Cäsars Gallischer Krieg

beorna

Aktives Mitglied
Hallo,
ich weiß nicht ob es diesen Thread schon einmal gab. Wenn ja, vielleicht hat ja wer Lust nocheinmal darüber zu diskutieren. Ich habe erst überlegt, ob der Thread bei Kelten oder Römern besser aufgehoben ist, habe mich letztlich für die Kelten entschieden. Sollten unsere Moderatoren ihn verschieben wollen, wäre mir das auch egal.

Besonders gerne würde ich mich über die politischen Verhältnisse in Gallien, die Korrektheit von Cäsars Darstellung und die Gründe für die Abfassung seines Werkes unterhalten. Das soll alles andere aber nicht ausschließen.
 
nunja, der grund für die abfassung war es wohl, seine eigenen grosstaten darzustellen.
getreu dem motto "viel feind, viel ehr".
so hat das jedenfalls mein lateinlehrer immer hingestellt - einer der seltenen fälle, in dem ich seine argumentation mal befürworten musste.
 
Nun, es gibt mehrere Theorien. Die eine hält die Abfassungen für eine Werbeschrift Cäsars, um sich damit für weitere Ämter zu bewerben, andere halten Cäsars Werk für eine Rechtfertigungsschrift, da sogar während des Krieges wegen "Kriegsverbrechen" seine Auslieferung gefordert wurde. Dies hängt vor allem mit der Zeit der Entstehung des BG zusammen. Schrieb Cäsar sie in einem durch, z.B. nach dem Krieg oder schrieb er jährliche Berichte, die er später zusammenfaßte.
 
Die gewählte Bezeichnung der "Commentarii" weist eigentlich schon darauf hin, welchen Charackter Caesars Schriften haben.
Dieser Terminus stand ganz allgemein für "Rechenschaftsberichte", die provinziale Statthalter gegen Ende ihrer Amtszeit in Rom vorlegten. Dass hierbei selbstredend die eigene Amtsführung in den höchsten Tönen gelobt wurde, ist da eigentlich gar nicht sonderlich erwähnenswert.
Zumindest der "bellum gallicum" wäre somit einer gängigen Tradition zuzurechnen, wobei er durch seinen breitgefächerten thematischen Umfang und die literarische Qualität wohl doch schon den Zeitgenossen Caesars als bemerkenswertes Werk unter verleichbaren "Commentarii" hervorstach.
Allerdings bringt es wohl wenig, die Motivation antiker Feldherrn aus der humanitär verklärenden Sicht der Moderne heraus zu betrachten.
Die "Kriegsverbrechen", die Caesar bei der Niedermetzlung germanischer und gallischer "Zivilisten" zweifelsohne beging, dürften den Senat kaum gestört haben, solange durch diese Art der Kriegsführung eine gewaltiges Provinzgebeit hinzugewonnen und gleichsam die Nordgrenzen des Reiches befriedet wurden.
Ich möchte doch ernsthaft bezweifeln, dass irgendein Anhänger des ordo senatorius ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden gegenüber den Völkerschaften jenseits der Alpen entwickelt hätte. Da war man doch eher pragmatisch - es galt "divide et impera" und wenn Caesar Vorwürfe für sein rigoroses Vorgehen gemacht wurden, dann eher aus den Reihen seiner politischen Gegner, die kein Interesse an einem makellosen Triumphator haben konnten.

Anders zu betrachten ist sicherlich der "bellum civilum". Rechtfertigungsversuche Caesars ziehen sich durch die Schrift wie ein roter Faden - man kann regelrecht zählen, wie oft er die Verletzung seiner "dignitas" anführt, um seine klar illegitimen Schritte gegen den Senat und Pompejus zu erklären. Aber auch hier ist Caesar nicht der "Propagandist par excellance" - schließlich bediente sich im Bürgerkrieg jede Partei umfangreicher Darstellungen, die die eigenen Positionen glorifizierten und den jeweiligen Gegner zum Verbecher deklarierten. Die Numismatiker können einem ein Lied davon erzählen: die Münzdarstellungen der 40er und 30er Jahre v. Chr. sind gespickt von beschönigendern politischen Termini und Portraits ihrer jeweiligen Auftraggeber.

Ich bin der Ansicht, dass Caesar lediglich durch sein folgenreiches Erbe so sehr ins Licht kritischer Beäugung seiner Schriften gerückt ist; dass er jedoch tatsächlich (und unbeachtet seiner zweifellos vielfach vorhanden Talente) diesbezüglich kaum anders als seine Zeitgenossen agierte.
 
Cäsars BG beruht zweifelsohne auf seinen Berichten an den Senat, da würde ich immer zustimmen. Die Frage wäre natürlich immer noch, warum er sie nach Abschluß des Feldzuges zusammen und überarbeitet veröffentlichte. Ich halte sie daher für eine Art Werbeschrift, mit der er. im sich abzeichnenden Bürgerkrieg, Unentschlossene für sich beeinflussen wollte. Eine so nüchterne, sachliche "Überschrift" wie commentarii diente da wohl eher zur Augenwischerei. Natürlich kam der Vorwurf der "Kriegsverbrechen" aus den Reihen der Opposition. Mit großer Wahrscheinlichkeit hätten an seiner Stelle ähnlich gehandelt, wäre Cäsars Verhalten aber allgemein üblich und anerkannt gewesen, hätte eine Forderung nach Bestrafung/Auslieferung Cäsars aber wohl lächerlich geklungen und wäre doch wohl nie erhoben worden.

Wie seht ihr die politischen Verhältnisse in Gallien? Was kann man aus Cäsar über die Machtverhältnisse in Gallien herausarbeiten?
 
Ich mag mich irren, aber wenn ich mich recht erinnere diktierte Caesar sein Buch noch während der Feldzüge. Das dabei geschönt wurde und seine Rolle hervorgehoben liegt im Zeitgeist begraben. Selbst der nüchterne Cicero übertreibt seine Rolle bei der Catilinaverschwörung.
Das letzte Buch vom gallischen Krieg schließlich ist sogar von einem anderen Autor geschrieben, seinem Freund Aulus.
Der Begriff Comentarii ist sicherlich keine Augenwischerei sondern ein Hinweis auf den Charakter der Schrift wie auch den Moment ihrer Entstehung, nämlich in zeitlicher nähe zu den Ereignissen.

Wie ernst zu nehmen die Anklage ist, kann heute kaum noch geklärt werden. Angesichts des zuspitzenden Konflikts mit Caesars, der Ausganssituation des Triumvirats und der Entzweiung kann solcherlei auch als extreme Aktion betrachtet werden.
Zumal Caesars vorgehen in Gallien zwar dem Völkerrecht, welches Rom anderen zugestand widersprach, gleichzeitig aber dem bisherigen vorgehen des Senats, etwa zu Beginn des 2. punischen Krieges, glich.

Man kann vor allem eines über die Machtverhältnisse in Gallien herausarbeiten: es gab keine klaren. Kein König der alles unter Kontrolle hatte, kein Stamm, der als Führender anerkannt war...
 
Also, vermutlich schrieb Cäsar seine commentarii zu Beginn des Jahres 51. Im Jahr 50 standen wieder Konsulnwahl an, die Cäsar ein Amt sichern sollten. So mußten im Spätsommer 51 die Wähler spätestens für diese Wahl gewonnen werden. Lediglich das von Aulus Hirtius verfaßte 8. Buch endstand später. Hirtius diente von 54-52 und von 51-50 in Cäsars Heer in Gallien.

Der Begriff commentarii, ist wohl gewählt im Sinne von hypomnemata-Erinnerungen. Der Stil Cäsars ist einfach und erscheint geradezu objektiv. Zudem schreibt Cäsar stehts von sich in der 3.Pers. Daher schrieb ich Augenwischerei. Das war vielleicht kein adäquater Begriff, mit seiner scheinbar objektiven Schilderung seiner Erinnerungen an den BG, täuscht er über eine Vielzahl von, nennen wir es Unrichtigkeiten, hinweg.

Cäsar berichtet oft über die gallischen Verhältnisse. Doch meist nie direkt, sondern eher als Rückschluß. So berichtet er von den Remern und Suessionen. Von dem Verhältnis verschiedener cvitates zu den Äduern. Auch in Belgien deutet er eine Vielzahl von Herrschaften und Oberherrschaften an. Oft muß man aber erst zwischen den Zeilen lesen um die Wahrheit zu entschlüsseln. Um bei Remern und Suessionen zu bleiben. Cäsar schreibt beide lebten in einem Staat. Ihre Führer baten um Schutz vor den anderen Belgen. König der Suessionen sei Galba...
Es ergibt sich also hieraus, das die Suessionen im südlichen Belgien die Oberherrschaft hatten über eine Anzahl von civitates. König dieses "Reiches" war eben Galba, deshalb erwähnt Cäsar bei den Führern der Remer auch keinen Königstitel. Die Remer suchten nun die Hilfe der Römer, um sich aus der Herrschaft der Suessionen zu lösen.
Man sieht also eine Fülle von Informationen, die Cäsar, wahrscheinlich ungewollt, mitliefert.
 
Zum einen ist dies ein herauslesen und, im Zusammenhang mit der Quelle, einem römischen Feldherren, mit Vorsicht zu genießen. So unterschätzt Caesar die ein oder andere Familie o.ä.
Zum anderen sind die Gebiete der Belger nicht Gallien. Natürlich gab es territoriale Tendenzen, aber es ist nicht festzustellen, weder bei Caesar noch sonstwo, das ganz Gallia Transalpina von einem Stamm dominiert wurde, noch dass es ein Gens gäbe, dass eine Königswürde über die gallischen Stämme verdiente. Das sich mancher Führer vielleicht doch so nannte oder so genannt wurde zeugt eher von übertriebenem Bewußtsein, denn vom Machtanspruch. So wurde, wenn ich mich auch diesmal richtig erinnere Brennus ebenfalls in der ein oder anderen Aufzeichnung als König bezeichnet, und führte dabei nur die Sennonen (wenn es ihn denn gab).

Zu deinem konkreten Beispiel:
Genau hier beginnen die Probleme "deutet an" "zwischen den Zeilen" "bitten um Hilfe" "lebten in einem Staat". All diese Formulierungen sind etwas unsensibel gehandhabt.

Über den Begriff "Staat" brauchen wir an dieser Stelle hoffentlich gar nicht erst zu sprechen, und ebenfalls nicht zu vergessen sind die überraschend günstigen "Hilfsgesuche", welche Caesar erreichten und erstaunlich gut zusammen paßten. Wenn man schon nach politischem Kalkül sucht, sollte man hier suchen.

Bei Caesar zwischen den Zeilen zu suchen, ist relativ schwierig. Das liegt nicht daran, dass er so kompliziert schrieb oder die Informationen so geschickt versteckte, sondern im Gegenteil, dass er Informationen meist offen darlegte. Unterschwellige Informationen dienen oft dazu, Stimmung zu erzeugen, ein Feindbild aufzubauen oder den Gegner im Wert aufzustufen, selten einmal abzustufen.
Filtert man doch einmal mehr heraus, z.B. über die Lebensumstände, die Herkunft oder die Verhältnisse sollte man dies nicht eins zu eins als Wahrheit umsetzen, sondern sehr kritisch durchleuchten, bevor man sie publiziert.
Selbst die großen frz. Historiker scheuen sich, eine Hierarchie der gallischen Stämme anzulegen.
Gerade das Gebiet der Belger ist zudem ein sehr unruhiges, und die dort lebenden Stämme waren, wie auch Caesar schon beschreibt, durch den steten Kampf u.a. gegen die Germanen mehr als geübte Krieger, es darf also auch von einem steten verschieben der Verhältnisse ausgegangen werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sicherlich gab es nie ein civitas, die ganz Gallien oder auch nur einen der drei Teile beherrschte. Dennoch gab es eine Anzahl größerer Herrschaftsbereiche, die aber sehr wohl einem steten Wandel unterworfen war. So "befreite" Cäsar die Eburonen aus der Klientel der Nervier, die als Führer mehrere civitates genannt werden, später gelangten sie unter den Einfluß der Treverer. Die Bellovacer scheinen eine führende Rolle in SE-Belgien gespielt zu haben. Äduer und Arverner hatten eine große Klientel, unsicherer sind die Verhältnisse bei Carnuten, Biturigen, Senonen und Aulerkern. Im NE Galliens ist die Lage unklarer, ebenso wie im Westen und bei den Aquitaniern. Warum soll sich Brennus nicht König nennen dürfen, weil er vielleicht nur ein Volk führte? So beweist die Verleihung des Königstitel an Ariovist doch auch nicht, daß er erst danach sich König nennen durfte. Vielmehr wird er schon vorher rex/reiks gewesen sein, erhielt dann erst von Rom die protokollarische Anerkennung.
 
Nach allen Anzeichen war Brennus nicht als König bestellt worden, sondern als Heerführer, also die wichtige Unterscheidung des Rex und des Dux.
Ansonsten beziehe ich mich ohnehin auf den Hintergrund einer Gemeinschaft hinter der Bezeichnung König, nicht der Führerschaft eines Stammes, unabhängig von dessen Größe.

Dem Rest kann ich zustimmen, da dies ja meinen vorherigen Statements entspricht. Man kann also nur mit viel "Lückenlese" etwas wirklich Konkretes aus den comentarii herausziehen und selbst dies kann nicht als allgemeingültig anerkannt werden und schon gar nicht unreflektiert übernommen.
 
Die Begriffe rex und dux sind doch wohl fließend. Brennus Stellung könnte sich auf seinen Zügen vom dux zum rex gewandelt haben.

Interessant in Cäsars BG ist auch der Auszug der Helvetier? Was waren ihre Gründe dafür und in welchem Zusammenhang stand sie mit den Auseinandersetzungen bei den Äduern zwischen Diviciacus und Dumnorix und ihres von Cäsar beschriebenen Machtverlustes an die Sequaner und Ariovist?

P.S: Kleine Berichtigung am Rande. Ich schrieb, die Eburonen wären in der Klientel der Nervier gewesen. Sie waren aber in der Klientel der Atuatuker.
 
Ein Problem, das mich im Zusammenhang mit Caesars Darstellung vom Helvetierzug beschäftigt, ist jenes der Boier. Quasi als Detail am Rande erwähnt Caesar, diese hätten jenseits des Rheins gelebt und einen Einfall nach Noricum unternommen, bevor sie sich den Helvetiern anschlossen. Dies wirft jedoch einige Fragen auf: Warum wird diese Angelegenheit so kurz abgehandelt? Immerhin waren die Noriker eng mit Rom verbündet. Als die Kimbern und Teutonen 113 v.Chr. nach Noricum einfielen, trat ihnen dort ein römisches Heer entgegen. Werden die Römer nicht auch diesmal gegen den Angriff auf ihre Bundgenossen eingeschritten sein? Warum aber berichtet Caesar nichts davon? Und wann soll der boische Angriff auf Noreia stattgefunden haben? Wenn dies in den Jahren 59 oder 58 v.Chr. gewesen wäre, hätte Caesar als Konsul bzw. als Prokonsul der Gallia Cisalpina doch allen Grund gehabt, persönlich einzugreifen. Er schweigt sich jedoch aus. Was soll man davon halten? Gleichzeitig erfahren wir an anderen Stellen, dass Caesar als Konsul (59 v.Chr.) dafür sorgte, dass dem germanischen König oder Fürsten Ariovist der Titel eines "Freunds des römischen Volkes" verliehen wurde, und dass eben jener Ariovist mit einer norischen Prinzessin verheiratet war. Man fragt sich, ob es da nicht einen Zusammenhang gibt, und man gewinnt den Eindruck, dass Caesar den Hintergrund der Ereignisse von 58-57 v.Chr. mit Schweigen übergeht.
 
Frohes neues Jahr,

"Außerdem gewannen sie die Boier, die ursprünglich jenseits des Rheins gelebt hatten, inzwischen aber ins norische Gebiet herübergekommen waren und Noreia belagerten."

Genau, Cäsar berichtet hierüber gar nichts. Wann war also die Belagerung Noreias? Sie könnte in der Zeit direkt vor der Auswanderung gelegen haben, doch warum erwähnt Cäsar dies nicht? Zwar ließ der römische Einfluß nördlich der Alpen bzw. in den Alpen zu Zeiten Sullas und des Bürgerkrieges nach, Allobrogerkrieg, Häduer etc..., ob aber zu dieser Zeit Noreia angegriffen wurde ist unklar. Zudem steht bei Cäsar lediglich, daß Noreia belagert wurde. Genauso gut könnte es sich um einen kleineren Überfall von Boiern auf Noreia gehandelt haben. Ich halte etwas anderes für wahrscheinlich: a)Die Boier hatten ursprünglich jenseits des Rheins gewohnt (Böhmen) und waren im Zuge der Kimbern- und Teutonenwanderung oder auch danach, ins rechtsdonauische Gebiet gelangt, daß u.U. einst zu Norikum gehörte oder beansprucht wurde oder zu einem Gebiet gehörte, daß Noricum tributpflichtig war. Zu diesem Zeitpunkt versuchten sie auch Noreia zu belagern wurden aber (ohne Probleme) abgewiesen.
b) Die Boier waren 387 schon am Einfall der Kelten in Italien beteiligt. Zwischen 225 und 190 wurden die letzten Kelten in Norditalien unterworfen oder vertrieben. Darunter waren auch Boier. So konnten Boier auch zu dieser Zeit Noreia belagert haben.
Wie auch immer, die Belagerung Noreias steht wahrscheinlich in keinerlei Zusammenhang mit dem Auszug der Boier zu den Helvetiern, aber der Boiername hatte noch immer soviel Klang, daß er Cäsars Sieg erhöhte.

Arovists Stellung im Helvetierkrieg ist tatsächlich sehr umstritten und merkwürdig. Cäsar stellt ihn als ernsthafte Bedrohung dar, "120.000 Germanen stünde schon in Gallien..." "nun seien auch noch 24.000 Haruden eingetroffen..." "100 Gaue der Sueben stünden am Rhein...". Wie sich später zeigte, verfügte Arovist lediglich über 22.000 Krieger, war also bei weitem nicht so gefährlich, zudem ist seine Oberherrschaft über Sequaner und Häduer mehr als zweifelhaft, ebenso wie sein Interesse an einer Herrschaft über ganz Gallien.
Seine Verbindung mit Noricum ist in der Tat interessant, zudem ist unklar, weshalb ihm der Titel "rex et amicus" verliehen wurde. Du, Beetlebum, hast völlig Recht, wenn du den Eindruck gewonnen hast, daß Cäsar die wahren Hintergründe absichtlich übergeht. Leider sind sie nur sehr schwer aufzuhellen.

Hier einige wichtige Fragen: Welche Motive hatten die Helvetier unter Orgetorix auszuwandern? Warum wanderten sie nach seinem Ende trotzdem aus? Was wollten sie bei den Santonen und wollten sie überhaupt zu den Santonen? Welche Rolle spielen Casticus und die Sequaner? Welche Rolle spielt Dumnorix? Welche Bedeutung hatte die Schlacht von Magetobriga, wer nahm daran teil und was war das Ergebnis? Warum wurde der "rex et amicus" Ariovist wirklich ausgeschaltet? etc......
 
wunderschöner thread, ich muss ihn aufnehmen...
Beorna und bettlebum: interessante Fragen....
die Helvetier wanderten ja offenbar aus wegen der Suebenbedrohung. Orgetorix war zwar ein Organisator, das Bedürfnis abzuhauen blieb auch nach seinem mysteriösen Ableben bestehen. Warum zu den Santonen ? Weiss nicht, aber schönes LAnd dort, weit weg von Germanen die sich vermehren wie die Karnickel. :D

Die Helvetier liefern Caesar ganz offenbar den Vorwand zum gallischen Krieg. Hat er das bewusst angezettelt durch die vorangehende"Staerkung" Ariovists?

Der Ablauf der Dinge wirft weitere Fragen auf:
Ich habe mich immer gefragt wie es Cäsar mit lausigen 6 Legionen (ca 30 000 Mann) schaffen konnte erst mal 90 000 Krieger aus Helvetien (und Nachbarn) zu schlagen, kurz darauf den gefürchteten Suebenkönig Ariovist mit seinem Profiheer, und dann Stamm um Stamm in Gallien bis zur finalen Schlacht in der angeblich 250 000 (!) Gallier den Römern, verstärkt um ein paar Legionen entgegenstanden....

a) Waren die Kelten wirklich so ein schlecht bewaffneter, chaotischer Haufen
b) hat Cäsar unglaublich übertrieben und beschönigt, d.h. vor allem Propaganda betrieben, wie im thread mehrfach vermutet?

was ist wirklich abgegangen ???

Zu a): Kettenhemd, Monterfortino-Helme, auch das Kurzschwert sollen keltische Innovationen sein und wurden von den Römern übernommen. In Zürich ist ein keltisches Schwert ausgestellt das schön eine damaszierte Klinge (ich glaub aus 17 Lagen) aufweist, also ein hervorragender Stahl. Die Adeligen waren sicher sehr gut bewaffnet auch wenn ihre Offensiv-Bewaffnungsphilosophie im 1. Jhdt. überholt war: u.a.lange Hiebschwerter und wenig durchschlagkräftige Wurfspeere. Die Bewaffung der unteren Klassen dürfte einfacher und der eines Legionärs sicher unterlegen gewesen sein.

zu b) Verschiedene Authoren, u.a. Furger-Gunti gehen davaon aus das Cäsar bei den Zahlen übertrieben hat, d.h. dass viel weniger Helvetier und allierte Cäsar gegenüberstanden, vielleicht etwa 40 000.
Es wird argumentiert das Cäsar kein Risiko eingegangen wäre und gegen eine weitaus zahlenstärkere Armee vorgegangen wäre.
Evt. ist ein Teil der Helvetier zuhause geblieben.
Im östlichen Teil der schweizer Mittellandes finden sich keine Spuren von beim Auszug niedergebrannter Oppida und Siedlungen.

Die Schlacht selber ging zwar zu Ungunsten der Kelten aus, immerhin waren die Römer so geschwächt dass etwa ein Drittel der Helvetier unbehelligt abziehen konnte und die Römer eine Verfolgung nicht aufnehmen konnten. Zudem brauchten sie 3 Tage um die Toten zu begraben und sich um die Verwundeten zu kümmern....?

Zudem werden die Helvetier nach der Schlacht sehr privilegiert behandelt und es wird ein Bund mit ihnen geschlossen. Den Boiern wird gar erlaubt b
ei den Haeduern zu siedeln.
So vermute ich, das primäre Ziel Caesars war die Sueben vorerst auszuschalten, die Helvetier wieder als Puffer zurückzuschicken um dann das reiche Gallien zu pflücken um seine immensen Schulden zu sanieren....

grüsse
Robin
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Helvetier wanderten nach Caesar nicht wegen den Sueben sondern wegen diesen Gründen aus, welche natürlich auch reine Propaganda sein können: Übersetzung von: http://digilander.libero.it/jackdanielspl/Cesare/bellogallico.html Bei den Helvetiern war bei weitem am angesehensten und reichsten Orgetorix. Dieser, unter dem Konsulat des Marcus Messala und Marcus Piso (61 v. u. Z.) von Verlangen nach der Königsherrschaft veranlaßt, stiftete eine Verschwörung des Adels an und überredete die Bürgerschaft, ihr Land mit allen Vorräten (mit Sack und Pack) zu verlassen: (2) es sei sehr leicht, da sie an Tapferkeit alle überträfen, sich der Herrschaft über ganz Gallien zu bemächtigen. (3) Dazu überredete er sie um so leichter, weil die Helvetier auf allen Seiten durch die Natur des Landes (durch natürliche Schranken) eingeengt sind: auf der einen Seite durch den sehr breiten und sehr tiefen Rhein, der die Helvetier von den Germanen trennt, auf der anderen Seite durch das so hohe Juragebirge, das zwischen den Sequanern und Helvetiern liegt; auf der dritten durch den Genfer See und die Rhone, die unsere Provinz von den Helvetiern trennt. (4) Dadurch kam es, daß sie sowohl weniger weit Streifzüge unternehmen als auch weniger leicht ihre Grenznachbarn angreifen konnten; in dieser Hinsicht waren die kriegslustigen Leute sehr bekümmert (wörtlich: wurden ... mit großem Kummer behaftet). (5) Im Verhältnis zur Bevölkerungsmenge, ihrem Kriegsruhme und ihrer Tapferkeit glaubten sie ein zu kleines Land zu haben, das sich 240 Meilen (360 km) in die Länge und 180 Meilen (270 km) in die Breite erstreckte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Cicero schreibt 60 v Chr von der Schlacht von Magetobriga dass das Verlieren der verbündeten Haeduer gegen Ariovist in Rom Tagesthema sei.
Im nächsten Satz schreibt er über die helvetische Mobilmachung.

Caesar hingegen blendet in dem ersten Teil des bello.. Ariovist komplett aus. Hätte er schreiben sollen, dass er eigentlich gegen den "amicus" des römischen Volkes rüstet....
Trotzdem erwähnt auch Caesar im gallischen Krieg den Germanendruck auf die Helvetier als Mitgrund für den Auszug (hab das Buch grad hier nicht zur Hand für die genaue Stelle)
 
Robin schrieb:
die Helvetier wanderten ja offenbar aus wegen der Suebenbedrohung. Orgetorix war zwar ein Organisator, das Bedürfnis abzuhauen blieb auch nach seinem mysteriösen Ableben bestehen. Warum zu den Santonen ? Weiss nicht, aber schönes LAnd dort, weit weg von Germanen die sich vermehren wie die Karnickel. :D

Die Helvetier liefern Caesar ganz offenbar den Vorwand zum gallischen Krieg. Hat er das bewusst angezettelt durch die vorangehende"Staerkung" Ariovists?

Der Ablauf der Dinge wirft weitere Fragen auf:
Ich habe mich immer gefragt wie es Cäsar mit lausigen 6 Legionen (ca 30 000 Mann) schaffen konnte erst mal 90 000 Krieger aus Helvetien (und Nachbarn) zu schlagen, kurz darauf den gefürchteten Suebenkönig Ariovist mit seinem Profiheer, und dann Stamm um Stamm in Gallien bis zur finalen Schlacht in der angeblich 250 000 (!) Gallier den Römern, verstärkt um ein paar Legionen entgegenstanden....

a) Waren die Kelten wirklich so ein schlecht bewaffneter, chaotischer Haufen
b) hat Cäsar unglaublich übertrieben und beschönigt, d.h. vor allem Propaganda betrieben, wie im thread mehrfach vermutet?

was ist wirklich abgegangen ???

Zu a): Kettenhemd, Monterfortino-Helme, auch das Kurzschwert sollen keltische Innovationen sein und wurden von den Römern übernommen. In Zürich ist ein keltisches Schwert ausgestellt das schön eine damaszierte Klinge (ich glaub aus 17 Lagen) aufweist, also ein hervorragender Stahl. Die Adeligen waren sicher sehr gut bewaffnet auch wenn ihre Offensiv-Bewaffnungsphilosophie im 1. Jhdt. überholt war: u.a.lange Hiebschwerter und wenig durchschlagkräftige Wurfspeere. Die Bewaffung der unteren Klassen dürfte einfacher und der eines Legionärs sicher unterlegen gewesen sein.

zu b) Verschiedene Authoren, u.a. Furger-Gunti gehen davaon aus das Cäsar bei den Zahlen übertrieben hat, d.h. dass viel weniger Helvetier und allierte Cäsar gegenüberstanden, vielleicht etwa 40 000.
Es wird argumentiert das Cäsar kein Risiko eingegangen wäre und gegen eine weitaus zahlenstärkere Armee vorgegangen wäre.
Evt. ist ein Teil der Helvetier zuhause geblieben.
Im östlichen Teil der schweizer Mittellandes finden sich keine Spuren von beim Auszug niedergebrannter Oppida und Siedlungen.

Die Schlacht selber ging zwar zu Ungunsten der Kelten aus, immerhin waren die Römer so geschwächt dass etwa ein Drittel der Helvetier unbehelligt abziehen konnte und die Römer eine Verfolgung nicht aufnehmen konnten. Zudem brauchten sie 3 Tage um die Toten zu begraben und sich um die Verwundeten zu kümmern....?

Zudem werden die Helvetier nach der Schlacht sehr privilegiert behandelt und es wird ein Bund mit ihnen geschlossen. Den Boiern wird gar erlaubt b
ei den Haeduern zu siedeln.
So vermute ich, das primäre Ziel Caesars war die Sueben vorerst auszuschalten, die Helvetier wieder als Puffer zurückzuschicken um dann das reiche Gallien zu pflücken um seine immensen Schulden zu sanieren....

grüsse
Robin

1) Die Wanderung zu den Santonen ist bislang nicht erklärbar.
2) Die Bedrohung Roms durch den Helvetierzug ist sicherlich geringer als von
Cäsar dargelegt.
3) Cäsars Legionen waren immer kleiner als die normale Stammbesatzung einer Legion. Seine Legionen laagen irgendwo zwischen 3-5000. Allerdings hatte er Hilfstruppen, deren Stärke wohl weitgehend verschwiegen wird, zudem hat er gallische und germanische Verbündete, deren Zahlen auch verschwiegen werden. Die Zahlenangaben über seine Feinde sind, wenn sie überhaupt der Wahrheit entsprechen, eher die Zahlöen eines möglichen Gesamtaufgebotes einer civitas.

erstmal bis hier hin.
 
Das Problem des Ariovist ist sehr interessant und schwer erklärbar. Zudem ist seine Bedeutung deutlich überhöht. Schließlich siegte nicht er bei Magetobriga, sondern Sequaner mit suebischen Hilfstruppen des Ariovist besiegten die Äduer, bzw. wohl eher Teile der Äduer. Cäsars Schilderung über Geiselstellungen und die Besetzung aller Städte der Sequaner ist auch Blödsinn. Geiselstellungen waren ein normaler Vorgang bei Vertragsschließungen, zudem sollte man beachten, daß Diviciacus keine Geiseln zu stellen hatte, Dumnorix sogar durch die äduische Niederlage in der civitas an Macht gewann und sogar sehr gute Beziehungen zu den Sequanern (oder zumindest den momentan führenden Kreisen) hatte. Bei Cäsars Zug gegen Ariovist ist von Ariovist nichts zu hören keine Scharmützel, keine Kämpfe mit suebischen Besatzungstruppen, gar nichts. Ariovist saß also im Elsaß, vermutlich hatte er noch nicht einmal zu Beginn von Cäsars Aktion gegen ihn sämtliche Truppen beisammen.

Die Bedrohung der Helvetier durch die Sueben sehe ich nicht. Zwar erwähnt Cäsar sie stünden ständig im Kampf mit ihnen, doch genauso schreibt er, die Helvetier wären nach allen Seiten durch natürliche Grenzen geschützt und fühlten sich eingeengt. Der Auszug hat also andere Gründe, vermutlich politische. Dies deutet sich auch beim Bund zwischen Dumnorix, Casticus und Orgetorix an.

Zu den Helvetierzahlen: Sie schwanken stark. Eine Klärung erscheint unmöglich. Es scheint aber so, daß Cäsars Zahlen falsch sind. Andere antike Zahlen, z.B. 157.000 erscheinen da wahrscheinlicher.
 
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