Antikes Steuersparmodell nach Kostolany - Stimmt's?

Eckert

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Hier noch eine Frage an die Runde bezüglich antiker Quellen, gewissermaßen ein Nachtrag zu #9: Ich meine, der Börsenexperte Kostolany beschreibt ein antikes Steuersparmodell. Jeder muß Steuern zahlen, nur der Tempel bleibt frei. Jetzt schenken wohlhabende Bürger ihr Eigentum dem Tempel. Die Tempelverwaltung überläßt ihnen die Schenkung als zinsloses Darlehen. Alles ist geblieben wie zuvor, bloß Steuern fallen weg. Dies soll zu einer merklichen Verstimmung zwischen dem Kaiser Nero und Judäa geführt haben. Ist dies nun eine Anekdote oder Fakt?

[mod]Beitrag #9:[/mod]
@ Anthropos #3: Ich vermute, es gab damals keine Meldeämter, so scheint die Mär vom braven Bürger, der dort hin strebt, wenig glaubhaft. Heute haben die meisten die Einstellung: Steuervermeider oder Steuerflüchtling = Täter auf Kosten von uns allen. Damals, in Judäa wie in Germanien, war das nicht so ausgemacht: Gelder für den Cäsar = neue Truppen, neue Paläste. Von sozialer Sicherung für die Bevölkerung keine Rede! Für den einzelnen ging es um die Entscheidung: Vernichtung der eigenen Existenz oder Flucht. Das gilt im Raum Syrien auch heute.
 
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Eine Frage an die Runde betr. antiker Quellen: Ich meine der Börsenexperte Kostolany beschreibt ein antikes Steuersparmodell, nämlich jeder muß Steuern zahlen, nur der Tempel nicht. So schenken wohlhabende Bürger ihr Eigentum dem Tempel, sie bekommen es als zinsloses Darlehen zurück. Alles bleibt wie vorher, nur Steuern werden keine gezahlt. Nero soll gegenüber Judäa merklich verstimmt gewesen sein. Ist das nun eine Anekdote oder Fakt? Kennt jemand einen antiken Text, der dies bestätigt?
 
Ich zäume das Pferd mal sozusagen von hinten auf, nämlich ausgehend von Kostolany. Der ist ja nun bekannt für seine Sprüche, für seine Kritik an Irrationalitäten der Marktakteure, für long-Strategien auf Fundamentaldaten-Basis, so dass auch ein solcher Vergleich ganz plausibel klingt.

Im Beispiel werden außerdem Kenntnisse des antiken Finanzwesens mit neuzeitlichen Vorstellungen "gemixt": Tempel kennt man, ihre Depotfunktion für Vermögen, man vermutet auch Darlehensgewährung, und Steuern hatte man im Römischen Reich auch.

Ich kenne das Zitat nicht, könnte mir aber den Hintergrund vorstellen: Kritik an Irrationalitäten, hier "Steuersparmodelle" und Fehlallokationen.

Dass sich in dem Beispiel "nichts ändert", ist erst mal offensichtlich falsch, denn anstelle des Eigentums an Vermögen gerät der Schenker in eine Schuldnerposition. Ökonomisch verkürzt am fiktiven Fall: um 40% Steuern zu sparen, werden 100% "weggeworfen" (verschenkt). Ähnlich verkürzt kann man das Phänomen der Verlustzuweisungsgesellschaften der 1980er sehen, oder der "Mantelgesellschaften", denen später mit Zuweisungsgrenzen ein Riegel vorgeschoben wurde. Mittel werden unabhängig risikobehaftete Investments gesteckt, das Risiko wird nicht adäquat bewertet, der (kurzfristige) Verlustzuweisungscharakter mit Steuersparchance überdeckt sozusagen die Frage nach der langfristigen Sinnhaftigkeit einer Investition.

Möglicherweise hat er dieses Beispiel aus der Antike konstruiert, oder sich tatsächlich an eine Beschreibung angelehnt, um plakativ den Unsinn bzw. die Irrationalitäten zu beschreiben. Er dürfte damit nicht den Anspruch gehabt haben, etwas methodisch oder empirisch zu beschreiben, sondern eher, Anlagestrategien zu hinterfragen.

Vielleicht können aber die Experten für antike Quellen da mehr zu sagen.
 
Wenn wir das ausdeuten wollen, was Kostolany zugeschrieben wird, dann kann es sich um eine direkte Vermögensbesteuerung handeln, nach Art der früheren deutschen Vermögensteuer.

Beispiel: 1% Steuer auf das vorhandene Vermögen.
 
Direkte Steuern gab es sehr wohl schon in der Antike, auch im Römischen Reich. In der Provinz wurde das tributum capitis erhoben, eine Art Kopfsteuer, die (fast - manche Städte waren privilegiert) jeder Nichtbürger zahlen musste (in Syrien 1% des Vermögenswertes).
Dazu konnten noch direkte Steuern im Rahmen der Städteselbstverwaltung kommen. Kaiser Antoninus Pius gestattete einer Stadt in Makedonien, als Steuer von jedem freien Bürger einen Denar einzuheben.

Mir ist Kostolanys Steuersparmodell noch nie untergekommen, wobei aber eher Buschhons unser Experte für Judaica ist; meine Kenntnisse beschränken sich neben der Bibel im Wesentlichen auf die Schriften von Flavius Iosephus. Ich kann es mir aber auch nicht so richtig vorstellen. Die reichen Bürger hätten sich doch in Abhängigkeit vom Tempel begeben; wer will das schon? Obwohl, wenn ich an die zeitweise auch hierzulande beliebte Praxis denke, bei der Unternehmen und Gebietskörperschaften Vermögenswerte verkauft und dann zurückgeleast haben ...
 
Ich würde auch vermuten, dass Kostolany da eher Bilder zusammengesetzt hat, wie oben beschrieben: Tempel, Kapitalüberlassung, "Darlehensgewährung" in der Antike, römische Steuern.

Von daher sind direkte Vergleiche wohl nicht möglich. Beim Leasing werden auch Nutzungsentgelte in Höhe der Annuitäten der Kapitalwerte vereinbart, zuzüglich Aufschläge.
 
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