Glaubwürdigkeit Römischer Schriftsteller

Detlef

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Wo kommen eigentlich die alten Werke her ? Tacitus z.B. habe ich mal gelesen wurde glaub in Corvey als Abschrift (von was) wieder gefunden. Im Mittelalter fälschten die Mönche doch wie die irren ,vor allem Besitzurkunden etc. wurden massenhaft getürkt. Karl der Große soll ja das beliebteste Opfer damaliger Zeit gewesen sein. Gibt es noch alte Schriften im Original ?
 
Extrem wenige. Fast alle antiken Schriften, die auf uns gekommen sind, sind x-te Abschriften von x-ten Abschriften. Damit befasst sich ja die Altphilologie: Den Originaltext, soweit es geht, wieder herzustellen, und die Fehler auszumerzen, die bei schwachem Klosterkerzenlicht von Mönchen, die zuviel getrunken hatten und eventuell nur schlecht Latein konnten, fabriziert wurden (ich übertreibe. Aber nicht sehr).

Deswegen gibt es von jedem antiken Werk eine Art Handschriften-Stammbaum (Stemma), wo man eruiert, welche Abschrift auf welche andere zurückgeht und wo welcher Fehler sich zum ersten Mal eingeschlichen hat. Von den meisten Werken besitzen wir doch etliche Abschriften, so dass komplette Fälschungen eher ungewöhnlich sind. Bei den unbekannten Autoren oder unbekannteren Werken sieht das schon wieder anders aus, wenn die Vergleichbarkeit fehlt.
 
Als Original ist wohl keine Quelle erhalten, aber es existieren bereits in der Antike angefertige Abschriften in Form von Papyri.
Beispielsweise P.Heid. I 209: ein Auszug aus den vitae parallelae Plutarchs, datierend um 180 n. Chr.
Anhand dieser literarischen Papyri kann die Lesart der mittelalterlichen Quellen, sofern sie existieren, überprüft und verbessert werden.

Dieser Artikel könnte interessant für dich sein: http://de.wikipedia.org/wiki/Textkritik.
 
Danke für die Links ! Das wirft ja eher ein düsteres Bild auf den zur Verfügung stehenden Inhalt der Schriften, ich bin ja nur interessierter Laie und ZDF Doku Fan aber daraus weiß ich das die Geschichten um z.B. Troja halt auch nicht zu 100 Prozent der Realität entsprechen. Was wenn unsere beliebte Varusschlacht so gar nicht statt fand ? vielleicht hat ja ein Patriotischer Mönch aus einer Varus Legion gleich drei gemacht und aus seinem Lager einen Hinterhalt. Da Tacitus als beste Quelle gilt erscheint mir der Wahrheitsgehalt der Geschichte nicht mehr so groß, schließlich sind dort auch Ungereimtheiten die darauf schließen lassen das es mehrere Fehler gibt. Allein über angebliche Übersetzungsfehler wird ja häufig diskutiert, ebenso wie die Glaubwürdigkeit anderer Quellen zum Ereignis.
 
Es gibt mehr als eine Quelle zur Varusschlacht.
Den genauesten Hinweis auf die Truppenstärke gibt Velleius Paterculus, er schreibt explizit von drei Legionen, sechs Kohorten und drei Alen.
Es hätte schon mehr als ein Mönch eine Interesse daran haben müssen eine antike Schrift umzuschreiben, so zum Beispiel auch Cassius Dio oder Florus.
Wobei Florus sowieso eine eigenwillige Version der Varusschlacht erzählt.
 
Detlef: Das Entscheidende ist ja, dass fast jede Schrift, die es bis heute geschafft hat, zu den vielgelesenen Klassikern gehört oder irgendwann einmal als solche erachtet wurde, und deswegen gibt es fast immer mehrere Versionen - Handschriften - von einer.

Schon im Altertum wurden Kopien angefertigt, indem ein Vorleser einer größeren Anzahl von Sklaven den Text vorlas, den diese dann abschrieben. Schon da werden Fehler passiert sein. Diese wurden dann an die Leser verkauft, irgendwann machte sich dann nochmal jemand davon eine Abschrift, einige Versionen gingen verloren, andere wurden weitervererbt und, wenn der Papyrus auseinanderfiel, nochmal neu abgeschrieben. In der Zwischenzeit existuerten über ganz Europa verstreut eben x-Versionen. So ging das eben bis zum Buchdruck weiter - 1500 Jahre lang, und natürlich waren die Bücher - inhaltlich! - zu diesem Zeitpunkt in einem desolaten Zustand. Es gibt genügend Werke, von denen man annimmt, dass sie nicht von denen geschrieben wurden, der draufsteht, aber auch damit befasst man sich seit 200 Jahren und das meiste ist bekannt - Beispiel ist das 8. Buch von Caesars De Bello Gallico, das nicht von Caesar verfasst wurde, sondern von Aulus Hirtius, einem seiner Untergebenen. Es gibt noch mehr solcher Fälle, leider fällt mir momentan keiner mehr davon ein. Ich kann nachher mal kramen, ob ich meine Aufzeichnung aus der Einführungsveranstaltung zur Klassischen Philologie noch habe. ;)
 
Ein nettes Beispiel ist der Tatenbericht des Augustus dem Tacitus doch ganz schön relativiert. So schreibt Tacitus beispielsweise: " Die Liebe zu seinen Vater und die schwierige Lage habe er (Augustus) Vorwand genommen. In Wahrheit habe er aus Herrschsucht die Veteranen durch Bestechung aufgewiegelt."

Grüße
Amicus
 
Nun, auch Heute stimmt längst nicht alles was man liest. Die Frage ist doch aber in wie fern können wir uns Heute auf die alten Schriften verlassen, bisher dachte ich eher das so ein Tacitus doch ziemlich viel Warheit beinhaltet. Nun bin ich mir da aber gar nicht mehr so sicher und von den paar anderen heißt es ja meist eh das sie nicht so ernst genommen werden sollten (warum übrigens?). Von den Ägytern haben wir wenigstens die in Stein gehauenen Zeugnisse aber was bleibt von diesen Überlieferungen an Inhalt ? im Kindergarten gab es mal dies Flüsterspiel, komme auf den Namen nicht mehr, am Ende kam auf jedenfall immer was ganz anderes heraus. Es muß doch mehr geben als nur Kopien auf Fehler zu begutachten oder ? Wie stehen denn die Chancen noch Originale zu finden oder wenigstens ganz frühe Abschriften?
 
Hallo Eichelhäher,

Detlef fragte ja, in wie weit wir uns auf alte Schriften verlassen können und ich wollte mit meinem Posting das Beispielt von Augustus Tatenbericht benennen, das in Tacitus Annalen ja relativiert worden ist.

Grüße
Amicus
 
bisher dachte ich eher das so ein Tacitus doch ziemlich viel Warheit beinhaltet. Nun bin ich mir da aber gar nicht mehr so sicher und von den paar anderen heißt es ja meist eh das sie nicht so ernst genommen werden sollten (warum übrigens?).

Ein anderes Beispiel ist Poybios, der ja in der Wissenschaft ein sehr guten Ruf genießt. Zumindest in Zusammenhang mit den Punischen Kriegen habe ich aber doch meine Zweifel, da Polybios tendenziös berichtet und überliefert hat. Ich habe dazu auch hier schon einmal etwas geschrieben.

http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=13424

Grüße
Amicus
 
zu einer der wichtigsten Quellen für Antike Texte dürfte wie oben schon gesagt Bestände aus Klosterbibliotheken sein. Als bestes Beispiel darf wohl das von Cassiodor sein, der in der ausgehenden Spätantike eine große Büchersammlung erkaufte bzw durch Abschriften ansammelte. Nach seinem Tod ging diese Sammlung an den Vatikan der die Bücher dann wohl an Kloster weiterverschenkte. Ob es sich hierbei um einen Einzelfall handelt oder vllt sogar die Regel für spätantike christliche Arisotkraten war sei dahingestellt.
 
Nun, auch Heute stimmt längst nicht alles was man liest. Die Frage ist doch aber in wie fern können wir uns Heute auf die alten Schriften verlassen, bisher dachte ich eher das so ein Tacitus doch ziemlich viel Warheit beinhaltet. Nun bin ich mir da aber gar nicht mehr so sicher und von den paar anderen heißt es ja meist eh das sie nicht so ernst genommen werden sollten (warum übrigens?). Von den Ägytern haben wir wenigstens die in Stein gehauenen Zeugnisse aber was bleibt von diesen Überlieferungen an Inhalt ? im Kindergarten gab es mal dies Flüsterspiel, komme auf den Namen nicht mehr, am Ende kam auf jedenfall immer was ganz anderes heraus. Es muß doch mehr geben als nur Kopien auf Fehler zu begutachten oder ? Wie stehen denn die Chancen noch Originale zu finden oder wenigstens ganz frühe Abschriften?

Es ist davon auszugehen, dass die überlieferten und von der Phiolologie wiederhergestellten antiken Texte im Wesentlichen der Originalversion entsprechen - außer natürlich in den Lücken, die man eben schon mal hat. (Siehe Livius; von dem ist nur das überliefert, was irgendwer mal für interessant befunden hat - die römische Frühzeit und der 2. punische Krieg, ansonsten nur Fragmente - wobei Fragmente an dieser Stelle nicht etwa Papyrusschnipsel meint, sondern Stellen, die bei anderen Autoren zitiert worden sind und deswegen erhalten sind.)

Aber du vertauschst grade auch Glaubwürdigkeit der Überlieferung mit der Glaubwürdigkeit des Autors. Dazu muss man wissen, dass gerade die antiken Autoren meist auch in schriftstellerischer - das heißt ausschmückender - Tradition standen, und vielfach Jahrhunderte nach den Ereignissen schrieben, die sie behandelten. Unkritisch darf man da mit Sicherheit kein einziges Detail übernehmen, auch "Faktenberichte" wie Caesars De Bello Gallico sind in hohem Maße ideologisch gefärbt.
 
Das ist ein sehr interessantes Thema. Zumindest in einem Fall - nämlich der Übertragung der Schriften des Cassius Dio durch den im 10. Jahrhundert lebenden Mönches Xiphilinos - scheint belegt, dass er die Originalvorlage verändert hat:
http://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Xiphilinos_(Mönch)

Dennoch halte ich es für unwahrscheinlich, dass generell an den antiken Texten "nachgearbeitet" wurde. Dazu wirken sie doch in sich zu sehr geschlossen. Die Geschichtswerke der Mönche selbst waren doch in der Regel sehr tendenziös. Hätten sie es bei den antiken Texten auch getan, so wäre doch die Versuchung groß gewesen, auch in diese Richtung hinzuwirken, z.B. die germanischen Stämme bei Tacitus zu Christen zu machen oder ähnliches.
Davon abgesehen, darf man die antiken Texte nicht völlig alleine für sich betrachten; die in der Öffentlichkeit sehr schreibfreudigen Römer haben ja noch zahlreiche andere Schriftquellen hinterlassen: Tausende von Inschriften und dazu noch einmal ein vielfaches an Münzen, die dann mit den Texten abgeglichen werden können.
 
Leider geht der Link net,
das die Geschichte an sich stimmt kann man mit vergleichen und dank der Archäologie ja auch beweisen. Die Details um die so oft gestritten wird und bei manchen sich gar wüst entladen sind doch das Problem, Varus z.B. war laut Beschreibung sehr korrupt (was an sich in der Politik nicht besonderes darstellt) sein Neffe ebenfalls und auch bei den Aufständen ging es letztlich nur ums Geld. Wer in Rom konnte soweit entfernt da einen Überblick haben was wenn aus Gier Gelder z.B. für Truppen verschwanden oder Truppenteile einfach größer angegeben wurden als sie waren ? Geld kassiert für 3 Legionen und 2 waren nach Immensum Bellum vielleicht nur noch vorhanden und Heute suchen alle ein 3 Legionslager wo es nie eins gab !
 
@ Detlef: daher weht der Wind also - es geht um die varianischen Legionen. Nun ja, zumindest zwei der Legionen - die 18. (durch den Caeliusstein) und die 19. (durch diverse Funden, unter anderem Bleche, Geschosse und einen Bleibarren aus der Zeit von 15 v. - 9 n. chr.) sind auch archäologisch belegt. Was die 17. betrifft, wäre deine Idee eine mögliche Hypothese, die sich aber durch nichts belegen lässt - es wäre nicht bekannt, dass die Römer im "Immensum Bellum" eine weitere schwere Niederlage erlitten hätten.
 
So dreist pfuschen konnten Statthalter nicht lange, es gab immer noch Quästoren als "Erbsenzähler". Dann waren die meisten Posten in der Provinzialverwaltung und bei der Armee auch noch befristet, in der frühen Kaiserzeit in der Regel auf drei Jahre. Spätestens wenn der Amtsnachfolger kam wäre wohl etwas aufgeflogen (oder der neue Legat der 17. Legion wollte seine Truppe übernehmen und fand sie nicht). Dann wäre Varus zu einer zwanglosen Gesprächsrunde mit den Löwen im Circus eingeladen worden.;)

Ganz im Ernst: Die Archäologie hat oft genug die antiken Texte bestätigen können. Die Belagerungswerke von Alesia, der Bataveraufstand, die Übersiedlung der Ubier aufs linke Rheinufer, um nur einige Beispiele zu nennen.
 
Nö, daher weht der Wind nicht aber als Laie sind mir nun nicht so viele alte Schriften bekannt und mit dem Tacitus hab ich mich aus Interesse halt beschäftigt. Ich bin mir aber sicher das es mehrere Schriften gibt bei denen so ein Problemchen vielleicht vorhanden ist. In diesem Fall,warum nicht, ein großer Krieg ohne Verluste ? es muß ja auch keine Legion vernichtet worden sein, man hätte z.B. aus 3 zwei machen können wie auch immer. Ich lese ja nun häufig wie sich über (Tacitus) gestritten wird, alle wollen ihn natürlich für ihre Story passend lesen jedes Detail wird fest gemacht und gebogen bis es passt. Die Realität sieht aber doch wohl anders aus und besonders viel Inhalt ist in dem Text nun auch wieder nicht. Frage ist, hatte Ein Propaganda Blatt von Goebels wohl ähnlichen Inhaltswert ? laufen viele Menschen einer Geschichte nach die so nicht existierte? wie hoch darf man den Inhalt als Tatsachen ansehen ? und nach Abschluß dieser Frage(n) sollte man sich ein (vielleicht) neues Bild machen.
 
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