Germanische Wagenburgen

LLund

Neues Mitglied
Hallo, ich bin neu hier, und auf der Suche nach diversen sehr spezifischen Informationen
zZt.
Wo kann ich gute Informationen zu germanischen Wagenburgen finden (Aussehen, Funktion, Einsatz)
freue mich sehr über Tipps
 
Deine Frage ist nicht ganz leicht nachzuvollziehen. Eine Wagenburg ist zunächst nichts weiter als eine Gruppe von Wagen, die i.d.R. in einem Kreis zusammengestellt werden (aber auch andere Formen sind möglich), der einen gewissen Schutz bieten soll. Sinnvollerweise sind Zugtiere ausgeschirrt und die Zwischenräume sind mit sperrigen Dingen zugesperrt.

Die Nennung einer speziell germanischen Wagenburg kenne ich nur aus dem Kampf Caesars gegen Ariovist, De Bello Gallico I, 51, die ist aber alles andere als konkret. Vermutlich wird es sich um kleine Karren mit nur einer Achse und relativ hohen Rädern (vielleicht Speichenräder, vielleicht Vollräder) gehandelt haben, die man auf die Heckseite gelegt aneinanderschob.

Die fett markierten Worte sollen noch mal unterstreichen, dass es sich hierbei um Vermutungen meinerseits handelt, nicht um gesichertes Wissen. Meine Vorstellung der germanischen Wagen deduziert sich aus den bronzezeitlichen Ochsenkarren, die in Norddeutschland üblich waren und von denen man ähnliche Modelle in Handschriftenillustrationen des Mittelalters findet und teilweise heute noch Modelle in Süd- und Osteuropa. Ob man daraus aber die Modelle, welche die Germanen benutzten deduzieren darf, ist mindestens fraglich.
 
Bei der Schlacht von Adrianopel spielte eine Wagenburg eine wichtige Rolle.

Allgemein zum Einsatz: Wenn Menschen mit Wagen unterwegs sind und von irgend etwas bedroht werden ist es nur naheliegend, die vorhandenen Wagen während Ruhephasen zu einer Art "Burg" zusammen zu fahren. Ein darüber hinausgehender militärischer Einsatz von Wagen ist mir von germanischen Völkern nicht bekannt. Als Beispiel für einen mehr oder minder geplanten taktischen Einsatz von Wagenburgen fallen mir eigentlich nur die Hussiten ein.
 
Der Stelle bei Caesar kann ich nicht entnehmen, dass es sich dort um eine Wagenburg handelte. Im Gegenteil ist dort die Rede davon, dass die Wagen die ganze Schlachtlinie entlang aufgestellt wurden und auf ihnen die Frauen platziert, um die Männer an der Flucht zu hindern.

Eine ausdrückliche Erwähnung einer germanischen Wagenburg findet man bei Ammianus Marcellinus 31,7, wo er schreibt, dass die Goten ihre Wagen in Form eines Kreises aufstellten und sich hinter ihnen wie hinter einem Wall mit ihrer Beute lagerten. Näheres über das Aussehen der Wagen steht dort aber leider nicht. Ammianus verwendet für "Wagen" das Wort "plaustrum", das keine näheren Aufschlüsse über das Aussehen ermöglicht. Weiters wird für ihr Lager der Ausdruck "carrago" verwendet, was, da das Wort von "carrus"="Wagen" abgeleitet ist, als Bezeichnung für eine Wagenburg interpretiert wird. Ein "carrus" ist ein vierrädriger Wagen.
Am Beginn von 31,8 wird dann beschrieben, wie sich die Goten nach einer unentschiedenen Schlacht in ihre Wagenburg ("anfractus vehiculorum"="Krümmung der Wagen"; hier wird für "Wagen" das ebenfalls nicht sonderlich aussagekräftige Wort "vehiculum" verwendet) zurückziehen und dort tagelang bleiben. Diese Stelle ist insofern interessant, als sich die Goten im Inneren ihrer Wagenburg verschanzten, obwohl sie die Schlacht nicht verloren hatten und die Römer auch keinen Angriff starteten, sondern sich ihrerseits zurückzogen. Dass sie aufgrund der vorangegangenen Schlacht verunsichert waren, reichte ihnen also anscheinend, um sich erstmal für eine Weile in ihrer Wagenburg zu verschanzen, obwohl keine unmittelbare Gefahr drohte.
In 31,12 wird dann erwähnt, dass die Goten ihre Wagen auch vor der Schlacht bei Adrianopel im Kreis aufstellten. Hier verwendet Ammianus für "Wagen" interessanterweise das Wort "carpentum", was meist einen eher vornehmen Reisewagen bezeichnet. Hinsichtlich der gotischen Wagen passt der Ausdruck freilich nicht, man kann ihn also auch wieder nur allgemein als "Wagen" lesen.
In 31,15 wird dann erwähnt, dass die Goten, als sie während ihres Angriffs auf die Stadt Adrianopel in ein Unwetter gerieten, sich in ihre Wagenburg zurückzogen. (Das war schon nach der für sie siegreichen Schlacht von Adrianopel, als ihnen also keine unmittelbare Gefahr mehr drohte.)
Generell wird man aus diesen Stellen ableiten können, dass diese Goten vorsichtshalber immer eine Wagenburg bildeten und sich in ihr lagerten, unabhängig davon ob ihnen konkret Gefahr drohte. Über das Aussehen der Wagen lässt sich diesen Stellen nichts entnehmen.

Noch einmal zum Ausdruck "carrago": Dieses Wort wird auch mehrmals in der Historia Augusta gebraucht:
Im 13. Kap. der Biographie über Gallienus wird erwähnt, dass die "Skythen" (gemeint sind wahrscheinlich die germanischen Heruler) eine carrago errichten, nachdem sie von einer Niederlage der Goten erfahren haben.
Im 8. Kap. der Biographie über Claudius Gothicus wird in Zusammenhang mit einer Meldung über einen vernichtenden Sieg über die Goten erwähnt, dass jetzt sogar ihr carrago verlassen wäre.
Im 11. Kap. der Biographie über Aurelianus wird der Ausdruck ebenfalls verwendet.

In der Marius-Biographie von Plutarch wird auch mehrmals erwähnt, dass die Ambronen, Teutonen und Kimbern ihre Lager aus Wagen bildeten, wo sie während der Schlacht ihre Frauen und Kinder zurückließen, allerdings wird nicht ausdrücklich gesagt, dass sie die Wagen kreisförmig oder sonstwie burgförmig aufstellten.
 
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In 31,15 wird dann erwähnt, dass die Goten, als sie während ihres Angriffs auf die Stadt Adrianopel in ein Unwetter gerieten, sich in ihre Wagenburg zurückzogen. (Das war schon nach der für sie siegreichen Schlacht von Adrianopel, als ihnen also keine unmittelbare Gefahr mehr drohte.)
Generell wird man aus diesen Stellen ableiten können, dass diese Goten vorsichtshalber immer eine Wagenburg bildeten und sich in ihr lagerten, unabhängig davon ob ihnen konkret Gefahr drohte. Über das Aussehen der Wagen lässt sich diesen Stellen nichts entnehmen....

Sicher dass es Goten waren und keine Holländer?

Haben Die Kimber und Teutonen bei ihrer letzten Schlacht nicht eine Wagenburg gebildet, wo sich nach der Niederlage der Männer noch die Frauen und Hunde verteidigten? habe so etwas aus dem Geschichtsunterricht wage in Erinnerung.
 
Unsere Hauptquelle ist Plutarchs Marius-Biographie.
Plutarch erwähnt hinsichtlich der Eroberung des Lagers der Teutonen nichts besonderes, sondern nur, dass die Römer sich der Wagen und Zelte bemächtigten.
Beim Lager der Kimbern erwähnt er vage irgendwelche nicht näher spezifizierten Verschanzungen (ἐρυμάτων und χαράκωμα, wobei letzteres Wort eher ein Lager oder einen Ort mit Palisaden bezeichnet). Das lässt vermuten, dass die Kimbern eher ein Lager mit Palisaden (in dem sie ihre Wagen unterbrachten) errichteten als eine Wagenburg. Von einem Kampf der Frauen gegen die Römer schreibt er nichts, nur dass die Frauen die eigenen ins Lager fliehenden Männer töteten, dann ihre Kinder und sich selbst.

Hinsichtlich der Kimbern weicht allerdings die Darstellung bei Florus (der vor allem Livius benützte) ab: Er erwähnt tatsächlich, dass die Frauen von ihren Wagen aus kämpften und erst dann sich und ihre Kinder töteten. Hier könnte tatsächlich eine Wagenburg gemeint sein.
 
Hinsichtlich der Kimbern weicht allerdings die Darstellung bei Florus (der vor allem Livius benützte) ab:...
Im Prinzip schrieb Florus sogar nur - laut Aussage des Titels - eine Zusammenfassung von T. Livius' Ab urbe condita. Und die ist gegenüber dem Werk, welches sie zusammenzufassen vorgibt, nicht immer ganz treu. Florus hat sich erzählerische Freiheiten herausgenommen. Dummerweise ist das entsprechende Buch aus Ab urbe condita, welches die Kimbern- und Teutonenkriege behandelt, nicht erhalten, weshalb hier nur unter dem Vorbehalt, dass Florus es mit der Texttreue nicht immer genau genommen hat, Florus Darstellung angeführt werden kann.
 
Dass Florus nicht nur Livius benützt haben kann, sieht man schon daran, dass er über Livius' Werk hinausging, indem er auch noch die Varusschlacht (wobei seine Darstellung völlig falsch ist) beschrieb, während Livius mit dem Tod des Drusus endete.
 
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