Brauche Rat zum Promotionsthema: Arbeitsbegriffe in der Frühen Neuzeit

Krusk

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Hallo erstmal. Ich habe nun nach über einjähriger Suche einen Doktorvater für mein Promotionsvorhaben gefunden. Das Thema soll lauten: Der Arbeitsbegriff bei den Unterschichten in der Frühen Neuzeit.

Die Frage, die sich dahinter verbirgt, ist die, inwiefern es in der Frühen Neuzeit einen steilen Aufwärtstrend in der Bewertung der Arbeit gegeben habe. In der modernen Gesellschaft wird Arbeit als selbstverständliche Notwendigkeit des Menschen angesehen. Arbeit wird dabei gleichgesetzt mit jeder Tätigkeit. In Lexika wird Arbeit oft definiert als jede Art zweckgerichteter Tätigkeit. Arbeit wird also als ontologische und gewissermaßen natürliche, historisch unabhängige Kategorie der menschlichen Existenz begriffen. Ähnlich fällt dann auch der Blick auf die Geschichte aus. Arbeit, so heisst es, habe es schon immer gegeben. Und der Mensch habe Arbeit immer gebraucht, um über die Runden zu kommen. Dabei wird universalhistorisch betrachtet immer wieder ein Aufwärtstrend der Arbeit und ihrer Bewertung dargestellt. Problematisiert wird dabei jedoch nicht der Arbeitsbegriff selbst, sondern die Bewertung der Arbeit. So wird der negative Arbeitsbegriff der Antike nicht als dem Arbeitsbegriff immanent angesehen, die Gleichsetzung der Arbeit mit Prostitution, Sklaverei und Unfreiheit (Nippel) nicht als tatsächliche Negativität des Arbeitsbegriffs selbst. Stattdessen wird, weil ja nach dem modernen Verständnis Arbeit etwas Natürliches und Notwendiges ist, der negative Arbeitsbegriff der Antike lediglich als eine moralische und ideologische Bewertung der Arbeit interpretiert. Die antiken Bürger, so heisst es oftmals. seien sich eben zu fein gewesen für körperlich harte Arbeit und hätten diese dann lieber den Sklaven überlassen. Die antike Gesellschaft – und überhaupt jede vormoderne bis zur Aufklärung – wird dadurch als eine den Arbeitsbegriff verklärende und ideologisierende verstanden. Spätestens mit dem Einsetzen des Christentums in der Spätantike wird eine den Arbeitsbegriff positivierende Entwicklung dargestellt. So habe die „mittelalterliche“ Gesellschaft den Arbeitsbegriff bereits teilweise ent-ideologisiert, indem sie Arbeit im modernen Sinne als Notwendigkeit akzeptiert habe. Erst mit der Aufklärung und der modernen Gesellschaft sei der Arbeitsbegriff zu sich gekommen und werde seitdem ohne religiöse oder feudale Verklärungen benutzt. In der modernen Literatur ist dabei auch immer wieder von einer „Befreiung der Arbeit“ (Hannah Arendt) die Rede. Zwar hat der Marxismus die Arbeit auch als den Menschen entfremdend und verkrümmend bezeichnet, jedoch dies nie der Arbeit an sich zugeschrieben, sondern ausbeuterischen Verhältnissen im Kapitalismus, nach deren Überwindung es dann endlich eine wirklich befreite und zwanglose Arbeit gebe.

In dieser Weise lässt sich grob das Verhältnis der moderne bürgerlichen Gesellschaft zur Arbeit skizzieren. Es zeigen sich jedoch bei genauerer Erforschung der Geschichte der Arbeit Ungereimtheiten, die nicht so recht in das Bild des modernen ontologischen Arbeitsverständnisses passen wollen und sich geradezu widersprüchlich dazu verhalten. Es stellt sich nicht nur die Frage, woher denn die moderne Gesellschaft den Anspruch erhebt, ihr Verständnis von der Arbeit zu einem über- und ahistorisch gültigen Arbeitsbegriff zu erheben. Die Entwicklung des Arbeitbegriffs von der Antike bis in die Moderne zeigt sich überhaupt nicht als einen geraden Aufwärtstrend. So weist Kocka darauf hin, dass sich diese positive Entwicklung des Arbeitsbegriffs nur bei intellektuellen und gehobenen ständischen Schichten nachweisen lässt. Bei einigen Unterschichten hingegen sei Arbeit selbst noch in der Frühen Neuzeit nicht-positiv aufgefasst worden. Neben Kocka zeigt auch Ehmer Gegenbilder der Arbeit, die es auch in der Frühen Neuzeit gab. Reininghaus spricht davon, dass die handwerkliche Aufwertung der Arbeit durch die Handwerksmeister, nicht jedoch durch die Gesellen, geschehen ist. Im Wörterbuch der Gebrüder Grimm heisst es, dass Arbeit ursprünglich die Bezeichnung der Tätigkeit des Knechtes und Tagelöhners gewesen sei. Weiter lassen sich historische Quellen finden, in denen sich Landherren und Fürsten über die Arbeitsverweigerung bei ihren Untertanen beschweren, die lieber ein eigenes Feld bestellen wollten als arbeiten zu gehen (Kocka). Auch Händler und Kaufleute galten nicht als arbeitend, sondern als handelnd. Und letztendlich kommt noch eine in der Frühen Neuzeit zunehmende Erziehung zur Arbeit, in denen sogar ganz legal (in Sachsen beispielsweise) Unterschichtenangehörige mit Gewalt und Folter zur Arbeit erzogen werden sollten. In den Arbeitshäusern der Frühen Neuzeit, so gering ihr Einfluss auf die Gesellschaft auch war, wurden Arbeitsverweigerer und Müßiggänger keineswegs dazu erzogen, sinnvolle und zweckgerichtete Tätigkeiten auszuführen, wie es der moderne Arbeitsbegriff nahelegt. Die Zwangsarbeit z.B. in dem Arbeitshaus Amsterdam stellte sich als inhaltsleeres, sinnloses Agieren dar, bei deren Verweigerung der Insasse mit Foltermethoden wie dem Wasserschöpfen bei gleichzeitiger Gefahr des Ertrinkens zu rechnen hatte. Diese Sozialdisziplinierung (Oestreich) lassen aus meiner Sicht Zweifel an der natürlichen Bestimmung des Menschen zur Arbeit aufkommen. Denn wenn Arbeit eine natürliche Eigenschaft des Menschen ist, warum zeigt sich dann die „enge Verbindung von Arbeit und Unfreiheit geradezu als historischen Regelfall“ (Kocka)? Wenn es stimmt, dass von der Positivierung der Arbeit immer weniger zu merken ist, „[j]e näher die Quellen an den Alltag und die Erfahrungen der landwirtschaftlich und gewerblich arbeitenden breiten Bevölkerung heranführen“ (Kocka), dann stellt sich schon die berechtigte Frage, ob bei der einen oder anderen Unterschicht der Frühen Neuzeit, die in dem Kontrast zwischen relativ selbstständiger Subsistenztätigkeit und Fron- oder auch Lohnarbeit lebten, ein ähnlich negativer Arbeitsbegriff vorhanden war wie in der Antike. Gab es bei den Unterschichten Vorstellungen von selbstbestimmten und unabhängigen Tätigkeiten einerseits und von Arbeit als spezifisch sklavenähnliche Tätigkeit, bei der man als Knecht einer anderen Person oder eines Marktes? Indizien, wie z.B. die genannten Beschwerden der Oberschichten über die Trägheit und Arbeitsverweigerung der Unterschichten sprechen dafür. Dann müsste sich dieser Kontrast aber auch entladen haben in Protesten sowohl der Landesherren und Obrigkeiten (wie ja durchaus vorhanden) als auch der Unterschichten (wie noch zu suchen wäre). Mit Protest ist hier nicht notwendigerweise militantes Aufbegehren gemeint, sondern rechtliche Schritte, Beschwerden, Sabotage und passive Verweigerung der Arbeitserziehung.

Problematisch ist hierbei der Mangel an Unterschichtenquellen für die Frühe Neuzeit. Quellen aus der vorindustriellen Zeit entstammen überwiegend Oberschichtenangehörigen: Fürsten, Landesherren, Klerikern, Philosophen und Staatsbedienstete. Es stellt sich daher die Frage nach der geeigneten Region und der geeigneten Zeit für dieses Thema.

Die Zeit habe ich auf 1720-1760 festgelegt, da nach Aussagen eines Universitätsmitarbeiters, mit dem ich gesprochen habe, in diesen Jahren keine sonderlichen Turbulenzen auf die mitteleuropäische Bevölkerung zukommen. Die Jahre liegen nach dem 30-jährigen Krieg, aber noch vor der Französischen Revolution.

Räumlich müsste ich wohl regionalgeschichtlich vorgehen. Hier hat mir der Mitarbeiter vorgeschlagen, als eine Region in Südwestdeutschland den Kreis Hohenlohe und die Stadt Schwäbisch-Hall zu nehmen, da hier viele Quellen vorhanden wären. Vor allem solle ich mich auf die Regionen konzentrieren, die noch nicht so herrschaftspenetriert waren: kleine freie Reichsstädte beispielsweise.

Ich solle aber auf jeden Fall einen Regionalvergleich ziehen, keinen historischen Vergleich.

Was meint ihr? Ich weiss immer noch nicht, wo genau ich zeitlich und räumlich ansetzen soll. Ich weiss nur, dass es deutsche Gebiete sein sollen und die Zeit am Besten ins 18. Jahrhundert gelegt werden soll.

Thematisch meint mein Doktorvater, ich solle auf jeden Fall das Handwerk und das Heimgewerbe untersuchen. Zudem würde ich gerne aber noch, wie oben gesagt, eine Unterschicht untersuchen, die teilweise subsistenzorientiert lebte: Häusler, Kötter, landarme Bauern halt.
 
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