Skulptur Projekte Münster

Mummius Picius

Premiummitglied
Da haben wir ein schönes kunsthistorisches Experiment: in einer mittelgroßen Stadt werden alle zehn Jahre Kunstwerke aufgestellt/integriert/installiert; einige bleiben, andere werden noch während der Ausstellungszeit zerstört, wieder andere zerstören sich selbst oder haben eine natürliche Verfallszeit. Derzeit läuft die vierte Aktion seit 1977: und eigentlich ist das Konzept so einfach wie genial, da man davon ausgehen kann, dass im 10-Jahres-Turnus die Verantwortlichkeiten, finanziellen und städtebaulichen Möglichkeiten und natürlich auch die künstlerischen Strömungen sich verschoben haben werden.

Erstaunlicherweise findet man aber mehr Kontinuität als Dissonanz. Die Kugeln Claes Oldenburgs am Aasee stehen da wie 1977, frisch gereinigt und proper genau "wie neu"; die Betonringe Donald Judds von 1977 sind zwar mittlerweile beliebter Grill- und Lagerfeuerplatz, sind aber sicher genau so in die Landschaft eingewachsen wie Pawel Althamers "Pfad" von 2007 es sein soll. Mit Bruce Naumans "Square Depression" wurde sogar ein Projekt verwirklicht, das er 1977 nicht verwirklichen konnte: 30 Jahre später hat es den gleichen Bezug (oder Nichtbezug) zur Umgebung wie 1977. Thomas Schüttes Kirschensäule, 1987 im schrillen Kitschkontrast auf einem unterhosenlangweiligen Parkplatz, wurde mittlerweile von der Stadtverniedlichung eingeholt und steht im lauschigen Schatten eines dicken Baums in einer Fußgängerzone ... ein seltsamer und seltener Fall davon, wie Kunst prägend wirken kann, auch wenn die eigentliche Aussage des Werks (dabei) verloren geht.

Einen schönen Schritt mitten in das langfristige Projekt macht die Installation von Dominique Gonzalez-Foerster; sie platzierte in die Mulde eines alten Festungsgrabens eine Menge kleiner Repliken alter und neuer Objekte der Skulptur Projekte; und schuf so einen Orientierungsplatz, ein Panoptikum und ein Legoland des bisherigen Geschehens. Viele Leute streiften durch diese Installation, begeisternd auf das eine, das andere zeigend und glücklich Wiedererkennung und Wiedersehen feiernd, vielleicht hatten eine Menge Leute aber auch plötzlich das komische Gefühl, das mich befiel: was hat sich eigentlich geändert in den dreißig Jahren?

Denn die Objekte lagen da friedlich und parallelexistent herum; weder war ein zumindest teilweise übergreifender Stil, noch eine gemeinsame politisch-weltanschauliche Ausrichtung, noch eine thematische Stringenz festzustellen. Jede(r) macht(e) seins (ihrs). Wenn man also Künstler früherer Zeiten in (Stil)Richtungen zusammenfassen will, dann muss man sich heute jeden einzelnen Künstler vorknöpfen, der stets ein Universum in seinen eigenen Werken darstellt.

Vielleicht liegt darin auch ein kleines bisschen der Grund für das etwas enttäuschende Fehlen eines "Fin-de-siècle"-Gefühls, das beim Wechsel von 1999 auf 2000 so gar nicht aufkam; da hat man schon nicht nur einen Jahrhundert- sondern einen Jahrtausendwechsel, und es ist so gar nicht "epochal": weil sich die Kunst weigert, eine Epoche darzustellen.

Nun, das kann man der Kunst nicht vorwerfen, und am wenigsten den Künstlern. Ehrlich gesagt käme ich mir veralbert vor, würde mit großem Pomp und Täterä wieder ein Stil ausgerufen wie der der "Neuen Wilden" in den 80ern. Wenn künstlerisch jeder seins macht, muss auch perzeptorisch jeder seins aufnehmen; und man kann alle zehn Jahre in Münster den Maßstab dagegenhalten, was denn die anderen so machten, während man nicht hinsah.
 
Zurück
Oben