Menschenopfer in der Antike

Gisele

Mitglied
Hallo,
stimmt es, dass die Römer früher z. B. griechische Paare lebendig begraben haben? Wer kann mir dazu etwas erzählen?
:fs:
 
stimmt es, dass die Römer früher z. B. griechische Paare lebendig begraben haben? Wer kann mir dazu etwas erzählen?

Es gab im Rom der Frühen und Mittleren Republik noch Menschenopfer wenn besondere Notfälle gegeben waren. Offiziell gesetzlich verboten wurden Menschenopfer erst zur Zeit Caesars, aber schon mit dem Ende der Mittleren Republik kamen sie nicht mehr vor.

Das von dir genannte lebendige Begraben kam als Ausnahme vor, daß berühmte Beispiel ist das des Zweiten Punischen Krieges, als Hannibal die Römer bei Cannae geschlagen hatte. Als Opfer für die Kriegsgötter Quirinus und Mars wurden auf dem Forum Boiarum je ein Paar aus jedem Volk das da war lebendig begraben. Also nicht nur ein griechisches Paar (junger Mann mit Freundin) sondern auch ein keltisches und ich glaube ein illyrisches. Damit wollte Rom Hannibal auch absolute Entschlossenheit demonstrieren, bis zum Tod und bis zum Ende zu kämpfen. Trotzdem waren Menschenopfer in Rom vergleichsweise selten, die Karthager umgekehrt brachten auch Menschenopfer dar, viele Völker in der Antike taten das.

Das lebendige Begraben war aber als Opferungsmethode selten, außer den Römern kenne ich das vor allem von den Persern. Wenn man von den Germanischen Opfern in Mooren absieht, aber das würde ich als eine andere Form von Opfer sehen.
 
Ja, die "Mooropferung" könnte man eher als ertränken sehen, zudem sie ja meist nicht am moor starben, sondern bereits zuvor die kehle durchschnitten bekamen, und einiges weiteres, ich glaube es waren vier sachen, die sie ihnen antaten, wie es alle Keltischen Völker damals taten, um vier wichtige Götter gnädig zu stimmen, wobei jeder Gott seine eigene art hatte, wie ihm opfer beigebracht wurden, soweit ich weis wurden sie

erschlagen - erwürgt - bekamen die kehle durchschnitten - und wurden ertränkt

Wohl hat das Menschenopfer in der antike seine wurzeln im glauben an einen Gott des Krieges und des Übels,... aber dies ist schon beinahe wieder vom thema abweichend, es geht ja um die Römer...
 
Krieg und Übel ist eine heutige Sicht.

Mars war sowohl der Gott des Krieges, aber auch der Gott des Bauerntums, der Felder usw

Quirinus war anfänglich die sabinische Entsprechung und später der vergöttlichte Romulus. Als solcher ein staatstragender Gott.

Krieg wurde in der Antike nicht notwendigerweise als schlecht betrachtet, daß kam auf die Kultur des jeweiligen Volkes an und ist ja nur Definitionssache.
 
Sparta!
ein damals durchmilitarisierter stadtstaat, wie die gesellschaft im Deutschland des Kaiserreiches.

Es gibt auch einige Sprüche, aussagen von damals:

"Ein spartaner fragt nie wie viele, sondern wo?"
spartanisches sprichwort

"Komm mit diesem Schild nach hause, oder auf ihm"
Eine Frau aus sparta rüstet ihren sohn

Auch in Germanien, Gallien, Dakien, Britannien, Hibernia u. ä. war der Krieg nicht unbedingt verschrien, wie die germ. Berserker beweisen, die mit freude und einem adrenalinstoß den Feinden entgegenbrannten...(soweit beschrieben)
 
wie die germ. Berserker beweisen,

Der Begriff Berserken ist isländischer Herkunft (Bärenhäuter) und ist für die Germanen zur Zeit Roms noch nicht belegt, es kommt aus dem Mittelalter bzw von den Wikingern her. Wobei der Gedanke eines Wolfsmenschen/Bärenmenschen natürlich urgermanisch ist und der Gebrauch von Fliegenpilzen, Tollkirsche usw auch für Germanen wahrscheinlich ist.

Sparta war im übrigen bei aller Radikalität außenpolitisch isolationistisch und militärisch zurückhaltend im Vergleich, die Athener und andere waren durchaus aggressiver. Es ist überhaupt faszinierend, daß extrem militarisierte Gesellschaften ebenso häufig zum Isolationismus neigen wie zu Expansionismus. Der Vergleich Spartas mit dem Deutschen Reich dagegen ist meiner Meinung nach nicht gut, die passen beide überhaupt nicht zusammen, das sind zwei eher konträre Gesellschaftsmodelle. Der Vergleich mit den Nationalsozialisten ist dagegen meiner Meinung nach sehr gut, hakt aber auch an einigen Punkten.

Bei deiner Aufzählung lauter barbarische Völker ? Warum nicht Rom selbst ?
 
Rom?

nun, ich war allgemein der auffassung, dass das römische Volk gegen den Krieg war, deswegen ja die "Brot und Spiele" Methode, um das Volk von Rom bei laune zu halten, und damit sie tolerierten, dass so viele starben. Ich wählte lauter "Barbarische" länder, wobei Barbarisch natürlich für die Römer jeder Staat, jedes Volk war, dessen sprache sie nicht verstanden, die in etwa sehr ähnliche Gesellschaften hatten, um die schneise zu symbolisieren, die staaten am mittelmeer waren die wohl "zivilisiertesten" der damaligen Zeit, die oft genug diplomatisch vorgingen, weil sie einen Krieg scheuten.
 
Rom war eine sehr kriegerischer Staat. Gerade in den Anfängen, aber das wird die Quintus sicher noch genau erläutern.
Die Brot und Spiele Tradition war meines Wissens nach nicht um über die Todesopfer hinweg zu täuschen (Der Pöpel war damals (und teilweise auch heute) ziemlich primitiv und die interessierte nicht sonderlich ob irgendein "Provinzieller" Starb sondern vielmehr um über die Niederlagen ansich oder über Veränderungen hinweg zu täuschen.

Desweiteren stammt das Wort Barbarisch aus dem Griechischen und die Römer haben es nur übernommen. Im Vergleich zu den Griechen hatten sie durchaus Unterscheidungsnamen für die einzelnen "barbarischen" Völker.

Ansonsten würde ich dich bitten nicht so übergangslos von einem Thema zum nächsten zu hoppeln. Teilweise ist es sehr schwer deine Beiträge zu verstehen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
nun, ich war allgemein der auffassung, dass das römische Volk gegen den Krieg war,

Ähem, räusper, hüstel HUST !!! ne im Ernst, es gibt nur wenige Völker die derart militärisch geprägt waren wie die Römer. Das Römische VOLK, also die Römer vor dem Bundesgenossenkrieg, waren ein Kriegervolk, JEDER Römer war Soldat, sie hatten eine Milizarmee und de facto fast jeder Bürger zog regelmäßig oder sogar jährlich in den Krieg, vor allem in der Anfangszeit. Das Militär war der zentrale Punkt und Grundlage des römischen Staates überhaupt. Was glaubst du wie man zu einem Imperium kommt ? (Imperator ist auch ein rein militärischer Titel)

deswegen ja die "Brot und Spiele" Methode, um das Volk von Rom bei laune zu halten, und damit sie tolerierten, dass so viele starben.

Das Gegenteil ist der Fall. Sehr viele ernstzunehmende Leute sehen die Gladiatorenspiele als eine Kompensation der noch im Volk vorhandenen Gewalttätigkeit. Erst im Verlauf von Jahrhunderten und mit dem Aufkommen des Christentums änderte sich das, im Endeffekt änderte sich auch dadurch, daß die Römer als Volk ausstarben und nur noch Römer als Bürger bzw als Staatsbegriff übrig blieb. Über die Hälfte der Zeit Roms aber, von den Anfängen der Republik bis hin zum Kaiserreich war Rom absolut durch den Krieg geformt und geprägt.

Ich wählte lauter "Barbarische" länder, wobei Barbarisch natürlich für die Römer jeder Staat,

Im übrigen waren die frühen Römer nicht einmal so weit von den "Barbaren" weg. Die Kelten in Gallien waren den Römern Caesars kulturell und sogar technologisch gar nicht weit hinterher bzw gleich auf. Die Römer galten wiederum den Griechen als Barbaren, und zwar nicht im griechischen Sinne (nichtgriechen) sondern auch im modernen sinne.

die oft genug diplomatisch vorgingen, weil sie einen Krieg scheuten.

Diplomatisch rangierte die römische Republik auf einer Skala von 1 bis 10 irgendwo bei 1. Und die Tore des Tempels des Janus wurden erst von Augustus geschlossen....

Ansonsten würde ich dich bitten nicht so übergangslos von einem Thema zum nächsten zu hoppeln. Teilweise ist es sehr schwer deine Beiträge zu verstehen.

Ach komm, vom Titel her ist das doch schon ein schön allgemeiner Spaßthread wo wir einfach mal ALLLES diskutieren !! Mir macht das Spaß.
 
Quintus Fabius schrieb:
Ach komm, vom Titel her ist das doch schon ein schön allgemeiner Spaßthread wo wir einfach mal ALLLES diskutieren !! Mir macht das Spaß.

Der leider zu allgemein geratene Titel, den ein relativ unerfahrenes Mitglied erstellt hat, sollte eigentlich kein Anlaß sein, aus dem Thema "Menschenopfer" einen Spaßthread zu machen.

Das Thema wird umbenannt und geteilt; mit den Kakerlaken geht es hier weiter:

http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=5089
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Also es war nicht unsere (meine) Absicht einen Spaßthread daraus zu machen, die Themen die schon angeschnitten wurden, sind allesamt durchaus ernst und auch interessant. Wer weiß denn wann die Cloaca Maxima gebaut worden ist, oder wie hoch die Insulae waren ?!

Vorschlag: den neuen Thread weiter mit Die Römer betiteln (und nicht mit Kakerlaken und sonstiges, das finde ich abwertend). Diesen hier mit

Menschenopfer in der Antike (und dann nach Sonstiges im Altertum verlegen)

Eine Frage die sich mir dann gleich stellt ist die, nach Menschenopfern bei den Griechen, bei Homer findet sich dieses Motiv ja noch, gab es das auch noch später bzw im Hellenismus ?
Und welche Gründe bzw Fälle sind bekannt ?

Und dann könnten wir die Karthager und die Kelten abhandeln. Zu den Menschenopfern bei den Italikern schreibe ich nächste Woche noch was.
 
Quintus Fabius schrieb:
Vorschlag: den neuen Thread weiter mit Die Römer betiteln (und nicht mit Kakerlaken und sonstiges, das finde ich abwertend). Diesen hier mit

Menschenopfer in der Antike (und dann nach Sonstiges im Altertum verlegen)

Gute Vorschläge führe ich gerne aus.
 
Wie wurden denn die Kandidaten zu jener Zeit bestimmt? Gab es Freiwillge oder entschied das Los?
 
Ich glaube nicht, dass sich jemand freiwillig geopfert hat - oder doch?!:grübel:


Die spinnen die Römer.....:p
 
Die Römer haben sich durchaus, den Sagen nach, freiwillig geopfert. S. dazu das Sagenthema im Römerforum.
Ansonsten gabs ja auch Sklaven die man auswählen konnte oder Kriegsgefangene.

Mit Spinnen hat das wenig zu tun, auch die Christen fast jeder Nation haben ihre Märtyrer. Das Glauben nicht leicht zu verstehen ist brauchen wir hier nicht zu diskutieren.
 
Die Römer waren ja eigentlich auch sehr offen für neue Götter, z. B. die der Griechen. Ist das Richtig? Finde ich schon interessant.:grübel:
 
Was noch zu erwähnen wäre:
97 v. Chr. sind laut Plinius Menschenopfer durch Senatsbeschluss verboten worden. Allerdingds habe ich im Hinterkopf, dass anstattdessen dann mitunter Strohpuppen über den Rand der pons sublicius in den Tiber geworfen wurden. :grübel:
 
Wir können zusammenfassen, dass es im antiken Griechenland und Rom selten Menschenopfer gab, und - je näher hin zur Neuzeit - gar keine mehr. Das letzte "offizielle" römische Menschenopfer war das Begrabenwerden bei lebendigem Leib von einem gallischen und einem griechischen Paar (wie Quintus oben ausführte) im zweiten punischen Krieg - mit diesem Akt sollte ein dubioser Orakelspruch entschärft werden, nach dem "fremde Völker auf dem Forum hausen werden" - die beängstigende Bedeutung einer Eroberung wurde auf diese Weise "abgefälscht". Eine im offiziellen Ritus vorkommende Opferung ist mir nicht bekannt (dazu zählen natürlich nicht Todesstrafen wegen Verletzungen eines Ritus oder das offizielle Abschlachten von (Kriegs-)Gefangenen, sei es im Mamertin oder in der Arena).

Ganz im Gegensatz dazu: Karthago.

Diodoros Siculus schildert anschaulich einen Opfer-Automaten zur Kleinkindverbrennung; ein Ball, der mit Begeisterung von Gustave Flaubert und Giovanni Pastrone ("Cabiria") weitergespielt wurde, und auch heute noch manchen Treffer erzielt. Nun hat man in der Tat seit den siebzigern den Tophet von Karthago ausgegraben, einen Ort, in dem man tausende von Urnen mit der Asche von Babies und Kleinkindern fand. Die Ausgrabungen stellten den Tophet zumindest mit Sicherheit als einen Ort fest, der nicht eine Massentötungsmaschine von von Dioschen Ausmaßen bergen konnte - und erst recht nicht Massentötungspraktiken. Vielmehr scheinen die Opferungen sehr individuell und unter Ausschluß der Öffentlichkeit vorgenommen worden zu sein (auch dadurch evident, dass eine Öffentlichkeit gar nicht in den kleinen und abgelegenen Tophet gepasst hätte). Aber was ist dran an den kindermordenden Kulten der Karthager?

Im wundervollen Ausstellungskatalog zu "Macht und Reichtum Karthagos" (Karlsruhe, letztes Jahr) beschreibt Sergio Ribichini den Tophet als eine Nekropole für Totgeburten und früh verstorbene Kinder, die durch das Feueropfer dem Gott Baal Hammon als Lebensspender zurückgegeben werden; M'hammed Hassine Fantar hebt im selben Ausstellungskatalog hervor, dass im Tophet Weihinschriften, Bitten, Gelübde etc. gefunden wurden, aber trotz der Anwesenheit von vielen (in Karthago 20.000) Urnen kein Hinweis auf den Tod oder das Opfer zu finden ist. Nebenbei: es sind auch immer wieder in je nach Zeitraum und Ort wechselnden Anteilen Urnen mit Knochen von kleinen Lämmern gefunden worden, im Tophet von Mozia (Motye, Sizilien) wurden offenbar fast ausschließlich Lämmer geopfert.

Wir können nicht klar sagen, ob die Karthager wirklich Kinder geopfert haben. Vermutlich ja, aber nicht in der Art und dem Maße, wie es Römer und Griechen beschrieben. Die tiefe Religiösität der Karthager und deren Transzendentalismus von Tod und Geburt als Akten des Gebens und Nehmens der Götter war für Griechen und Römer unverständlich: diese "machten ihre Kinder selbst" und zogen nach dem Tod in die Unterwelt; jene sahen sich als "Geschenk Baals" (ein ziemlich populärer Name), das nach dem Tod von jenem auch gerne wieder zurückgenommen wurde. Wir können trotzdem nicht annehmen, dass alle im Tophet aufgefundenen Kinderleichen eines natürlichen Todes gestorben sind. Dass die Geschichten von Massenopfern und staatlichen Quoten jedoch Propaganda sind, steht auch ausser Zweifel: dafür war Religion bei den Karthagern zu sehr Privatsache, mit der der Staat nichts zu tun hatte.
 
Kiprian schrieb:
In dem Film, den ich gesehen habe, wurden englischen und amerikanischen Archäologen gezeigt, die an den Ausgrabungen im Tophet teilgenommen haben. Ihre kategorische und eindeutige Meinung war - Das ist Grabstätte von Kindern, die in Karthago geopfert wurden!

Das ist eben das große Problem an Interpretationen, oft unterliegen auch Archäologen der Versuchung genau das zu sehen was sie sehen wollen! (Vor allem wenn das Fernsehen dafür Geld bezahlt...) Die Tatsache, dass dort im Tofet Kinder begraben wurden rechtfertigt keine Aussage darüber ob dies Menschenopfer waren oder nicht.

Kiprian schrieb:
Ich versteh wirklich nicht die Logik von Mummius Picius. Das dass im Tophet auch Urnen mit Knochen von kleinen Lämmern gefunden wurden, war für die Englischsprechenden Archäologen ein zusätzlicher Beweis, dass es gerade um eine Grabstätte von Kinderopfern geht. Der Platz wurde als Grabstätte für Gottesopfer benutzt – Kinder (mehr als 20 000) und Lämmer!
Die Möglichkeit, dass es “eine Nekropole für Totgeburten und früh verstorbene Kinder, die durch das Feueropfer dem Gott Baal Hammon als Lebensspender zurückgegeben werden” wurde von den Wissenschaftlern als eher unwahrscheinlich betrachtet. Dort wurden sterbliche Überreste auch von 12, 13 und 14 jährigen Kindern gefunden. Also nicht nur Babys und Kleinkinder.

Kinder sterben heute und starben auch damals ( bekanntermaßen wesentlich häufiger, Stichwort "Kindersterblichkeit") noch in einem "höheren" Alter als dem Kleinkindalter. Daher lässt sich aus dem Vorkommen von sterblichen Überresten älterer Kinder einfach keine glaubhafte Argumentation entwickeln, die einen Beleg für karthagischen Massenkinderopfer darstellt.
Im übrigen sind die von Mummius Picius zitierten Wissenschaftler, die die Artikel im Karlsruher Katalog verfasst haben, durchaus glaubwürdiger als "englischsprachige Archäologen" aus einem Film.

Wie schon von anderen geschrieben, es geht nicht darum die Karthager aus einer modernen moralischen Sicht von dem Vorwurf der Kinderopfer reinzuwaschen. Im Gegenteil, es geht einzig darum, dass man nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht kritisch an die erhaltenen Quellen, auch und gerade die archäologischen, herangeht und sie analysiert.

Dazu gehört aber auch die Kritik an der römischen Überlieferung, denn daduch wird ja unser heutiges Bild maßgeblich geprägt. Es ist aus wissenschaftlicher Sicht keineswegs fragwürdig, dass die römische Überlieferung ein sehr einseitiges und keineswegs "wahre" Verhältnisse zeichnendes Bild überliefert, daher ist es völlig unangebracht diese Darstellungen als bare Münze zu nehmen. Wer also den Worten von massenhaften Kinderopfern blauäugig glaubt, der sitzt der römischen Propaganda auf, die sich einen Feind erschaffen hat, den sogar G.W.Bush problemlos seiner "Achse des Bösen" hinzufügen könnte.
 
Achtung, hier kommt eine Interpretation!

Ich glaube, dass es so etwas wie einen "karthagischen Staatsbegriff" wie die römische Res Publica oder die griechische Polis gar nicht gab. Das Fehlen von Inschriften, die sich in irgendeiner Weise auf "den Staat" beziehen, lässt darauf schließen … und zumindest im Bereich der Opfer im Tophet lässt es m. E. eindeutig darauf schließen, dass es keine "staatlich verordneten" Menschenopfer gab. Übrigens legt auch die Numismatik diesen Schluß nahe; die ersten punischen Münzen stammen aus der Zeit des ersten punischen Krieges und tragen den Begriff "Feldlager" und "für das Heer", waren also Eigenkreationen für die Bezahlung der Söldner. Die meisten karthagischen Münzen, die wir kennen, sind Eigenkreationen der Barkiden. Und auch sonst finden wir in der karthagischen Geschichte Aktionen, die auf ein nach modernem (und griechisch-römischem) Staatsverständnis merkwürdig anmuten: die Barkiden erobern als "Familienunternehmen" Spanien; andere Städte scheinen ebenfalls "Privatbesitz" (z. B. Mago auf Menorca) gewesen zu sein.
Vielleicht öffnet sich so durch die Hintertür eine Auslegung der für uns oft so merkwürdig erscheinenden Nicht-Unterstützung karthagischer Feldherren, von Hanno bis Hannibal, durch die "Stadt": die Kommandeure waren als Unternehmer unterwegs, die mit ihrem Startkapital auszukommen hatten. Wenn es aufgebraucht war, mussten die Feldherren selber sehen, wie sie klar kamen.

Wie schon gesagt, manche Aspekte Karthagos sind Rätsel und werden es bleiben. Was wir tun können, ist uns unter Betrachtung der Fakten - und natürlich deren Interpretation - intervallschachtelungsmäßig dem Anzunähern, was gewesen sein könnte: und dazu bedarf es des Denkens über frühere Interpretationen hinaus. Dass bereits die Römer und Griechen, als Zeitgenossen, an diesem Rätsel gescheitert sind, beweisen uns die archäologischen Fakten, die teilweise in krasser Dissonanz zu den Überlieferungen stehen: uns macht dieser Umstand die Betrachtung Karthagos nicht gerade leichter.
 
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