An Cherusker zu Goten und Gotonen
Ich habe die Stelle schon richtig gelesen, mein Lieber, aber Du unterschlägst einen Teil der Schiffsbschreibung, denn da steht, nach der Bemerkung über die beiden Spitzen des Bootes, dass sie keine Segel verwenden, und keine seitlich fest angebrachten Ruder (nec velis ministrant,nec remos in ordinem lateribus adjungent...), sondern beweglich, jeweils wie notwendig hier oder da, die Ruder einsetzen (...mutabile, ut res poscit, hinc vel illinc remigium.)
Das sind Stechpaddel. Es sind Kanus, keine Wikingerboote.
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Was die Peucini angeht, so hast Du richtig zitiert, aber falsch interpretiert. Die "Faulheit" der Nomaden ist ein weltanschauliches Vorurteil des konservativen Römers. Die "Verhässlichung der "Proceres =Adligen" durch sarmatische Heiraten bezieht sich auf deren künstliche Schädeldeformation, die von Goten und Burgundern übernommen wurde. Im Languedoc, ehemals westgotisches Siedlungsgelânde wurde diese Schädelbandagierung noch bis etwa 1900 praktiziert, denn angeblich machte es klug.
Tacitus weiss nicht, ob er Peucini (bastarnische Fischer auf der Insel Peuce im Schwarzen Meer), Venedi (Slaven, Ackerbauern, "weithin ausgebreited" laut Jordanes) und FInni (Finnen, Esten, Ugrier, Jäger und Sammler) der Germania oder der Sarmatia zuteilen soll.
Das sind geographische Begriffe, keine ethnischen.
Die Sarmaten/Alanen waren Reiterkrieger, Pferdehalter, Schafzüchter, Nomaden mit einer iranischen Sprache.
Im Übrigen war des Tacitus geographisches Bild ganz anders als unseres, aber er musste seine Informationen drin unterbringen. Um das zu verstehen, muss man eine ganze Reihe von Fakten darüber wissen.
Ein paar Zitate gebe ich in anderem Eusammenhang im Thread "Überflutung-Wanderung" #30. Es kann Dir nicht schaden, davon Kenntnis zu nehmen.
Auf Deine Antwort zu meiner Bemerkung über die vermutete Stammesbildung durch ausgewanderte Skandinavier kann ich nicht eingehen. Das ist kein Argument.
Wenn Du als Bayer etwas gegen mein Lederhosen-jodel-Argument hast, so nehme ich das mit Bedauern zurück. Ich weiss, dass die Bayern auch andere und bedeutendere Kulturleistungen hervorgebracht haben.
Aber mein Argument über den Einfluss einer kleinen Herrengruppe auf die Bevôlkerung wird dadurch nicht entwertet.
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Ich habe keinerlei Problem mit Gutonen und Goten. Erstere mögen in Gottesnamen sitzen oder gesessen haben wo immer Tacitus oder die Wissenschaft will. Nur stimmt ihre Kultur-Darstellung nicht mit der der Goten überein: "...rotunda scuta, breves gladii..."
"Rundschilde und Kurzschwerter", das ist keine Reiterbewaffnung.
Die Goten kämpften als gepanzerte "Kataphrakten", zu Pferd, mit der zweihändig geführten Lanze (lat. contus) und dem Langschwert.
Ich habe jahrelang geglaubt, wie Du, dass die Goten , wenn nicht aus Goetaland, so doch von der Insel Gotland, auf jeden Fall aber vom Weichseldelta aus nach Süden zogen.
Eine sorgfältige Lektüre, neben meiner Berufstätigkeit über Jahre hin, der Sekundärlitteratur aber vor Allem der Quellen, hat mir gezeigt, dass auch die heutigen Darstellungen immer noch unterschwellig von einer romantischen Weltschau des 19. Jh geprägt sind, die ihre Wurzeln in der Tatsache hat, dass die Berufung auf die "Alten Germanen" für die politische "Volkwerdung" der Deutschen unerlässlich war.
Und ich bleibe dabei: Eine ganze Reihe von bisher unangefochtenen Behauptungen sind falsch.
Es ist auch kein Wunder, dass die Goten dabei so eine grosse Rolle spielten, obwohl sie nie deutschen Boden betreten haben (bis auf ein paar, die von Kroatien oder Südtyrol her in Bayern eingesickert sind).
Aber die dramatische Geschichte der italienischen Ostrogothen (mit den Westgoten hat's die deutsche Geschichtsschreibung weniger), wie sie Procop beschreibt, und die durch buchstäblich nichts bewiesene Identification des "Dietrich von Bern" mit Theoderich dem Grossen, das hat Heldenschauer durch die deutschen Studierstuben der Zeit wehen lassen und die Rauschebârte heroisch gesträubt.
Die Heldengefühle waren um so leichter und genussreicher, als man ja pensionsberechtigt war.
"Beim Wotan, Teutschlands grimmer Sohn //
Der Donarsenkel, der Teuton//
Der kriegt vom Froste keine Beul, HEUL!!
Er schreitet grimm, Hoiotoho//
Mit langem Schritt aus dem Büro//
Vertauscht einst selig in Walhall//
Den Federhalter mit der Keul!! HEUL!!!
(Ludwig Thoma)
Der Stil der heutigen Wissenschaft hat sich gewandelt, glücklicherweide, aber eine ganze Reihe wesentlicher Fakten des heutigen Wissensstandes stammen noch aus dieser Zeit und werden kritiklos weiterverwendet;
Genug, Du mein armer Cherusker, den ich hier mit völlig unnötiger Rhetorik bombardiert habe, Du wirst das einfach abschütteln und weiter Dein schönes blauäugiges Geschichtsverständnis pflegen, und mir nicht glauben, dass dieses Geschichtsverständnis ebensoviel Anteil an unseren Debakeln von 14-18 und 33-45 hat wie der Willem-"esisterreicht" und der Braunauer "kunstmaler".
Glücklicherweise sind die politischen Strukturen heute anders - sonst würde mich dieses Germanen- Geschichtsverständnis grausen. So wir die Dinge liegen, kann es Dich glücklicherweise (wie alt bist Du?) nicht in einen neuen "Nibelungenkampf" in Stalingrad oder Sonstwo führen.
Und wenn die Forums-Administration das jetzt als unangebrachtes politisches Statement" qualifiziert und mich dafür rausschmeisst, kann ich nur sagen , das ist ein neuer Beweis dafür, dass ich damit Recht habe.
Ich hoffe aber, man ist dort zu intelligent dazu.
Boiorix