Die germanischen Reiche auf weströmischen Boden

Herakleios

Aktives Mitglied
Nachdem ich mich nun ein wenig ausführlicher mit der Zeit nach dem Untergang des weströmischen Reiches beschäftigt habe, sind natürlich auch die germanischen Reiche auf weströmischen Boden in mein Blickfeld geraten. Dazu hätte ich nun ein paar Fragen (z.T. hypothetischer Natur:D):

> Inwiefern äußerte sich die "Romanisierung" der germanischen Oberschichten in den Reichen? (Politik, Gesellschaft, Kultur)

> War das Heer immer rein germanisch, oder wurden auch Truppen aus der romanischen Bevölkerung ausgehoben? Durchlief das Heer irgendwelche Veränderungen/Reformen (romanischer Einfluß)?

> Und zum Schluß noch eine hypothetische Fragestellung:
Das Merowingerreich war das einzige dieser germanischen Königreiche auf ehemals römischen Boden, dass längere Zeit Bestand hatte und den Übergang ins Mittelalter miterlebte. Auch kulturell und gesellschaftlich, konnten sie im Gegensatz zu den anderen Reichen eine gewisse kulturelle Eigenständigkeit behalten.

Hätten auch die anderen Reiche "überleben" können, wenn sie sich in manchen Bereichen eher wie das merowingische Reich entwickelt hätten? (Katholizismus, usw.)

So dass wars auch schon wieder, ich bitte um rege Teilnahme!
:winke:
 
Burgund wurde bereits im sechsten Jahrhundert dem Merowingerreich einverleibt. Der letzte burgundische König war Theubert I. (533-547)
 
Das Langobardenreich war keines dieser Germanenreiche auf weströmischen Boden. Sie kamen erst nach der byzantinischen Rückeroberung Italiens nach Italien.
(Sorry für den Doppelpost, mein Internet macht mir gerade Schwierigkeiten^^)
 
Das die Vandalen nicht diese barbarischen Zerstörer römischer Kultur waren, ist mir klar. Allerdings muss man bedenken dass die Vandalen die römische Kultur nicht kopierten, sie wurden romanisiert.

Wie sieht es denn mit dem vandalischen Heer aus? War das noch immer das "alte" germanische Heer oder hatte es, womöglich unter romanischen Einfluß, einige Veränderungen durchlaufen?
 
Ich wollte damit ausdrücken dass ich mich auf die ersten Germanenreiche (West-, Ostgoten, Merowinger, Vandalen, Burgund) konzentrieren möchte.
Okay, die Burgunder haben das Mittelalter aus fränkischer Sicht nur knapp erreicht, blieben uns aber doch als "Staat" auch mit nem fränkischen König noch eine Weile erhalten.
Die Reste der Goten und Vandalen in Spanien wurden wesentlich eher romanisiert als die Franken , Burgunder und Normannen in der Normandie und auf Sizilien.
Will sagen, Rom hat geschichtlich einen verdammt langen Atem.
 
Das Merowingerreich war das einzige dieser germanischen Königreiche auf ehemals römischen Boden, dass längere Zeit Bestand hatte und den Übergang ins Mittelalter miterlebte.
Nee,eigentlich gab es etliche Reiche ,die bis ins Frühmittelalter dauerten. Wie oben bereits erwähnt die Langobarden und die Burgunder ,die Sueben in Portugal/Galicien bis 585 und das Westgotenreich in Südfrankreich und Spanien hat immerhin auch bis zur arabischen Invasion 725 überlebt.
Der Vorteil des Frankenreiches war vermutlich,daß es anders als die Reiche der Vandalen und Ostgoten außerhalb der Reichweite von Byzanz lag und sich dennoch auf eine Stadtkultur, nämlich die gallorömische mit ihren gewachsenen Verwaltungsstrukturen stützen konnte.Gleiches galt übrigens in gewissem Maße auch für die Westgoten.
Möglicherweise hat auch die Übernahme des Reich von Soissons inclusive der dortigen Militärorganisation zu einer Optimierung der fränkisch-merowingischen Heeresorganisation geführt. Childerich I hatte ja das römische Militärkommando in der Belgica Secunda geführt., war also quasi ein "Kollege" von Aetius und Syagrius und hatte damit die Möglichkeit,ganze römische Truppenteile in sein Reich zu überfnehmen ,was sich nach der Einvernahme des Reich von Soissons noch verstärkt haben dürfte.

Die Westgoten hatten letztlich das Pech zwischen Franken und Araber zu geraten und quasi zwischen den beiden Großmächten zerrieben zu werden, hielten sich allerdings recht lange.Zwar ging das tolosanische Reich,auch in Folge des Hunnensturms 507 nach der Schlacht von Vouille´ an die Franken verloren, aber das toledanische Reich bestand bis 719 und die Septimania fiel erst 725 .Ein westgotischer Adliger namens Pelayo gründete 718 in Nordspanien das Reich Asturien/Leon , dessen Herrscher sich später als Nachfolger der Westgotenkönige betrachteten und begann als erster die Reconquista Spaniens. Und damit wäre das Westgotenreich streng genommen das einzige Königreich,welches sich über die Nachfolgereiche Leon und Spanien bis heute gehalten hat.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nee,eigentlich gab es etliche Reiche ,die bis ins Frühmittelalter dauerten. Wie oben bereits erwähnt die Langobarden und die Burgunder und das Westgotenreich in Südfrankreich und Spanien hat immerhin auch bis zur arabischen Invasion 725 überlebt.

Das kommt natürlich darauf an wann man jetzt den Schnittpunkt Antike/Mittelalter ansetzen. Das gehört aber hier nicht her. (Prinzipiell stimme ich dir zu)

Der Vorteil des Frankenreiches war vermutlich,daß es anders als die Reiche der Vandalen und Ostgoten außerhalb der Reichweite von Byzanz lag

Das ist wahr, allerdings erst nachdem die Langobarden in Italien eingefallen sind. Auch Franz Georg Maier geht davon aus:

Die Gründung des Langobardenreiches hat eine historische Bedeutung, die weit über die lokale Auseinandersetzungen mit dem byzantinischen Exarchen von Ravenna hinausgeht. Es bildete sich in Oberitalien politisch und geistig ein Riegel, der die Merowinger zunehmend vom byzantinischen Einfluß abschloß - eine Tatsache, die für die weitere Geschichte und für die Herausentwicklung aus dem spätrömischen-byzantinischen Rahmen ungemein wichtig wurde.
(Franz Georg Maier: Die Verwandlung der Mittelmeerwelt, S. 242)
 
Ich würde das nicht alleine am Langobardenreich festmachen.
Byzanz führte damals einen Dreifrontenkrieg gegen die Germanen im Westen,die Hunnen und Awaren im Nordosten und die Sassaniden im Südosten.Damit war das Ausgreifen über den engeren griechisch-italienischen Bereich hinaus für den oströmischen Rumpfstaat nicht zu leisten, Vorstöße in den Bereich Gallien waren somit eher illusorisch, zumal es außerhalb des Wirkungsbereichs der byzantinischen Flotte lag, also amphibische Operationen wie gegen Ostgoten und Vandalen ausgeschlossen waren.
 
Byzanz führte damals einen Dreifrontenkrieg gegen die Germanen im Westen,die Hunnen und Awaren im Nordosten und die Sassaniden im Südosten.Damit war das Ausgreifen über den engeren griechisch-italienischen Bereich hinaus für den oströmischen Rumpfstaat nicht zu leisten, Vorstöße in den Bereich Gallien waren somit eher illusorisch, zumal es außerhalb des Wirkungsbereichs der byzantinischen Flotte lag, also amphibische Operationen wie gegen Ostgoten und Vandalen ausgeschlossen waren.

Ich beziehe mich hier nicht auf einen solchen "Kontakt", sondern auf den kulturellen Einfluß auf die Merowinger. Um sie kulturell zu beeinflußen und z.T. zu romanisieren, mussten die Byzantiner sie ja nicht bekriegen.
 
Ja,aber auch kulturelle Einflüsse setzen intensiveren Kontakt voraus und die Kultur folgte meistens den Soldaten. Aber auch dazu war die Entfernung zu groß .Da lag die Kultur der Gallo-Romania erheblich näher und man befand sich ja auch teilweise noch in deren Kontinuität.
Die Frage,die sich in dem Zusammenhang stellt ist auch, ob es in der Spätzeit des römischen Doppelreiches überhaupt noch eine universale römische Kultur gab,oder ob die nicht ebenfalls schon zweigeteilt war.In diesem Falle hätte dann in der Spätantike auch keine kulturelle Traditionslinie zwischen Byzanz und Gallien mehr bestanden, auf die die Franken hätten zurückgreifen können.
 
Ja,aber auch kulturelle Einflüsse setzen intensiveren Kontakt voraus und die Kultur folgte meistens den Soldaten. Aber auch dazu war die Entfernung zu groß .Da lag die Kultur der Gallo-Romania erheblich näher und man befand sich ja auch teilweise noch in deren Kontinuität.
Die Frage,die sich in dem Zusammenhang stellt ist auch, ob es in der Spätzeit des römischen Doppelreiches überhaupt noch eine universale römische Kultur gab,oder ob die nicht ebenfalls schon zweigeteilt war.In diesem Falle hätte dann in der Spätantike auch keine kulturelle Traditionslinie zwischen Byzanz und Gallien mehr bestanden, auf die die Franken hätten zurückgreifen können.

Gut, wie du sagtest, müssen wir aufpassen dass wir "Romanisierung" und "Byzantisierung" nicht vermengen. Die Merowinger verschmolzen, im Gegensatz zu den Germanen in den anderen Reichen, mit der Zeit mit der gallo-romanischen Bevölkerung. Dies hatte mehrere Gründe:

> das katholische Bekenntnis. Dadurch das dei Franken früh zum Katholizismus konvertierten, konnten religiöse Konflikte mit der romanischen Bevölkerung vermieden werden. Außerdem wurde die katholische Kirche als Verbündeter gewonnen, die mit der Zeit neben ihren immer stärker werdenden wirtschaftlichen Einfluß auch politisches Eigenleben entwickelte.

> das fränkische Siedlungsprogramm. Im Gegensatz zu den anderen Germanenreichen, bildeten die Franken zumindest in Teilen des Reiches keine verschwindend kleine Oberschicht. Vor allem der Norden Galliens wurde regelrecht "germanisiert". In manchen Gebieten betrug der Anteil der Franken an der Bevölkerung um die zwanzig Prozent. Dabei verdrängte die fränkische Sprache langsam aber sicher Latein als Volkssprache in den nördlichen Gebieten. (Die Grenze bildete Boulogne-Brüssel-Lüttich-Metz)

> das nicht existente Eheverbot. Statt die beiden Bevölkerungsteile zu trennen, wurde die Verschmelzung richtiggehend gefördet. Ein Eheverbot zwischen Franken und Romanen bestand von Anfang an nicht. Aus der Verbindung des fränkischen Beamtenadel und dem senatorischen (romanischen) Adel des südlichen Galliens entstand der neue merowingische Großgrundadel.


Wovon wir bisher nicht geredet haben ist das Heer. Ich denke mal dass zumindest in der Anfangszeit, die alten germanischen Heere weiterhin ohne Veränderungen Bestand hatten. Romanische Bevölkerung wird vom Heer ausgeschloßen gewesen sein, oder zumindest in seperaten Einheiten zusammengefasst worden sein. Die wichtigste Veränderung der Heere durch romanisch (oder byzantinischen) Einfluß herbeigeführt, wird Logistik und Organisation gewesen sein. Aber auch "römische Disziplin" wird (falls es sie zu dieser Zeit überhaupt noch gab) die germanischen Heere verändert haben. Disziplin und Ordnung in der Schlacht werden bei diesen neuen germanischen Heeren eine größere Rolle gespielt haben als bisher.
 
Auch Franz Georg Maier geht davon aus:

Die Gründung des Langobardenreiches hat eine historische Bedeutung, die weit über die lokale Auseinandersetzungen mit dem byzantinischen Exarchen von Ravenna hinausgeht. Es bildete sich in Oberitalien politisch und geistig ein Riegel, der die Merowinger zunehmend vom byzantinischen Einfluß abschloß - eine Tatsache, die für die weitere Geschichte und für die Herausentwicklung aus dem spätrömischen-byzantinischen Rahmen ungemein wichtig wurde.
(Franz Georg Maier: Die Verwandlung der Mittelmeerwelt, S. 242)
Da kann ich Maier überhaupt nicht folgen.
Die Teilung zwischem lateinischen Westen und griechischem Osten war doch schon lange vor den Langobarden tief verwurzelt. Die vereinzelten byzantinischen Herrschaftsepisoden in Italien haben daran wenig geändert, sie führten m. W. nicht zu einer größeren kulturellen Beeinflussung.
Das hieße dann auch, daß sich das Frankenreich nicht viel anders entwickelt hätte, wenn es in Italien andere Herrschaftsstrukturen zum Nachbarn gehabt hätte. Spannend wäre nur die Frage, ob die fränkische Eroberung Italiens gegen Byzanz schwerer gewesen wäre als gegen die Langobarden.
 
Wovon wir bisher nicht geredet haben ist das Heer.
...
Die wichtigste Veränderung der Heere durch romanisch (oder byzantinischen) Einfluß herbeigeführt, wird Logistik und Organisation gewesen sein.
Das wäre mir neu.
Was die Germanen von den Römern in Punkto Disziplin und Organisation lernen konnten - das haben sie bereits deutlich früher getan. Und zwar so erfolgreich, daß sie die Römer eben dauerhaft besiegen konnten (oder genauer gesagt: Nicht "die Römer", sondern die Germanen in römischen Diensten).
Es ist zu bezweifeln, daß es nach der Eroberung von den Besiegten noch militärisch viel zu lernen gab. Wo gallo-romanische Kämpfer im fränkischen Heer mitgemacht haben, da werden sie es nach Art, Bewaffnung und Ordnung der Franken gemacht haben.
 
Da kann ich Maier überhaupt nicht folgen.
Die Teilung zwischem lateinischen Westen und griechischem Osten war doch schon lange vor den Langobarden tief verwurzelt. Die vereinzelten byzantinischen Herrschaftsepisoden in Italien haben daran wenig geändert, sie führten m. W. nicht zu einer größeren kulturellen Beeinflussung.
Das hieße dann auch, daß sich das Frankenreich nicht viel anders entwickelt hätte, wenn es in Italien andere Herrschaftsstrukturen zum Nachbarn gehabt hätte. Spannend wäre nur die Frage, ob die fränkische Eroberung Italiens gegen Byzanz schwerer gewesen wäre als gegen die Langobarden.

Die Beeinflußung war zwar auch kulturell, jedoch vor allem politischer Natur. Die germanischen Herrscher übernahmen die Amtsinsignien byzantinischer (spätrömischer) Natur, sie übernahmen z.T. Architektur und Kunst. Die Franken stützten sich wie auch die anderen Germanen auf den spätrömischen Verwaltungsapparat. Zumindest in der Anfangsphase anerkannten sie den römischen Kaiser als nominelles Oberhaupt.

Wenn es in Italien andere Herrschaftsstrukturen gebildet hätten, wäre wohl die Kultur und Eigenart der Franken stärker hervorgetreten.

Ob es die Franken gegen die Byzantiner schwerer gehabt hätte als gegen die Langobarden, ist schwer zu sagen. Ich persönlich glaube es nicht. Die Byzantiner hätten wie gegen die Langobarden ihre großen Festungen und Städte z.T. halten können, doch der Großteil des Landes wäre fränkisch geworden. Wie stark die Franken in diesen Bereich byzantinisiert geworden wären, wäre wirklich interessant.
 
[Q]Romanische Bevölkerung wird vom Heer ausgeschloßen gewesen sein[/Q] Ich glaube, auch im Heerwesen gab es keinen Bruch zwischen spätrömischer und nachrömischer Zeit.Wie oben bereits angeführt war Childerich I römischer Militärkommandant der Belgica Secunda ,wird also wenn auch in modifizierter Form die wesentlichen Teile römischer Militärstrukturen übernommen und auch die ihm unterstehenden Truppenteile in seine fränkischen Verbände eingegliedert haben. Auf den katalaunischen Feldern kämpften Franken,westgoten und Römer im gleichen Heer und in der Schlacht von Vouille gab es galloromanische Verbände auf beiden Seiten. Das zeigt,daß die gallorömischen Kämpfer recht schnell in die Germanenheere integriert wurden. Was die Frage anbelangt, ob die fränkische Eroberung Italiens gegen Byzanz schwerer gewesen wäre als gegen die Langobarden, so ist dies für den Zeitpunkt,in dem sie stattfand,zu verneinen.In Byzanz tobte um diese Zeit der Ikonoklaster-Streit, mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Byzanz hätte daher diegarnjcht die Kraft gehabr,den Franken in Italien Widerstand entgegen zu setzen
 
Die Beeinflußung war zwar auch kulturell, jedoch vor allem politischer Natur. Die germanischen Herrscher übernahmen die Amtsinsignien byzantinischer (spätrömischer) Natur, sie übernahmen z.T. Architektur und Kunst. Die Franken stützten sich wie auch die anderen Germanen auf den spätrömischen Verwaltungsapparat.
Das hat aber doch alles nichts mit Byzanz oder Italien zu tun!

Die Franken haben die römischen Strukturen und Vorbilder aus den von ihnen eroberten römischen Gebieten (teilweise) übernommen. Und dieser Prozeß war m. E. völlig unabhängig davon, ob in Italien Langobarden oder Byzantiner herrschten.
 
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