Phol

Barbarossa

Aktives Mitglied
Über die folgende Gottheit habe ich mir in der letzten Zeit so meine Gedanken gemacht und habe folgendes dazu zusammengetragen:

>Phol


Im zweiten Merseburger Zauberspruch wird mit „Phol“ eine Gottheit genannt, die der Wissenschaft besondere Rätsel aufgibt:


Phol und Wodan
ritten ins Holz.
Da wurde dem Fohlen Balders
der Fuß verrenkt.
Da besprach ihn Sinthgunt („die den Weg Erkämpfende“)
und Sunna, ihre Schwester;
da besprach ihn Frija,
und Volla, ihre Schwester;
da besprach ihn Wodan,
wie nur er es verstand:​


Sei es Knochenrenke,
sei es Blutrenke,
sei es Gliedrenke:
Knochen zu Knochen,
Blut zu Blut,
Glied zu Gliedern,
als ob geleimt sie seien.​


Dies scheint der einzige Hinweis auf eine Gottheit >Phol< zu sein – sonst ist nichts über ihn bekannt.

Die Bedeutung des Zauberspruchs ist hingegen offensichtlich:
das verrenkte Bein des Pferdes oder Fohlens von Balder soll geheilt werden. Entsprechende Darstellungen finden sich oft auf Brakteaten aus dem 5./6. Jahrhundert. Auf vielen Brakteaten aus dieser Zeit ist Wotan abgebildet, wie er ein Pferd heilt, das ein krankes Bein hat (meistens der Vorderlauf). Hieraus wird klar, daß Wodan mehr magische Kräfte besitzt, als alle anderen Gottheiten – auch mehr als Phol.

Es gibt viele Theorien über ihn, so wird Phol z. B. mit Balder gleichgesetzt (siehe Wikipedia), was aber eigentlich eher unwahrscheinlich ist, weil Balder in diesem Spruch extra genannt wird. Es gibt auch kaum eine sprachliche Herleitungsmöglichkeit aus dem Germanischen. Auch gibt es in der nordischen Mythologie keine Gestalt, die als Entsprechung des Phol gelten könnte. Einzig die Volla/Fulla kommt Phol lautlich am nächsten.
Fest steht in diesem Zusammenhang nur, daß die Fulla in der nordischen Mythologie als „Jungfrau“ bezeichnet wird, sie somit keinen Gatten besitzt, was bei der Kontinental-germanischen Volla nicht zwangsläufig auch so gewesen sein muß - einige Fakten, die bei dieser Problematik zumindest auch zu bedenken wären.

Bemerkenswert wäre an dieser Stelle aber noch Folgendes:

Aus der griechischen Mythologie ist eine Gestalt namens >Pholos< bekannt, ein Kentaure (im Deutschen auch als Zentaure bekannt), also ein Mischwesen aus Pferd und Mensch.
Phólos war in der griechischen Mythologie ein auf dem Gebirge Pholoe lebender Kentaur; er ist der Sohn des Seilenos und einer melischen Nymphe.
Als Herakles bei Pholos einkehrt, öffnet dieser ihm zu Ehren ein den Kentauren gemeinsam gehörendes Fass Wein, ein Geschenk des Dionysos, worauf die Kentauren, vom starken Duft des Weins angelockt, mit Bäumen und Felsstücken herbeistürmen und über Herakles herfallen. Dieser treibt sie mit Fackeln aus der Höhle und tötet viele mit seinen vergifteten Pfeilen, worauf die anderen fliehen. Phólos selbst verletzt sich zufällig mit einem der Pfeile, stirbt infolge der Verwundung und wird von Herakles bestattet.

Es gibt im germanischen Götterglauben viele Beispiele wo Gottheiten anderer Völker integriert wurden. So z. B. die Diana aus dem gallo-römischen Raum oder auch die Göttin Nehalennia, die der Römer Tacitus mit der ägyptischen Isis gleichsetzte, welche jedoch eine Vermischung zwischen der einheimischen Nerthus und einer Göttin aus einer fremden Kultur darstellte. So erscheint es zumindest auch nicht abwegig, daß auch mythologische Wesen aus dem griechischen Raum, wie „Pholos“, in die Mythologie der Germanen „einwanderten“.

Doch möchte ich an dieser Stelle nicht unnötig spekulieren.<

Gibt es sonst noch etwas zu bedenken?
:fs:
 
Zuletzt bearbeitet:
Phol und Wodan
ritten ins Holz.
Da wurde dem Fohlen Balders
der Fuß verrenkt.​


...... so wird Phol z. B. mit Balder gleichgesetzt (siehe Wikipedia), was aber eigentlich eher unwahrscheinlich ist, weil Balder in diesem Spruch extra genannt wird.
Das sehe ich nicht so... Wenn Phol eine bekanntes "cognomen" Balders ist, dann ist es sogar stilistisch angebracht, diesen Namen in der dritten Zeile nicht zu wiederholen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das sehe ich nicht so... Wenn Phol eine bekanntes "Cognomen" Balders ist, dann ist es sogar stilistisch angebracht, ihn im dritten Vers nicht wieder gleich zu nennen.
Wäre natürlich eine Möglichkeit, so wie auch Wodan etliche Beinamen hatte, wie z. B. "der Ase", aber hätte der Dichter dann nicht den Hauptnamen "Balder" zuerst genannt und dann als zweiten Namen - so zu sagen als Wiederholung - "Phol"?

Ich meine ungefähr so:

Balder und Wodan
ritten ins Holz.
Da wurde dem Pferd Phols
der Fuß verrenkt...
:grübel:​
 
Das sehe ich nicht so... Wenn Phol eine bekanntes "Cognomen" Balders ist, dann ist es sogar stilistisch angebracht, ihn im dritten Vers nicht wieder gleich zu nennen.

Alte Texte sind stilistisch häufig eher unschön. Allerdings gibt es häufig unmotivierte Brüche. Also wenn wir den Text, wie er überliefert ist, ernst nehmen -
Phol ende uuodan
uuorun zi holza.
du uuart demo balderes uolon
sin uuoz birenkit.
- dann muss Balder einer der beiden genannten, eben Phol oder Wotan sein (ich begreife derzeit nicht, warum Phol überall nur mit Balder gleichgesetzt wird, mir ist nicht ersichtlich, warum nicht auch Wotan in Frage kommt). Oder es handelt sich um einen unmotivierten Bruch im Text. Für unmotivierte Brüche sind die Merseburger Zaubersprüche aber eigentlich zu kurz und übersichtlich.
 
Dies scheint der einzige Hinweis auf eine Gottheit >Phol< zu sein – sonst ist nichts über ihn bekannt. ... Gibt es sonst noch etwas zu bedenken?

Damit Du noch mehr zu grübeln hast, hier ein Auszug aus Walter Killys Literaturlexikon (1988, Bd. 8, S. 123 f.):
Höchst umstritten ist Phol: Ist Phol eine andere Bezeichnung für Balder, ein unbekannter german. Gott, ein mit Uolla verwandtes göttl. Wesen (Fruchtbarkeitsgott?), Apollo, Paulus, das Pferd Uuodans, ein Tierdämon oder die Personifikation des Unheils bzw. seines Heilmittels? Ist statt »Phol ende Uuodan« (v. 1) »volende Uuodan« (der riesisch-teufl. Uuodan), »volen te Uuodan« (Uuodan zu Pferde) oder »folhende Uuodan« (der freigebige, der vollkommen weise Uuodan) zu lesen? ist Balder Appellativum »Herr« u. somit auf Phol oder auf Uuodan zu beziehen? Ist der Auftritt Balders im Spruch genetisch sekundär, der Unfall urspr. Uuodan zugestoßen u. liegt in der überlieferten Fassung demnach eine Kontamination eines Phol-Spruchs mit der Baldermythologie vor?
Zu den Vertretern der Phol=Balder-These gehört auch Jacob Grimm (Deutsche Mythologie, Bd. 1, S. 185-189), der darauf verweist, dass "von diesem gott Phol in ortsnamen noch wichtige spuren vorhanden sind", u. a. Pholesauwa (heute: Pfalsau), Pholespiunt (Pfalzpoint), Pholesbrunno (Phulsborn/Saale) usw., jedenfalls mit Schwerpunkt im Bairischen und Thüringischen.
 
...ich begreife derzeit nicht, warum Phol überall nur mit Balder gleichgesetzt wird, mir ist nicht ersichtlich, warum nicht auch Wotan in Frage kommt...
Es ist bekannt, daß Balder eine Gottheit war, die im gesamten germanischen Raum verehrt wurde.
Auf Grund der für alle Germanen gleichen Begriffsbedeutung kann man annehmen, daß er überall auch in etwa die gleichen Eigenschaften und Funktion hatte, wie auch für den norwegisch-isländischen Bereich:
Baldur ist die nordische Gottheit des Lichtes, und der Schönheit und wurde als „Balder" auch auf dem Festland verehrt. In Britannien hingegen führen Stammtafeln von Bernicia und Wessex lediglich einen „Bældæg" (="heller Tag") als Wodans Sohn auf.

Aus der ursprünglich indogermanischen Vorsilbe bhel- (= glänzend, weiß, glänzen) bzw. der Vorsilbe bhõ- (= glänzen, leuchten, scheinen) entstanden über die germanischen Vorsilben bala-, balla-, balaz, bzw. ballaz; sowohl verschiedene altgermanische Vornamen, wie z. B. Balas, Balan, Balamber als auch der Name des Balder/Baldur.


(Quelle:

Baldur ist nach der nordischen Edda der Sohn Odins und der Frigg.

Edit:
Vielleicht doch mal etwas Spekulatius:
Was spricht eigentlich gegen die "Pholos-These"?
In diesem Fall - wenn "Phol" also solch ein Mischwesen aus Mensch und Pferd wäre - würde Wodan eventuell auf diesem in den Wald reiten...
:grübel:​

Ach ja und noch eines:
Für die Theorie, daß der Name Phol aus einer fremden Kultur entlehnt wurde, spricht auch das Fehlen von Wortbildungen mit "Ph" im Germanischen.​
 
Zuletzt bearbeitet:
Phol-Fulla ? Ich muss da an die alte Bezeichung für ein junges Pferd denken, das Füllen. Ob da eine Verbindung gibt? Was sagen unsere Forumsinternen Sprachwunder dazu? Phol, das germanische Aquivalent zur keltischen Epona?
 
Phol-Fulla ? Ich muss da an die alte Bezeichung für ein junges Pferd denken, das Füllen. Ob da eine Verbindung gibt? Was sagen unsere Forumsinternen Sprachwunder dazu? Phol, das germanische Aquivalent zur keltischen Epona?

Wenn das "Ph-" als "p" zu sprechen ist, nicht als "f" (die Schreibweise "Pol" mit nachgeschobenem "h" scheint das zu bestätigen: Merseburger Zaubersprche), dann ist es jedenfalls kein germanisches Wort für das Füllen (germanisch *fulon, althochdeutsch und altsächsich folo, Verkleinerungsform fulin).
 
Ah, wenigstens gibt es noch ein paar Geister die kommen, wenn ich rufe!

Aber schade, es wäre eine schöne Verbindung gewesen.
 
Ah, wenigstens gibt es noch ein paar Geister die kommen, wenn ich rufe!

Aber schade, es wäre eine schöne Verbindung gewesen.

Hundertprozentig sicher bin ich mir nicht mit der Aussprache. Die Schreibweisen der Sprüche sind hier und da schon etwas merkwürdig.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Was spricht eigentlich gegen die "Pholos-These"?
Die unvollständige Analogie? Der Kentaur stirbt, das "Pferd" wird geheilt.

Für die Theorie, daß der Name Phol aus einer fremden Kultur entlehnt wurde, spricht auch das Fehlen von Wortbildungen mit "Ph" im Germanischen.
Das ist sicher richtig, siehe aber Grimms Wörterbuch (Bd. 13, Sp. 1820): "PH, ahd. mdh. = pf, das auch im älteren nhd. noch öfter durch ph wiedergegeben wird".

Interessant evtl. dies (aus Kindlers Neues Literatur-Lexikon, Bd. 19, S. 105):
Zahlreiche skandinavische Varianten des zweiten Spruchs, die fast immer christliche Namen enthalten, haben zu der Annahme geführt, daß er christlichen Ursprungs sei und eine germanische Umprägung erfahren habe. (Erhärtet wurde die These durch den Fund des Trierer Pferdesegens, der Christus und den heiligen Stephanus als Reiter und Helfer kennt.) "Die Götternamen müßten substituiert worden sein, um den Gebrauch heiliger Namen in magischem Kontext zu vermeiden. Das Umgekehrte liegt der christlichen Missionspraxis allerdings näher" (H.-H. Steinhoff).
 
Ich bin es ja gewohnt, da Hyok auf mir rumhackt.. Wie wärs denn mit

bhol -> bal(dur)
Das ist eine kanonische Grimm'sche Verschiebung; im Griechischen finden wir häufig ein "Phi" an dieser Stelle, das hier möglicherweise in der (seltenen) Schreibweise PH auftritt. Also einfach der alte, unveränderte "indo-europäische" Name..
 
Das ist sicher richtig, siehe aber Grimms Wörterbuch (Bd. 13, Sp. 1820): "PH, ahd. mdh. = pf, das auch im älteren nhd. noch öfter durch ph wiedergegeben wird".

Das "pf" (zweite Lautverschiebung) betrifft allerdings fast ausschließlich Lehnwörter (meist lateinischer Herkunft) und keine germanischen Wörter mehr:

2. "p-" entspricht "pf-"
lat. "pondo" = dt. "Pfund"
lat. "plantare" = dt. "pflanzen"
lat. "propago" = dt. "pfropfen"
lat. "Persicus" = dt. "Pfirsich"
lat. "pila" = dt. "Pfeiler"
lat. "porta" = dt. "Pforte"
lat. "postis" = dt. "Pfosten"
 
Ich bin es ja gewohnt, da Hyok auf mir rumhackt..

Ach, da bist Du nicht allein...

Wie wärs denn mit

bhol -> bal(dur)
Das ist eine kanonische Grimm'sche Verschiebung; im Griechischen finden wir häufig ein "Phi" an dieser Stelle, das hier möglicherweise in der (seltenen) Schreibweise PH auftritt. Also einfach der alte, unveränderte "indo-europäische" Name..

Dann wäre der Name also vom Indoeuropäischen übers Griechische ins Deutsche gewandert?
 
Nein, das Griechische verdeutlicht nur den ursprünglichen Lautstand (mit der Schreibweise "Phi"); warum soll der Merseburger Autor nicht aus ähnlichen Gründen die - ungewöhnliche! - Schreibweise PH gewählt haben?
 
D. h. dieser Name hätte einen vorgermanischen Laut bewahrt, den es sonst im Germanischen nicht gibt?
 
Obwohl es sich um einen Eigennamen handelt, ist das nicht sehr wahrscheinlich. Wir versuchen immer, ausländische Laute anzugleichen: "Bonjour" = "bongschua"...
Allerdings bei Zaubersprüchen?
Möglicherweise will der Merseburger Autor auch nur seine etymologische Gelehrsamkeit zeigen?
 
Möglicherweise will der Merseburger Autor auch nur seine etymologische Gelehrsamkeit zeigen?
Oder einer noch kühneren Version den Weg bereiten:
"Der Name Baal selbst ist ursprachlich wohl mit Phallus (german. Phol in den Merseburger Zaubersprüchen) verwandt, was wiederum gut zu seinem Charakter als Fruchtbarkeits- und Blitzgott passt. Baal wurde oft als weißer Stier dargestellt und als der Glänzende, Weiße, Helle, Schöne usw. beschrieben." (Die Baal-Lehre und Jesus - was es nicht alles gibt!:()
 
Möglicherweise will der Merseburger Autor auch nur seine etymologische Gelehrsamkeit zeigen?

Nach dem von Hyokkose bereits verlinkten Merseburger Zaubersprche sind die Texte in einem althochdeutschen Dialekt verfaßt, welcher zudem Berührungspunkte zum Altniederdeutschen (das ist mW das Altsächsische, welches im Raum des heutigen Niedersachsen und Westfalen gesprochen wurde) aufweist.

Folgende Abweichungen vom sonst üblichen Althochdeutschen sind dabei bspw. erkennbar:
uuorun in den Sprüchen statt fuorun für zogen (hier ziehen/zogen über die entsprechende Bedeutung von fahren/fuhren)
uolon in den Sprüchen statt folon für Fohlen
uuoz in den Sprüchen statt fuoz für Fuß
Vgl. nach http://www.koeblergerhard.de/germanistischewoerterbuecher/althochdeutscheswoerterbuch/nhd-ahd.pdf
 
Zuletzt bearbeitet:
Oder einer noch kühneren Version den Weg bereiten:
"Der Name Baal selbst ist ursprachlich wohl mit Phallus (german. Phol in den Merseburger Zaubersprüchen) verwandt, was wiederum gut zu seinem Charakter als Fruchtbarkeits- und Blitzgott passt. Baal wurde oft als weißer Stier dargestellt und als der Glänzende, Weiße, Helle, Schöne usw. beschrieben." (Die Baal-Lehre und Jesus - was es nicht alles gibt!:()

Eine mE etwas abenteuerliche Betrachtung; die Baal-Bel-Baldr/Baldur/Balder-Verwandtschaft referenziert man dort namentlich mit Gustav Neckel (1878–1940), der zwar nach wie vor als bedeutender Germanist anzusehen, aber keineswegs unumstritten ist: WLA - Wissenschaftlicher Literaturanzeiger
Ich gebe zu, daß ich mich dabei irren kann, aber ich wäre da vorsichtig...
 
Zurück
Oben