Karolingerkrieger

Ist das eine Zeichnung aus einem Lexikon des 19. Jahrhunderts?
So was in der Art hatte ich mir auch gedacht.

Wenn schon mit Lamellenpanzer und Helm mit Nasenschutz, dann eher so (wobei das hier Langobarden sind, aber die gleiche Ausrüstung wurde ja auch in Gräbern des Frankenreiches gefunden).
 

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Die Zeichnung ist aus dem Buch Die Kriegswaffen in ihrer historischen Entwickelung - von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart
von 1886, von einem gewissen August Firedrich Demmin. Die Kriegswaffen in ihren geschichtlichen Entwickelungen

Demmin war einer der Pioniere moderner Militär- und Waffengeschichtsforschung, gleichwohl ist er natürlich hoffnungslos veraltet.
Die Rekonstruktion auf besagtem Bild beruht auf einer Schachfigur, die Karl dem Großen gehört haben soll. Das ist für sich bereits eine heikle Zuordnung, denn das Schachspiel kam eigentlich erst mit der ismlamischen Expansion nach Europa, es ist also höchst fraglich, ob bereits KdG ein Schachspiel besessen haben kann. Die Spielfigur, die Demmin heranzieht, ist wahrscheinlich deutlich jünger.

Die Hauptmerkmale, die gegen die Karolingerzeit sprechen, wurden schon genannt: Die Form des Schildes und des Helmes werden so von keiner nachweislich karolingischen Quelle gestützt. Darüber hinaus ist für einen Karolinger die Tunika zu lang und die Griffpartie des Schwertes unpassend: Ein Knauf fehlt völlig und eine Parierstange ist selbst für eine Spatha zu wenig ausgeprägt. Auf all diese eigentümlichen Merkmale - bis auf die Tunika - weist Demmin übrigens hin, er scheint also mit dem Bild selbst nicht allzu glücklich zu sein.

Die Figur scheint als solche ein Fantasieprodukt zu sein, nicht von Demmin, soviel zu seiner Ehrenrettung, sondern von einem unbekannten Schachfigurenschitzer aus dem vermutlich hohen bis späten Mittelalter.

Das Bild von Secundus trifft, nach heutigem Wissensstand, die typischen Karolingerkrieger besser. Der Panzerreiter ist im Kettenhemd dargestellt, eine Rüstungsform, die den Karolingern sicherlich bekannt und bei ihnen im Gebrauch war.
Der Schuppenpanzer ist für die Karolinger ebenfalls belegt, allerdings nur aus Bild- und Schriftquellen. Vereinzelte Schuppenfunde aus dem deutschen Raum existieren zwar, können aber nicht eindeutig der Karolingerzeit zugeordnet werden.
Nach den wenigen detaillierteren Schriftquellen besteht ein Schuppenpanzer aus "eisernen Schuppen", die auf ein "leinenes Gewand" aufgenäht werden. Über exakte Form, Größe und Dicke der Schuppen gibt es keine Angaben, ebensowenig über die Form und den Schnitt des Gewandes - insbesondere die Schulterpartie ist kritisch, was bei der Figur aus Demmins Buch mit dem Überwurf gelöst wird, der so allerdings unpraktisch groß ausfällt, eine Größe, die er, nur um das Schulterproblem zu lösen, nicht haben müsste. Man bedenke das immense Gewicht.

Interessant bei den wenigen Schuppenfunden ist der Umstand, dass einige der möglicherweise aus dem Frühmittelalter stammenden Schuppen aus einer Kupferlegierung (aka Bronze) bestehen und erstaunlich dick sind (z.B. Hünenburg bei Hunneserück: 1,3 mm. Die Schuppe ist gewölbt) Bei dieser Materialstärke und dem daraus resultierende Gewicht kann ich persönlich mir nur einen Torsopanzer vorstellen, möglicherweise als Verstärkung einer Textil- oder Kettenrüstung im Torsobereich.
In der Gesta Karoli Magni von Notker wird allerdings KdG explizit mit dem Detail beschrieben, dass seine (Ober-)Schenkel durch eiserne Schuppen geschützt wären; also mehr als nur reiner Torsopanzer. Inwieweit Notkers Schilderung im Detail zu trauen ist, darüber gehen die Meinungen auseinander.
 
Demmin war einer der Pioniere moderner Militär- und Waffengeschichtsforschung, gleichwohl ist er natürlich hoffnungslos veraltet.
Du hast auf die 4. Auflage 1893 verlinkt. Als Begründer des GF-internen "Club der Liebhaber alter dicker Bücher" muss ich Dir von Amts wegen widersprechen: Der Demmin ist nach wie vor unersetzlich ob seiner Materialfülle, die im deutschen Sprachraum nur von Specht (Geschichte der Waffen, 4 Bände, 1869-1877) übertroffen wird. Auf französisch und englisch gibt es freilich sehr viel mehr.

Die Rekonstruktion auf besagtem Bild beruht auf einer Schachfigur, die Karl dem Großen gehört haben soll. Das ist für sich bereits eine heikle Zuordnung, denn das Schachspiel kam eigentlich erst mit der ismlamischen Expansion nach Europa, es ist also höchst fraglich, ob bereits KdG ein Schachspiel besessen haben kann. Die Spielfigur, die Demmin heranzieht, ist wahrscheinlich deutlich jünger.
Deine Skepsis ist berechtigt. Karl soll einer Legende nach Schachfiguren als Geschenk von Harun al-Raschid erhalten haben, die später in den sog. "Schatz von Saint Denis" aufgenommen wurden. Neuere Forschungen [1] haben jedoch gezeigt, dass sie - frühestens - auf das Ende des 11. Jh. datiert werden müssen. Ein wichtiges Indiz dabei ist u.a. die Efeminisierung des "Wesirs", später "Dame", die zu Karls Zeiten noch nicht vollzogen war und im Mittelalter... usw. blablabla


[1] Pastoureau: Pièces d'Échecs. Paris 1990, S. 30 ff.; Kluge-Pinsker: Schach und Trictrac. Sigmaringen 1991, S. 22 ff.;
 
Moin,
ich danke erst mal für die Antworten. Das hilft mir auf alle Fälle weiter.
aber
Die Lamellenrüstung ist ja noch vage frühmittelalterlich
ist nur auf die oben genannte bezogen.?
Da ja im Grab 12 von Niederstotzingen ein Lammelarpanzer gefunden wurde, nur halt nicht als Überwurf.
 
Damit meinte ich daß die Lamellenrüstung meines Erachtens ins ganz frühe Mittelalter gehört, also Völkerwanderung bis etwa 700.
Ich lasse mich aber gerne korrigieren.

Die Deutung als Schuppenpanzer ist daher wohl realistischer.
 
Zuletzt bearbeitet:
ja gut Niederstozingen ist auf 6-7 jahundert datiert. in schweden wüsst ich noch vispy und birka als lamelenfundort. nur mit der datierung tue ich mir schwer. ich glaube birka war 11 aber ich bin mir nicht so sicher

lg
 
Rodgar es gibt noch mehr, Krefeld Gellep und Wesel Bislich z.B..
Beides fränkisch, aber vor den Karolingern.
Leider gibt es in Punkt Rüstung ein große Lücke hier in den Funden.

Ein guten Überblick, wenn aucgh sehr alt, über die Ausrüstung gibt:
Frauke Stein, Adelsgräber des achten Jahrhunderts in Deutschland
 
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