Die Stabilisierungsaufgabe der Wirtschaftspolitik

Lili

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Die Stabilisierungsaufgabe der Wirtschaftspolitik ist im Stabilitätsgesetz niedergelegt. Der zentrale Aspekt, das so genannte magische Viereck der Wirtschaftspolitik für Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht regelt dabei Paragraph 1:
  • Stabilisierung des Preisniveaus: Das Preisniveau wird mit dem harmonisierten Verbraucherpreisindex auf Grundlage des standardisierten europäischen Warenkorbes gemessen. Demzufolge darf die Inflation maximal 2 Prozent betragen.
  • Außenwirtschaftliches Gleichgewicht: Also der so genannte Zahlungsbilanzausgleich wenn Importe = Exporte
  • Hoher Beschäftigungsgrad: Im Idealfall die Vollbeschäftigung, d.h. eine maximale Arbeitslosenquote von etwa 2 Prozent
  • Stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum: Gemeint ist das Wachstum des preisbereinigten Bruttoinlandsproduktes; für die EU-Länder sind 2 bis 2,5 Prozent angestrebt.

Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht herrscht, wenn sich Angebot und Nachfrage auf allen Märkten ausgleichen. Das bedeutet im wesentlichen, dass
a)sämtliche arbeitswilligen Menschen, die ihrer Situation entsprechende Arbeit und sämtliche Arbeitgeber die notwendigen Arbeitskräfte finden (Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt)
b) sämtliche für die Produktion benötigten Werkstoffe in ausreichender Menge beschafft werden können (Gleichgewicht auf dem Stoffemarkt)
c) sämtliche für die Betriebsmittel benötigten Kapitalien zur Verfügung stehen (Gleichgewicht auf dem Kapitalmarkt)
d) sämtliche Produktionsanlagen voll ausgelastet sind (Gleichgewicht zwischen vorhandener und genutzter Kapazität)
e) sämtliche angebotenen Güter kaufkräftige Abnehmer finden (Gleichgewicht auf dem Gütermarkt)

Das bedeutet, dass das gesamte Wirtschaftspotential voll ausgelastet wird (a und d), also Vollbeschäftigung herrscht. Weiterhin erhält jeder für sein Einkommen den entsprechenden Teil am Sozialprodukt (a und e), was für das Gleichgewicht zwischen Geld und Gut, also der Preisniveaustabilität steht. Zudem müssen sich Güter- und Geldtausch zwischen In- und Ausland ausgleichen (b, c und e), was dem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht entspricht. Schließlich müssen bei steigendem Niveau von Arbeit und Technik auch Produktion und Einkommen steigen, was einem gleichmäßigen Wirtschaftswachstum entspricht. Nur wenn all diese Faktoren erfüllt sind, gleichen sich auch Angebot und Nachfrage auf allen Märkten aus.
Mögliche Ungleichgewichte sind
  • bei der Beschäftigungslage Über- oder Unterbeschäftigung
    • beim Preisniveau Inflation oder Deflation
      • bei der außenwirtschaftlichen Zahlungsbilanz Zahlungsbilanzüberschuss oder –defizit und/oder
        • beim Wirtschaftswachstum ein Konjunkturrückgang (Rezession)
          Diese Ungleichgewichte basieren i.d.R. auf Zielverletzungen:
          • bei der Beschäftigungslage kann eine Politik der Vollbeschäftigung – beispielsweise durch staatliche Investitionen und Subventionen – die Preisniveaustabilität gefährden und kann bei starker Exportwirtschaft wie in Deutschland zu Zahlungsbilanzüberschüssen führen.
          • beim Preisniveau kann eine Politik der Preisniveaustabilität die Kreditgewährung (Leitzinserhöhung durch die EZB) einengen und damit Wirtschaftswachstum verhindern.
          • bei der außenwirtschaftlichen Zahlungsbilanz kann eine Politik des Zahlungsbilanzausgleichs unter Umständen die Exportwirtschaft (durch Ausfuhrzölle, Wirtschaftsembargen) und damit den Weg zur Vollbeschäftigung verhindern.
          • beim Wirtschaftswachstum erhöht eine Politik eines qualitativen Wirtschaftswachstums die Güterpreise, verhindert damit die Preisniveaustabilität und schwächt die Volkswirtschaft so gegenüber der internationalen Konkurrenz.

          Verletzungen der Stabilitätsziele haben sowohl wirtaschafts- als auch gesellschaftspolitische Konsequenzen:
          Bei Arbeitslosigkeit wird der Produktionsfaktor Arbeit nicht vollständig zur Produktion von Gütern eingesetzt. Die ungenutzten Ressourecen können so auch nicht zur Bedarfsdeckung und Wohlstandsmehrung genutzt werden. Direkte wirtschaftliche Folgen sind bspw. sinkende Wettbewerbsstärke, sinkender Innovationsgrad oder eine geringere Nachfrage. Daraus resultierende gesellschaftspolitische Folgen sind u.U. ein sinkendes Bildungsniveau, Abwanderung oder politische Extreme.
          Durch die Allokationswirkung der Inflation werden Güter, Ressourcen und Kapital anders verteilt, wobei diese Verteilung preisabhängig ist. Durch die aus der Inflation resultierenden Preiserhöhung kommt es zu Preisverfälschungen und somit auch zu einer Falschverteilung der volkswirtschaftlichen Ressourcen.
          Die Umverteilungswirkung der Inflation wird durch unterschiedliche Hypothesen beschrieben:
          • Lohn-Lag-Hypothese: Verzögerung zwischen inflationärer Preis- und Einkommenssteigerung, wobei einkommensschwache Haushalte am stärksten betroffen sind. Allerdings kann Inflation auch eine Ursache von Lohnerhöhungen sein.
          • Transfer-Einkommenshypothese: Zuwendungen des Staates an Haushalte werden i.d.R. weniger schnell an inflationäre Entwicklungen angepasst.
          • Staat als Inflationsgewinner: Aufgrund von Inflation hat der Staat mehr Einnahmen durch preisgebundene Steuern. Da aber Transferleistungen des Staates kaum oder gar nicht an die Inflation angepasst werden, gewinnt der Staat an der Inflation. Andererseits muss aber auch der Staat zu Inflationspreisen einkaufen, zudem gehen die Kaufkraft und somit auch der Konsum und die preisgebundenen Steuern der privaten Haushalte zurück.
          • Gläubiger-Schuldner-Hypothese: Gläubiger fliehen vermehrt in Sachwerte, da das Geld inflationsbedingt an Wert verliert.

          Quellen:
          Mankiw: Grundlagen der Volkswirtschaftslehre
          Stabilitätsgesetz der Bundesrepublik Deutschland
          Ulrich: Die Wirtschaft in der Gesellschaft
 
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