Wer erfand bewegliche Letter? Die Römer...!

Gegenkaiser

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Die Anfangsgeschichte der Druckkunst muß wohl neu geschrieben werden. Sicherlich, Gutenbergs Erfindung gebührt natürlich weiterhin das eigentliche Verdienst, das Kommunikationswesen revolutioniert zu haben. Aber die Technik der beweglichen Lettern als solche war, wie dem folgenden Absatz zu entnehmen ist, schon den Römern bekannt! Warum dieses Faktum in der Geschichte der Druckkunst bislang praktisch übersehen wurde, ist mir schleierhaft.

Die Quelle ist als Standardwerk über die römische Wasserversorgung über jeden Zweifel erhaben. Der Text ist recht technisch, aber nach mehrmaligem Lesen kann man ihn verstehen.

Quelle: A.T. Hodge: Roman Aqueducts and Water Supply (1992), S. 310f.


It was at this stage in the manufacture that the pipes acquired their inscriptions. Not every length of pipe had one, but they are not uncommon. Normally they are formed by letters raised in relief on the pipe, as opposed to being stamped, engraved, or scratched. The procedure utilised a series of individual movable moulds for the various letters. What happened next depended on whether the lead was being run out on to a sand or a stone surface. If it was sand, the letters were simply impressed into it, perhaps one at a time, or assembled into some sort of stamp. The inscription thus now formed part of the mould. On a stone surface, the letters would have to be assembled into the desired inscription, more or less on the principles of modern typographical composition, and the whole locked into a slot in the stone slab, so that the typeface was flush with its surface. When the liquid lead was run in on to the slab to form the lead sheet, it of course also ran into the type moulds, solidifying in the form of a raised inscription. That the types were movable, and re-usable, is shown by irregularities in their spacing and alignment, recalling those sometimes occurring on a modern typewriter. 22 There is no denying the stature of this technological feat. As with the Phaestos Disc of an earlier age, in which an inscription was imprinted in clay by movable types, it tempts one into speculating how close the ancient world was to making the full-scale breakthrough into printing. Nor can there be any real doubt that that was how it was done. Normal inscriptions, engraved, painted or stamped, do not produce raised lettering. That can only be done by moulding, at the time the pipe (or the lead sheet forming it) is being made, so that as the pipes were mass produced, so were the inscriptions.

Footnote 22: Pace 78. The identification of this primitive printing system was due to Lanciani (R. Lanciani, I Commentari di Frontino Intorno le Acque e gli Acquedotti (Rome, 1881),416: 'ogniqualvolta occorre nella leggenda la linea di cesura la lettera o le lettere sulle quali corre la linea sono piu piccole; e cib per l'impossibilita 0 almeno per la difficolta di varcare il margine della cassa').
Es ist also so: Die Römer produzierten die Bleiröhren ihrer Aquäduktleitungen, indem heißes Blei in einen rechteckigen Kasten aus Brettern gegossen wurde. In diesem Kasten befanden sich bereits die Matrizen (mould) für die Inschrift und wurden so durch die Bleischicht überdeckt. Auf der dann zu einem Rohr zusammengerollten Bleiplatte befanden sich dann in erhabenen Buchstaben die Inschrift.

Dass die Letter beweglich waren und wiederverwendet wurden, läßt sich an wiederkehrenden Unregelmäßigkeiten erkennen. Dass - und das ist ganz wichtig - die Inschrift in einem Satz gedruckt worden sein mußte, dass also aus den Lettern ganze Wörter und Sätze zusammengestellt wurden, ergibt sich zwangsläufig daraus, dass der Bleisüberzug natürlich nachträgliche Ergänzungen oder Änderungen des Satzes unmöglich gemacht hat. Das ist auch der entscheidende Unterschied zur Phaistos-Scheibe, wo man annimmt, dass die Symbole zwar mit wiederverwendeten Stempeln, aber eins nach dem anderen gestempelt wurden (womit es sich um eine Stempeltechnik, keine Druckkunst handelt).

Leider felht mir der Fachbegriff für diese Komposition der Letter zu einem Druckbild (das normalerweise einer Buchseite entspricht), vielleicht könnte mir jemand da aushelfen. Jedenfalls ist meine Frage: Kennt ihr noch weitere Literatur zu der Drucktechnik auf den römischen Bleirohren? Gibt es gar Fotos von solchen Inschriften?

Gegenkaiser
 
Sind wahrscheinlich alles Mainzer hier? ;o)

Aber im Ernst: Wieso soll man jetzt die Geschichte der Druckkunst neu schreiben? Gedruckt wurde schon vor Gutenberg, das ist bekannt. Buchstabenstempel gab es also auch bei den Römern, und der Diskos von Phaistos wird nebenher noch erwähnt.

Bleibt noch die Frage: Hat Gutenberg sich das wohl von den Römern abgeschaut, oder ist er doch selbst drauf gekommen? (Oder haben die damals schon im Kindergarten* Kartoffeldruck praktiziert?)

[(*) nur ein Scherz]
 
Ein paar Buchstaben zu einem Satz zusammenzustellen, dürfte kein Problem gewesen sein.
Aber wiederverwendbare Lettern herzustellen, um ein ganzes Buch, wie zB die Bibel zu drucken, wohl schon eher.
Deshalb ist für mich Gutenberg Favorit.
Oder warum hat man vor ihm immer noch handschriftliche Dokumente angefertigt?
 
Zuletzt bearbeitet:
Damit wir uns richtig verstehen. Die Geschichte der modernen Druckkunst muß natürlich nicht umgeschrieben werden, Gutenberg bleibt der Begründer der Druckkunst, das Alpha des Medienzeitalters, derjenige, mit dem alles richtig anfing. Und ich glaube keine Sekunde, dass es igendeine Beziehung zwischen seiner Druckkunst und den römischen Bleileitungen gegeben hat.

Ich möchte vielmehr diskutieren, ob das römische Beispiel für sich genommen als Druck mit beweglichen Lettern gelten kann oder nicht.
 
Ich möchte vielmehr diskutieren, ob das römische Beispiel für sich genommen als Druck mit beweglichen Lettern gelten kann oder nicht.

Ich denke, diese Lettern wurden für einen einmaligen Zweck hergestellt.
Wenn die Rohre aus Blei gegossen wurden, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie wiederverwendet werden konnten.
Gut, mit der Schalung hast du Recht, sie wurde abgebaut und für das nächste Rohr verwendet. Aber das ist wie eine Matrize, keine bewegliche Letter oder ähnliches.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich denke, diese Lettern wurden für einen einmaligen Zweck hergestellt.
Wenn die Rohre aus Blei gegossen wurden, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie wiederverwendet werden konnten.
Gut, mit der Schalung hast du Recht, sie wurde abgebaut und für das nächste Rohr verwendet. Aber das ist wie eine Matrize, keine bewegliche Letter oder ähnliches.

Mich hat das an die Schlagzahlen erinnert.
Der Schritt zum Druck ist da wirklich nicht mehr weit.
Aber gemacht wurde er nicht.

Ich habe auch schon mal gelesen, dass es erstaunlich wäre, dass die Römer den Buchdruck mit beweglichen Lettern nicht erfanden, vermutlich wurde da hierauf Bezug genommen.
 
Ich wundere mich auch, dass die da nicht drauf gekommen sind.
Vielleicht liegt es auch daran, dass das Bedürfniss nach Büchern nicht so hoch war, wie heute. Wer konnte denn schon lesen oder schreiben?
 
Mir ist nicht bekannt, daß die Römer überhaupt (auf Papier und mit Tinte o.ä.) gedruckt hätten. Da helfen einem dann natürlich auch die beweglichen Lettern nicht...
 
Die Römer hatten einfach keinen Bedarf.
Man muss bedenken, welche Bücher, als Gutenberg lebte, gefragt waren.
Antwort: Die Bibel!
Jeder der der lesen konnte wollte eine Bibel haben. Aber da die alle per Hand geschrieben wurden dauerte es zum einen lange bis sie fertig war und zum anderen war solch eine Abschrift verdammt teuer.
Der Buchdruck mit beweglichen Lettern den Gutenberg einführte machte das verfielfältigen der Bibel spottbillig im Vergleich zu Handschriften.
Sehr viel mehr Menschen konnten sich nun eine Bibelleisten und hatten sie dann auch. Da der Markt nun an Bibel gesättigt, war es aber immer nochviele Drucker gab, ging man dazu über profanere Dinge zu drucken, wie zB Zeitungen.

Hätte es zur Zeit der Römer ein Buch/Schrift gegeben, was jeder im Reich hätte haben wollen, dann hätten die Römer sicher bald den Buchdruck erfunden.
 
Der Gutenberg hat ja ein komplettes System entwickelt!
Das ist ja das wirklich geniale an seiner Erfindung.

Eine Weiterentwicklung gab es über Jahrhunderte nicht mehr.
Die Gutenberg-Bibel ist schon "perfekt".
Fast nicht zu verbessern.
 
Wer hat´s erfunden ? Der Gensfleisch !!!
Als Mainzer :joker: kann und muß ich Flo und Repo natürlich uneingeschränkt Recht geben.:D
Die Beschriftung der Bleirohre sehe ich auch eher in Form fester, einmalig verwendeter Matritzen. Ähnlich könnte man übrigens auch die Legionsstempel auf römischen Ziegeln erzeugt haben. Aber mit Buchdruck mit beweglichen Lettern,Blocksatz und Presse hat das wenig zu tun.
Aber
Der Johannes Gensfleisch könnte natürlich als Bewohner einer ehemaligen Römerstadt mit Aquäduktanschluß (Reste stehen noch heute bei uns rum) durchaus solche Bleiröhren oder Ziegel gekannt haben und dadurch auf die Idee gekommen sein.
 
Ich denke, diese Lettern wurden für einen einmaligen Zweck hergestellt.
Wenn die Rohre aus Blei gegossen wurden, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie wiederverwendet werden konnten.

Nach meinem Textverständnis war genau das aber eindeutig der Fall:

That can only be done by moulding, at the time the pipe (or the lead sheet forming it) is being made, so that as the pipes were mass produced, so were the inscriptions.


Da eine Wasserleitung aus hunderten oder tausenden zusammengesetzter Bleirohre bestand (jede war 10 römische Fuß, ca. 3 m lang), muß der Druck massenhaft zum Einsatz gekommen sein, selbst wenn man mit Hodge einschränkt, dass nicht jedes Rohrstück einen Druck aufweist.
 
Moment:

Der Gutenberg setzt den Text mit einzelnen Stahllettern (Buchstaben), dann macht er einen Bleiabguss der ganzen gesetzten Seite, und mit dem wird dann gedruckt. Das war Gutenbergs originäre Idee.

An Teilen der Umsetzung auch der Druckfarbe usw. waren Fust und Schösser beteiligt.

Aber die Idee ist einzig und allein von Gutenberg.
 
Die Römer hatten einfach keinen Bedarf.
[...]
Hätte es zur Zeit der Römer ein Buch/Schrift gegeben, was jeder im Reich hätte haben wollen, dann hätten die Römer sicher bald den Buchdruck erfunden.

Hatten sie nicht?
Ich behaupte dagegen, dass es ein Publikum gab, dass den Buchdruck gelohnt hätte.
- es gab Bibliotheken
- es gab ein Publikum für philosophische und historiographsiche Schriften, für Ackerbauhandbücher und architektonische Lehrwerke genauso wie für militärtheoretische Schriften.
- die Schreib- und Lesekompetenz der Römer war sehr hoch
:rechts: ansonsten hätten Inschriften keinen Sinn ergeben
:rechts: Cäsar berichtet davon, dass die Legionäre am Vorabend einer Schlacht gegen Ariovist ihre Testamente schrieben
:rechts: die Vindolandatabletts, Briefe von römischen Soldaten in der schottischen Einöde auf Holzscheiben sind Nachweise für eine hohe Schriftlichkeit in allen sozialen Schichten. Selbst Angehöriger germanischer Auxiliareinheiten sind hier nachgewiesen

Man muss bedenken, welche Bücher, als Gutenberg lebte, gefragt waren.
Antwort: Die Bibel!
Jeder der der lesen konnte wollte eine Bibel haben. Aber da die alle per Hand geschrieben wurden dauerte es zum einen lange bis sie fertig war und zum anderen war solch eine Abschrift verdammt teuer.
Der Buchdruck mit beweglichen Lettern den Gutenberg einführte machte das vervielfältigen der Bibel spottbillig im Vergleich zu Handschriften.
Sehr viel mehr Menschen konnten sich nun eine Bibelleisten und hatten sie dann auch. Da der Markt nun an Bibel gesättigt, war es aber immer noch viele Drucker gab, ging man dazu über profanere Dinge zu drucken, wie z.B. Zeitungen.
Im wesentlichen Korrekt. Handschriften (HSS) waren teuer, PrachtHSS noch teurer. Norman Roth zitiert in einem Buch über al-Andalus (Jews, Visigoths and Muslims in Medieval Spain. Cooperation and Conflict. Leiden 1994, S. 150 f.) Preise: Ein großes Haus mit einem Innenhof wird da mit 150 Dīnār beziffert, ein anderes Haus mit Lagerräumen mit 500 Dīnār und eine (wohl hebräische) Bibel wird in einer anderen Quelle als Sicherheit für eine Leihgabe von 500 Dīnār gegeben.
Bis zum Druck von Zeitungen hat es allerdings etwas gedauert. Die mediale Revolution, die durch den Buchdruck ausgelöst wurde, förderte zunächst einmal die Verbreitung von "Schundliteratur"*. Um sich abzuheben, wurden qualitativ hochwertige Werke auch weiterhin als (Pracht)HSS ausgeführt. Jemand der etwas auf sich hielt, kaufte sich also weiterhin die teuren HSS.
Die ersten regelmäßig erscheinenden Zeitungen kamen gegen Ende des 18. Jahrhunderts in England und Frankreich auf. Die erste deutsche Tageszeitung waren die Berliner Abendblätter, die Heinrich von Kleist im Winterhalbjahr 1810/11 herausgab.
Das heißt natürlich nicht, dass es nicht vorher auch schon Periodika gegeben habe.
Was recht früh nach Durchsetzung des Buchdruck herauskam, waren Kampfschriften, der Kampf zwischen Refromatoren und Päpsten wurde medial geführt, hier bedienten sich natürlich alle Seiten des Buchdrucks.


*Nicht im Sinne von Pornographie o.ä., sondern wirklich schlecht komponierte Texte.
 
Oder schrieben liessen.
Warum wird sonst berichtet, das "Schreiber" ein Beruf war?

Die Autoren haben sich beklagt, dass die Werke durch das fortwährende Abschreiben überaus entstellt würden. Gab wohl "kreative" Kopisten
Um Abschreib-Kosten zu sparen wurde auch fürchterlich gekürzt. Was anscheinend die Werke zT fast unleserlich machte. (die haben den Readers Digest also schon erfunden)

Also Bedarf, da hast Du und ElQ recht, Bedarf hätten die Römer gehörigen gehabt.

Aber, um auch das zu bestätigen, das fehlende Papier hat bestimmt eine Rolle gespielt, bei der "Nicht-Erfindung"!
 
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