belegten frühen Erwähnungen Menschen gegeben haben, die sich zu christlichen Gruppen zusammenschlossen - um einmal den Begriff "Gemeinden" außen vor zu lassen.
 
Meiner Ansicht nach kann man zwar über "frühchristliche Gemeinden" spekulieren (wie man denn über alles spekulieren kann), aber das sollte explizit in Form von Hypothesen geschehen und nicht in Form kategorischer Aussagen.

Du willst also behaupten, obwohl es mehrere Briefe und Schriften gibt, es gäbe keine belegten christlichen Gemeinden? Denkst du dann auch, dass die Figur des Sokrates hochgeschaukelt wurde und man eigentlich über Sokrates "nur spekulieren kann" und das vorallem in "Form von Hypothesen und nich in Form kategorischer Aussagen"? Denn zu ihm gibt es vorallem die Schriften von seinen Schülern Xenophon und Platon. Beide weisen Unterschiede in der Darstellung Sokrates' auf. Nur weil die Bibel auch DAS Schriftstück einer Weltreligion ist wird sie in der Geschichtswissenschaft ziemlich verachtet als Quelle...
 
Nur weil die Bibel auch DAS Schriftstück einer Weltreligion ist wird sie in der Geschichtswissenschaft ziemlich verachtet als Quelle...
Das ist kein Vorwurf welcher der Geschichtswissenschaft zu machen ist sondern allenfalls ein Vorwurf, der Leuten zu machen ist, die Geschichtswissenschaft ideologisch und/oder nach Stammtischmanier betreiben, die meinen Quellenkritik würde bedeuten, dass man feststellt, dass ein Schriftstück religiösen Ursprungs und damit in Gänze zu verwerfen sei.
 
Das ist kein Vorwurf welcher der Geschichtswissenschaft zu machen ist sondern allenfalls ein Vorwurf, der Leuten zu machen ist, die Geschichtswissenschaft ideologisch und/oder nach Stammtischmanier betreiben, die meinen Quellenkritik würde bedeuten, dass man feststellt, dass ein Schriftstück religiösen Ursprungs und damit in Gänze zu verwerfen sei.
Dann habe ich wohl bisher nur mit Leuten mit Stammtischmanier diskutiert:D
Man kann es ja differenzierter betrachten als andere Quellen, hier im Forum wird es als Quelle meistens auch nicht kategorisch abgelehnt, aber halt nur meistens..
 
Du willst also behaupten, obwohl es mehrere Briefe und Schriften gibt, es gäbe keine belegten christlichen Gemeinden? Denkst du dann auch, dass die Figur des Sokrates hochgeschaukelt wurde und man eigentlich über Sokrates "nur spekulieren kann" und das vorallem in "Form von Hypothesen und nich in Form kategorischer Aussagen"? Denn zu ihm gibt es vorallem die Schriften von seinen Schülern Xenophon und Platon. Beide weisen Unterschiede in der Darstellung Sokrates' auf. Nur weil die Bibel auch DAS Schriftstück einer Weltreligion ist wird sie in der Geschichtswissenschaft ziemlich verachtet als Quelle...

Keine Ahnung, was Chan sagen wollte, wäre aber interessant. ;)

Das Problem ist, dass wir von Jesus eigentlich nur christliche Quellen haben, die gewollt nicht objektiv sind (und ein, zwei Erwähnungen bei anderen Autoren, die vermutlich Jesus betreffen). Daher können wir über Jesus nur wenig sagen, außer dass er höchstwahrschneinlich gelebt hat. (Ein Theologe merkte dazu an, dass der Tod Jesu wesentlich besser belegt ist als seine Geburt...)

Das wäre bei Sokrates gar nicht so anders. Kein Mensch weiß , was der wirklich erzählt und gelehrt hat. Wir können das nur aus den Aussagen und evtl Lebenswegen anderer schließen, die über ihn berichten, von ihm lernten, oder sich über ihn lustig machten. Der Unterschied: Seine Schüler sahen ihn ihm nicht den Sohn Gottes oä, auch wenn Platon mE nahe dran war. Auch haben wir andere Quellen wie Aristophanes, der ihn in seinen Stücken auftreten lässt, besonders in den "Wolken". Das ist sicher auch keine objektive Darstellung, bietet aber ein wichtiges Korrektiv.

Richtig ist, das die Bibel eine sehr wertvolle Quelle ist; schon, weil wohl kein Buch im christlichen Abendland so oft kopiert wurde und von kaum einem antiken Text ältere Abschriften existieren. Aber die Bibeltexte des NT (bzw alle Teile der christlichen Überlieferung Jesu betreffend) haben eine bestimmte Intention, und die ist nicht historisch. Tukydides behauptet zumindest, das "wahre Geschehen" (TM abgelaufen) darzustellen; in wie weit das zutrifft, mögen die Historiker entscheiden, aber sie rechnen ihm die Idee mWn hoch an. Religiöse Offenbarungen haben nicht mals diesen Anspruch. ;)
 
In der Geschichtswissenschaft nahm man die Bibel mal ernster, mal weniger ernst. Die Frage ist aber nicht, ist die Bibel eine gute Quelle oder nicht, sondern wofür ist die Bibel eine gute Quelle und wofür eher nicht.
Welche Teile der Bibel sind aus geschichtlicher Betrachtung seriös, welche nicht. Was sagt uns die Bibel über ihre Verfasser, was über den zeitpunkt der Abfassung , über die Sichtweise der Verfasser uvm.
 
Es gibt nicht den geringsten historischen Beleg für a) die Existenz eines Christentums im 1. Jh. und, daraus folgend, b) die Existenz "urchristlicher Gemeinden". Es gibt also weder Belege für die Entstehung der Evangelien, der Paulusbriefe und der Apostelgeschichte im 1. Jh. noch einen archäologischen Befund für dieses Jahrhundert noch zuverlässige nicht-christliche Zeugnisse aus diesem Jahrhundert.

Ohne grundsätzlich deine kritischen Einwände hinterfragen zu wollen, aber ich habe mir einemal den Hinweis notiert, daß es ein Evangelienfragmente geben soll, der eine Textstelle bei Markus (Mk 6, 52 f) zitiere: ein Qumramtext (7. Höhle, Textquelle Nr. 5) und "[d]a diese Qumramhöhle im Jahre 68 n. Chr. versiegelt wurde, muß das Markusevangelium (oder eine Vorform) um diese Zeit schon in Qumram gelesen worden sein.“ - ich zit. wohl nach einem Autoren, der dazu auf Carsten Peter Thiede, Die ältesten Evangelienhandschriften? Das Markus-Fragment von Qumram und die Anfänge der schriftlichen Überlieferung des Neuen Testaments, Wuppertal (1986) verweist.
 
Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Es gibt nicht den geringsten historischen Beleg für a) die Existenz eines Christentums im 1. Jh. und, daraus folgend, b) die Existenz "urchristlicher Gemeinden". Es gibt also weder Belege für die Entstehung der Evangelien, der Paulusbriefe und der Apostelgeschichte im 1. Jh. noch einen archäologischen Befund für dieses Jahrhundert noch zuverlässige nicht-christliche Zeugnisse aus diesem Jahrhundert.


Wiederholen ist gut, das ist gefühlt die hundertste Diskussion zu diesem Thema mit dir, um die Historität Jesus von Nazareth. Die ersten Stücke der Evangelien findet man Anfang des 2. Jahrhunderts. Damit liegt schon eine Datierung im 1. Jahrhundert nahe. Den ohne eine Organisation wer hätte die Evangelien schreiben sollen. :confused:

Raveniks sehr allgemein gehaltener Beitrag spiegelt diese Situation, wenn auch ungewollt, 1 zu 1 wieder.

Ja ich stimme zu viel wissen wir nicht.

Der Wiki-Artikel "Urchristentum" ist ein pseudowissenschaftliches Märchen für Erwachsene. Gehen wir ihn ein bisschen durch:

Find ich schon extrem hart so eine Klassifizierung. Angesicht der Tatsache das einiges was du bei diesem Thread erzählt hast von nicht wenigen genau als solches qualifiziert worden wäre. http://www.geschichtsforum.de/f72/die-materialistische-atheistische-philosophie-45564/

Nebenbei ist klar das am meisten über eine kleine Gruppierung, die Gruppierung selbst schreibt. An uns iegt es die historischen Informationen herauszusaugen.


Ein Text, für den weder der Verfasser noch die Entstehungszeit noch die Umstände der Entstehung bekannt sind, dient also als "gute Informationsquelle".

Mehr oder weniger das Ziel ist es die Informationen über Jesus zu erhalten und zu missionieren


Leider sind die Protagonisten dieser angeblichen "Urgemeinde" historisch nicht belegt.

Jakobus und der Schreiber Josephus hust hust :winke:

"Etwa 48" - basierend auf der "guten Informationsquelle" ´Apostelgeschichte´. Die Schätzung stammt übrigens von Hans Conzelmann, einem evangelischen Theologen.

Egal die Jahreszahl irgendwann muss ja die Heidenmision begonnen haben. Evangelische Theologen neigen bei solchen Sachen übrigens nicht zu religiösen Höhenflügen.

Meiner Ansicht nach kann man zwar über "frühchristliche Gemeinden" spekulieren (wie man denn über alles spekulieren kann), aber das sollte explizit in Form von Hypothesen geschehen und nicht in Form kategorischer Aussagen.

Vieles was wir machen sind Hypothesen, die Geschichtswissenschaft ist halt nicht die Physik man kann halt Alexander oder Dschinghis Khan im Experiment nicht beweisen wie die Lichtgeschwindigkeit.

Natürlich könnten wir vor allem mit den antiken historischen Gestallten falsch liegen. 100 % sicher ist aber selbst in der Physik garnichts. Warum also so strenge Auflagen für das Christentum schmeißen wir die Quellen von Alexander dem Großen in den Mistkübel weil wir nicht daran glauben Zeus hätte seine Mutter geschwängert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Irgendwie habe ich das Bedürfnis, für Chans Argumente einzutreten, auch wenn ich es in meinem Sinne interpretiere:
Betrachtet man die vielen Annahmen zu den synoptischen Evangelien -
relilex :: Zwei-Quellen-Theorie - so sind Zweifel nicht völlig abwegig, ob diese wirklich unbedingt früher abgefaßt worden sein müßten als das Johannesevangelium, wovon als Fragment mit Versen (Joh 18, 31-33.37 f) auf einem Papyrus (Handschrift Nr. 52) gefunden worden sein soll, 1935 veröffentlicht wurde und auf 130 n. Ztr. datiert wird. Ich habe übrigens noch kurz zum Qumram-Fund recherchiert, den ich im andern Beitrag von mir zitiere: Es könnte gute Argumente geben, daß es gar kein Markus-Fragment wäre (vgl. Mein Buch Kein Markustext in Qumran).

Freilich bleiben darüber hinaus neben der Apostelgeschichte, auch wenn sie erst nach dem ersten Jh. n. Ztr. wäre, noch immer ein paar Paulusbriefe, die als echt gelten und insofern auch den deutlichen Hinweis auf irgendetwas liefern, was als Urchristentum bezeichnet werden muß, daß auf irgend eine Art und weise an das anknüpfend angenommen werden muß, was als sog. Jesus-Bewegung bezeichnet wird. Daß bei einer Rekonstruktion des frühen Christentums von seinen Anfängen aber mit vielen Hypothesen gearbeitet wird, darauf weist Chan meiner Ansicht trotzdem zu recht hin. Gerade die auf die Christus-Mythe (Drews) aufbauende Überlieferungen, deren Tradition von Dogmen durchsetzt ist, mit einer gewissen Skepsis zu behandeln, ist in historischer Absicht durchaus legitim.
 
Freilich bleiben darüber hinaus neben der Apostelgeschichte, auch wenn sie erst nach dem ersten Jh. n. Ztr. wäre, noch immer ein paar Paulusbriefe, die als echt gelten und insofern auch den deutlichen Hinweis auf irgendetwas liefern, was als Urchristentum bezeichnet werden muß

Chan lässt weder Paulus noch Paulusbriefe gelten. Die Briefe könnten nämlich allesamt gefälscht sein und Paulus eine Erfindung des 2. Jahrhunderts.

Nimmt man hinzu, dass ein Paulus im 1. Jh. nicht nachweisbar ist, dass die ersten Paulusbriefe erst um 140 vom Gnostiker Marcion herausgegeben wurden und dass viele Briefstellen zeigen, dass der Ich-Verfasser selbst gnosisnahe Positionen vertritt, dann bietet sich leicht die Hypothese an, dass die Briefe ursprünglich von Marcion selbst angefertigt und in der Folge von den Katholiken annektiert und überarbeitet wurden,
...
Die Indizien für die These, dass ´Paulus´ eine Erfindung des 2. Jh. ist, haben meines Erachtens mindestens so viel Gewicht wie die – man darf sagen – historisch alles andere als zuverlässigen Darstellungen der ´Paulusbriefe´ sowie der Apostelgeschichte.

Bei den "Indizien" empfehle ich, genauer hinzuschauen. Handelt es sich um Fakten oder um Behauptungen?

Es gibt mehrere Indizien für die Fiktionalität des Paulus, nicht zuletzt sein merkwürdiges Schweigen über biografische Details seines Idols Jesus und der Verzicht auf Bezugnahme auf auch nur ein einziges Jesus-Wort.

Dass die Behauptung des "Verzichts auf Bezugnahme auf auch nur ein einziges Jesus-Wort" schlicht falsch ist, hatten wir schon in einem anderen Zusammenhang.
 
Chan lässt weder Paulus noch Paulusbriefe gelten. Die Briefe könnten nämlich allesamt gefälscht sein und Paulus eine Erfindung des 2. Jahrhunderts.

Für diesen Hinweis danke ich dir, so habe ich über die entsprechende Suchfunktion einen Thread gefunden, wo genau das diskutiert wird: http: //www.geschichtsforum.de/f30/datierung-der-evangelien-44521/ - wo u. a. neben Hermann Deterings Relektüre der Radikalen Textkritik, die gerade als Quelle für die These eines sehr fiktiven Paulus ausgebeutet werden kann, wie die Kritik Volker Stollers daran, die allerdings wiederum wenig überzeugt. Irreführend bei der dabei lancierten Thesenbildung erscheint mir nur die Rede von einer Fälschung, so als gäbe es nur eine richtige, "wahre" Überlieferung, die zu leicht in Glaubensfragen sich erübrigt, wodurch sich die historischen Fragestellungen stillschweigend verflüchtigen.

Bei den "Indizien" empfehle ich, genauer hinzuschauen. Handelt es sich um Fakten oder um Behauptungen?

Es ist mutig, von "Indizien" zu sprechen, wo einem von der theologischen Konvention her vermeintliche Fakten entgegen gehalten werden können. Zum Beispiel finde ich einen gnostischen Zusammenhang oder mindestens Einfluß auf die Entstehung des Christentums gar nicht abwegig. (Freilich würde ich deinen Einwand hinsichtlich der weitgehenden Behauptung einer ursprünglichen Markionischen Paulus-"Fiktion" vorläufig recht geben, weil es schwierig sein dürfte, die These durchzuführen mangels einer Markionischen Pauluserzählung (vgl.Marcion als Zeuge für ein vorkatholisches Christentum* 1), wenn ich das richtig verstehe.

Wofür ich plädieren möchte: daß die obsolet erscheinende radikale Quellenkritik durchaus der Evaluation wert wäre, denn sie kennzeichnet einen Kenntnisstand oder wenigstens ein historisches Bewußtseins, hinter den/die - wie mir manchmal scheint - die Geschichtsschreibung des Christentums heute z. T. zurückgefallen ist. Eine solche Relektüre sollte freilich widerum nicht neuere Erkenntnisse oder meinethalben Hypothese über das früheste Christentum ignorieren, wie ich als Beispiel Hubert Frankemölle anführen würden: Frühjudentum und Urchristentum: Vorgeschichte - Verlauf - Auswirkungen (4 ... - Hubert Frankemölle - Google Books - z. B. seine hüpsche Graphik der "Richtung des Urchristentum als Reformjudentum" (S.260) - auch noch als ein sinnvoller Literaturhinweis zum Thema des hiesigen Threads verwertbar.
 
(Freilich würde ich deinen Einwand hinsichtlich der weitgehenden Behauptung einer ursprünglichen Markionischen Paulus-"Fiktion" vorläufig recht geben, weil es schwierig sein dürfte, die These durchzuführen mangels einer Markionischen Pauluserzählung [...]

Das ist beileibe nicht die einzige Schwierigkeit für die Radikalkritiker. Z. B. mussten sie auch die Briefe des Ignatius von Antiochien und den ersten Clemensbrief nachdatieren, um ihre These vom "Paulus-Erfinder" Marcion überhaupt aufstellen zu können.
Die Behauptung, Marcion habe Paulus und seine Briefe erfunden, ist so sinnvoll wie die Behauptung, Justinus der Märtyrer habe Marcion samt Paulus und seinen Briefen erfunden. Da kann man noch eher diskutieren, ob die amerikanische Mondlandung im Walt-Disney-Filmstudio gedreht wurde.
 
Das ist beileibe nicht die einzige Schwierigkeit für die Radikalkritiker. Z. B. mussten sie auch die Briefe des Ignatius von Antiochien und den ersten Clemensbrief nachdatieren, um ihre These vom "Paulus-Erfinder" Marcion überhaupt aufstellen zu können.

Naja, ich weiß nicht, ob man polemisch auf Thesen reagieren muß, die einem nicht gefallen ... Ich habe zumindest in dem Link zur Gnostik noch einmal nachgelesen, aber du gibst es simplifiziert wieder, aber in der Tendenz stimmt es schon, wie du sagst und ich weiß nicht recht, inwieweit das notwendig oder schlüssig wäre, obwohl Überlegungen zu Redigierungsprozessen nicht illegitim sind. Ich war leider selbst irgendwann mit Gnostik-Recherchen an vorläufige Grenzen gekommen, weiß aber nicht mehr warum - vielleicht hätte ich mich der Lektüre der Patriarchenliteratur einarbeiten müssen ... Mir leuchtet aber eigentlich auch gar nicht ein, warum ein Paulus aus der Geschichte eliminiert werden muß - ohne seine Ambitionen ist der Erfolg des Christentums doch sonst irgendwie gar nicht zu erklären...
 
Für diesen Hinweis danke ich dir, so habe ich über die entsprechende Suchfunktion einen Thread gefunden, wo genau das diskutiert wird: http: //www.geschichtsforum.de/f30/datierung-der-evangelien-44521/ - wo u. a. neben Hermann Deterings Relektüre der Radikalen Textkritik, die gerade als Quelle für die These eines sehr fiktiven Paulus ausgebeutet werden kann, wie die Kritik Volker Stollers daran, die allerdings wiederum wenig überzeugt.
Der Satz ist unvollständig. Was wolltest Du eigentlich sagen?

Es ist mutig, von "Indizien" zu sprechen, wo einem von der theologischen Konvention her vermeintliche Fakten entgegen gehalten werden können.
Auch hier ist mir nicht klar, worauf Du hinauswillst.
Vielleicht habe ich mich selber unklar ausgedrückt. Was ich sagen will:
Es ist falsch, von "Indizien" zu sprechen, wenn einfach falsche Behauptungen aufgestellt werden.
Egal was irgendwelche theologischen Konventionen besagen: In den Paulusbriefen wird an mehreren Stellen auf Jesus-Worte Bezug genommen. Das ist Fakt.
Egal ob diese Jesus-Worte authentisch sind oder nicht und egal, ob die Paulus-Briefe von einem Paulus geschrieben wurden oder von jemand anderem: Die Behauptung, es werde "auf kein einziges Jesus-Wort Bezug genommen", ist falsch.

Wofür ich plädieren möchte: daß die obsolet erscheinende radikale Quellenkritik durchaus der Evaluation wert wäre, denn sie kennzeichnet einen Kenntnisstand oder wenigstens ein historisches Bewußtseins, hinter den/die - wie mir manchmal scheint - die Geschichtsschreibung des Christentums heute z. T. zurückgefallen ist.
Darüber können wir gern diskutieren, aber bitte anhand von konkreten Argumenten.
 
Zurück
Oben