Einführung in die byzantinische Geschichte

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Das Byzantinische Reich

Nie in seiner 1000-jährigen Geschichte hatte das byzantinische Reich sich selbst als solches bezeichnet. Dieser Begriff wird von Historikern lediglich verwendet, um eine Verwechslung mit dem römischen Reich der Antike zu vermeiden. Denn tatsächlich sah das byzantinische Reich sich selbst immer als das römische an und nannte sich auch so. Das byzantinische Reich ist also nicht das Nachfolgereich des römischen Reiches, es IST das römische Reich.

Man kann kein genaues Datum für den Beginn des byzantinischen Reiches setzen, da der Übergang vom Rom der Antike zum Rom des Mittelalters flüssig verlaufen war. Meistens setzt man den Beginn mit 395 an, als Kaiser Theodosius der Große verstarb und seine beiden Söhne Honorius (im Westen) und Arkadius (im Osten) gleichberechtigte Kaiser wurden. Eine solche Herrschaftsteilung war nichts Besonderes. Seit Kaiser Diokletian im Jahre 286 Maximian zum Mitkaiser erhoben hatte war es regelrecht zur Mode geworden, das Reich von zwei (oder mehr) Männern regieren zu lassen. Der einzige Unterschied zwischen 395 und davor bestand nur darin, dass danach nie wieder ein Alleinherrscher das ganze Imperium regieren sollte. Als im Jahre 476 der letzte „weströmische“ Kaiser Romulus abgesetzt wurde und die Reichsinsignien dem „oströmischen“ Kaiser Zenon überbracht wurden, wurde dieser nicht Alleinherrscher. In den letzten Jahrzehnten waren mehrere germanische Völker ins Reich eingebrochen und besetzten alle westlichen Teile. Und so verblieb den römischen Kaisern nur noch der Osten des Imperiums – ohne Rom.

Doch hatte Rom in den letzten Jahrhunderten an Bedeutung verloren und war nur noch offizielle Ehrenhauptstadt. Kaiser Konstantin I. der Große (Reg. 306-337) bastelte an einer antiken griechischen Stadt namens Byzantium herum, welche an der Meerenge Bosporus lag und deswegen eine strategisch günstige Position hatte. Im Jahre 330 wurde Konstantinopolis (griech. „Stadt des Konstantin“), wie der neue Name von Byzantium war, eingeweiht. Auch bekannt war die Stadt als Konstantinopel oder als das zweite Rom.

Kaiser Justinian I. (Reg. 527-565) unternahm den Versuch, den Westen zurückzuerobern. Tatsächlich schaffte er es, den südlichen Teil der iberischen Halbinsel, Nordafrika und sogar Italien inklusive Rom zurückzuerobern. Gegen Ende seiner Regierungszeit war das Reich jedoch bankrott. Und nur wenige Jahre nach seinem Tod fiel das germanische Volk der Langobarden in Italien ein und nahm den Byzantinern Rom ab.

Neben der Tatsache, dass das byzantinische und das römische Reich der Antike verschiedene Hauptstädte hatten, gab es noch einige anderen Unterschiede. Kaiser Herakleios (Reg. 610-641) erhob das Griechische zur Amtssprache, welche das Lateinische ablöste. Auch der Kaisertitel wurde in seiner Zeit umgeändert: der Titel „Augustus“ (lat. „der Erhabene“), welcher seit 27 v. Chr. geführt wurde und eine lange Tradition hatte, wurde ersetzt durch das altgriechische Wort „Basileus“, welches so viel wie „König“ heißt.

Die folgenden Jahrhunderte wurden von innen- und außenpolitischen Krisen überschattet. Im achten und neunten Jahrhundert hatte das byzantinische Volk nichts Besseres zu tun, als sich darum zu streiten, ob man Heiligenbilder verehren sollte oder nicht. Letztendlich wurde der Ikonoklasmus (griech. „Bilderzerstörung“) abgeschafft. Doch musste sich das Imperium mit feindlichen Mächten herumplagen. Anfangs waren es die Perser, die im Jahre 614 Jerusalem eroberten. Im siebten Jahrhundert wurden sie allerdings von den Sarazenen besiegt, die sich als noch viel schlimmer herausstellten. In kürzester Zeit gingen alle afrikanischen Provinzen verloren. Im Laufe der Zeit wurden die Sarazenen verdrängt von den Seldschuken, die ebenfalls dem islamischen Glauben angehörten, allerdings türkischer und nicht arabischer Herkunft waren. Im Jahre 1071 wurden die Byzantiner von den Seldschuken bei Mantzikert vernichtend geschlagen. Von dieser Niederlage konnte sich das Reich nie erholen.

Kaiser Alexios I. Komnenos (Reg. 1081-1118) bat seine Glaubensbrüder aus dem Westen zu Hilfe gegen die Seldschuken; trotz der Großen Kirchenspaltung im Jahre 1054, als sich das Christentum in eine römisch-katholische und eine griechisch-orthodoxe Kirche teilte (Byzanz gehörte natürlich der Letzteren an), glaubten beide Richtungen an ein und demselben Gott und an ein und demselben Jesus Christus. Die Glaubensbrüder aus dem Westen antworteten mit den Kreuzzügen, welche sich für Byzanz als viel verheerender auswirkten als die Selddschuken. Während des vierten Kreuzzuges wurde 1204 Konstantinopel von den Kreuzfahrern erobert und ein lateinisches Kaiserreich errichtet (dieses bezeichnete sich selbst übrigens auch als ein römisches Reich). Einige byzantinische Adlige konnten fliehen und errichteten mehrere Exilreiche: es entstanden das Kaiserreich Trapezunt, das Kaiserreich Thessaloniki und das Kaiserreich Nicäa. Wenn man das heilige römische Reich ebenfalls dazu rechnet, gab es somit damals fünf Länder, die sich als die wahren Nachfolger des römischen Reiches betrachteten.

In Nicäa bestieg 1258 Michael VIII. Palaiologos den Thron, der drei Jahre später Konstantinopel zurückeroberte und kurzeitig sogar die (scheinbare) Einheit des Christentums wiederbegründete. Mehr konnte allerdings auch er nicht machen. Das Reich schrumpfte immer weiter; ab 1371 bestand es nur noch aus der Hauptstadt. Diese wurde 1453 von den Osmanen, einem anderen türkischen Volk, erobert. Der letzte Kaiser Konstatin XII. Dragases Palaiologos fiel heldenhaft im Kampf.

Literatur:

Michael Grant, „Die Römischen Kaiser“ (1999)
Dietmar Kienast, „Römische Kaisertabelle“ (1996)
John Julius Norwich, „Byzanz“ (2000)
 
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