Tod in der Antike

F

Fragdoch

Gast
Welche Vorstellungen hatten eigentlich die Römer vom Jenseits? Stimmt es, dass sie gar keins kannten?
 
In der griechischen Mythologie gab es den Hades, die Unterwelt. Ähnliche Vorstellungen gab es bei den Römern auch, wo Pluto und der wohl etruskische Totengott Orcus mit Hades zusammenfielen: Sie waren die Herrscher über die Unterwelt.
 
Welche Vorstellungen hatten eigentlich die Römer vom Jenseits? Stimmt es, dass sie gar keins kannten?
Nein, stimmt nicht.

Die schlechte Nachricht zuerst: Es gab - jedenfalls für die Römer, die sich dafür interessierten - die Hölle (Unterwelt). Der prominenteste "Reiseführer" durch diese Gefilde war Vergil, der im 6. Buch seiner Aeneis recht ausführlich die dortigen Zustände beleuchtete; seine Darstellung blieb für einige Jahrhunderte das Referenzwerk.
 
Nein, stimmt nicht.

Die schlechte Nachricht zuerst: Es gab - jedenfalls für die Römer, die sich dafür interessierten - die Hölle (Unterwelt). Der prominenteste "Reiseführer" durch diese Gefilde war Vergil, der im 6. Buch seiner Aeneis recht ausführlich die dortigen Zustände beleuchtete; seine Darstellung blieb für einige Jahrhunderte das Referenzwerk.

Heißt das, dass die Religion in der Weltanschauung der Römer keine große Rolle gespielt hat? Da habe ich aber anderes gehört, das Bildungssystem der Römer soll mehr wert auf Literatur und Mythologie gelegt haben als auf die "harten" Fächer.

Haben die Römer eigentlich ihre Totengeschichten usw. auch als Alegorien auf das Leben gesehen?
 
Heißt das, dass die Religion in der Weltanschauung der Römer keine große Rolle gespielt hat?
Im Gegenteil, die Religion spielte bei den Römern eine sehr wesentliche Rolle - zumindest formell. Der römische Kalender war voll mit Festen aller mehr oder weniger wichtigen Götter, und es gab kaum eine wichtige staatliche Aktivität, die ohne Opfer und Einholung der Auspizien auskam. Das ging sogar so weit, dass Wahlen und Beschlüsse des Senats und der Volksversammlungen für ungültig erklärt werden konnten, wenn die Auguren, also die Vogelschauer, zum Schluss kamen, sie seien den Göttern nicht genehm. (Dass damit reichlich Missbrauch getrieben wurde, liegt auf der Hand.) Auch im privaten Bereich spielte Religion eine wichtige Rolle, Trankopfer und Gebete am Hausaltar für die Laren und Penaten (Hausgötter) und Manen (Geister der Ahnen) gehörten zum guten Ton. Natürlich war vieles davon oft nur Formalität, wie gläubig die Römer tatsächlich waren, ist eine andere Frage. Aber auch das sollte man nicht unterschätzen: Auch wenn der "offizielle" römische Kultus schon in der späten Republik zunehmend in erstarrten Ritualen bestand, war die Masse der Römer vermutlich weiterhin in der einen oder anderen Weise gläubig - wenn auch nicht unbedingt im Sinne des offiziellen Kultus, sondern abweichender Kulte. Die Vielzahl fremder Kulte, denen viele Römer anhingen, aber auch der verbreitete Aberglaube zeugen eindeutig vom religiösen Bedürfnis der Römer. (Mit Rückschlüssen aus den erhaltenen Schriftstellern, die sich mitunter eher skeptisch äußern, zur Volksfrömmigkeit muss man vorsichtig sein, denn die Autoren - Philosophen und sonstige Gebildete - waren nicht repräsentativ.)
 
Heißt das, dass die Religion in der Weltanschauung der Römer keine große Rolle gespielt hat?
Nein, heißt es nicht - ich bezog mich bei meiner Antwort exakt auf die Frage nach den Jenseitsvorstellungen der Römer, nicht auf die Religion als Ganzes oder auf "religiöse Bedürfnisse" im Allgemeinen.

(OT) Der Anteil der religiös eingestellten Menschen, die sich heute intensiv mit den Jenseitsvorstellungen beschäftigen, ist nach meiner Einschätzung auch nicht so gross. Der Kölner Kardinal Meissner hat vor Jahren mal gerügt, dass viel über Jazz in der Kirche oder andere moderne Dinge gesprochen wird, aber wenig über die Hölle. (Aus dem Gedächtnis zitiert.) (/OT)
 
Im Gegenteil, die Religion spielte bei den Römern eine sehr wesentliche Rolle - zumindest formell. Der römische Kalender war voll mit Festen aller mehr oder weniger wichtigen Götter, und es gab kaum eine wichtige staatliche Aktivität, die ohne Opfer und Einholung der Auspizien auskam. Das ging sogar so weit, dass Wahlen und Beschlüsse des Senats und der Volksversammlungen für ungültig erklärt werden konnten, wenn die Auguren, also die Vogelschauer, zum Schluss kamen, sie seien den Göttern nicht genehm. (Dass damit reichlich Missbrauch getrieben wurde, liegt auf der Hand.) Auch im privaten Bereich spielte Religion eine wichtige Rolle, Trankopfer und Gebete am Hausaltar für die Laren und Penaten (Hausgötter) und Manen (Geister der Ahnen) gehörten zum guten Ton. Natürlich war vieles davon oft nur Formalität, wie gläubig die Römer tatsächlich waren, ist eine andere Frage. Aber auch das sollte man nicht unterschätzen: Auch wenn der "offizielle" römische Kultus schon in der späten Republik zunehmend in erstarrten Ritualen bestand, war die Masse der Römer vermutlich weiterhin in der einen oder anderen Weise gläubig - wenn auch nicht unbedingt im Sinne des offiziellen Kultus, sondern abweichender Kulte. Die Vielzahl fremder Kulte, denen viele Römer anhingen, aber auch der verbreitete Aberglaube zeugen eindeutig vom religiösen Bedürfnis der Römer. (Mit Rückschlüssen aus den erhaltenen Schriftstellern, die sich mitunter eher skeptisch äußern, zur Volksfrömmigkeit muss man vorsichtig sein, denn die Autoren - Philosophen und sonstige Gebildete - waren nicht repräsentativ.)


Ich denke auch, man sollte die Religiösität des Einzelnen, selbst des politisch Handelnen nicht unterschätzen. Wir wischen das heute gern mal beiseite, aber ein wirklicher Atheismus war in der Antike wohl kaum zu finden.
 
Nein, stimmt nicht.

Die schlechte Nachricht zuerst: Es gab - jedenfalls für die Römer, die sich dafür interessierten - die Hölle (Unterwelt). Der prominenteste "Reiseführer" durch diese Gefilde war Vergil, der im 6. Buch seiner Aeneis recht ausführlich die dortigen Zustände beleuchtete; seine Darstellung blieb für einige Jahrhunderte das Referenzwerk.

Diese Jenseitsvorstellung ist doch aber eindeutig von den Griechen übernommen. Vergil hat ja Rom auf Aeneas zurückgeführt und es damit in das Troja-Legenden-Umfeld eingeordnet. Odysseus (?) oder irgendwer war ja auch mal im Hades "herumgereist", also ich denk schon, dass es da eine Verbindung zur griechischen Kultur gibt und diese Jenseitsvorstellungen (auch wenn die Römer sicherlich irgendwie dran "glaubten") nicht original-römisch sind.

Rein etruskisch-römische "Totenkulte" gibts aber natürlich auch. Das wichtigste Element war das Aufstellen von Bildern der Verstorbenen in den Häusern oder das verzieren der Grabstätten damit. Also Büsten, Bilder, irgendwas wo man den Verstorbenen noch "bei sich" hat. An eine körperliche Jenseitsreise haben sie aber sicher lange Zeit nicht geglaubt, denn sie haben ja ihre Toten verbrannt und so den Körper zerstört. Da herrschte sicherlich eher die Vorstellung von einem Weiterleben in nichtstofflicher Form (als "Geist" oder sowas, ich meine auch mal irgendwo in den Quellen, glaub bei Livius, von einer Art Spukerscheinung gelesen zu haben). Wenn ich das richtig verstehe, geht ja bei den Griechen jemand mit seinem Körper ins Jenseits, oder geht da auch nur eine Art "Geist" in die Unterwelt?:confused:

In der Kaiserzeit wird noch die Divinisierung wichtig, also das Aufsteigen des Kaisers zu den Göttern.

Hier: Great Cameo of France - Wikipedia, the free encyclopedia

kann man es sich gut vorstellen. Oben schwebt mit dem Zepter in der Hand Augustus herum (und zwei weitere tote Familienmitglieder, wenn man sie als diese identifizieren kann, was immer nicht so ganz sicher ist...).
In der Mitte mit dem Zepter, das soll Tiberius sein (umringt von anderen noch Lebenden). Und unten die "Barbaren", wo aber glaub ich nicht klar ist, ob die nun auch tot sind oder nur die "Unterwerfung" dargestellt werden soll.

Irgendwo (sorry, ich merke mir andauernd die Quellen nicht, nur dass ichs irgendwo bei nem antiken Autor gelesen hab :() steht auch, dass Nero geträumt haben soll, wie das Augustusmausoleum (seine ursprünglich mal geplante Grabstätte) seine Pforten öffnet und die Stimme des Augustus nach ihm ruft. Das wäre zumindest ein Nachweis einer Vorstellung von einem "Ort" wo sich die Toten aufhalten und dass sie noch kommunizieren können.

Dass diese Sachen mit dem Tod der Kaiser nicht repräsentativ sind für alle Römer, ist aber klar. Wurde ja nicht jeder zum Gott und die meisten hatten wohl eine ganz andere Vorstellung davon, was nach ihrem Ableben passieren würde. ;)

Die Bilder, Inschriften, Grabsteine u.ä. sprechen auf jeden Fall dafür, dass an ein Weiterleben der Erinnerung an den Toten und seine Taten geglaubt wurde und daran auch aktiv gearbeitet wurde. Man kann es auch "Ahnenkult" nennen. Das galt dann auch für "Ottonormal-Römer".
 
Zuletzt bearbeitet:
Rein etruskisch-römische "Totenkulte" gibts aber natürlich auch. Das wichtigste Element war das Aufstellen von Bildern der Verstorbenen in den Häusern oder das verzieren der Grabstätten damit. Also Büsten, Bilder, irgendwas wo man den Verstorbenen noch "bei sich" hat. An eine körperliche Jenseitsreise haben sie aber sicher lange Zeit nicht geglaubt, denn sie haben ja ihre Toten verbrannt und so den Körper zerstört. Da herrschte sicherlich eher die Vorstellung von einem Weiterleben in nichtstofflicher Form (als "Geist" oder sowas, ich meine auch mal irgendwo in den Quellen, glaub bei Livius, von einer Art Spukerscheinung gelesen zu haben). Wenn ich das richtig verstehe, geht ja bei den Griechen jemand mit seinem Körper ins Jenseits, oder geht da auch nur eine Art "Geist" in die Unterwelt?
Auch die Griechen verbrannten meistens ihre Toten.
Umgekehrt war aber auch der etruskische Totenkult bereits stark griechisch beeinflusst. Wirklich zuverlässige Informationen haben wir über ihn aber mangels entsprechender schriftlicher Schilderungen kaum, sondern müssen uns das meiste aus bildlichen Darstellungen zusammenreimen. Die Sitte der Errichtung großer Nekropolen wurde von den Römern jedenfalls nicht übernommen.
Wie sich die Griechen die Toten in der Unterwelt eigentlich vorstellten, ist schwer zu sagen. Einerseits werden sie oft als "Schatten" bezeichnet, andererseits trinken sie in der Odyssee, als Odysseus bei seinem Besuch in der Unterwelt Tiere schlachtet, das Blut, müssen also doch noch einen Körper haben. Vielleicht gab es bei den Griechen auch unterschiedliche Vorstellungen.
 
Die Sitte der Errichtung großer Nekropolen wurde von den Römern jedenfalls nicht übernommen.

Hier möchte ich gern mal widersprechen. Auch in vielen römischen Städten gibt es Nekropolen, also Bereiche der Grablege an den Ausfallstraßen, die Via Appia vor Rom mit ihren Grabmalen ist da ein berühmtes Beispiel, in Tyros im Libanon gibt es auch eine sehr schöne Nekropole, die man begehen kann.

Im übrigen beinhaltet die etruskische Kultur durchaus eine Reihe eigenständiger Elemente. Der Tumulus als Grablege ist im griechischen bekannt, aber selten, rund um die etruskischen Städte häufig. Vor allem Grabbauten und Gemeinschaftsgräber, in denen die Aschenkisten und Urnen in Nischen in den Wänden aufgestellt wurden, kamen auch eher aus dem genuin etruskischen Vorstellungen und nahmen in römischer Zeit zum Teil prächtige Ausmaße an.
 
Hier möchte ich gern mal widersprechen. Auch in vielen römischen Städten gibt es Nekropolen, also Bereiche der Grablege an den Ausfallstraßen, die Via Appia vor Rom mit ihren Grabmalen ist da ein berühmtes Beispiel
Aber verglichen mit den etruskischen Nekropolen mit ihren reichgeschmückten unterirdischen Räumen waren die römischen Ansammlungen von Grabdenkmälern doch vergleichsweise bescheiden.
 
Aber verglichen mit den etruskischen Nekropolen mit ihren reichgeschmückten unterirdischen Räumen waren die römischen Ansammlungen von Grabdenkmälern doch vergleichsweise bescheiden.

Was die Wandmalerei angeht, hast Du recht. Dafür entwickeln die Römer die schöneren Sarkophage. Hier ist es übrigens interessant, wie jenseitig die etruskischen Bildprogramme, wie diesseitig dagegen die römischen sind.

In der Außenwirkung entwickeln die Römer prächtige Grabarchitekturen. Wenn man sich mal das sehr phantasievolle Grab des Bäckers Erysaces direkt an der Porta Maggiore in Rom anschaut:

http://www.google.de/imgres?imgurl=...e&safe=off&tbm=isch&ei=4PX9TcCDJ4bHtAaRhdDwDQ
 
Zuletzt bearbeitet:
Allerdings erfreuten sich ja auch ausländische, aus dem Imperium Romanum angeschlossen Gebieten, großer Beliebtheit (z.B. der Mithraskult ).
Wie waren in anderen weit verbreiteten Kulten die Vorstellungen vom Jenseits?
 
Da viele dieser ausländischen Kulte Mysterienkulte für Eingeweihte waren, ist über deren Jenseitsvorstellungen meist nicht viel bekannt.
 
Woher soll man das wissen? Es gab keine Volkszählungen, bei denen man sein religiöses Bekenntnis angeben musste.
Der Anteil der Christen an der Reichsbevölkerung im Jahr 300 wird von modernen Autoren auf etwa 10% geschätzt, wobei ich keine Ahnung habe, worauf sie sich bei dieser Schätzung bzw. Berechnung stützen oder ob sie einfach eine runde Zahl genommen haben. Mir selbst erscheint die Zahl zu hoch, vor allem, wenn man bedenkt, dass das Reich nicht gleichmäßig christianisiert war, sondern sich das Christentum auf den städtischen Bereich und da auch auf den Osten sowie Afrika und Rom konzentrierte. In diesen Gebieten müsste der Anteil an Christen daher noch entsprechend höher gewesen sein, um reichsweit auf 10% zu kommen.
Beim Mithraskult ist zuallererst zu bedenken, dass er auf Männer beschränkt war. Verbreitet war er vor allem, aber nicht nur, unter Soldaten.
 
Zurück
Oben