Vernünftiger Umgang mit germanischer Geschichte

Keltoi

Neues Mitglied
Liebe "Geschichtler",
ich bin noch neu in diesem Forum und ganz sicher auch noch kein sehr guter
Geschichtskenner, doch hätte ich eine evtl. brisante Frage an die Runde.
Ich hoffe diese Frage hat hier einen Platz, doch als Neuling läuft man Gefahr,
nicht alle Themen gelesen zu haben. Sollte mein Beitrag hier unerwünscht,
oder fehlplaziert sein, so würde ich mich über eine Korrektur freuen.

Mit dieser Frage geht es um den Umgang mit der germanischen Geschichte,
bzw. wie man bei den Recherchen dazu vermeiden kann, von anderen als
dem "braunen Gedankengut" verbunden, betrachtet zu werden.
Ich interessiere mich für die Kelten, aber man kommt dabei ja häufig mit den
Germanen in Verbindung. Somit dehnt sich mein Interesse auch dahin aus.
Bei einer Reise durch den Harz (2008) hatte ich jedoch Erlebnisse, die mich
aufhorchen ließen und durch die ich etwas verunsichert bin, wie man sich nun
bei Nachforschungen in Bezug auf die Germanen verhalten sollte, ohne dabei
als "Brauner" verdächtigt zu werden?

Während meiner Harzreise unterhielt ich mich an einmal mit einem Höhlen-
forscher (Mitarbeiter einer bekannten Höhle). Dieser war zwar eher mit
der Urgeschichte betraut, aber er reagierte distanziert, als ich von meinem
Interesse an Kelten und Germanen sprach. Später stellte sich heraus, dass
er gewissermaßen einen "braunen" Hintergrund bei mir vermutete, welcher
mir jedoch nicht eigen ist. Er hatte jedoch schon rege Erfahrungen mit
Leuten die eben aus eher "politischen" Gründen nach germanischen Kult-
plätzen suchen und diese frequentieren. Ich war etwas irritiert und muß
zugeben, dass ich in keinster Weise an solche Zusammenhänge dachte,
als ich mich mit diesem Mann unterhalten hatte. Mein Interesse ist nun
rein geschichtlich und vielleicht war ich hier etwas naiv, zugegeben.

Nach einem weiteren ähnlichen Erlebnis und einem Austausch dazu mit
einem Bürgermeister aus der dazugehörigen Harzregion, wurde ich in
diesen Gedanken bestärkt. Dieser Bürgermeister begrüßte mein Interesse
und den kritischen Umgang damit, da es sich in der Tat dort um ein
"brisantes" Problem handele.

Muß ich nun mit einem Schild herumlaufen, auf dem ich mich ausdrücklich
von solchen "braunen" Themen distanzieren, oder handelt es sich um ein
Phänomen der beschriebenen Region? Wie geht man vernünftig mit solchen
Situationen um, und welche Erfahrungen haben andere Interessenten der
germanischen Geschichte damit gemacht? Vielleicht können einige User
dazu etwas berichten, oder anmerken. Vielen Dank!

Mit besten Grüßen
Keltoi
 
Ich kann dir versichern, dass dieses Thema hier im Forum ganz nüchtern und unverfänglich besprochen wird. Vom braunen Gesocks hebt man sich schnell durch Fachwissen ab.
 
Versuche es doch mal mehr mit einer archäologischen Argumentation, also anstatt von Kelten zu sprechen, sprich von Latènekultur, oder anstatt von Germanen könnte man auch von z.B. Jastorf, Przeworsk, Wielbark-Kultur, Elbgermanischer Kultur, Rhein-Weser-Germanischer Kultur zur sprechen.
Damit vermeidest du eine ethnische bzw. völkische Ansprache.
Gerade das Bsp. mit dem Höhlenforscher, weist auf eine als schwierige Phase innerhalb der Archäologie und Geschichtswissenschaften im 3.Reich hin. Das Stichwort ist G.Kossina.
Gustaf Kossinna ? Wikipedia
D.h. aber auch das du eventuell noch einiges dazu lesen müßtest.
Eine kleine Auswahl anbei.
Für die "Kelten" :
Die Kelten in Deutschland: Sabine Rieckhoff, Jörg Biel: Amazon.de: Bücher
Für die Germanen:
Die Germanen: Malcolm Todd: Amazon.de: Bücher

Beide Bücher bieten einen Einstieg in die Thematik, mehr aber auch nicht !

PS: Gerade der Harz gehört zu der sog. Mischzone, also dort treffen eher latène geprägte Elemente auf eher "germanisch" geprägte Elemente.
Unter Elementen sind vor allem die Keramik, Schmuck(Tracht), Waffen etc. zu verstehen.
Für den Harz schau mal hier rein:
http://www.geschichtsforum.de/f82/kelten-im-harz-24860/#post381640
 
Zuletzt bearbeitet:
Geheimsprache

@Ghost

Danke erstmal für die tollen Infos, auch wenn die teilweise eher in das darin
zitierte, andere Thema passen (Harz-Kelten)! Aber ich nehme die Tipps sehr
gerne an.
Ich denke ich würde mich unwohl fühlen, wenn ich beim Thema Germanen,
in entsprechenden Gegenden quasi eine Geheimsprache sprechen müßte um
mein echtes Geschichtsinteresse zu bekunden. Aber ich habe es bei den
beschriebenen Erlebnissen natürlich auch als belastend empfunden, dass so
ein Verdacht aufgekommen ist; vorallem wenn man da wirklich naiv hinein-
getappt ist. Aber es war auch eine gute Lehre und es ist somit umso wichtiger,
das "echte" Interesse an unserer frühen Vergangenheit stärker deutlich zu
machen, um das was "andere" daraus gemacht haben, wieder einer sachlichen
Ebene zuzuführen.
Danke auch für den LINK zu "G.Kossina"! Ich hatte mit dem besagten Höhlen-
forscher über eben dieses Thema auch gesprochen und ich glaube er hat
auch diesen Mann erwähnt, ich hatte es nur leider vergessen.

Beste Grüße
 
@Keltoi
Wenn ich mir auch noch erlauben darf, Dir einen Tipp zu geben - wiewohl der nicht ganz so ausgefeilt ist wie der, den Dir bereits Der Geist dankenswerterweise gegeben hat...

Bei der Beschäftigung mit dem Thema "Germanen" - ähnlich gilt das auch für das Thema "Wikinger" - wird Dir mitunter auch ggf. Sekundärliteratur "über den Weg laufen", die original in der Zeit etwa zwischen 1850 und 1950 verfaßt worden ist. Solche Literatur kann man zwar lesen, sollte sie aber unbedingt kritisch lesen, da sie im Stil einer nationalromantischen Verklärung bzw. (was Werke aus der Zeit 1933/45 in Deutschland und seinen "Sympathisanten" betrifft) des sog. Blut-und-Boden-Pathos u. dgl. geschrieben sind. Vieles davon ist inzwischen natürlich längst überholt und hat sich als unwissenschaftlich erwiesen, wird aber dennoch bis heute z.T. ungefiltert übernommen und wiedergegeben - und das übrigens nicht nur von Neonazis oder "Braun Angehauchten", sondern ebenso in neopaganen Interessengruppen und -kreisen.
Wichtig ist dabei v.a. - wie ich bereits schrieb - das kritische Lesen, denn es finden sich auch in jenen Zeiten ebenso Historiker, die versuchten, der o.g. Nationalromantik etc. entgegenzuwirken.
 
Wichtig ist dabei v.a. - wie ich bereits schrieb - das kritische Lesen, denn es finden sich auch in jenen Zeiten ebenso Historiker, die versuchten, der o.g. Nationalromantik etc. entgegenzuwirken.

Nationalromantik ist ein schönes Wort für den Blut-und-Boden-Rassismus der angesprochenen Zeit.:winke:
 
Waches Auge

@ timotheus

Herzlichen Dank auch für diesen Tipp! Ja, ich habe dies bereits in meinem
Handeln berücksichtigt und ich habe nach meiner Erfahrung im Harz auch
begonnen, dieses Thema für mich mehr zu hinterfragen. Erstaunlich ist für
mich aber, dass ich trotz aller Dinge die man ja auch in seiner Schulzeit
lernt, aber auch der späteren Infos zu unserer näheren Vergangenheit, so
naiv in diese Thematik gestolpert bin. Geschichte ist eben das was man
"glaubt" , oder besser mit Fakten belegen kann.
Irgendwie frage ich ich auch, ob es für "echte" Germanenforscher nicht auch
immer eine Gradwanderung ist, um eben kein Interesse bei den "anderen"
zu wecken. Und wie wird mit den Fundstätten umgegangen? Werden diese
sicherheitshalber lieber ganz "geheimgehalten"?

Grüße
 
Die Bezeichnung Nationalromantik bezog sich ja auch nicht auf die Zeit 1933/45, sondern auf den Zeitraum von etwa 1850 bis etwa 1950 :fs:

Da habe ich mich mißverständlich ausgedrückt, ich hatte dich auch so verstanden, Nationalromantik als Oberbegriff des Zeitgeists 1850? - 1950? mit Kulminationsphase 1933 -1945 = Blut-und-Boden.
Über Anfangs- und Endpunkt könnte man diskutieren oder ist das irgendwo festgelegt, die Übergänge sind meist fließend.
Ich finde die Bezeichnung unironisch gut, um das nochmal klarzustellen. Steht das im Duden?
 
Muß ich nun mit einem Schild herumlaufen, auf dem ich mich ausdrücklich
von solchen "braunen" Themen distanzieren, oder handelt es sich um ein
Phänomen der beschriebenen Region? Wie geht man vernünftig mit solchen
Situationen um, und welche Erfahrungen haben andere Interessenten der
germanischen Geschichte damit gemacht? Vielleicht können einige User
dazu etwas berichten, oder anmerken. Vielen Dank!

Ich würde einfach in der Diskussion den Unterschied zwischen historischem Interesse und rassenideologischer Propaganda beharrlich und sachlich herauskehren, ohne mich zu rechtfertigen. Kumpelhaften Schulterklopfern, die den Unterschied nicht erkannt haben und einen Mitstreiter vermuten, kann man mit ein paar sachverständigen Aussagen abwatschen, ohne ausfallend zu werden.

Allerdings gebe ich hin und wieder gute Ratschläge, ohne sie selber zu beherzigen: ich besitze die Replik eines Thorshammers, die ich immer gerne als Schmuck getragen habe. Mittlerweile verzichte ich drauf. :fs:
 
Ich würde einfach in der Diskussion den Unterschied zwischen historischem Interesse und rassenideologischer Propaganda beharrlich und sachlich herauskehren, ohne mich zu rechtfertigen. Kumpelhaften Schulterklopfern, die den Unterschied nicht erkannt haben und einen Mitstreiter vermuten, kann man mit ein paar sachverständigen Aussagen abwatschen, ohne ausfallend zu werden.

Danke Hruga, diese Worte finde ich ziemlich gut, denn ich denke auch, dass
dies ein guter Weg sein kann. Aber Du hast es eben auch benannt, man sollte
sachverständige Aussagen benutzen. Dies muß ich mir noch erarbeiten, um
dann im Falle des Falles, argumentieren zu können.
......dabei wollte ich doch eigentlich nur zu den Kelten.....:grübel:
....doch gibt es halt auch immer mal "vermischt" und selten "pur" ;)

Beste Grüße
 
Über Anfangs- und Endpunkt könnte man diskutieren oder ist das irgendwo festgelegt, die Übergänge sind meist fließend.
Ich finde die Bezeichnung unironisch gut, um das nochmal klarzustellen. Steht das im Duden?

Klar; ich hätte wohl besser schreiben sollen "um die Mitte des 19. Jh. bis etwa um die Mitte des 20. Jh.", aber ich schätze, daß wohl jede(r) wissen wird, welcher ungefähre Zeitraum dabei gemeint ist.
Den Begriff selbst habe ich aus der Kunstgeschichte übernommen: Nationalromantik

Irgendwie frage ich ich auch, ob es für "echte" Germanenforscher nicht auch
immer eine Gradwanderung ist, um eben kein Interesse bei den "anderen"
zu wecken. Und wie wird mit den Fundstätten umgegangen? Werden diese
sicherheitshalber lieber ganz "geheimgehalten"?

So weit würde ich dabei nicht gehen.
Natürlich steht ein Historiker immer vor dem Problem, daß sich bestimmte politische Strömungen seiner wissenschaftlich gewonnenen Erkenntnisse bedienen können, aber das gilt weder explizit für die Germanenthematik noch für die Geschichtswissenschaft allein.
Zur Verdeutlichung: Der Entwickler, der eine neue Software baut, welche u.a. auch im militärischen Bereich genutzt wird, kann durchaus ein überzeugter Pazifist sein...

Ich würde einfach in der Diskussion den Unterschied zwischen historischem Interesse und rassenideologischer Propaganda beharrlich und sachlich herauskehren, ohne mich zu rechtfertigen. Kumpelhaften Schulterklopfern, die den Unterschied nicht erkannt haben und einen Mitstreiter vermuten, kann man mit ein paar sachverständigen Aussagen abwatschen, ohne ausfallend zu werden.

D'accord :friends:
Gerade wenn man auch die Sekundärliteratur aus der o.g. problematischen Zeit kennt, merkt man oftmals recht schnell, welchen "Weisheiten" ein Gesprächspartner diesbezüglich aufgesessen ist.

Allerdings gebe ich hin und wieder gute Ratschläge, ohne sie selber zu beherzigen: ich besitze die Replik eines Thorshammers, die ich immer gerne als Schmuck getragen habe. Mittlerweile verzichte ich drauf.

Mach Dir nichts draus; ich höre nach wie vor auch ab und zu einmal Viking Metal
 
Auch wenn ich meinen vorigen Beitrag diesbezüglich editieren könnte, möchte ich noch etwas nachreichen, wobei ein eigener Beitrag aber der Nachverfolgung eher zuträglich ist...

Die Bezeichnung Nationalromantik...
Ich finde die Bezeichnung unironisch gut, um das nochmal klarzustellen. Steht das im Duden?
Den Begriff selbst habe ich aus der Kunstgeschichte übernommen: Nationalromantik

Die englische Wikipedia ist dazu auch recht ausführlich: Romantic nationalism - Wikipedia, the free encyclopedia
 
Aber Du hast es eben auch benannt, man sollte
sachverständige Aussagen benutzen. Dies muß ich mir noch erarbeiten, um
dann im Falle des Falles, argumentieren zu können.
......dabei wollte ich doch eigentlich nur zu den Kelten.....:grübel:
....doch gibt es halt auch immer mal "vermischt" und selten "pur" ;)

Dieses Geschichtsforum bietet eine imho eine gute Plattform und eine Fülle an Informationen.. Ich habe hier schon eine Menge gelernt.

Mach Dir nichts draus; ich höre nach wie vor auch ab und zu einmal Viking Metal

Ach, sowas kommt ja grundsätzlich noch hinzu. :motz:
 
So weit würde ich dabei nicht gehen.
Natürlich steht ein Historiker immer vor dem Problem, daß sich bestimmte politische Strömungen seiner wissenschaftlich gewonnenen Erkenntnisse bedienen können, aber das gilt weder explizit für die Germanenthematik noch für die Geschichtswissenschaft allein.
Zur Verdeutlichung: Der Entwickler, der eine neue Software baut, welche u.a. auch im militärischen Bereich genutzt wird, kann durchaus ein überzeugter Pazifist sein...

Mit einem leichten Grinsen muß ich zustimmen, man kann und darf sich nicht
dem kritischen Austausch entziehen, denn alles was unkommentiert bleibt,
bleibt verklärt und einseitig. Im Grunde denke ich ja auch so, es ist nur für
mich eine etwas chaotische Entwicklung, wenn ich mich mit Kelten beschäftige
und natürlich das Thema Germanen dabei in den Blickpunkt rückt, ich mich
dann aber plötzlich in der "Nationalromantik" wiederfinde. :grübel: ;)
Ich werde das Beste draus machen.
 
Weder darf germanische Geschichte für völkische Zwecke missbraucht werden, noch finde ich es besonders angebracht im Zuge der Post-NS-Zeit, dass Kind mit dem Badewasser auszuschütten, um germanophob die rechts-rheinischen gens und ihre Bedeutung herabzuwerten. Da stolpert man auch immer wieder ab 1968 über Zeitgeist-Literatur. :pfeif:

Für mich als Asatru ist es besonders schwer, hier zu filtern. Einerseits achte ich tunlichst darauf, dass die Quellen archäologisch gesichert sind. Ich vermeide den Umgang mit völkischer Literatur und ihren Stereotypen. Auf der anderen Seite ist heutige Literatur natürlich immer durch einen modernen, vielleicht auch durch die Gesellschaft geprägten, christlichen Ansatz geprägt. Da ich mich für die Germanen v.A. der Religion wegen interessiere, ist es auch hier schwer, neutrale Werke zu finden. Dazu kommt die schwere Quellenlage. Mein Professor betont im Übrigen immer wieder, dass auch heutige, archäologische Literatur nicht ideologiefrei ist, gerade nicht in den Themenkomplexen Germanen/Wikinger/Indogermanen. In jeder wissenschaftlichen Interpretation schwingt immer der eigene Wertekomplex und die eigene Weltanschauung miz. Das lässt sich garnicht vermeiden. Also vermeidet man als serisöser Wissenschaftler entweder jede Interpretation, oder gibt immer ein möglichst breites Spektrum davon kund. Seiner Meinung nach, sollte man Bücher, die aus archäologischen Befunden "Fakten" machen und von "Das ist so und so!" reden, tunlichst meiden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dann sollte die ganze Diskussion ad acta gelegt werden, oder gehe ich fehl in der Annahme, dass hier der politische Term "Germane" und die politischen Hintergründe diskutiert werden? Der Umgang mit diesen setzt ja schonmal eine politische, wert-geprägte Einstellung voraus, die sich auch in jedem Beitrag hier niederschlägt. Ob man das jetzt zwischen den Zeilen herausliest oder direkt benennt, macht für mich keinen Unterschied. Desweiteren werde ich mich natürlich an die Boardregeln halten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Siehe Völkische Bewegung ? Wikipedia

:fs:

Kurz zusammengefasst sind völkische Zwecke für mich der Missbrauch von Archäologie (in diesem Fall Germanen) um eine Überlegenheit des Deutschen, Rassismus und Antisemitismus herbeizukonstruieren und auf eine vermeintlich uralte Kontinuität zu stützen. So geschehen im 19. Jhd., im Dritten Reich und auch heute leider immer noch.
 
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