Wie sahen die Nichtchristen die Christen

Rafael

Aktives Mitglied
Ein Referat, das ich für einen Kurs über Minderheiten im römischen Reich vortragen musste, hatte das obige Thema. Da es einige Standpunkte zusammengefasst aufzeigt, möchte ich es hier auch abtippen (auch wenn ich noch auf die Benotung warte):

I. Einleitung
Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie die Nichtchristen der ersten zwei Jahrhunderte nach Christus die Christen sahen. Möchte man verstehen, wie es zu den Christenverfolgungen kommen konnte und mit welchen Problemen die frühen Christen in der Gesellschaft konfrontiert waren, dann ist es unerlässlich danach zu fragen, welches Bild die Nichtchristen von dieser neuen Religionsgemeinschaft hatten.
Zur Bearbeitung der Frage ist diese Arbeit in drei große Punkte gegliedert. Der erste Punkt beschäftigt sich mit dem Denken über die Christen und unter diesem wird dargestellt welche Vorwürfe und Gerüchte es gegen das Christentum gab, dass das Christentum unter anderem auch als politische Vereinigung, philosophische Schule und als gegengesellschaftliche Strömung angesehen wurde. Im zweiten Punkt wird darauf eingegangen, wie es zu dem Denken der Nichtchristen über die neue religiöse Bewegung kam. Der letzte Punkt fasst zum Schluss die Essenz der Arbeit zusammen und zeigt die Bedeutung und die eventuellen Folgen des Denkens über die Christen auf.
Zu den Quellen über das Denken der Nichtchristen ist noch zu erwähnen, dass uns wenige Quellen von Nichtchristen überliefert sind, die meisten Sichtweisen auf das Christentum sind uns durch die Schriften der Apologeten überliefert, die versuchten das Christentum gegen die Anschuldigungen zu verteidigen.



II. Das Denken über die Christen

II.I Gegenargumente, Vorwürfe und Gerüchte gegen das Christentum

Eine gute Zusammenfassung der Gegenargumente, Vorwürfe und Gerüchte gegen das Christentum lässt sich in Felix Minucius Apologeticum „Octavius“ finden, so dass die folgenden Beispiele über die Meinungen der Nichtchristen über die Christen größtenteils aus diesem Werk entnommen sind.
Das Bild, dass sich die Nichtchristen in den ersten 2 Jahrhunderten nach Christus von den Christen machten, stempelte letztgenannte als dumm und ungebildet ab. Zudem kam hinzu, dass die Christen von sich behaupteten, sie würden die Wahrheit kennen, während die Nichtchristen ihnen vorwarfen, sie seien nur zu müßig, um nach der wahren Wahrheit zu suchen. Auch wurde es als anmaßend empfunden, dass die Christen als ungebildete Menschen behaupteten etwas zu kennen, über das sich viele Philosophen schon lange Zeit Gedanken machten.
In vielen Quellen werden die Christen auch als abergläubisch gekennzeichnet. So schreiben sowohl Plinius, wie auch Tacitus und Suetonius von superstitio (Aberglaube), wenn sie über das Christentum schreiben.
Ein sehr heftiges Gerücht über die christlichen Gemeinden war das der Kriminalität. Ihnen wurde zum einen die Unzucht vorgeworfen, sie hätten Inzest und sexuelle Orgien begangen. Zum anderen wurde ihnen auch der Mord, Kindesmord, das Trinken von Blut und das Essen von Menschenfleisch nachgesagt. Es gibt Schilderungen von Initiationsriten bei denen ein Kind in Teig gewickelt wurde, damit der Initiant dieses unwissentlich mit Stichen tötete, damit daraufhin die Gemeinde sich auf das Fleisch und das Blut des Kindes stürzen konnte. Bei einem anderen Initiationsritus soll ein Priester ein Kind auf den Rücken geschleudert haben, so dass dieses starb. Danach habe er das Herz herausgeholt, es gebraten und den Initianten zu essen gegeben.
Dann wurde den Christen auch vorgeworfen, dass sie sich von der Gesellschaft abkapselten und am gesellschaftlichen und kulturellem Leben der Stadtgemeinden nicht mehr teilnahmen. Die Christen sollen die römischen Ämter, Priester und Götter verhöhnt und verspottet haben. Diese beiden Vorwürfe beziehen sich auf reale Verhältnisse, da sich die Christen von den heidnischen Götzendiensten abwandten und ihnen zum Beispiel die Spiele als unmoralisch galten. Dies bedeutete nicht nur, dass sie sich aus dem religiösen Leben abwendeten, da die Religion eng verbunden mit der Politik war, wendeten sie sich in den Augen der nicht Christen gegen den Staat selbst. Das hatte nicht nur zur Folge, dass sich die Christen so zu Außenseitern machten, sie wurden nämlich trotz dem Gebot der Nächstenliebe von manchen Nichtchristen, wie zum Beispiel Tacitus, als menschenverachtend empfunden, da sie sich so von den restlichen Menschen der Gesellschaft abwandten.
Der Monotheismus der Christen wurde ihnen in zweifacher Weise zum Verhängnis, denn die Menschen hatten Angst, dass die Christen durch die Verleumdung der Götter den Zorn dieser auf die Menschen lenken würden und machten somit die Christen zu Schuldigen an Katastrophen und Unglücken und zweitens galten die Christen als Verräter, weil sie die regionalen Stadtgottheiten verleumdeten. Bei den Juden war es zum Beispiel anders, diese brachten ihre eigene alte Religion in das Römische Reich mit und sprangen nicht so wie die Christen von dem Glauben an die Götter der Regionen ab. Da die Christen in ihrem monotheistischen Glauben auch den Kaiserkult nicht anerkennen konnten, wurden sie sogar als Hochverräter angesehen.
Und zu guter letzt bleibt noch zu erwähnen, dass weitere kleinere Gerüchte gegen die Christen umgingen, die ihnen nachsagten, sie würden einen Eselskopf verehren oder die Genitalien ihres Oberpriesters anbeten.

II.II Die Christen als politische Vereinigung
Die christlichen Gemeinden wurden von den Nichtchristen unterschiedlich charakterisiert und wurden damit auch verschiedenen Gruppierungsarten zugeordnet.
In einem Brief an den Kaiser Trajan schreibt der Statthalter der Provinz Pontus-Bythinien Plinius zum Beispiel über eine christliche Gemeinde und bezeichnet diese als eine hetaeria. Der Begriff hetaeria kann mit „Verein“ („association“) übersetzt werden. Solche hetaeriae gab es seit dem 3. Jahrhundert vor Chr. in Rom und sie stellten Gemeinschaften von Menschen dar, die den gleichen Beruf bzw. die gleichen Interessen hatten. Die Mitglieder dieser hetaeriae trafen sich, speisten und tranken zusammen und unterhielten sich über ihre jeweiligen Interessen. Die hetaeria wurde aber nicht nur als ein Verein verstanden, der unter sich blieb, sondern man sprach auch von hetaeria im Sinn einer „politischen Vereinigung“ („political club“). Zu dieser Bewertung der heteriae kam es dadurch, dass diese durchaus das Potential hatten politisch aktiv zu werden. Manche hetaeriae halfen nicht nur beim Wahlkampf eines Kandidaten für ein Magistrat, sondern sie wurden auch für Unruhen in der Bevölkerung verantwortlich gemacht und deshalb auch von den örtlichen Magistraten nicht aus den Augen gelassen.
Interessant an diesem Punkt ist, dass Plinius das Christentum hier nicht als religiöse Gemeinschaft benennt, sondern mit der Bezeichnung hetaeria also als eine politische Gruppierung darstellt. D.h. dass nach Ansicht von Plinius die christlichen Gemeinschaften auch potentielle Unruhestifter im gesellschaftlichen Leben sein konnten.

II.III Das Christentum als philosophische Schule
Der Philosoph und Mediziner Galen, sah das Christentum aus einem anderen Blickwinkel als Plinius, der im letzten Abschnitt genannt wurde. Galen nämlich reiht das Christentum unter den philosophischen Schulen ein. Dies bedeutet aber nicht, dass er das Christentum gut hieß, er betrachtete sie lediglich auf einer anderen Ebene.
Auch der Heide Cäcilius im Octavius von Minucius Felix bringt das Christentum mit der Philosophie in Berührung, doch spricht er seinen Hohn deutlich aus, wenn er das Christentum als „gottlose Pseudophilosophie“ (1) bezeichnet.

II.IV Die Christen als eine gegengesellschaftliche Strömung
Der griechische Philosoph Celsus schrieb um das Jahr 170 n. Chr. ein Buch, dass sich gegen die Christen wandte. Dieses Buch ist uns nur in Fragmenten überliefert, doch es lässt zu, dass man sehr gut die Meinung der gebildeten Menschen über das Christentum im 2. Jahrhundert sehr gut erkennen kann. Der christliche Apologet Origen zitiert den Text des Celsus sehr oft in seinem Werk Contra Celsum und so haben wir einen Einblick auf das Denken dieses intellektuellen Nichtchristen.
Neben den Vorwürfen gegen das Christentum, die schon genannt wurden, kann man bei Celsus noch einen weiteren Kritikpunkt entdecken. Er wirft den Christen zum einen vor, wie es andere auch schon vor ihm taten, dass sie gegen den römischen Staat waren, doch er geht weiter und ist davon überzeugt, dass das Christentum zu einer gegengesellschaftlichen Strömung werden und damit einen Teil der römischen Gesellschaft abspalten könnte.


III. Gründe für das Bild, das Nichtchristen von den Christen hatten
Die Christen wurden also als staatsgefährdende Gemeinschaft verfolgt und mussten gegen viele Gerüchte und Vorwürfe ankommen, obwohl in ihrer Religion moralisches Verhalten einen hohen Stellenwert hatte und obwohl sie den Kaiser in ihre Gebete einschlossen und ihn meist auch als weltlichen Herrscher anerkannten, galten sie als Kriminelle und Hochverräter.
Die Sicht der Nichtchristen auf die Christen lässt sich aber dennoch erklären. Die Christen nämlich wendeten sich gegen die heidnischen Rituale und das heidnische Leben und in den Augen der Römer verleumdete jeder alle Gottheiten, der die römischen Gottheiten verleumdete. Und auch wenn sie den Kaiser als weltlichen Herrscher annahmen und ihn in ihre Gebete einschlossen, so lehnten sie den Kaiserkult ab, was skandalös war und sogar als Signal aufgenommen werden konnte, dass die Christen Unruhestifter oder gar Widersacher des Römischen Reiches waren.
Ein weiterer Grund für das schlechte Ansehen der Christen war, dass sie sich den Volkszorn zugezogen hatten, indem sie sich zum einen von der Gesellschaft distanzierten und damit als menschenverachtend angesehen wurden. Zum anderen zogen sie den Zorn der Bevölkerung auf sich, da sie ihre Rituale und Zusammenkünfte im Heimlichen verrichteten. Dieses Vorgehen schürte bei der nichtchristlichen Bevölkerung die Angst, dass die Christen mit ihrer Abkehr von der Religion und durch ihre Rituale den Zorn der Götter heraufbeschwören würden und damit Katastrophen und Unglücke auslösten.
Zu beachten ist auch, dass viele Menschen das Christentum nur vom Hörensagen kannten und gar nicht direkt damit in Berührung gekommen sind. Die o.g. Gerüchte und Vorwürfe konnten so und zudem auch dadurch sehr gut gedeihen, dass die Christen, wie oben schon erwähnt, ihre Rituale heimlich durchführten.


IV. Fazit
Die Nichtchristen der ersten Jahrhunderte nach Christus hatten kein gutes Bild von den Christen und dem Christentum. Obwohl die Christen größtenteils friedfertig mit der restlichen Bevölkerung zusammenlebten, kamen bei Reibepunkten, Problemen und oft auch durch die selbsteingeleitete Isolation heftige Stimmen, die sich vielen Vorurteilen bedienten, die die Christen als Kriminelle sahen und für Katastrophen verantwortlich machten, gegen die Christen auf.
Auch gab es intellektuelle Auseinandersetzungen mit dem Christentum, die dieses aber als Aberglauben und Pseudophilosophie ansahen, der nur dumme und ungebildete Menschen folgten.
Die Christen wurden zu Sündenböcken und durch dieses negative Bild, das die Nichtchristen von den Christen hatten, war das Fundament für die Verfolgung der Christen gegeben.

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benutzte Quellen:
Lepelley, Claude: Die Christen und das Römische Reich, in: L. Pietri (Hrsg.), Die Geschichte des Christentums. Die Zeit des Anfangs (bis 250), Freiburg u.a., 2005.

Wilken, Robert L.: The Christians as the Romans saw them, Yale University, New Haven u.a. 1984.

Minucius Felix, M.: Octavius. (Hrsg.) Bernhard Kytzler, München 1965.

(1) Minucius Felix, M.: Octavius. (Hrsg.) Bernhard Kytzler, München 1965, S.67.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und was dachten die Juden über die Christen?

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie die Nichtchristen der ersten zwei Jahrhunderte nach Christus die Christen sahen.

Ich vermisse in diesem Beitrag massiv, was die Juden über die aus ihnen entstandene Sekte der Christen dachten; und was sie deshalb taten.

Thorwald
 
Ja da hast Du recht. Bei der Bearbeitung für das Referat ist das in diesem Sinne okay, da mein Dozent es vor allem auf die Sicht der Römer beschränkt sehen wollte. Aber eigentlich muss hier auch die Sicht der Juden behandelt werden. D.h. wieder Bücher wälzen. :)
 
Es gibt ein berühmtes Graffito, es zeigt einen gekreuzigten Esel und den Spruch "Marius(?) betet seinen Gott an"

Der Esel war im gräco-ägyptischn Raum ein Symbol für Seth, den Gott dr Wüste. Und er war auch Metapheer für die Wüstenvölker, auch für die Juden. Also wenn ein hellenistisches Spottbild Jesus als Esel zeigt, muß man annehmen das man zu dieser Zeit Christen und Juden noch gleichsetzte und als "heide" keinen Unterschied emfand.
 
Es gibt ein berühmtes Graffito, es zeigt einen gekreuzigten Esel und den Spruch "Marius(?) betet seinen Gott an"

Die Inschrift aus dem 3. Jh lautetet:
Alexamenos betet seinen Gott an.
Die Interpretation scheint mir komplexer.
 

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Es gibt ein berühmtes Graffito, es zeigt einen gekreuzigten Esel und den Spruch "Marius(?) betet seinen Gott an"

Der Esel war im gräco-ägyptischn Raum ein Symbol für Seth, den Gott dr Wüste. Und er war auch Metapheer für die Wüstenvölker, auch für die Juden. Also wenn ein hellenistisches Spottbild Jesus als Esel zeigt, muß man annehmen das man zu dieser Zeit Christen und Juden noch gleichsetzte und als "heide" keinen Unterschied emfand.

Das hat der Grafitto-Maler sicher nicht gewusst.

Tertullian schreibt in seiner Apologie: Denn wie gewisse andere Autoren faselt ihr davon, dass ein Eselskopf unser Gott sei.


Das "Wort "faseln" (somniastis) deutet nicht auf eine Verwechselung mit Seth hin, sondern einfach auf eine "Eselei", also "Der Gekreuzigte war ein Dummkopf."

 
Ja Alexamenos und der Esel, den er anbetet, sind auch mir bei den Recherchen begegnet. Und in Die Geschichte des Christentums (Hrsg. L. Pietri) stellte man es als eine der vielen Beleidigungen, die man gegen die Christen aussprach, dar. Auch der Apologet Minucius Felix nennt an einer Stelle, dass den Christen vorgeworfen wurde, sie würden einen Esel anbeten und dies an dem Punkt, wo auch Vorwürfe genannt werden, wie zum Beispiel, dass Christen die Genitalien ihres Priesters anbeten würden.
 
Was mir noch zum Vorwurf des Kannibalismus im Kopf geblieben ist: Als verdächtig konnte erscheinen, dass die Christen schließlich beim Abendmahl "Leib" und "Blut" ihres Herrn zu sich nahmen (bin mir nicht sicher ob das in dieser sehr frühen Phase bereits so war).
Sie sprachen von "Nächstenliebe" und trafen sich mehr oder weniger heimlich => Orgien, Sodomie u.ä.
Sie nannten sich "Brüder" und "Schwestern" => Inzest
[aus einer Vorlesungssitzung]
 
Im Octavius von Minucius Felix wird durch den Heiden nicht nur vorgeworfen, dass die Christen heimliche Zusammenkünfte (Festessen) hatten, bei denen es zu Sexorgien kam, bei denen jeder mit jedem (egal ob Verwandt, egal welches Alter, egal welches Geschlecht) "schlief" - also ist hier schon mal die erste Möglichkeit für Inzest -, sondern er wirft ihnen auch vor, wie Du (Turambar) schriebst, dass sie den Inzest auch noch untermauerten und dort daraus einen machten, wo keine Verwandschaft bestand, indem sie sich Brüder und Schwestern nennen. Wenn es um die Vorwürfe der sexuellen Perversion geht, da habe ich von heftigeren Beispielen gelesen, die hier nicht unbedingt hinmüssen.
Interessant in diesem Punkt finde ich, dass die christlichen Gemeinden sich auch gegeneinander all solche Dinge vorgeworfen haben sollen. Die christlichen Gemeinden waren nämlich nicht homogen und bei einem Apologeten habe ich auch gelesen, dass er sagte, er wolle verhindern, dass man von den kleinen Gemeinden bei denen die Vorwürfe Realität seien auf die wahren christlichen Gemeinden schließe.
 
Zitat:" nicht auf eine Verwechselung mit Seth" ich sprach nicht von einer Verwechselung sondern von einer Versinnbildlichung. So ähnlich wie der John Bull für die Briten steht usw. Spektrum der Wissenschaft "Abenteur Archeälogie" *ich weiß aber jetzt nicht welche Ausgabe."

Von diesen Sexorgien las ich auch schon oft. Es waren aber eher gnostische Gruppen, aber konnte der Durchschnittsrömer den unterscheiden ob es Frühchristen oder gnostische Christen waren?
 
Ich meine es war in Robert Wilken`s The Christians as the Romans saw them, wo gesagt wurde, dass wohl die wenigsten Römer überhaupt in Berührung mit den Christen kamen und diese folglich nur vom Hörensagen kannten. Da wir hier bis jetzt auch dargestellt haben, was so gesagt wurde über die Christen, können wir uns auch vorstellen, was die Leute von ihnen gehört haben können. ;)
Nach Wilken dürften solche Unterscheidungen dem Durchschnittsrömer also nicht gelingen. Im ersten Beitrag dieses Threads erwähnte ich Plinius; auch von diesem sagte Wilken, dass er wahrscheinlich die Christen nur vom Hörensagen kannte, bis er dann nach Pontus-Bythinien kam und mit der Problematik der Christen konfrontiert wurde. Hier ließ er ja auch zwei Christinnen (? bin mir nicht mehr sicher) befragen, wie es bei den christlichen Zusammenkünften herging. Er schrieb dann auch an den Kaiser Trajan, dass es harmlose Gastmähler seien, die die Christen veranstaltet haben. Da sich Plinius auch erst über die realen Begebenheiten der christlichen Gemeinden informieren musste, ist die These von Wilken nicht abwegig.
 
Endlich habe ich die Arbeit zurück, und da ich meine Note gerne sage, dürft ihr erfahren, dass es eine 2,0 ist.
Doch jetzt erst das Interessante für das Forum:
Die Bedeutung des Wortes superstitio kann man nicht ganz mit der Bedeutung von Aberglaube gleichsetzen. Dies sei aber ein zu spezielles Problem, so die Anmerkung.
Was hat es denn genau auf sich mit der superstitio? Weiß das jemand?
 
Danke für den link. Das heisst also, dass man den Begriff superstitio immer im Hinblick auf die Zeit, in der er gerade genutzt wurde, übersetzen muss.
Bezogen auf die Christen ist superstitio also zunächst einmal als Bezeichnung von einem illegalen bzw. schlechten Kult zu sehen, später aber - so dann zum Beispiel von Cicero - doch als Aberglaube, wie im o.g. Text.
(sofern Wikipedia die Wahrheit spricht ;) - klingt aber gut)
 
Ich hätte da noch einen Beitrag beizusteuern, aus der Zeit der Völkerwanderung:
Daß die nichtchristlichen Langobarden der 70er Jahre des 6. Jh. die Bräuche der Christen in Italien nicht verstanden, wird an folgender Erzählung über den hl. Hospitius sehr deutlich:
In Erwartung der Langobarden, die als Gottesgericht in die Provence einfallen sollten, hatte sich der Heilige in der Nähe von Nizza als Klausner in einem steinernem Turm einmauern lassen, aß, wie sonst auch, nichts als trockenes Brot und Datteln und nährte sich in der Fastenzeit von den "Wurzeln ägyptischer Kräuter, wie sie dort die Einsiedler genießen - Kaufleute brachten sie ihm mit. Zuerst trank er die Brühe, worin sie gekocht waren, nachher genoß er sie selbst."
Als die plündernden Langobarden seinen Turm entdeckten, zeigte er sich hoch oben am kleinen Fenster. Da der Turm zugemauert war, blieb den beutegierigen Kriegern nichts anderes übrig, als außen am Turm auf das Dach zu steigen und dieses abzudecken. Als sie den bußfertigen Hospitius im härenen Kleid und mit Eisenketten behängt erblickten, hielten sie ihn für einen Schwerverbrecher und ließen ihn durch einen Dolmetscher nach seinem Verbrechen fragen... Die Langobarden, auch der lateinischen Sprache nicht mächtig, standen dem Phänomen des asketischen Mönchs völlig verständnislos gegenüber.
Häufige Überlieferungen aus Italien gibt es über sogennannte Hängeopfer der Langobarden. Besonders häufig wird dabei berichtet, daß Mönche oder Kleriker getötet bzw. geopfert wurden. Das mag damit zusammenhängen, daß Morde an geweihten Priestern oder Mönchen naturgemäß als besonders abscheulich empfunden wurden. Die heidnischen Langobarden konnten oder wollten den Unterschied zwischen Geistlichen und Laien nicht wahrnehmen. So wurden Mönche von den Langobarden ins Freie gezerrt, ohne Rücksicht auf die Heiligkeit des Ortes und das Asylrecht, wo sie dann grausam mißhandelt oder mit dem Schwert getötet wurden oder mehrere Mönche an den Ästen desselben Baumes aufgehängt wurden, wo "sie noch am selben Tag starben". Gefangene Feinde wurden dem Kriegsgott geopfert, ein Opferritual, über das bereits Tacitus (um 90 u. Z.) berichtete.
 
kann man nicht sagen, dass die juden sich gegen das christentum waren, weil dieses jüdisch angesehen wurden, sich aber von den gesetzen der juden immer stärker abwandte?
 
kann man nicht sagen, dass die juden sich gegen das christentum waren, weil dieses jüdisch angesehen wurden, sich aber von den gesetzen der juden immer stärker abwandte?

Meines Wissens nach sahen sich die Christen nach Jesu Tod nicht als Juden, denn das Christentum stellte, so wie es für mich aus der Literatur ersichtlich ist, einen neuen Kult dar. Die Juden wandten sich, so ist meine Meinung ohne mich nochmals mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben, gegen das Christentum, da dieses ja auf jüdischer "Basis" entstanden ist und zwar mit Jesus als den erwarteten Messias. Die Juden glaubten aber nicht, dass Jesus der Messias gewesen sein soll. Insofern könnte man dann vielleicht sagen, dass die Juden das Christentum wahrlich nicht "mochten", da sie es als eine Sekte ansahen.
Kann es im Moment aber nicht wissenschaftlich begründen.
 
Meines Wissens nach sahen sich die Christen nach Jesu Tod nicht als Juden, denn das Christentum stellte, so wie es für mich aus der Literatur ersichtlich ist, einen neuen Kult dar. Die Juden wandten sich, so ist meine Meinung ohne mich nochmals mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben, gegen das Christentum, da dieses ja auf jüdischer "Basis" entstanden ist und zwar mit Jesus als den erwarteten Messias. Die Juden glaubten aber nicht, dass Jesus der Messias gewesen sein soll. Insofern könnte man dann vielleicht sagen, dass die Juden das Christentum wahrlich nicht "mochten", da sie es als eine Sekte ansahen.
Kann es im Moment aber nicht wissenschaftlich begründen.

ja... das war auch eher auf die anfänge des christentums bezogen...

es stimmt, dass die juden jesus nicht als den messias sahen. sie warteten weiter auf ihrten erlöser und sahen in jesus eher einen "feind", denn er krempelte ja ihre sitten um
 
Aus Sicht der Juden gab es vordergründig v.a. zumindest die folgenden zwei grundlegenden Aspekte, durch welche die Christen bereits während der ersten Jahrzehnte - also der Zeit ab der Abspaltung vom Judentum - diametral zur jüdischen Religion standen:
  1. Multiethnische Ausrichtung der Christen: Aufnahme von Heiden und nicht mehr vordergründig das auserwählte Volk.
  2. Eintritt in die Gemeinde durch die Taufe und nicht - wie traditionell im Judentum - durch Beschneidung.

Dies sind an der Stelle jedoch lediglich die beiden Punkte, die mir auf Anhieb eingefallen sind - ergo muß diese Auflistung nicht vollständig sein.
 
Sektiererische Gruppen gab es im Judentum zwischen der Makkabäerzeit bis Bar Kokhba mehrere und verschiedene davon hatten Messiasgestalten als Anführer. Das Christentum war also kein Einzelfall aus antiker jüdischer Sicht - was den besonderen Fall ausmachte, ist, dass sich der Kult nach dem Tod des Anführers weiter ausbreitete, ihn "vermarkten" konnte.

Rafael schrieb:
Meines Wissens nach sahen sich die Christen nach Jesu Tod nicht als Juden, denn das Christentum stellte, so wie es für mich aus der Literatur ersichtlich ist, einen neuen Kult dar.

Dem widerspricht aber die in der Apostelgeschichte geschilderte Auseinandersetzung der Befürworter der Öffnung der Gruppierung auf Heiden und ihrer Gegner. Hier war das Christentum noch an einer Schwelle, die es nicht hätte überschreiten müssen (<== Dies soll nicht pseudopoetisch sein, mir fiel gerade nur keine vernüntigere Formulierung ein!)
 
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