Kalkriese:Schauplatz der Schlacht im Teutoburger Wald?

C

Cherusker

Gast
Gestern wurden in Detmold, im Rahmen der Vortragsreihe, mehrere Kurzvorträge der Kalkriese-Befürworter und -Gegner vorgetragen und anschließend fand eine Podiumsdiskussion statt.
Folgende Redner waren eingeladen:
für Kalkriese: die Herren PD Dr. G. Moosbauer, Dr. A.Rost und Frau Dr. S. Wilbers-Rost (alle Kalkriese/Osnabrück);
gegen Kalkriese: Herr Dr. P.Kehne (Hannover) und Herr Prof. Dr.R.Wolters (Tübingen).
Die Rededauer betrug ca. 20 Minuten und wurde durch Bilder unterstützt.

Es fing mit MOOSBAUER an, der in seinem Vortrag Kalkriese als einen germanisch-römischen Kampfplatz darstellte, der sich über ein langgezogenes Gebiet hinstreckte. Ein Schwerpunkt sei der Wall gewesen, an dem etliche römische Funde getätig wurden. MOOSBAUER wies daraufhin, daß es im Varusheer mehr Münzen gegeben haben müsse als bei Germanicus ((komisch, Germanicus hatte doch die rebellierenden Legionäre ausgezahlt?)) und daß die historischen Quellen nicht mit dem Fundort Kalkriese übereinstimmen. Aber es sei der einzige Schlachtfundort.

Danach folgte WILBERS-ROST. Sie sprach von der Vielzahl der römischen Funde, besonders am Wall. Ferner räumte sie ein, daß sie den Wall erst als römisch betrachtet hätte, dann aber als germanisch, da der Wall kein Lager ergeben hätte. Aufgrund der kürzlichen Diskussion über den Spitzgraben und dem gefundenen römischen Schanzwerkzeug, erwiderte sie, daß der Graben nicht immer V-förmig war, sondern auch muldenförmig. Und das Schanzwerkzeug wurde hinter dem Wall gefunden. Im westlichen Graben haben sie ein Silberblech (römisch) gefunden. Auch die Knochengruben mit Menschen- und Tierknochen (Pferd und Maultier) würden auf eine Bestattung durch Germanicus hinweisen.

Es ging mit ROST weiter. Er wies daraufhin, daß man noch keine Erfahrungen mit der Schlachtfeldforschung aufweisen kann. Aber Schleuderbleie und Pfeilspitzen sind sichere Zeichen für ein antikes Schlachtfeld. In Kalkriese hat man Glück gehabt, daß der Wall einige Sachen bedeckte. ROST sagte auch, daß das Schlachtfeld danach gründlich über einen längeren Zeitraum geplündert wurde und die Germanen höchstwahrscheinlich ihre Toten und deren Waffen mitnahmen. Viele Funde seien auch Troßfunde und Varus hätte durch seine Niederlage die Plünderung ermöglicht. Germanicus (hier:Caecina) hätte dagegen besser auf seinen Troß "aufgepaßt". Ferner wies ROST auf die Schlachtfeldforschung beim "Little Big Horn" und bei "Waterloo" hin. Gerade bei den Napoleonkriegen hätte man die Leichen erst auf einen Haufen gebracht und sie dann ggfs. geplündert, aber nicht geschändet ((kann es nicht sein, daß dort beide feindlichen Parteien auch Christen waren und so einen gewissen Respekt hatten?)). Ein weiterer Punkt waren die römischen Fundstücke von Legionärsrüstungen, die bildlich dargestellt wurden ((hatten denn die Augustus-Legionen schon Segmenten-Rüstungen? Ich dachte immer, die kamen erst später auf und die Kettenhemden seien zeitgemäß gewesen?))

Jetzt kamen die Kalkriese-Gegner zu Wort. Es fing mit KEHNE einem Althistoriker an. Kehne sagte, daß die literatischen Überlieferungen entscheidend seien, da man ansonsten keine Informationen über einen Varus erhalten hätte. Er nannte die römischen Autoren und hob Tacitus und Cassius Dio hervor. Kehne kam zu dem Schluß, daß die Römer die Lippe-Trasse genutzt hatte und das Varusheer unter diesen Kampfbedingungen nicht mehr als 15km gezogen sein kann. Auch wären auf dem Weg von Minden nach Kalkriese keine Berge und Schluchten zu finden. KEHNE wies auf die Caecina-Feldzüge hin und berichtete, daß Germanicus einen (!)Grabhügel errichtet hätte, nachdem sie mehrere "Stätten der Trauer" entdeckten. So kam Germanicus zu dem Entschluß die Toten zu bergen und sie dann in einen Tumulus zu bestatten. Von Knochengruben sei überhaupt nicht die Rede gewesen. Auch hätten die römischen Legionäre auch zwischen Menschen- und Tierknochen unterscheiden können, da sie in großer Zahl aus der Landbevölkerung rekrutiert wurden. KEHNE ging auf ROST ein und sagte, daß auch bei Germanicus ein Troß unter der Führung von Caecins verloren ging und sie dort auch nicht aufgepaßt hätten. ((pontes longi)). KEHNE sieht auch ein Problem in der Entfernung von der Lippe zu Kalkriese. Für ihn ist es anhand der Quellen ausgeschlossen, daß es sich bei Kalkriese um die Varusschlacht handelt.

Danach kam WOLTERS zu Wort. Er ging auf die Münzfunde ein und wies daraufhin, daß ein Münzfund zwar eine Datierung darstellt, aber aufgrund der römsichen Prägezeiträume (Rom und Lyon) eine eindeutige Feststellung nicht möglich sei. So nannte er ein Beispiel: das Römerlager Oberaden hätte nach Deutung der Münzfunde nur zwischen 15-13vChr. existiert. Erst durch andere archäologische Funde konnte man den Standort bis 7v.Chr. nachweisen. So sei auch der Münzhorizont zwischen 9-15n.Chr. zu 99% identisch. Er ging dann noch auf die Kontermarken (Gegenstempel) ein. Sein Fazit war, daß Münzen einen Platz nicht identifizieren können, da man nicht nachweisen kann, wer die Münzen besessen hat ((Varus oder Germanicus)).

Die anschließende Fragestunde brachte wenig ein, da hier nur u.a. wieder einige Theorien von Heimatforschern mitgeteilt wurden, z.B. Höxter-Corvey sei römisch aufgrund von Steinbauten. Das hat KEHNE bezweifelt, da bis zur claudinischen Zeit nur Holz-Erde-Konstruktionen verwendet wurden. Auch Fragen nach den Sümpfen bei Detmold bzw. den Schluchten und Bergen bei Kalkriese bringen so nicht weiter....


P.S:
((...)) damit habe ich meine Anmerkungen gekennzeichnet.
 
@ Cherusker: nett, dass du das mal zusammengefasst hast. Hier meine Anmerkungen:

MOOSBAUER wies daraufhin, daß es im Varusheer mehr Münzen gegeben haben müsse als bei Germanicus ((komisch, Germanicus hatte doch die rebellierenden Legionäre ausgezahlt?)) und daß die historischen Quellen nicht mit dem Fundort Kalkriese übereinstimmen. Aber es sei der einzige Schlachtfundort

Den letzten Satz würde ich so unterschreiben, wobei zumindest Funde am Dünsberg in Oberhessen als Beleg für ein anderes Schlachtfeld an dem dortigen Oppidum dienen könnten. Warum im Varus-Heer mehr Münzen kursiert haben sollten, scheint mir nicht belegbar. Allenfalls könnte ich die Aussage noch verstehen, wenn gesagt würde, dass es wahrscheinlicher ist, dass die Varusschlacht mehr Münzfunde hinterlassen hätte. als ein anderes Schlachtfeld (bei den Schlachten des Germanicus ist es ja doch wahrscheinlicher, dass die Soldaten das wertvolle Metall wieder mitgenommen haben).

Und das Schanzwerkzeug wurde hinter dem Wall gefunden.

Was heißt denn "hinter dem Wall"? Eher in Richtung der Kuppe oder unten im Tal?

Es ging mit ROST weiter. Er wies daraufhin, daß man noch keine Erfahrungen mit der Schlachtfeldforschung aufweisen kann.

Das ist eine sehr wichtige Feststellung. Die (archäologische) Schlachtfeldforschung überhaupt, für fast alle Epochen außer vielleicht den beiden letzten Weltkriegen, steckt noch in den Kinderschuhen. Auch einer der Erforscher der "Schlacht" am Tor 4 beim Dünsberg hat darauf verwiesen, dass es kaum Vergleichsmöglichkeiten gebe (für die römische Zeit würden mir sonst auch nur einige wenige claudiuszeitliche Befunde aus Britannien einfallen). Hier wären vielleicht systematische Forschungsprojekte einmal angebracht, zudem sich zumindest einige Schlachtfelder, etwa in Italien, aufgrund antiker Beschreibungen gut lokalisieren lassen müssten. Ich denke schon, dass sich hier gute Ergebnisse erzielen lassen könnten - wer die Auswertung bei "Little Big Horn" kennt, weiß, dass dabei durchaus beeindruckendes möglich ist.

Kehne sagte, daß die literatischen Überlieferungen entscheidend seien, da man ansonsten keine Informationen über einen Varus erhalten hätte.

Das ist der klassische Konflikt Historiker vs. Archäologe, der auch in anderem Zusammenhang diskutiert wird (man denke nur an Springers Sachsenforschungen). Kehne ignoriert m.E. aber, dass die verschiedenen antiken Darstellungen der Varusschlacht nicht völlig kongruent zueinander sind. Abgesehen davon, muss man sich dem Problem stellen, dass die Quellen zur Varusschlacht seit Jahrhunderten bekannt sind, nicht damit zu rechnen ist, dass neue hinzukommen, und dass aufgrund dieser Quellen zig Hypothesen für mögliche Schlachtfelder aufkamen, die letztendlich nicht beweisbar sind (das gilt auch für seine eigene Lokalisierung).

Erst durch andere archäologische Funde konnte man den Standort bis 7v.Chr. nachweisen.

Konkret geschah dies durch dendrochronologische Analysen der reichhaltigen Holzfunde in Oberaden.

So sei auch der Münzhorizont zwischen 9-15n.Chr. zu 99% identisch. Er ging dann noch auf die Kontermarken (Gegenstempel) ein. Sein Fazit war, daß Münzen einen Platz nicht identifizieren können, da man nicht nachweisen kann, wer die Münzen besessen hat ((Varus oder Germanicus)).

Das ist wiederum eine sehr wichtige Feststellung. Ich denke, insgesamt müsste es hierzu eine vergleichende Studie geben, in der gerade auch die älteren, als Germanicus-zeitlich charaktersierten Funde, und auch solche aus anderen Provinzen noch einmal analysiert werden.

Die anschließende Fragestunde brachte wenig ein, da hier nur u.a. wieder einige Theorien von Heimatforschern mitgeteilt wurden, z.B. Höxter-Corvey sei römisch aufgrund von Steinbauten.

Das war eigentlich zu erwarten.
 
Ich hatte gehofft mehr über Peter Glüsings Neuverortung - bzw. die archäologische Substanz dahinter - zu erfahren...
 
Allenfalls könnte ich die Aussage noch verstehen, wenn gesagt würde, dass es wahrscheinlicher ist, dass die Varusschlacht mehr Münzfunde hinterlassen hätte. als ein anderes Schlachtfeld (bei den Schlachten des Germanicus ist es ja doch wahrscheinlicher, dass die Soldaten das wertvolle Metall wieder mitgenommen haben).
Das gilt sicher für Idistaviso, eventuell auch für den den Agrivarierwall, keinesfalls jedoch für die Schlacht an den Langen Brücken. In dieser Auseinandersetzung verlor Caecina in einer Engstelle nicht nur seinen gesamten Tross, sondern musste auch große Verluste an Legionären hinnehmen. (Wolters nimmt sogar an, dass die Verluste vergleichbar mit jenen der Varusschlacht waren). Wie auch immer, als gesichert gilt, dass Teile des Caecina-Heeres zum Rhein entkommen konnten. Dass sie das Schlachtfeld absuchen konnten, möchte ich stark bezweifeln.

Was heißt denn "hinter dem Wall"? Eher in Richtung der Kuppe oder unten im Tal?
Es ist müßig, darüber zu diskutieren, wo die Dolabra gefunden wurde. Wichtiger ist die Tatsache, dass es sich um den einzigen Wall in der gesamten antiken Militärgeschichte handelt, der keinen vorgelagerten Graben besaß. Zumindest nach der Deutung von Frau Dr.Wilbers-Rost und ihrem Gatten. Stattdessen handelt es sich um ein Exemplar mit einem, man höre und staune, Drainagegraben. Für ein Bauwerk, dass innerhalb kürzester Zeit und nur für eine einzige Schlacht errichtet wurde, eine höchst merkwürdige Anlage.








DIch denke, insgesamt müsste es hierzu eine vergleichende Studie geben, in der gerade auch die älteren, als Germanicus-zeitlich charaktersierten Funde, und auch solche aus anderen Provinzen noch einmal analysiert werden.

Genau dieses sprach Prof. Wolters an. Nach neueren Erkenntnissen ist Haltern und damit auch sein Münzhorizont jünger zu datieren. Wenn das Datum der Auflassuung von Haltern (9 n.Chr.) fällt, dann wackelt Kalkriese ganz gewaltig. Im Übrigen wies Prof. Wolters darauf hin, dass die Schlussmünzen von Kalkriese nicht jene mit der Kontermarke VAR sind, sondern jene mit IMP und Lituus.
 
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Eine Anmerkung

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...
Allenfalls könnte ich die Aussage noch verstehen, wenn gesagt würde, dass es wahrscheinlicher ist, dass die Varusschlacht mehr Münzfunde hinterlassen hätte. als ein anderes Schlachtfeld (bei den Schlachten des Germanicus ist es ja doch wahrscheinlicher, dass die Soldaten das wertvolle Metall wieder mitgenommen haben).
...

Dr. Moosbauer ging bei Varus auch mehr von einem "Verwaltungsheer" aus. Deswegen vermutet er im Troß mehr Münzen. Ferner stützt er sich auf die Auswertung von Frank Berger, der wiederum mit seiner Münzbestimmung einseitig vorbelastet ist.
Meiner Ansicht nach, haben die Kalkrieseforscher nicht die vorherige Rebellion der Legionäre in den Lagern berücksichtigt. Dort wurde Germanicus mehr oder weniger gezwungen den Sold an die Legionäre auszuzahlen, d.h. jeder Legionär war höchstwahrscheinlich sehr erleichtert das Geld zu bekommen und hat es deswegen auch bei sich geführt. Übrigens besaß Germanicus auch nicht soviel Geld um alle Legionäre auszuzahlen, deswegen ließ er das Geld durch Kontermarken aufwerten. Prof. Dr. Wolters bemerkte, daß die Münzen mit der Kontermarke "VAR" nicht die jüngsten sind, wie es wohl in einem Aufsatz von Prof.Dr. S. von Schnurbein erwähnt wurde.

Ferner gehe ich davon aus, daß die Römer nach den Schlachten von Idistaviso und am Angrivarierwall genug Zeit hatten ihre Toten zu bestatten und Gegenstände einzusammeln (das geht so auch aus den Quellen hervor). Aber bei "pontes longi" (Lange Brücken) ging der römische Troß an einer Engstelle verloren und die Legionäre hatten große Mühe sich selbst auf eine freie Fläche zu retten. Selbst ihr Legat Caecina wäre gefallen, hätte die I.Legion ihn nicht gerettet. Die Römer konnten sich dann zwar erfolgreich aus ihrem notdürftigen Lager retten und den Rhein erreichen, aber nach Osten in die gefahrenvolle Engstelle (in der mit Sicherheit noch die Germanen den Troß plünderten) sind sie bestimmt nicht mehr gezogen, um irgendwelche Aktionen durchzuführen. Daher vermute ich, daß bei pontes longi noch einige Troßteile vorhanden sind, die für die Germanen uninteressant waren bzw. die im Gras nicht auffindbar waren (und Münzen eignen sich dafür besonders gut) und daß die römischen Leichen auch nicht sofort bestattet wurden.

Fazit der Veranstaltung: es gibt seitens Kalkriese keine neuen Erkenntnisse bzw. Beweise, daß dort die Varusschlacht stattgefunden hat. Ein Sprecher meinte, daß man in den nächsten Jahren hofft weitere "Beweise" zu finden. Aber diese Aussage höre ich jetzt auch schon seit Jahren.....


P.S.
Schlachtorte müssen danach so gründlich abgesucht worden sein, daß kaum etwas zu finden ist. Nur unbedeutende bzw. verschüttete Gegenstände konnten übrig bleiben. So hat Frau Dr. Wilbers-Rost darauf hingewiesen, daß man in der Nähe von Kalkriese Siedlungsplätze gefunden hat, in denen Beutestücke weiterverarbeitet wurden (einschmelzen).
Dagegen findet man in Siedlungsplätzen wesentlich mehr Gegenstände, die man dann auch eindeutig zuordnen kann (Bodenschicht).
 
....man höre und staune, Drainagegraben. Für ein Bauwerk, dass innerhalb kürzester Zeit und nur für eine einzige Schlacht errichtet wurde, eine höchst merkwürdige Anlage.
...

Was mich schon seit Jahren wundert ist diese Behauptung des Drainagegraben oder bei ganz eifrigen Experten eines Dammes.
Fr.Dr. Wilbers-Rost sagte, daß man so einen Wall mit genügend Leuten auch innerhalb weniger Stunden errichten kann. Bei einer geringeren Zahl von Leuten kann es ein paar Tage dauern.
Wenn ich mir die Lage in Kalkriese ansehe, dann haben alle Beteiligten bisher festgestellt, daß es Bäche gibt bzw. gab, die vom Kalkrieser Berg in die Niederung geflossen sind. Diese Bäche haben sich im Laufe der Jahrhunderte in das Gelände eingeschnitten (wie überall). Da dort oben auf dem Kalkrieser Berg kein Fluß entspringt, werden die Bäche auch mit den gewöhnlichen Wassermassen fertig. Da bekanntlich Wasser nicht bergauf fließen kann, sucht es sich den angestammten Weg durch die Bachverläufe. Fr. Dr.Wilbers-Rost sagte auch, daß der Wall bis kurz vor diese Bäche ging und dort dann durch Gräben ersetzt wurde.
Ein kurzfristig errichteter Wall kann meiner Ansicht nach nicht durch einen Regenguß vernichtet werden, weil die Flächen nicht versiegelt sind und das Wasser in das Erdreich aufgenommen wird. Erst tagelange Regengüsse führen dazu, daß das Erdreich das Wasser nicht mehr aufnehmen kann (das führt in Hanglage dann auch zu Erdrutschen). Aber ein kurzfristig genutzter Wall kann diese Probleme nicht gehabt haben.
Außer.....man leitet Bäche um und das Wasser sucht sich dann einen neuen Weg. Dann muß man vor dem Wall einen Drainagegraben und Sickergruben anlegen, damit das Wasser abgeleitet wird. Aber das steht ja nur in der Beschreibung bei "pontes longi"....
 
Cato schrieb:
In dieser Auseinandersetzung verlor Caecina in einer Engstelle nicht nur seinen gesamten Tross, sondern musste auch große Verluste an Legionären hinnehmen. (Wolters nimmt sogar an, dass die Verluste vergleichbar mit jenen der Varusschlacht waren).

Das kann ich mir nur schwer vorstellen, dass auch an den Langen Brücken 3 Legionen plus kleinere Einheiten verloren gegangen sollen. Jedenfalls wüßte ich dafür keinerlei Belege.

Cato schrieb:
Wichtiger ist die Tatsache, dass es sich um den einzigen Wall in der gesamten antiken Militärgeschichte handelt, der keinen vorgelagerten Graben besaß.

Also, da gibt es schon noch weitere Beispiele für. So gibt es am Hadrianswall etliche Kastelle ohne Graben. Aber so weit muss man noch nicht mal schauen: Auch das Lager in Kneblinghausen hat m.E. keinen vorgelagerten Graben.

Cato schrieb:
Stattdessen handelt es sich um ein Exemplar mit einem, man höre und staune, Drainagegraben.

Da wir unsere Positionen dazu schon mal sehr ausführlich ausgetauscht haben, will ich nicht die ganze Wall-Diskussion von vorne aufrollen. Drainagegräben sind nun aber bei vielen römischen Lagern belegt; warum könnte es hier nicht so gewesen sein, zudem die Befunde keine durchziehende Gräbern anzeigen.

Nach neueren Erkenntnissen ist Haltern und damit auch sein Münzhorizont jünger zu datieren. Wenn das Datum der Auflassuung von Haltern (9 n.Chr.) fällt, dann wackelt Kalkriese ganz gewaltig.

So weit ich weiß, ist die Gefahr von Zirkelschlüssen hier ganz groß: Verglichen wurden die Münzhorizonte von Haltern und Kalkriese, die einen sehr ähnlichen Münzanfall brachten. Im Rahmen der Münzforschung unterliegt Haltern somit den gleichen Problemen und eine Spätdatierung ist längst nicht erwiesen. Ich meinte aber auch eher, dass die Funde aus Kalkriese mal mit germanicuszeitlichen Funden (so vorhanden) aus länger bekannten in diese Zeit datierten Lagern wie Neuss, Vetera, Friedberg oder Höchst verglichen werden sollte. Ich weiß aber nicht inwieweit das möglich ist.

Dort wurde Germanicus mehr oder weniger gezwungen den Sold an die Legionäre auszuzahlen, d.h. jeder Legionär war höchstwahrscheinlich sehr erleichtert das Geld zu bekommen und hat es deswegen auch bei sich geführt.

Schön und gut, dass muss - aus historischer wie archäologischer Sicht - aber alles Spekulation bleiben! Historisch weiß man nicht, welche Geldmengen Germanicus ausgegeben hat, und man weiß auch nicht, ab wann der Sold knapper ausfiel (es ist ja sehr wahrscheinlich, dass dies erst in die Jahre 9 - 14 fällt). Eine Vergleichbarkeit, auch durch Moosbauer, verbietet sich m.E. mangels Daten völlig! Archäologisch sowieso, da sich niemals feststellen lassen wird, wie viel Geld nun tatsächlich bei so einer Schlacht "im Umlauf" war. Der einzige interessante Aspekt, dem sich vielleicht in dieser Hinsicht nachzugehen lohnt, ist, wieso auf dem Kalkrieser Schlachtfeld so viele Münzen noch gefunden werden konnten. Eigentlich wäre zu erwarten gewesen, dass auch Germanen die Münzen aufsammeln und selbst verwenden bzw. einschmelzen lassen würden.

Übrigens besaß Germanicus auch nicht soviel Geld um alle Legionäre auszuzahlen, deswegen ließ er das Geld durch Kontermarken aufwerten.

Wieso die Münzen auf diese Art "aufgewertet" sein sollen, will sich mir nicht erschließen. Abgesehen davon fehlen auch dafür die Indizien - und warum hat er dann nicht mit "Ger", "Tib" etc. gegenstempeln lassen, dass wäre doch naheliegender gewesen.

Schlachtorte müssen danach so gründlich abgesucht worden sein, daß kaum etwas zu finden ist. Nur unbedeutende bzw. verschüttete Gegenstände konnten übrig bleiben. So hat Frau Dr. Wilbers-Rost darauf hingewiesen, daß man in der Nähe von Kalkriese Siedlungsplätze gefunden hat, in denen Beutestücke weiterverarbeitet wurden (einschmelzen).

An sich ist mit dem "Absuchen" auch fest zu rechnen, und es ist völlig klar, dass Siedlungsareale auch mehr Kleinfunde bringen, als Schlachten im offenen Gelände. Andererseits bieten sich heute aber deutlich besssere Prospektionsmethoden. Und gleichzeitig - das ist heute nicht anders - brachten Schlachten auch viel Abfall, bei dem es sich nicht unbedingt lohnte, ihn weiterzuverwenden (angesprochen wurden ja auch die Schleuderbleie). Mir fällt es aber schwer, sich vorzustellen, dass Kalkriese als einziges antikes Schlachtfeld mit einem gewissen Fundanfall übrig geblieben sein soll. Ich denke, da ließe sich mit entsprechender Forschung noch durchaus einiges herausholen, gerade etwa in den heiß umkämpften Regionen im Osten des Reiches. Das aber nur so eine Vorstellung von mir und ganz nebenbei und Offtopic.
 
Erstmal vielen Dank an Cherusker für diese Zusammenstellung!

Beide Gegen-Positionen stehen für mich aber auf wackeligen Beinen. Die Hauptgegenargumente, soweit ich das sehe, sind einmal die nicht eindeutigen Münzfunde - die für mich allerdings eher pro als contra zu sagen scheinen; es deutet alles darauf hin, ohne ein Beweis zu sein - und zum anderen die Inkompatibilität zu Cassius Dio. Wobei ich grade den nicht für die Autorität halte, was Authentizität angeht. Sein Werk war stark ideologisch geprägt und war in keinster Weise ein akkurater Bericht (zumal ihn über 200 Jahre von den betreffenden Ereignissen trennen). Seine Quellen für die Varusschlacht kennen wir meines Wissens nicht. Der Bericht ist zwar wunderschön zu lesen, aber höchstwahrscheinlich auch fiktiv...

Das, was mich wirklich von Kalkriese als Schauplatz der Varusschlacht überzeugt hat, waren die nach einigen Jahren begrabenen Leichen, die sehr stark auf Germanicus hindeuten. Zusammen mit den Münzfunden erst recht.

Nur die loricae segmentatae irritieren mich jetzt ganz massiv...
 
und zum anderen die Inkompatibilität zu Cassius Dio. Wobei ich grade den nicht für die Autorität halte, was Authentizität angeht. Sein Werk war stark ideologisch geprägt
Was höchstwahrscheinlich auch auf die anderen Berichte zur Varus-Schlacht zutrifft. Gibt's eigentlich was zeitnahes? Velleius Paterculus? Schreibt der über die Schlacht irgendwas ausführliches oder erwähnt er sie nur als Fakt, um dann des Tiberius Rettungstaten in Germanien zu verherrlichen?
 
Schreibt der über die Schlacht irgendwas ausführliches oder erwähnt er sie nur als Fakt, um dann des Tiberius Rettungstaten in Germanien zu verherrlichen?

Du findest den entsprechenden Abschnitt hier:

http://www.geschichte.uni-osnabrueck.de/projekt/frame5.htm

Überhaupt Hinweise, wo sich das Geschehen abspielte, finden sich nur bei Tacitus. Velleius ist vor allem wichtig für die Informationen über Varus. Seine Schlachtenschilderung lässt sich auf die Stereotypen: Hinterhalt, Berge, Wald, und Sumpf beschränken. Bemerkenswert ist daran allerdings, dass er das Verhalten einiger bestimmter, namentlich benannter Offiziere darstellt. Unten auf der Seite finden sich einige knappe quellenkritische
 
Eine Textstelle ...

...
Schön und gut, dass muss - aus historischer wie archäologischer Sicht - aber alles Spekulation bleiben! Historisch weiß man nicht, welche Geldmengen Germanicus ausgegeben hat, und man weiß auch nicht, ab wann der Sold knapper ausfiel (es ist ja sehr wahrscheinlich, dass dies erst in die Jahre 9 - 14 fällt). Eine Vergleichbarkeit, auch durch Moosbauer, verbietet sich m.E. mangels Daten völlig! Archäologisch sowieso, da sich niemals feststellen lassen wird, wie viel Geld nun tatsächlich bei so einer Schlacht "im Umlauf" war. Der einzige interessante Aspekt, dem sich vielleicht in dieser Hinsicht nachzugehen lohnt, ist, wieso auf dem Kalkrieser Schlachtfeld so viele Münzen noch gefunden werden konnten. Eigentlich wäre zu erwarten gewesen, dass auch Germanen die Münzen aufsammeln und selbst verwenden bzw. einschmelzen lassen würden.
....

Über den Aufstand der Rheinlegionen steht bei Tacitus Annalen I.Buch (36)ff.:

"...; die erbetenen Vermächtnisse werden in doppelter Höhe ausbezahlt.
(37) Die Soldaten merkten, daß es sich nur um Zugeständnisse handelte, die man für die augenblickliche Lage erfunden hatte, und verlangten ihre sofortige Erfüllung. Die Entlassung wurde von den Tribunen beschleunigt durchgeführt, die Ausbezahlung der Vermächtnisse für alle auf das Winterquartier aufgeschoben. Die 5. und die 21. Legion rückten nicht eher ab, bis man noch hier in dem Sommerlager das Geld ausbezahlte, das die Freunde des Caesars und dieser selbst aus ihrer Reisekasse zusammenlegten. ...Es war ein häßliches Bild, das die Kolonne bot, da die dem Imperator abgenommenen Geldkassen zwischen den Fahnen und zwischen den Adlern mitgeführt wurden. ...
Die 14. hatte eine Zeitlang eine schwankende Haltung eingenommen. Das Geld und die Entlassung wurden ihnen angeboten, ohne daß sie dies gefordert hätten."

Das klingt mir jetzt gar nicht nach Spekulation bzw. Vermutung.
Somit wurde das Geld bei den Legionen gelassen. Meist haben die Legionäre ihr Geld bei den signiferi deponiert, die somit zugleich Rechnungsführer waren. Die meisten Funde in Kalkriese wurden unter dem, recht früh im Schlachtenverlauf, zusammengestürzten Wall erzielt. Da hatten die Germanen nicht gesucht. Auch ist eine ins Erdreich getretene Münze ohne Metallsonde schwer auffindbar.
 
...

Das, was mich wirklich von Kalkriese als Schauplatz der Varusschlacht überzeugt hat, waren die nach einigen Jahren begrabenen Leichen, die sehr stark auf Germanicus hindeuten. Zusammen mit den Münzfunden erst recht.

Nur die loricae segmentatae irritieren mich jetzt ganz massiv...

Zu den Knochenfunden wurden auch Äußerungen getätigt. Die Untersuchungen haben ergeben, daß sie in einem Zeitraum zwischen 2-10Jahren an der Oberfläche lagen, d.h. in einem menschenleeren Gebiet kann man die Leichen ohne Seuchengefahr einige Zeit liegenlassen, um dann nur noch die Knochen beizusetzen. Es ist nichts besonderes, wenn die Leichen der Feinde nicht sofort beseitigt werden.

Dr.Kehne kritisierte hier besonders die Knochengruben von Kalkriese, die mit Tier- und Menschenknochen wahllos gefüllt waren. Wie ich bereits oben geschrieben habe, hätten die Römer, denen der Totenkult "heilig" war, ihre gefallenen Legionäre pietätvoll bestattet. Laut Tacitus hat Germanicus einen Tumulus mit darin gesammelten Menschenknochen errichtet. Davon ist in Kalkriese nichts gefunden worden, sondern nur etliche Knochengruben.

Und die römischen Rüstungen machen mir auch zu schaffen.....bisher hatte ich immer gelesen, daß die Augustus-Legionen mit Kettenhemden ausgerüstet gewesen seien.
 
Gibt's eigentlich was zeitnahes? Velleius Paterculus? Schreibt der über die Schlacht irgendwas ausführliches oder erwähnt er sie nur als Fakt, um dann des Tiberius Rettungstaten in Germanien zu verherrlichen?

Paterculus erwähnt die Varusschlacht in seiner "Historia Romana". Dort steht u.a. :
"119 (1) Den Ablauf dieser schrecklichen Katastrophe - die schwerste Niederlage der Römer gegen auswärtige Feinde seit der des Crassus gegen die Parther - werde ich, wie schon andere es getan haben, in meinem größeren Geschichtswerk ausführlich darzustellen versuchen, hier sei des Ereignisses nur allgemein mit Trauer gedacht.
(2) Die tapferste Armee von allen, führend unter den römischen Truppen, was Disziplin, Tapferkeit und Kriegserfahrung angeht, wurde durch die Indolenz des Führers, die betrügerische List des Feindes und die Ungunst des Schicksals in einer Falle gefangen. ... Eingeschlossen in Wälder und Sümpfe, in einen feindlichen Hinterhalt, wurden sie Mann für Mann abgeschlachtet,..."

Danach erwähnt er noch einige Einzelheiten und daß Asprenas 2Legionen aus der großen Katastrophe gerettet hat. Dazu lobt er wieder Tiberius für sein Handeln in Germanien.

Dr.Kehne sieht in Paterculus einen Zeitzeugen, der evtl. sogar Römer aus den Varuslegionen gekannt hat, aber die Berichte von Tacitus und Cassius Dio sind informativer für den Ablauf der Varusschlacht. Für Dr.Kehne ist die literarische Überlieferung entscheidend, während Dr.Rost in einem schriftlichen Beitrag auch die römische Wahrnehmung in Zweifel zieht, da sie sich nicht mit Kalkriese-Funden deckt.

Meine Meinung:
Wenn man die Annalen des Tacitus gelesen hat, so findet man einige Textstellen, in denen Tacitus beschreibt, daß er auf andere Quellen zurückgreift und daß er sie manchmal auch als kritisch bzw. unglaubwürdig hält. Die Tacitus-Berichte über die Römerkriege geben einige Informationen wieder, die nur Augenzeugen bzw. Zeitzeugen erlebt haben können, z.B. die Aufstellung der Legionen bei pontes longi oder die Berichte über den Besuch des Varus-Schlachtfeldes. Somit halte ich Tacitus und auch Cassius Dio nicht für "Tolkiens" der römischen Geschichte. Sie haben einfach nur römische Berichte zusammengefaßt und daher ist es in manchen Textstellen auch sehr ausführlich und auch sprunghaft zugegangen.
 
Also, da gibt es schon noch weitere Beispiele für. So gibt es am Hadrianswall etliche Kastelle ohne Graben. Aber so weit muss man noch nicht mal schauen: Auch das Lager in Kneblinghausen hat m.E. keinen vorgelagerten Graben.

Hallo Ashigaru,

wir können hier nicht steinerne Mauern der mittleren Kaiserzeit mit Holz-Erde-Konstruktionen der ausgusteisch-tiberischen Zeit vergleichen. Beim Aufschütten eines Erdwalles (dessen Oberflächen mit Rasensoden belegt wurde) wurde der Bodenaushub selbstverständlich an der Außenseite entnommen. Dadurch schuf man einen vorgelagerten (Spitz-) Graben, der als Annäherungshindernis diente. Um ein Abrutschen zu verhindern, ließ man eine schmale Berme zwischen Wall und Graben.
Selbstverständlich hatte auch der Wall von Kneblinghausen einen vorgelagerten Spitzgraben. („Ausgrabungen in dem 10 ha großen Gelände deuten auf starke Wälle und Spitzgräben hin. Eine Besonderheit sind die bogenförmigen Torbefestigungsanlagen, die sogenannten
"Klavikeltore" (...))www.kneblinghausen.gmxhome.de

Die Bauweise des Erdwerks von Kalkriese lässt vermuten, das betont auch Frau Wilbers-Rost, dass es in kurzer Zeit und geradezu provisorisch angelegt wurde. Beispielsweise weisen einzelne Pfostenlöcher auf eine nur teilweise und provisorische hölzerne Brustwehr hin und keine geschlossene Palisade. Enttäuschenderweise befinden sich die Pfostenlöcher etwa in der Mitte der Wallkrone und lassen keine Aussagen zur Verteidigungsrichtung zu.

Die flachen Gräben und Gruben an der Südseite des Walles sind dagegen weit aufschlussreicher. Sie mögen durchaus zur Entwässerung gedient haben, andererseits waren sie selbstverständlich auch Annäherungshindernisse. Solche Annäherungshindernisse treten nur auf der Südseite auf, womit die Frage nach seiner „Außenseite“ beantwortet sein dürfte.

Ebenso erwähnenswert ist, dass die beiden offenen Enden des Walles nach Norden (!) abwinkeln. In diesen Bereichen gibt es auf wenigen Metern flache Gräben an den Innenseiten. Offensichtlich war eine Materialentnahme an der Außenseite, eventuell vor dem Hintergrund einsetzender Kampfhandlungen, nicht mehr möglich.

Gruß Cato
 
@ Cato: bei den mir bekannten Karten in Kneblinghausen ist kein Graben zu sehen. Es gab zwar die auch hier mehrfach diskutierten "Tituli" vor den Toren, auch mehrere Entwässerungsgräben, aber keinen durchziehenden Graben. Auch im Artikel in "Die Römer in Nordrhein-Westfalen" und bei der Beschreibung in Wikipedia ist nichts von einem Graben zu lesen.
Siehe hier:
http://www.lwl.org/LWL/Kultur/Altertumskommission/Projekte/1099653676_0/grafik

Den Wall in Kalkriese möchte ich eigentlich nicht noch einmal diskutieren, das haben wir doch bereits sehr ausführlich getan. Als Erinnerungsstütze aber noch mal meine Argumente:
- die gefunden Pfostenreihen der sog. möglichen "Brustwehr" weisen talwärts.
- der Wall ist den Höhenlinien am Kalkrieser Berg angepasst.
- es gibt keinen durchziehenden Graben und die Grabenstücke liegen sehr nah am Wall, so dass sie möglicherweise auch die Ausbruchsstellen der Rasensoden anzeigen.
- Als Hindernis aus dem Tal heraus macht er taktisch wenig Sinn.
 
@ Cherusker:

die erbetenen Vermächtnisse werden in doppelter Höhe ausbezahlt.

Die Textstelle bei Tacitus sagt aus, dass die Legionäre mehr Geld bekommen haben - aber im Vergleich zu was? Sie hatten Forderungen gestellt, aber es lässt sich ja gar keine Relation zu den Geldmengen des Varus-Heeres (weil unbekannt) ziehen, ebenso gibt der Auszug keine Auskünfte über die absolute Höhe der Auszahlungen. Daraus Rückschlüsse auf die bei Varusschlacht oder Pontes longi zurückgelassenen Münzen zu ziehen, führt m.E. zu nichts.
Die meisten Münzen wurden in Kalkriese dort gefunden, wo du beschreibst. Dennoch ist die Streuung, wenn ich mich recht erinnere, enorm.

Dr.Kehne kritisierte hier besonders die Knochengruben von Kalkriese, die mit Tier- und Menschenknochen wahllos gefüllt waren. Wie ich bereits oben geschrieben habe, hätten die Römer, denen der Totenkult "heilig" war, ihre gefallenen Legionäre pietätvoll bestattet. Laut Tacitus hat Germanicus einen Tumulus mit darin gesammelten Menschenknochen errichtet. Davon ist in Kalkriese nichts gefunden worden, sondern nur etliche Knochengruben.

Tja, wenn man den Tumulus hätte... Wenn ich mich recht erinnere, war aber die Zahl von Knochenfunden in Kalkriese nicht so gewaltig, oder? Der Verweis von Kehne, dass die Römer keine Tierbestattungen hatten, ist natürlich richtig. Allerdings handelt es sich hier auch um keine normale Art der Bestattung - es waren Massengräber, in die man alles zusammengeworfen hat. Ähnliches hat man auch in Britannien im Anschluss an die Kämpfe an einigen "Hillforts" gefunden.

Die Tacitus-Berichte über die Römerkriege geben einige Informationen wieder, die nur Augenzeugen bzw. Zeitzeugen erlebt haben können, z.B. die Aufstellung der Legionen bei pontes longi oder die Berichte über den Besuch des Varus-Schlachtfeldes.

So weit ich weiß, wird davon ausgegangen, dass es am Palatin eine Art Archiv gab, dessen Informationen sich die späteren Geschichtsschreiber bedienten. Tacitus selbst dürfte wohl kaum Augenzeugen aus den Germanenkriegen persönlich gekannt haben (er wurde erst 40 Jahre später geboren). Er hat wohl eher auf ältere, schriftlich niedergelegte Berichte zurückgegriffen.
 
Als Erinnerungsstütze aber noch mal meine Argumente:
- die gefunden Pfostenreihen der sog. möglichen "Brustwehr" weisen talwärts.
- der Wall ist den Höhenlinien am Kalkrieser Berg angepasst.
- es gibt keinen durchziehenden Graben und die Grabenstücke liegen sehr nah am Wall, so dass sie möglicherweise auch die Ausbruchsstellen der Rasensoden anzeigen.
- Als Hindernis aus dem Tal heraus macht er taktisch wenig Sinn.

Da habe ich aber erhebliche Zweifel. Fr. Dr. Wilbers-Rost hat von vereinzelten Pfostenlöcher gesprochen, die auf dem Wall gefunden worden sind, allerdings läßt sich keine Aussage darüber treffen in welche Richtung die "Brustwehr" gerichtet war. Das ist reine Spekulation!

Sie hat auch daraufhingewiesen, daß dieser Wall eine kurzfristige Aktion war und nicht wie früher häufig behauptet eine lange geplante Angelegenheit. So hat man den Wall aus den vorhandenen Mitteln (sogar Sand) gebaut. Auch sind die Grassoden dort ausgestochen worden.

Und von der taktischen Seite macht es wohl einen Sinn dort einen Wall zu bauen, der gegen Angriffe vom Berg gerichtet war. Zur Erinnerung: Wenn ein Troß mit langsamen Ochsenkarren und Maultieren durch eine Engstelle geleitet werden soll, die aus einem bewaldeten Hügel und einem Sumpf besteht, und ein größerer Angriff seitens des Hügels erfolgen kann, dann baut man doch an dem Weg entlang einen Wall hinter dem der Troß langgeführt werden kann. So besteht für den angreifenden Feind ein Problem diesen Troß einfach zu überrennen. Festgefahrene Wagen können hinter einem Wall der dem Verlauf des Weges folgt besser wieder befreit werden. Das klingt mir logischer als die Theorie vom Wall hinter dem sich Germanen versteckt hielten und nur ab und zu die Römer angriffen....

Bei pontes longi wird davon geschrieben, daß die Römer an einer Engstelle einen Wall bauen, der durch umgeleitete Bäche (durch Germanen) erst wieder weggeschwemmt wird, dann aber doch errichtet werden kann. Ferner wird darauf hingewiesen, daß die Römer auf den Wall übernachteten. Es ist keine Rede von einem römischen Lager, daß in quadratischer Bauart angelegt wurde. Fr. Wilbers-Rost weist gerne auf ein fehlendes Lager hin, aber das sind für mich nur "Nebelkerzen".....es geht einfach um einen Wall und kein Lager!!!

Da gebe ich Dr.Kehne recht, der die literarischen Quellen als entscheidend ansieht!
 
@ Cato: bei den mir bekannten Karten in Kneblinghausen ist kein Graben zu sehen. Es gab zwar die auch hier mehrfach diskutierten "Tituli" vor den Toren, auch mehrere Entwässerungsgräben, aber keinen durchziehenden Graben. Auch im Artikel in "Die Römer in Nordrhein-Westfalen" und bei der Beschreibung in Wikipedia ist nichts von einem Graben zu lesen.
Es ist bei wikipedia nichts von einem Graben zu lesen, da er so selbstverständlich ist.
Wer sich aber genauer über die Wälle und Gräben von Kneblingshausen informieren möchte, der kann das auf folgender Seite tun:
http://www.archaeologischer-freundeskreis-owl.de/uploads/media/Sond_Knebl_Forts.pdf
Besonders Seite 4 dürfte interessant sein.

Als Erinnerungsstütze aber noch mal meine Argumente:
- die gefunden Pfostenreihen der sog. möglichen "Brustwehr" weisen talwärts.
- der Wall ist den Höhenlinien am Kalkrieser Berg angepasst.
- es gibt keinen durchziehenden Graben und die Grabenstücke liegen sehr nah am Wall, so dass sie möglicherweise auch die Ausbruchsstellen der Rasensoden anzeigen.
- Als Hindernis aus dem Tal heraus macht er taktisch wenig Sinn.


Nun, der Vortrag am 15.11.06 von Frau Dr.Wilbers-Rost bezog sich weitestgehend auf die Funde und Befunde am Wall. Insofern ist die Klärung über die Umstände seiner Erbauung für das Geschehen in der Kalkriese-Niewedder-Senke nicht unerheblich.

Noch einmal zu deinen Argumenten:
die gefunden Pfostenreihen der sog. möglichen "Brustwehr" weisen talwärts.

Aus der Ausgrabungskarte geht hervor, dass dieses nicht zutrifft.

- der Wall ist den Höhenlinien am Kalkrieser Berg angepasst.

Auch diese Aussage ist, wenn man die Topographie des Flurstücks Oberesch kennt, einfach falsch.
- es gibt keinen durchziehenden Graben und die Grabenstücke liegen sehr nah am Wall, so dass sie möglicherweise auch die Ausbruchsstellen der Rasensoden anzeigen.

Frau Dr. Wilbers-Rost berichtete, dass die Rasensoden eindeutig auf der Nordseite (!) des Walles ausgestochen wurden. Dieses geht aus neolithischen Scherbenresten hervor, die sowohl auf dieser Fläche, als auch im Wallmaterial auftraten.
- Als Hindernis aus dem Tal heraus macht er taktisch wenig Sinn.

Wenn ein römisches Heer vor der Aufgabe stand, die Engstelle von Kalkriese zu passieren, so war es strategisch sinnvoll, die Flanke des Trosses durch einen Wall zu sichern. Sollten Germanen durch das Umleiten der Bäche versucht haben, dieses Schanzwerk zu unterspülen, wie es Tacitus für die Schlacht an den pontes longi beschreibt, so waren die Gräben und Gruben vor dem Wall nicht nur Annäherungshindernisse, sondern gleichzeitig auch zur Entwässerung notwendig.
Wären die Germanen jedoch die Erbauer eines Abschnittwalles während der Varusschlacht gewesen, so ist davon auszugehen, dass dieses Schanzwerk in der Schilderung des Tacitus Erwähnung gefunden hätte.
Noch einmal zusammenfassend:
Zum Errichten eines Erdwalles gehörte im Altertum immer das Anlegen von vorgelagerten Annäherungshindernissen, in der Regel in Form eines (Spitz-) Grabens und/oder Gruben. Dass der Wall von Kalkriese eine Ausnahme bilden soll, ist nicht begründbar und somit auszuschließen. Da sich derartige Annäherungshindernisse im vorliegenden Fall im Süden der Anlage befinden, die Funde jedoch darauf schließen lassen, dass sich Römer im Norden des Schanzwerks aufhielten, sind jene sowohl als Erbauer als auch als Verteidiger zu identifizieren.

Gruß Cato
 
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@ Cato: ich finde es immer noch komisch, dass der Graben nicht auf der Karte der Ausgrabungen nach 1900 erscheint, obwohl die Aufnahme sehr genau war. Leider klärt das auch die von dir verlinkte Seite nicht, auf der lediglich aus einem Zitat heraus von der Existenz von Gräben gesprochen wird. Aber gut.

Zum Kalkrieser Wall haben wir hier
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=8893&page=10&highlight=Kalkriese

nun wirklich alle Argumente ausgetauscht und was neues habe ich auch nicht zu berichten. Gut, dass ich noch mal reingeschaut habe, du wolltest mir eine Karte von 2003 noch per Pn schicken, in der es um Pfostenlöcher/Wallführung gehen sollte. Hätte ich weiterhin gerne.
 
@ Cato: ich finde es immer noch komisch, dass der Graben nicht auf der Karte der Ausgrabungen nach 1900 erscheint, obwohl die Aufnahme sehr genau war. Leider klärt das auch die von dir verlinkte Seite nicht, auf der lediglich aus einem Zitat heraus von der Existenz von Gräben gesprochen wird. Aber gut.

Deshalb habe ich auf folgende Seite verwiesen (insbesondere auf Seite 4 werden Schnitte durch Wall und Graben der Lager von Kneblinghausen dargestellt.)
http://www.archaeologischer-freundeskreis-owl.de/uploads/media/Sond_Knebl_Forts.pdf

Gut, dass ich noch mal reingeschaut habe, du wolltest mir eine Karte von 2003 noch per Pn schicken, in der es um Pfostenlöcher/Wallführung gehen sollte. Hätte ich weiterhin gerne.

Nun, Frau Dr. Wilbers-Rost äußert sich folgendermaßen, dass die Pfostenlöcher in etwa mittig auf der Wallkrone auftreten. Dieses entspricht auch den Eintragungen auf der Ausgrabungskarte. Ob ich diese Karte so ohne weiteres weitergeben darf, weiß ich nicht. Da muss ich erstmal Susanne fragen....

Gruß Cato
 
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