Volksmenge germanischer Stämme

Adal-Batturich

Mitglied
Habe mal die Faustregel gehört, dass man folgende Berechnung durchführen könne, bezüglich Gesamtzahl eines Germanenstammes in der Völkerwanderungszeit:
"Anzahl Krieger x 5 = Volksmenge eines Germanenstammes"
Ist obige Formel realistisch?
 
Ich könnte mir vorstellen, dass das Verhältnis von Kriegern zu Frauen, Kindern und Greisen so ist, aber das verschiebt das Problem nur, denn dann brauchst Du verlässliche Zahlen über die Krieger - und die stammen meistens von den Gegnern der Germanen.
 
musst nur eine normale auch heutige demographische statistik betrachten. denn die menschen werden zwar heute älter sind aber auch länger fit.
also nimmst du die gruppe der 18 -49 jährigen männer, die berühmte zielgruppe. dann dürftest du auch grob ein viertel bzw. ein fünftel der bevölkerung vor dir haben.
 
musst nur eine normale auch heutige demographische statistik betrachten. denn die menschen werden zwar heute älter sind aber auch länger fit.
also nimmst du die gruppe der 18 -49 jährigen männer, die berühmte zielgruppe. dann dürftest du auch grob ein viertel bzw. ein fünftel der bevölkerung vor dir haben.

Genau das führt mit Garantie nicht zum Ziel...
Erstens ist die heutige Bevölkerungspyramide - einmal auf die europäische bzw. westliche Welt eingeengt, denn in anderen Regionen sieht es wieder ganz anders aus - vollkommen anders strukturiert als in Spätantike und Frühmittelalter (exemplarische Stichworte: geringere Säuglings- und Kindersterblichkeit; höherer % Anteil an Menschen im Rentenalter, weil weniger % Anteil an jungen Menschen aufgrund sinkender Geburtenzahlen).
Zweitens stimmt das "die Menschen werden heute älter" nur bedingt: das geringere durchschnittliche Sterbealter in früheren Zeiten ist v.a. der höheren Sterblichkeit im ersten Lebensjahr geschuldet...
 
es stimmt selbstverständlich dass die menschen heute älter werden. denn es geht es nicht um das durchschnittliche alter der bevölkerung, dass sicher jünger war, sondern die durchschnittliche wahrscheinlichketi ein bestimmtes alter zu erreichen und wieviel menschen sind damals schon 80 geworden ? heute bevölkern sie ganze städte.
womit du recht hast ist dass ihre bevölkerung altermäßig anders strukturiert war da wir in einer schrumpfenden bevölkerung leben, doch muss ich gestehen dass ich nicht weiß inwiefern die bevölkerung der germanen gewachsen ist bzw. inwiefern sie überhaupt noch potential zum wachstum hatte, schließlich waren die möglichkeiten große bevölkerungen im rechtsrheinischen germanien zu ernähern geringer als im römischen reich, was ja auch mit ein grund für die wanderungen war.
 
... es stimmt selbstverständlich dass die menschen heute älter werden. denn es geht es nicht um das durchschnittliche alter der bevölkerung, dass sicher jünger war, sondern die durchschnittliche wahrscheinlichketi ein bestimmtes alter zu erreichen und wieviel menschen sind damals schon 80 geworden ?

Du mißverstehst mich: es ist richtig, daß der prozentuale Anteil derer, die ein hohes Alter erreichen konnten, geringer war - etwas anderes habe ich auch nicht behauptet. Dies liegt aber wiederum daran, daß - neben der bereits angesprochenen Sterblichkeit im ersten Lebensjahr bzw. den ersten Lebensjahren -
1. ein relativ höherer Anteil der Frauen aufgrund höherer körperlicher Belastung und v.a. aufgrund Todes während Schwangerschaft und Geburt früher starb
2. ein relativ höherer Anteil der Männer infolge kriegerischer Auseinandersetzungen - ergo vermittels unnatürlichen Todes - früher starb
3. relativ mehr Menschen infolge Krankheiten u.ä. früher starben
Anm.: Vernachlässigen können wir wahrscheinlich den Faktor der Pestpandemien, da die bekannten Pandemien entweder den Raum (im Falle der Pestwellen im Römischen Reich, die im Mediterran wüteten) oder aber die Zeit (im Falle des Schwarzen Todes ab 1347) nicht betreffen.

Dies läßt aber eben den Umkehrschluß nicht zu, daß die Menschen heute schlechthin älter werden, denn wer die ersten Lebensjahre überstanden hatte und im weiteren Leben Krankheiten etc. ebenfalls heil überstand, hatte auch zu jenen Zeiten gute Chancen, durchaus weit über sechzig, siebzig, ja auch achtzig, neunzig Jahre alt zu werden. Selbst Einzelfälle von Hundertjährigen sind glaubhaft überliefert...

Lit.: Norbert Ohlert "Sterben und Tod im Mittelalter" - Patmos, Düsseldorf 2003

PS: Wie aus der Literaturangabe ersichtlich wird, möchte ich meine Ausführungen aber noch insoweit relativieren, daß sie sich eigentlich erst aufs Frühmittelalter und später, also die Zeit nach der Völkerwanderung, explizit beziehen.
 
Hans Delbrück geht in "Geschichte der Kriegskunst" davon aus, dass ein wanderndes Volksheer kaum mehr als 15.000 Krieger zählte, multipliziert mit einem Faktor 4 für nicht waffenfähige Personen wie Frauen und Kindern und kommt somit auf 60.000 Köpfe, denen er noch 10.000 Sklaven hinzurechnet. Nach seiner Meinung dürften es schon aus dem Grund nicht mehr gewesen sein, weil es schon bei dieser Anzahl Probleme in der einheitlichen Fortbewegung gab.

Vor dem Übersetzen nach Afrika soll Geiserich seine Vandalen gezählt haben. 80 Tausendschaften sollen es gewesen sein. Und dabei dürfte es sich nicht nur um die waffenfähigen Männer gehandelt haben, sondern um das ganze Volk. Sinnvoll, weil es abzuschätzen galt, wieviel Schiffe man brauchte.
 
Ich denke dass es eher 1/10 der Bevölkerung Waffenfähig war.

Mal eine grobe Rechnung am Muster einer Familie mit 13 Köpfen

1 Mann 25 Jahre (voll Wehrfähig )
1 Frau 20 ( nicht Wehrfähig)
3 Kinder 1,3,5 Jahre (nicht Wehrfähig)
2 Väter 40 - 50 Jahre ( Bedingt Wehrfähig )
2 Mütter 40 - 45 jahre (nicht Wehrfähig )
2 Großmütter 60 - 65 ( nicht Wehrfähig, eventuell schon sehr gebrechlich)
( Die Großväter eventuell schon Tot)
Dann kommen auf eine 13 köpfige Famile 1 voll Wehrfähiger und 2 teilweise Wehrfähige Männer.

auch in späterer Zeit konnte nicht jeder Wehrfähige in den Krieg ziehen da man ihn Zuhause benötigt hat.

Daher denke ich dass tasächlich nur ein einziger aus einer solchen Familie
für den Kriegsdienst bereit gestanden hat.
Im Falle eines direkten Angriffst in Notzeiten können auch ältere oder jüngere herangeogen werden, aber als Krieger kamen nur wenige in Betracht. Vor allem da es ja auch Menschen mit körperlichen Gebrechen in
jungen Jahren gab.

Ich kann mich immer nur über Zahlenangaben wundern, die
mit tausenden von Kriegern doer Soldaten herumoperieren
obwohl die tatsächlichen zahlen sicher wesentlich niedriger lagen.
 
nachtrag:

Außerdem stellt allein schon die Logistik der Versorgung
eine größeren Menge Menschen, enge Grenzen.
Ich halte die Zahlenangabe von 80.000 für eindeutig zu hoch.

Als die Mauren Spanien eroberten hatten sie eine Armee
von 7.000 Mann. Und das war damals eine gewaltige Streitmacht.
Und das waren auch nicht alles Kämpfer, sondern auch Handwerker
und sonstige.
 
nachtrag:

Als die Mauren Spanien eroberten hatten sie eine Armee
von 7.000 Mann. Und das war damals eine gewaltige Streitmacht.
Und das waren auch nicht alles Kämpfer, sondern auch Handwerker
und sonstige.

Als die Mauren nach Spanien übersetzten, suchten sie nicht unbedingt Lebensraum. Sie wollten Spanien unterwerfen, dazu waren 7.000 Soldaten vielleicht ausreichend.
Die Vandalen und Alanen, im Gepäck noch weitere Germanen und Sklaven verschiedener Herkunft suchten jedoch Land zur Gründung eines Staates.
Von daher kann ich mir die Größenordnung von 80.000 Personen schon vorstellen.
Hätten die Vandalen gut 100 Boote beschlagnamt, die im Schnitt 50 Personen fassen, hätten ca. 5.000 Menschen pro Tag "rübermachen können". Dann hätte der Exodus ca. 2 Wochen gedauert. Ich meine, diese Dauer ist auch überliefert.
Das halte ich nicht für unwahrscheinlich.
 
Ich denke dass es eher 1/10 der Bevölkerung Waffenfähig war.

Mal eine grobe Rechnung am Muster einer Familie mit 13 Köpfen

1 Mann 25 Jahre (voll Wehrfähig )
1 Frau 20 ( nicht Wehrfähig)
3 Kinder 1,3,5 Jahre (nicht Wehrfähig)
2 Väter 40 - 50 Jahre ( Bedingt Wehrfähig )
2 Mütter 40 - 45 jahre (nicht Wehrfähig )
2 Großmütter 60 - 65 ( nicht Wehrfähig, eventuell schon sehr gebrechlich)
( Die Großväter eventuell schon Tot)
Dann kommen auf eine 13 köpfige Famile 1 voll Wehrfähiger und 2 teilweise Wehrfähige Männer.

obwohl die tatsächlichen zahlen sicher wesentlich niedriger lagen.


Sicher gab es auch solche 13-Köpfigen Familien:
1 Mann 45 Jahre (voll wehrfähig)
1 Frau 42 Jahre (nicht wehrfähig)
4 Söhne 25, 23, 21, 17 (alle voll wehrfähig)
3 Töchter 24, 22, 18 (nicht wehrfähig)
2 Großväter nicht wehrfähig
2 Großmütter nicht wehrfähig

das wären dann 5 von 13, fast 40 %

Grundsätzlich tendiere ich genau wie Du dazu, dass es nicht unbedingt 30 oder 40 % waren, aber 10 % scheint mir sehr wenig.
 
Ich denke dass es eher 1/10 der Bevölkerung Waffenfähig war.
….
auch in späterer Zeit konnte nicht jeder Wehrfähige in den Krieg ziehen da man ihn Zuhause benötigt hat.

Von 80.000 Personen wären 15.000 = 18,75 % und von 70.000 = 21,43 %. So unrealistisch ist der waffentragende Anteil nicht für ein wanderndes Volk. Wandernd und sesshaft sollte man zudem unterscheiden. Auf der Wanderschaft hat sicher jeder, dem es möglich war, eine Waffe getragen; es wurde u. U. eben jeder Arm bei den Kämpfen benötigt. Und ob ein Wehrfähiger zuhause gebraucht wurde, danach hat man in keinem Krieg gefragt. Frauen übernahmen dann die Männerarbeit. Das war im 2. WK nicht anders.

nachtrag:

Außerdem stellt allein schon die Logistik der Versorgung
eine größeren Menge Menschen, enge Grenzen.
Ich halte die Zahlenangabe von 80.000 für eindeutig zu hoch.

Getrennt marschieren, vereint schlagen. Z. B. Hannibal soll auch auf 2 Routen marschiert sein. 80.000 Menschen auf der Wanderschaft, also ein ganzes Volk, heißt nicht unbedingt, dass morgens um 5:00 Uhr der Hahn kräht und alle machen sich schlagartig auf den Weg.

Der spätere Ostgotenkönig Theoderich d. Gr. hatte nach seiner Rückkehr aus Byzanz mit 6000 Kriegern die Sarmaten angegriffen und Singidunum eingenommen. Bei den 6000 handelte es sich wahrscheinlich um die Krieger seines Vaters Theodemir. Da die Herrschaft über die Ostgoten einträchtig gedrittelt war, kann man von einem Gesamtheer von rd. 18.000 ausgehen. Damit wären wir in etwa wieder, wenn wir etwas niedriger einschätzen, bei 15.000.
Ergibt ein rundes Bild.
 
Danke Ostrogotha, das hast du sehr schön auf den Punkt gebracht! Ich hätte mir meinen folgenden Beitrag sparen können.. Trotzdem! Er ist fertig und wird angehängt:

In diesem Zusammenhang müssen wir zuerst einmal prinzipiell zwischen wandernden Stämmen und sesshaften Stämmen unterscheiden. Bei wandernden Stämmen müsste man nochmals zumindest zwischen föderierten, reichsangehörigen Stämmen unterscheiden und Stämmen die auf der Wanderschaft ihr Glück suchten oder suchen mussten. Das führt sonst sehr schnell zu völlig unterschiedlichen Ansätzen und damit nicht vergleichbaren Ergebnissen.

Wie bereits gesagt wurde, geht zum Beispiel H. Delbrück von einem Verhältnis von 4:1, teils auch von 5:1 zwischen Kriegern und sonstigen Stammesangehörigen bei wandernden Stämmen aus. Ostrogotha hat das dankenswerterweise ja schon im Detail erläutert. Delbrück selbst hat in seinem Werk den „Zahlen“ antiker Überlieferungen ein ganzes Kapitel gewidmet, das ich auch heute noch Jedem sehr nahe legen möchte! Im Rahmen der Persisch-Griechischen Kriege hat er beispielsweise die unglaubliche Zahl von bis zu 5 Millionen Perser kurz und bündig ad Absurdum geführt, indem er Kolonnendichte und Maßabstände von gut disziplinierten Heeren der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg anlegte. Dieser Rechnung nach hätten die letzten Perser das heimatliche Susa noch nicht verlassen, wenn die Vorhut bereits bei den Thermophylen hätte stehen müssen! Dabei dürfte dem persichen Aufgebot mit Sicherheit die Marschdisziplin gefehlt haben. In unserem Kontext ist das Kapitel „Zahlen“ beim Band über die Germanen wichtig, auch wenn Delbrücks sonstige Ansichten über die Militärverfassung der Germanen heute vielfach überholt ist – das hat aber keinen Einfluss auf die Zahlenverhältnisse.
Der zweite Punkt ist mindestens ebenso wichtig. Es ist ein Trugschluss vorauszusetzen, dass ein Krieger auch immer ein Krieger ist! Bei allen, auch den moderneren Massenheeren gibt es Unterschiede in Bewaffnung und Tauglichkeit. Die Bundeswehr kannte lange Jahre nur Feldheer, Reserve und Territorialtruppen. Das alte Heer vor dem Ersten Weltkrieg kannte aktives Feldheer, Reserve, Landwehr und Landsturm. In all diesen Fällen gibt und gab es ganz gravierende Qualitätsunterschiede in Eignung, Bewaffnung, Ausbildung und Alter der Kämpfer und nicht Anders war es auch in Antike und Frühmittelalter! Der Begriff des Kriegers aber meint unterschiedslos alle diese Kämpfer. Das muss man sich ebenfalls vor Augen führen! Natürlich kann auch mit gesundem Menschenverstand nicht jede Nuancierung erfasst werden und manches wird einen Hauch von Spekulation behalten müssen.

Wandernde Stämme:
Nimmt man an, dass die Hälfte eines Stammes aus (nicht zum Kriegsdienst herangezogenen) Frauen besteht, setzt ein Verhältnis von 4:1 voraus, dass jeder zweite Mann unter Waffen stand. Das klingt unglaublich, ist aber ein wichtiger Fakt!
Nicht jeder bewaffnete Mann war ein vollwertiger Krieger. Geschweige denn konnte jeder bewaffnete Mann über eine gute- oder auch nur ausreichende Ausrüstung verfügen. Auf den ersten Blick ist ein Verhältnis von 4:1 – und ähnlich auch von 5:1 somit schlecht möglich. Das ist aber falsch gedacht! Ein wandernder Stamm hat alles auf eine Karte gesetzt! Er muss siegen oder untergehen, also muss jeder der eine Waffe tragen kann dies auch tun. Beim Aufbruch aus der Heimat selbst blieben ohnehin viele Unwillige oder dem Unternehmen nicht gewachsene Stammesangehörige sowieso zurück. Die von Manchem in Beiträgen weiter Oben bemühte Statistik ist also in einigen Bereichen für wandernde Stämme damit gar nicht Anwendbar!
Kein ernstzunehmender Feldherr – auch nicht die Anführer eines wandernden Stammes kann erwarten, dass alle seine Kämpfer vielseitig verwendbar sind. Die Alten und schlecht bewaffneten „Krieger“ bekamen die Aufgabe den eigenen Tross und die Angehörigen zu sichern oder etwa um zu Furagieren (Lebensmittel plündern – so weit das nicht die Kavallerie tut. Ich meine hier vor allem das Abernten von fremden Feldern wie das auch Caesars Legionen in Gallien mehrfach taten). Die wertvollen und viel effektiveren Krieger wurden dagegen für die Schlacht und ernsthafte Aufträge eingeteilt. Ein Kern solcher Männer bildete natürlich auch den Rückhalt für die weniger effektiven Kämpfer die ich vorher genannt hatte.
Vor diesem Hintergrund leuchtet der extrem hohe Anteil an Kriegern gemessen an der Gesamtbevölkerung dieser Stämme ein.

Sesshafte Stämme:
Die Demoskopie kann eher angewendet werden, wenn man über die Kriegerzahlen bei Kriegen mit sesshaften Stämmen spricht. Man muss dann auch unterscheiden ob der Stamm sich in einem Angriffskrieg oder einem Verteidigungskrieg befindet. In letzterem Fall wird bei Bedarf ebenfalls rücksichtslos auch auf weniger geeignete Männer zurückgegriffen, so dass zumindest regional begrenzt fast ebenso hohe Kriegeranteile wie bei wandernden Stämmen erzielt werden konnten.
Generell der Kern germanischer Heere waren die Gefolgschaften der Adeligen und ihrer Clans. Sie konnten es sich leisten ständig Krieger unter Waffen zu halten, sie zu trainieren, gut auszurüsten und von anderen Stammesangehörigen oder Sklaven versorgen zu lassen. Hier haben wir es mit Elitekriegern zu tun. Die Sprösslinge von Adeligen und manche Freie sahen ihr Lebensziel darin zu diesen Elitekriegern zu gehören.
Zu diesen Leuten stießen jene Freien (teils auch deren Anhang), die eine gewisse wirtschaftliche Unabhängigkeit besaßen und sich Ausrüstung und Waffen leisten konnten. Unter diesen Leuten werden sich die Masse von Spezialkriegern befunden haben wie etwa Bogenschützen, Späher, Raider oder dergleichen. Also Aufgaben die eine Ausbildung und Übung erfordern aber auch eigenständiges Vorgehen – wobei Aufgaben ohne sehr hohes gesellschaftliches Ansehen natürlich weniger bei Adeligen und deren Gefolge zu suchen war.
Bewaffnete Knechte und weniger kampftaugliche Freie werden den regionalen Selbstschutz oder Verstecke der Sippen bewacht haben. Für den Zug in fremde Länder kamen naturgemäß eher die Adeligen mit ihrem Anhang und entsprechende Freie in Frage.
Über die Relation zwischen Kriegern und Stammesangehörigen kann man in diesem Fall nur noch mehr spekulieren. Kann man die Masse der Adeligen und den Kern ihrer Gefolgschaften vielleicht als Profikämpfer ansehen, schwankte die Tauglichkeit der Übrigen stark. Eine Relation kann man nicht wirklich angeben. Zur Veranschaulichung könnte man Bestenfalls auf Beispiele aus der Ära der Massenheere zurückgreifen, die nach Napoleon Bonaparte bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg die Wehrverfassung fast aller moderner Staaten bildeten, wobei zu berücksichtigen ist, das moderne Staaten ökonomisch sehr viel leistungsfähiger sind als antike Gentes!

Reichsangehörige, foederierte Stämme auf dem Boden des Römischen Reiches:

Auf den ersten Blick scheint es keinen Unterschied zu geben zwischen „wandernden Stämmen“ und solchen Foederierten. Das ist aber gänzlich Falsch! Es gibt einen ganz wesentlichen Unterschied zwischen Beiden, auch wenn diese Unterschiede ab und an durch politische Konstellationen verwischt werden konnten!
Der wichtigste Punkt dabei ist, dass die bewaffneten Truppen foederierter Stämme in politisch/militärischer Hinsicht nicht länger als Barbaren galten, sondern reguläre römische Truppen mit erweiterter Selbstverwaltung. Die römische Reichsregierung behielt sich zumindest theoretisch das Recht vor die Könige dieser Stämme zu Bestätigen, die ja dann ihre Vertragspartner waren. Innerhalb des Römischen Reiches galten diese Könige damit dann auch als ein Teil des Reichsapparats! Sie mochten innerhalb ihrer Gentis Recht sprechen, für das Reich waren sie Militärkommandanten römischer Truppen. Im römischen Rahmen standen die foederierten Könige auf der gleichen gesellschaftlichen Stufe wie die Magister Militium der Feldarmeen (die Kommandanten der Regionalheere)!
Was bedeutete das für den Stamm? Er war Teil des Reiches und dieses hatte sich verpflichtet ihn mittels Jahrgelder und auch ökonomisch zu versorgen. Anfangs mochte ein foederierter Stamm auf römischen Boden sich wenig von gewöhnlichen „Wandervölkern“ unterscheiden, aber das änderte sich im Laufe der Zeit. Wie nun im Einzelnen die Konditionen waren (sie änderten sich sowieso mehr oder weniger ständig) ist schwer zu erfahren. Immer wieder ist die Rede von Siedelland oder der „Militärunterbringung“, was beides auf mehr oder weniger provisorische Aufenthalte der Foederierten hin zugeschnitten war. Die Westgoten etwa „wanderten“ 40 Jahre auf römischem Reichsboden herum, ehe sie das Tolosanische Reich gründeten. Niemand kann erwarten dass eine solch lange Zeit ohne Folgen für den Stamm blieb. Gewiss blieben Unterwegs Teile des Stammes zurück, wenn dies auch Überwiegend die „Fußkranken der Völkerwanderung“ waren, so schlossen sich ihnen auch gleichzeitig neue Kräfte an. Sie hatten eine große Anziehungskraft auf römische Unterschichten, insbesondere auf militärdienstpflichtige, barbarische Kolonen. Es war im Interesse ihres Königs ein möglichst wehrhaftes Volk anzuführen, denn nach ihrem militärischen Potential waren sie für die Römer interessant. Es ist daher konsequent gedacht, wenn ich davon ausgehe das unter diesen Bedingungen die Foederiertenheere zunehmend professioneller wurden – sowohl was ihre Ausrüstung als auch ihre Ausbildung betraf! Der Landsuchende westgotische Bauer etwa blieb in der Regel spätestens in Gallien zurück, als Chlodwig ihren Stamm über die Pyrenäen nach Spanien abdrängte, während Leute von Stand und mit Einfluss auf dem westgotischen Hof lieber in Spanien ihre Zukunft in die Hand nahmen.
Vor dem Hintergrund zunehmender Professionalisierung foederierter Heere kann ich mir sehr gut vorstellen, dass bei diesen Stämmen das Verhältnis zwischen Kriegern zu Reststamm ebenfalls deutlich militaristischer war als bei den meisten außerhalb des Römischen Reiches siedelnden Germanenstämmen – ob es dabei die Relationen wie bei „Wanderstämmen“ erreichte oder gar überschritt wird sehr stark geschwankt haben.

Beispiel:
Wer sich nun fragt wie ich zu solchen Ansichten komme, sollte sich ein wenig mit der Geschichte etwa der Westgoten befassen. Als sie noch fest nördlich der Donau siedelten, stellten die damaligen Terwingen dem Procopius bei seiner versuchten Ursupation gegen Valens im Jahre 366 etwa 3000 hochgerüstete, vermutlich adelige Elitekrieger. Während des Vergeltungszuges Kaiser Valens in die Stammsitze der Goten stellten sich diese nie zu einer Entscheidungsschlacht, ja boten auch kein klassisches Ziel etwa indem sie das komplette Volk mobilisierten. Das obwohl Valens ihr Land drei Jahre lang fürchterlich verheerte um sie zur Entscheidung zu stellen!
Mit dem Einbruch der Hunnen nur wenige Jahre später änderte sich alles! Fast das komplette Volk verließ nun seine Heimat und suchte Schutz südlich der Donau, wo Valens sie aufnehmen wollte. Nicht zuletzt durch die Schuld römischer Funktionäre griff das Volk dort schließlich gegen die Römer die Waffen und war zum Wandervolk geworden. Der gleiche Kaiser, der sie vor nicht einmal 10 Jahren drei Jahre lang gejagt hatte stellte sich ihnen bei Adrianopel 378 zur Schlacht mit seinem kaiserlichen Hofheer und dem thrakischen Regionalheer. Valens verlor sein Leben in einer vernichtenden Niederlage, obwohl sein Heer aus bis zu 30000 Mann bestanden haben soll – Die Goten müssen also über eine Armee verfügt haben die dieser gewachsen war. Wie arm teils die westgotischen Volkskrieger gewesen sein müssen wird aus einem überlieferten Vorgeplänkel deutlich, in dem mit in Feuer gehärteten Wurfkeulen bewaffnete Goten römische Soldaten angegriffen hatten. Unzweifelhaft brachte nicht so ein „Volksaufgebot“ die Entscheidung zugunsten der Goten, sondern ihre effektive, schnelle Reiterei! Im weiteren Verlauf der westgotischen Geschichte als römische Foederaten wird diese Reiterei ihr Markenzeichen. Von ärmlich bewaffneten Volkskriegern liest man nicht mehr: Die Westgoten „verreitern“ und von nun an wird fast nur noch von ihrer Kavallerie berichtet, denn das ist das Ziel der westgotischen Krieger: Als Reiterkrieger Dienst tun zu können unter eigener Führung. Ihre Siege und Niederlagen hängen von dort an zunehmend von der Leistungsfähigkeit ihrer Reiterei ab.
 
In dem Zusammenhang könnte man auch die Anzahl der Ostgoten hinterfragen, die Theoderich d. Gr. seiner Schwester Amalafreda als Begleitung mitgab, als diese den Vandalenkönig Thrasamund ehelichte:

1000 edle Krieger und 5000 Waffenknechte (?) (einfache Krieger?).

Wie weit war das Volk während der Sesshaftigkeit angewachsen? Konnte der Ostgotenkönig so viele waffenfähige Männer entbehren, vor allem so viele edle Krieger (1000)? Das bedeutet m. M. nach wirklich vollwertige Kämpfer, nicht Gelegenheitskrieger. Natürlich muss man dabei bedenken, dass der Vandalenkönig mit seiner Flotte als ein äußerst wichtiger Bündnispartner eingeplant war, auf den Theoderich politisch Einfluss zu nehmen gedachte. Trotzdem bin ich der Meinung, dass diese Gesamt-Anzahl 6000 als reine „Kriegerzahl" zu hoch gegriffen sein dürfte. Möglich, dass es sich dabei um die kompletten Familien des Geleitschutzes für Amalafreda handelte, denn die Übersiedlung ins Vandalenreich war ja voraussichtlich von Dauer. Es kämen natürlich auch junge, „anhanglose" Männer in Betracht. Aber dann stellt sich wirklich die Frage nach der Stärke des ostgotischen Heeres und damit auch Volkes in Italien und welcher Prozentsatz davon entbehrlich war.
 
Tatsächlich? Da sind doch Zweifel angebracht... Aber die Diskussion bitte in einem anderen Thread!


:eek:fftopic:

Diese Zweifel teile ich nicht! Nachdem die Muslime ein Reich vom Indus bis zum Atlantik erobert hatten, dürfte die Suche nach Ackerland in Spanien gewiss kein Grund gewesen sein!
 
In dem Zusammenhang könnte man auch die Anzahl der Ostgoten hinterfragen, die Theoderich d. Gr. seiner Schwester Amalafreda als Begleitung mitgab, als diese den Vandalenkönig Thrasamund ehelichte..

M.E. ist diese Episode eher Off Topic! Warum?
Das sind alles so schöne, glatte Zahlen das sie mir gleich verdächtig machen. 6000 Bewaffnete? Das dürfte kaum möglich gewesen sein ohne den ostgotischen Staat ernsthaft zu schwächen! Man bedenke nur die relativ kleinen Heere die auf beiden Seiten während Justinians Vandalen- und Gotenkriegen zum Einsatz kamen. Eben weil diese Heere so klein waren konnte sich in Italien die (scheinbar) geschlagene Seite immer wieder an einer gut besetzten Festung regenerieren, weil die "dominante Seite" nicht in der Lage war sie so einfach einzunehmen. Logisch, dass Totila später die Mauern jener Städte niederlegen ließ, die ihm als unsichere Kantonisten erschienen, konnten sie doch jederzeit wieder zu einem Problemherd werden wenn nur eine einigermaßen ausreichende Besatzung sich darin versammeln konnte... Das führt zu weit und ist völlig Off-Topic

Die von dir zitierte Meldung beweist m.E. nur, das Theoderich sein Bündnis mit den Vandalen SEHR ernst nahm. Da wurden nicht einfach als Gefolge einige tausend Menschen nach Afrika geschickt. Theoderich hat auch bei anderen Gelegenheiten fremde Staatsmänner beeindrucken wollen indem er Künstler oder dergleichen mitsandte. Im wesentlichen mag ich in der Angabe von "Waffenknechten" und "edlen Kriegern" auch die Gestellung von Geiseln sehen, wie sie schon immer bei Verträgen zwischen Gentes üblich waren. Das solche Geiseln nicht mit den armen Opfern von wahren Barbaren wie El Kaida vergleichbar sind, dürfte bekannt sein. Sie lebten bei den Familien der anderen Gentes: Knaben erlernten das Waffenhandwerk wie die Söhne der Führer, knüpften Kontakte, lernten die Sprache der Fremden, erwiesen sich als Nützlich und vertieften somit die Verbindungen.... e.t.c. Gerade vor dem Hintergrund der vielen überlieferten Gotisch-Vandalischen Kriege duch viele Jahrhunderte hindurch, scheint mir eine Geiselstellung (vielleicht sogar ein gotisches Hilfskorps) besonders hilfreich für längerfristige Verbindungen zu sein. Da die Ostgoten der bei weitem stärkere Vertragspartner waren (man bedenke die Beiläufigkeit mit der Theoderich während seiner Eroberung Italiens die Vandalen wieder aus Sizilien vertrieb), war es ein sehr deutliches Zeichen ihres Wohlwollens sich derart für die Vandalen zu engagieren - offensichtlich ohne selbst (nennenswerte Zahlen?) an Geiseln zu erhalten. Theoderich hat seinem Schwager in Karthago später wirklich sehr viel nachgesehen...
Berühmte Beispiele für Geiseln jener Zeit: Aetius war vermutlich einst Geisel am Hofe der Westgoten und Hunnen gewesen, Theoderich selbst hatte sein Handwerk in Byzanz ebenfalls als Geisel gelernt... und so weiter.
Wäre wirklich ein so ungeheures Kontingent von 6000 Kriegern nach Afrika entsandt worden, wäre es bestimmt nicht in den dortigen Landen verteilt worden, sondern hätte einen Bereich besetzt/besiedelt, wo sie beim späteren Bruch dieses Bündnisses durch die Vandalen gewiss nicht so einfach hätten so sanglos abgeschlachtet werden können wie Überliefert ist...? Letztlich wurde es ein kostspieliger diplomatischer Fehlschlag für die Goten.
 
Zuletzt bearbeitet:
M.E. ist diese Episode eher Off Topic! Warum?
Das sind alles so schöne, glatte Zahlen das sie mir gleich verdächtig machen. 6000 Bewaffnete? ...

Den Vermerk „Off Topic“ kann ich in dem Zusammenhang nicht recht einordnen, schon gar nicht den ersten Satz als Erklärung dazu. Glatte Zahlen werden immer in der Literatur dazu aufgeführt, weil solche Zahlen immer nur gerundet –weil geschätzt- sein können. Wenn Du meinen Post meinst, musst Du schon deutlicher werden. Meine Fragestellung lief anhand dieses Beispiels darauf hinaus, ob sich durch die Sesshaftigkeit das Volk so entwickeln konnte, dass der König , wie überliefert, 6000 waffenfähige Männer entbehren konnte, was ich verneint habe und damit unterstelle, dass solche Zahlen oft nicht der Wahrheit entsprechen, bzw. anders zu interpretieren sind.

Das Thema gehört zwar nicht hierher, weil es um die Volksmenge, abgeleitet von den Heereszahlen geht, aber da Du es angesprochen hast: Direkt als Geiseln gestellt waren sie (6000) m. E. nicht. Das kostbarste Pfand war Amalafreda; da braucht es keine weiteren Geiseln. Dass eine Leibwache und sonstiges Gefolge immer an die entspr. Person gebunden war und sich nicht beliebig im Lande bewegen konnte, ist allgemein bekannt. Auf das Weitere will ich nicht eingehen, weil das wirklich off topic wäre.

Noch eine Zahl aus Wikipedia:
Radagais soll mit 20.000 Kriegern („realistische Schätzung“ = extra vermerkt), hochgerechnet auf eine Gesamtzahl von 100.000 Menschen, unterwegs gewesen sein.
 
Zur Zeitenwende sah das Verhältnis der Krieger ganz anders aus. So war jeder wehrfähiger Mann ein Krieger. Die Germanen waren keine Ackerbauern, sondern bevorzugten die Viehwirtschaft. Die Landwirtschaft war dermaßen rudimentär, daß bei den Germanen Hungersnöte keine Ausnahmen waren. Sie kannten auch keine Vorratshaltung, sodaß sie mit Getreide handeln konnten. Die wenigen Vorräte waren einfach für den jeweiligen Stamm bestimmt.
Tacitus beschreibt in der Germania(14,15): " 14...Die Mittel zu diesem Aufwand bieten Kriege und Raub. Und nicht so leicht könnte man einen Germanen dazu bringen, ddas Feld zu bestellen und die Ernte abzuwarten, als den Feind herauszufordern und sich Wunden zu holen; es sogar für träge und schlaff, sich mit Schweiß zu erarbeiten, was man mit Blut erringen kann.

15. Wenn sie nicht zu Felde ziehen, verbringen sie viel Zeit mit Jagen, mehr noch mit Nichtstun, dem Schlafen und Essen ergeben. Gerade die Tapfersten und Kriegslustigsten rühren sich nicht. Die Sorge für Haus, Hof und Feld bleibt den Frauen, den alten Leuten und allen Schwachen im Hauswesen überlassen; sie selber faulenzen."

Und das stellt jetzt die Wissenschaft zunehmend fest. Die alte Mär, daß die Ehefrau dem Manne die Frame und das Schwert reicht, damit er damit die bösen Römer bekämpft und Heim, Hof und Scholle verteidigt, das ist das Wunschdenken aus den vergangenen Jahrhunderten.

Dagegen stehen im Gegensatz die Kelten, die kannten eine ausgeprägte Landwirtschaft und auch den Handel (Geldwirtschaft).
 
15. Wenn sie nicht zu Felde ziehen, verbringen sie viel Zeit mit Jagen, mehr noch mit Nichtstun, dem Schlafen und Essen ergeben. Gerade die Tapfersten und Kriegslustigsten rühren sich nicht. Die Sorge für Haus, Hof und Feld bleibt den Frauen, den alten Leuten und allen Schwachen im Hauswesen überlassen; sie selber faulenzen."

Und das stellt jetzt die Wissenschaft zunehmend fest.

Da bezog sich der alte Tacitus sicher nicht auf alle, wenn nicht gar nur auf einen kleinen Teil der Germanen. Hier im ehem. Siedlungsgebiet der Rugier ist Ackerbau durchgängig nachweisbar bis zu der Zeit wo die meisten mit den Goten nach Süden gingen.
 
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