Justinian der Große maßlos überschätzt?

Konradin

Gesperrt
In jüngster Zeit bekommt das einstmals so strahlende Bild vom göttlichen Kaiser Risse.
Zwar war es er, der als letzter das Römische Reich noch einmal größtenteils vereinigte, doch überwiegt heute ein anderes Bild: durch seine Restaurationspolitik gelang es ihm zwar bis 555, Italien wieder zu gewinnen, doch wurde die finanzielle Kraft dadurch ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Die dazu kommenden Pestwellen ließen Großteile des Bevölkerung verarmen. 542 schaffte er das Amt des Konsuls ab; damit war der letzte Rest der Römischen Republik beseitigt.

"Das innenpolitisch markanteste Ereignis seiner Regierungszeit ist der Nika-Aufstand in Konstantinopel, bei dem die Zirkusparteien der Blauen und Grünen sich, verärgert durch Justinians Bestrebungen, ihre Macht einzuschränken, zusammenschlossen und einen Gegenkaiser ausriefen. Während Justinian die Lage als verloren ansah, weigerte sich Justinians Frau, die Kaiserin Theodora, eine ehemalige Zirkusartistin, aus der Hauptstadt zu fliehen. Durch Verhandlungen des Hofkämmerers Narses mit den Aufständischen und durch Belisars Einfall mit kaisertreuen Truppen ins Hippodrom, wo sich die Aufständischen versammelt hatten, konnte der Aufstand niedergeschlagen werden." (Wikipedia).

Gerade seiner Frau, Theodora, wird oftmals ein schlechter Einfluß auf den Kaiser bescheinigt: "Sie übte eine bedeutende Gewalt über den Kaiser aus und gab vielfache Beweise von Klugheit und Mut, aber auch von Hochmut, Herrschsucht und rachsüchtiger Grausamkeit." (Meyers Konversations-Lexikon).

Justinian und Theodora werden von der orthodoxen Kirche als Heilige verehrt, obwohl man ihr ein sittenloses Leben verwirft: "Prokopios hat in der Geheimgeschichte (Anecdota) ein abschreckendes Bild ihrer Sittenlosigkeit gegeben, welches die neuere Kritik aber als ein sehr übertriebenes erkannt hat." (Meyers Konversations-Lexikon).

"Die Regierungszeit Justinians stellt eine Phase des Übergangs der Alten Welt zum Mittelalter dar; seine Restaurationspolitik erweckte zudem ein letztes Mal den Traum des Imperium Romanum zum Leben. Ein Friedensfürst war er allerdings nicht, zumal seine Regierungszeit für die Bevölkerung mit schweren Lasten verbunden und von einer eher intoleranten Religionspolitik geprägt war." (Wikipedia).

Seine Regierungszeit war von Kriegen überschattet, seine Eroberungen kurzlebig (bereits 568 begannen die Langobarden, Italien zurück zu erobern) und sein Regierungsstil autokratisch.
Hat ein solcher Kaiser den Beinamen der Große verdient?
Es grenzt schon fast an ein Wunder, daß Justinian seine späten Erfolge (in den 550ern) noch miterleben durfte (zu diesem Zeitpunkt hatte der Kaiser bereits das 70. Lebensjahr überschritten).
Schließlich starb er mit 83 oder 84 Jahren am 14. November 565.

Zeittafel
481/482 Geburt Justinians.
1.8.527 Justinian übernimmt die Alleinherrschaft über Ostrom.
528-534 Entstehung des später sogenannten Corpus Iuris Civilis.
529/530 Aufstand der Samaritaner in Palästina.
531/532 Abschluß des Ewigen Friedens mit Chosrau I. von Persien.
532 Nika-Aufstand, Religionsgespräche zwischen den Chalkedoniern und Monophysiten in Konstantinopel.
533/534 Eroberung des Reiches der Vandalen.
535-540 Erster Krieg gegen die Ostgoten.
536 Verfolgung von Monophysiten.
536/537 Mehrmonatige Sonnen- und Mondverfinsterung mit unbekanntem Auslöser (evtl. Vulkanausbruch) im gesamten Mittelmeerraum. Klimaveränderungen und Ernteausfällen sind die Folge.
537 Vollendung der Hagia Sophia.
539/540 Bulgareneinfall in Griechenland mit schweren Verwüstungen.
540 Einfall der Perser in das römische Gebiet mit der Zerstörung Antiocheias.
540-562 Krieg gegen die Perser.
541/542 Pest im ganzen Reich, Hungersnöte in den folgenden Jahren.
541/552 Zweiter Krieg gegen die Ostgoten.
548 Tod Kaiserin Theodoras.
549 Aufdeckung einer Verschwörung gegen Justinian.
551 Schwere Erdbeben erschüttern Mittelgriechenland und den östlichen Mittelmeerraum.
552 Narses besiegt die Ostgoten bei den Busta Gallorum und am Mons Lactarius
552 Eroberung von Gebieten im westgotischen Spanien.
553 Verurteilung der Drei Kapitel im zweiten Konzil von Konstantinopel.
557 Schweres Erdbeben in Konstantinopel, Kuppel der Hagia Sophia stürzt ein.
558 Die Pest wütet ein zweites Mal in Konstantinopel.
559 Belisar schlägt einen Bulgareneinfall vor den Toren Konstantinopels zurück.
562 Aufdeckung einer Verschwörung gegen Justinian, Neueinweihung der Hagia Sophia.
14.11.565 Tod Justinians.
 

Anhänge

  • rome4.gif
    rome4.gif
    18,7 KB · Aufrufe: 2.208
Zuletzt bearbeitet:
Meiner Meinung nach hat er den Titel "der Große", welcher für ihn sowieso nicht allzu oft gebraucht wird, nicht verdient. Eben wegen seinem Hang zu sinnlosen religiösen Fragen und aufgrund dessen, dass er durch seine Außenpolitik den Staat in den Bankrott getrieben hat. Die Gebiete im Westen waren nunmal verloren, er hätte das Geld, dass er für den Krieg gegen die Ostgoten und Vandalen aufwand, gegen die Perser, die schlimmsten Feinde von Byzanz (bevor die Sarazenen, Bulgaren, Osmanen etc. gekommen sind), verwenden sollen.
 
Imperator schrieb:
Meiner Meinung nach hat er den Titel "der Große", welcher für ihn sowieso nicht allzu oft gebraucht wird, nicht verdient. Eben wegen seinem Hang zu sinnlosen religiösen Fragen und aufgrund dessen, dass er durch seine Außenpolitik den Staat in den Bankrott getrieben hat. Die Gebiete im Westen waren nunmal verloren, er hätte das Geld, dass er für den Krieg gegen die Ostgoten und Vandalen aufwand, gegen die Perser, die schlimmsten Feinde von Byzanz (bevor die Sarazenen, Bulgaren, Osmanen etc. gekommen sind), verwenden sollen.

Man kann ihn selbst - trotz Deiner mit recht geäußersten Kritik - nicht als gescheitert ansehen. Sein (eigenes) Ziel, ja sein Traum, Italien wieder zu gewinnen, hatte sich am Ende noch erfüllt. Er konnte ja nicht ahnen, daß die Gebiete bald wieder verloren gehen würden.
Für die Führungsschwäche nach 565 - seinem Nachfolger Justin sagte man sogar nach, er sei geisteskrank gewesen - konnte er reichlich wenig.
 
Ich bin da etwas vorbelastet. Ich habe für WIKI sowohl den Prokopios Artikel verfasst als auch den Justinian Artikel gründlich umgeschrieben (Außenpolitik, Pest, Bauprogramm, Fazit und kommentierte Bibliographie).

Aber man muss Justinian aufgrund der neueren Forschung schon unterstellen, dass er gescheitert ist. Noch Berthold Rubin und John B. Bury sahen das etwas anders. In der neueren Forschung sind es unter anderem Evans (wenn auch etwas zaaghafter), Lilie, Mischa Meier u.a., die dieses Bild korrigierten.

Die Gründe sind nämlich gar nicht so einfach zu lokalisieren. Justinians Restauratio Imperii war keineswegs Träumerei. Nicht vergessen: das vandalische Nordafrika blieb bis zum Ende des 7. Jahrhunderts in byzantinischer Hand (Araber). Den Einfall der Langobarden hat man nicht unbedingt vorhersehen können, wenn es auch Anzeichen dafür gab. Aber es waren ja viel mehr strukturelle Gründe. So wurde die Armee unter Justinian immer mehr verkleinert (auf kanpp 150,000 Mann), was einfach aufgrund der außenpolitischen Lage (siehe Kriege gegen die Sassaniden und die Reconquista des Westens) zu wenig war. Auch strapazierte Justinian das Steuersystem und trieb damit auch konservative Senatskreise in die Opposition.

Doch muss auch bedacht werden, dass Justinian aus einem der wenigen Reichsteile des Oströmischen reiches stammte, wo Latein gesprochen war. Er war von vorn herein mehr auf den Westen ausgerichtet. Seine Äußerungen in diversen Stellen der Digesten sprechen ebenso von einer Selbsteinschätzung, die starlk von der spätantiken Kaiserideologie gespeist war.

Was den Hang zur Einmischung zu religiösen Fragen betrifft: da stand Justinian nicht alleine. Alle byzantinischen Kaiser haben sich mehr oder wneiger stark eingemischt. Und dies entsprach auch dem damaligen Zeitgeist (es sein nur an die Auseinandersetzung zwischen Monophysiten und Orthodoxen gedacht).

Zweifellos war es sehr kurzsichtig, den so genannten "eigen Frieden" zu schließen und die Ostgrenze zu entblössen. Und die Überbeanspruchung von Byzanz trat spätestens nach dem Ausbruch der zweiten Kampfhandlungen in Italien offen zu Tage (in den 40er Jahren). Und realpolitisch ist er gescheitert, da führt kein Weg dran vorbei. Denn seine Retsaurationspolitik hatte keinen bleibenden Erfolg.

Eine wirklich gute Kurzbiographie bietet Evans im Rahmen des DIR-Projects (der auch eine etwas ausführlichere bei Routledge verfasst hat): DIR-Justinian

Distanzierter und auch etwas negativer: Mischa Meier, Justinian, München 2004 (Beck Wissen) Sehr knapp, aber dennoch sehr informativ (Meiers Habil Schrift "Das andere Zeitalter Justinians" ist KEINE Biographie).

Aber es werden sich an Justinian wohl immer die Geister scheiden. Seine Rechtskodifikation jedenfalls ist ein unbestrittener Meilenstein, aber auch zu großen Teilen seinem führenden Juristen Tribonian zu verdanken).
 
Ich denke der Name der Große ist wie bei Theodosius nicht angebracht, besonders im vergleich mit einem Alexander. Ich denke, Justinian war einfach zu kurzsichtig bei "seinen" Eroberungen.
Er empfand es wohl als göttlichen Auftrag, das Imperium Romanum wiederherzustellen. Während der "Reconquista" zwischen 533 und 565 nahm er an keinem Feldzug teil, doch war die Gefahr die Hauptstadt zu verlieren, falls er sie verlassen würde, zu groß. Aus nüchterner Sicht gehörte seiner Reichsidee, einem allumspanndenden römischen Weltstaat keine Zukunft. Die Zukunft gehörte dem Konzept Theoderichs eines römisch-germanisch Staates.
Auch den Ruf als Verschwender des Staatshaushaltes muß er sich gefallen lassen. Immerhin hatte er das ben dahin größten angesammelten Staatsschatz (durch Anastasius) von 320 000 Pfund Gold durch sinnlose Feldzüge, verschwenderische Spiele (alleine für seine erstes Konsulat gab er für Spiele sage und schreibe 288 000 Goldstücke (4000 Pfund) Gold aus. Seinen Regierungsantritt 528 feierte er mit noch verschwenderischeren Spielen, und sakrale Bauten (Hagia Sophia) mit vollen Händen rausgeworfen. Des weiteren müssen den Erfolgen im Westen, die Niederlagen im Osten entgegengehalten werden. Die großen Verluste an der Perserfront konnte er nur durch hohe Tribute begrenzen (533 11 000 Pfund Gold, 545 2000 Pfund, 551 2600 Pfund, 561 2800 Pfund, später 1200 Pfund). Vielleicht wäre er erfolgreicher gewesen, wenn er das Heer nicht verkleinert hätte.

Das Amt des Konsuls hat er abgeschafft angesichts der teueren Ausgaben (die er 537 begrenzt hatte), und wegen der Popularität, die Spielegeber erlangen konnte.

Theodora war aus heutiger Sicht sicher eine starke Frau, die staren Einfluß auf die Politk ihres Mannes hatte. Immerhin war sie es, die ihn während des Nika Aufstandes an der Flucht hinderte (Der Purpur ist das schönste Totengwandt). Ob die Aussagen Prokops über ihr früheres Leben richtig sind und ob die Überlieferungen (drei Männer gleichzeitg sexuell bedient) stimmen, vermag ich nicht zu beurteilen.
Was jedoch feststeht ist, daß sie mit auswärtigen Gesandten verhandelte, die Proskynese forderte und aus ihrem Privatvermögen zahlreiche Kirchen und Krankenhäuser errichten ließ.
Da ich mich noch nicht weiter ausgiebig mit Theodora beschäftigt habe, möchte ich keine wirkliche Wertung abgeben.

Gruß
Be_Real1982
 
Hallo Benowar,
ja, fast alle byzantinischen Kaiser haben sich überflüssigerweise mit religiösen Fragen beschäftigt. Ich kritisiere aus diesen Gründen nicht nur Justinian, sondern jeden Kaiser, der sich mit solchem Zeug befasst hat. Afrika wurde zwar zurückerobert, aber hat das wirklich was gebracht? Die Truppen hätte er sich eher gegen Persien aufheben sollen. Der Krieg mit Persien hat beide Mächte schließlich stark geschwächt, so dass die Sarazenen bei ihrem Auftauchen im siebten Jahrhundert es nicht allzu schwer hatten, Persien sofort zu erobern und Byzanz andauernd zu bedrängen. Die Vandalen und die Ostgoten haben im Westen schon genug zu tun gehabt, eine ernsthafte Bedrohung für Byzanz waren sie jedenfalls nicht.
 
Benowar schrieb:
Ich bin da etwas vorbelastet. Ich habe für WIKI sowohl den Prokopios Artikel verfasst als auch den Justinian Artikel gründlich umgeschrieben (Außenpolitik, Pest, Bauprogramm, Fazit und kommentierte Bibliographie).

Aber man muss Justinian aufgrund der neueren Forschung schon unterstellen, dass er gescheitert ist. Noch Berthold Rubin und John B. Bury sahen das etwas anders. In der neueren Forschung sind es unter anderem Evans (wenn auch etwas zaaghafter), Lilie, Mischa Meier u.a., die dieses Bild korrigierten.

Die Gründe sind nämlich gar nicht so einfach zu lokalisieren. Justinians Restauratio Imperii war keineswegs Träumerei. Nicht vergessen: das vandalische Nordafrika blieb bis zum Ende des 7. Jahrhunderts in byzantinischer Hand (Araber). Den Einfall der Langobarden hat man nicht unbedingt vorhersehen können, wenn es auch Anzeichen dafür gab. Aber es waren ja viel mehr strukturelle Gründe. So wurde die Armee unter Justinian immer mehr verkleinert (auf kanpp 150,000 Mann), was einfach aufgrund der außenpolitischen Lage (siehe Kriege gegen die Sassaniden und die Reconquista des Westens) zu wenig war. Auch strapazierte Justinian das Steuersystem und trieb damit auch konservative Senatskreise in die Opposition.

Doch muss auch bedacht werden, dass Justinian aus einem der wenigen Reichsteile des Oströmischen reiches stammte, wo Latein gesprochen war. Er war von vorn herein mehr auf den Westen ausgerichtet. Seine Äußerungen in diversen Stellen der Digesten sprechen ebenso von einer Selbsteinschätzung, die starlk von der spätantiken Kaiserideologie gespeist war.

Was den Hang zur Einmischung zu religiösen Fragen betrifft: da stand Justinian nicht alleine. Alle byzantinischen Kaiser haben sich mehr oder wneiger stark eingemischt. Und dies entsprach auch dem damaligen Zeitgeist (es sein nur an die Auseinandersetzung zwischen Monophysiten und Orthodoxen gedacht).

Zweifellos war es sehr kurzsichtig, den so genannten "eigen Frieden" zu schließen und die Ostgrenze zu entblössen. Und die Überbeanspruchung von Byzanz trat spätestens nach dem Ausbruch der zweiten Kampfhandlungen in Italien offen zu Tage (in den 40er Jahren). Und realpolitisch ist er gescheitert, da führt kein Weg dran vorbei. Denn seine Retsaurationspolitik hatte keinen bleibenden Erfolg.

Eine wirklich gute Kurzbiographie bietet Evans im Rahmen des DIR-Projects (der auch eine etwas ausführlichere bei Routledge verfasst hat): DIR-Justinian

Distanzierter und auch etwas negativer: Mischa Meier, Justinian, München 2004 (Beck Wissen) Sehr knapp, aber dennoch sehr informativ (Meiers Habil Schrift "Das andere Zeitalter Justinians" ist KEINE Biographie).

Aber es werden sich an Justinian wohl immer die Geister scheiden. Seine Rechtskodifikation jedenfalls ist ein unbestrittener Meilenstein, aber auch zu großen Teilen seinem führenden Juristen Tribonian zu verdanken).

Kennst Du die große Biographie von Otto Mazal?
Falls ja, ist sie empfehlenswert?
 
Das mit der Eroberung Nordafrika war wertneutral gemeint. Es war ja durchaus ein realpolitischer Erfolg, da damit ein Gegner Ostroms beseitigt worden war (was man 468 erfolglos versucht hat). Und aus Nordafrika kam Herakleios, um Phokas zu entmachten. Aber das ist ein anderes Thema :)

Mit dem Zweifrontenkrieg hast du vollkommen recht, wie ich auch schon gesagt habe.

Zu Mazal: das Buch ist kein Hit. Es ist nicht auf dem neuesten Forschungsstand, teilweise übernahm er ältere Aussagen. Zu Fragen der Kunst ist es aber ein recht nützliches Buch.
Hier findet sich eine recht kritische Rezension dazu. Ich fand es aber auch persönlich nicht sehr hilfreich. Da kann man auch Rubin lesen.

Als neuere Biographie würde ich wirklich zu Evans raten: J A S Evans: Justinian, The circumstances of imperial power, London/New York 1996. Es soll auch irgendwann eine Biographie im Rahmen der Reihe "Gestalten der Antike" bei der Wissen. Buchgesellschaft erscheinen.
 
Benowar schrieb:
Das mit der Eroberung Nordafrika war wertneutral gemeint. Es war ja durchaus ein realpolitischer Erfolg, da damit ein Gegner Ostroms beseitigt worden war (was man 468 erfolglos versucht hat). Und aus Nordafrika kam Herakleios, um Phokas zu entmachten. Aber das ist ein anderes Thema :)

Mit dem Zweifrontenkrieg hast du vollkommen recht, wie ich auch schon gesagt habe.

Zu Mazal: das Buch ist kein Hit. Es ist nicht auf dem neuesten Forschungsstand, teilweise übernahm er ältere Aussagen. Zu Fragen der Kunst ist es aber ein recht nützliches Buch.
Hier findet sich eine recht kritische Rezension dazu. Ich fand es aber auch persönlich nicht sehr hilfreich. Da kann man auch Rubin lesen.

Als neuere Biographie würde ich wirklich zu Evans raten: J A S Evans: Justinian, The circumstances of imperial power, London/New York 1996. Es soll auch irgendwann eine Biographie im Rahmen der Reihe "Gestalten der Antike" bei der Wissen. Buchgesellschaft erscheinen.

Vielen Dank für Deine sehr ausführlichen Antworten. :thx:
 
Das ist die selbe Rezi, die ich verlinkt hatte :)

Aber auch Mischa Meiers Rezension in der Historischen Zeitschrift fiel nicht besser aus...obwohl man vom Verlag einige nette Passagen rausgenommen hat und die auf der Website veröffentlichte. Auch die Rezension in der FAZ war nicht gerade ein Loblied, obwphl betont wird, dass es insgesamt recht solide verfasst ist: hier die FAZ-Rezension
 
Benowar schrieb:
Das ist die selbe Rezi, die ich verlinkt hatte :)

Aber auch Mischa Meiers Rezension in der Historischen Zeitschrift fiel nicht besser aus...obwohl man vom Verlag einige nette Passagen rausgenommen hat und die auf der Website veröffentlichte. Auch die Rezension in der FAZ war nicht gerade ein Loblied, obwphl betont wird, dass es insgesamt recht solide verfasst ist: hier die FAZ-Rezension

Das Buch scheint mir also nicht auf dem neusten Stand der Zeit zu sein, was man aber bei dem hohen Preis (96 €) erwarten dürfte...

Die Biographie von Rubin (von 1960 glaube ich) fand ich leider nirgends, auch nicht bei antiquarischen Büchern.
 
Die Frage ist eigentlich kaum zu beantworten und hängt wohl immer mit der persönlichen Sichtweise zusammen. Justinian hatte sicherlich viel Glück, er herrschte in einer günstigen Phase der Völkerwanderungszeit. Die Reiche der Ostgoten und Wandalen hatten ihren Höhepunkt überschritten und waren zu erobern. Andererseits war die Zeit der Langobarden und später der Araber noch nicht angebrochen. Justinian hatte also ein zeitliches Fenster zur Verfügung in dem die nochmalige Expansion des Römischen Reiches möglich war. Was danach kam konnte man sicherlich noch nicht vorhersehen. Aus unserer heutigen Sicht wäre es vielleicht sinnvoller gewesen, das griechisch-sprachige Ostreich zu festigen, anstatt die Wiederherstellung eines Gesamtreiches zu versuchen. Ein innerlich gefestigtes Ostreich hätte den Persern und danach den Arabern sicherlich erfolgreicher entgegentreten können. Dafür wäre auch ein religiöser Ausgleich mit den Kopten nötig gewesen, die zur Zeit der arabischen Eroberung froh waren den byzantinischen Dogmatismus los zu werden. Aber letztlich bleibt es bei hätte und wäre - Einschätzungen, die man aus der Erfahrung der Vergangenheit gut treffen kann.

Letztlich bleibt bei Justinian, das er die Möglichkeit hatte sein Reich zu vergrößern und er diese Möglichkeit genutzt hat. Auch als Baumeister hat er Werke geschaffen, die noch heute bewundert werden.
Justinian der Große maßlos überschätzt?
ganz klar nein.
Wenn man die Leistungen historischer Personen geringschätzen will, bietet sich bei jeder die Möglichkeit von Alexander dem Großen, Augustus, Karl dem Großen oder Karl V. Trotzdem bleibt ihnen allen ihr geschichtlicher Ruhm.
 
Andronikos schrieb:
Die Frage ist eigentlich kaum zu beantworten und hängt wohl immer mit der persönlichen Sichtweise zusammen. Justinian hatte sicherlich viel Glück, er herrschte in einer günstigen Phase der Völkerwanderungszeit. Die Reiche der Ostgoten und Wandalen hatten ihren Höhepunkt überschritten und waren zu erobern. Andererseits war die Zeit der Langobarden und später der Araber noch nicht angebrochen. Justinian hatte also ein zeitliches Fenster zur Verfügung in dem die nochmalige Expansion des Römischen Reiches möglich war. Was danach kam konnte man sicherlich noch nicht vorhersehen. Aus unserer heutigen Sicht wäre es vielleicht sinnvoller gewesen, das griechisch-sprachige Ostreich zu festigen, anstatt die Wiederherstellung eines Gesamtreiches zu versuchen. Ein innerlich gefestigtes Ostreich hätte den Persern und danach den Arabern sicherlich erfolgreicher entgegentreten können. Dafür wäre auch ein religiöser Ausgleich mit den Kopten nötig gewesen, die zur Zeit der arabischen Eroberung froh waren den byzantinischen Dogmatismus los zu werden. Aber letztlich bleibt es bei hätte und wäre - Einschätzungen, die man aus der Erfahrung der Vergangenheit gut treffen kann.

Letztlich bleibt bei Justinian, das er die Möglichkeit hatte sein Reich zu vergrößern und er diese Möglichkeit genutzt hat. Auch als Baumeister hat er Werke geschaffen, die noch heute bewundert werden.
Justinian der Große maßlos überschätzt?
ganz klar nein.
Wenn man die Leistungen historischer Personen geringschätzen will, bietet sich bei jeder die Möglichkeit von Alexander dem Großen, Augustus, Karl dem Großen oder Karl V. Trotzdem bleibt ihnen allen ihr geschichtlicher Ruhm.

Ich selber sehe Justinian auch eher positiv.
Seine Bauwerke sind uns bis heute Zeugen einer großartigen Epoche, seine Gesetzbücher waren lange Zeit das Maß aller Dinge (auch wenn sie heute wegen der z.T. harten Strafen, z.B. auf Sodomie oder Häresie, scharf kritisiert werden).
Zwar sind sein Despotismus, seine Arroganz und Eitelkeit Kritikpunkte, doch zeugt dies auch von Charakterstärke.
Justinian ist v.a. in religiöser Hinsicht ein Großer. So berief er 553 ein Konzil ein, auf dem er selbst den Vorsitz führte.
Sein Ehrentitel der Große ist (wie bei Theodosius) in hohem Maße auf seine Religionspolitik zurückzuführen.
 
Die Aufgabe von Historikern ist es aber nun mal Mythen zu entlarven und nicht dieselben immer wieder neu zu postulieren. Justinian wurde in der Geschichtsschreibung gelobt, als man Geschichte im Wesentlichen als Ereignisgeschichte betrachtete und als das Werk von großen Persönlichkeiten.

Man muss doch ganz objektiv fragen: was hat Justinian letztendlich erreicht? Auch auf im Bereich der Religionsgeschichte wäre ich skeptisch, da es Thesen gibt die lauten, dass gerade Justinians harte Religionspolitik zu einem Auseinanderklaffen von West und Ost geführt hatten. Poaitiv werten würde auch ich seine Bautätigkeit (wobei die für die damalige Bevölkerung mit hohen Lasten verbunden war...ist ähnlich als wenn man heute für neue Großbauvorhaben den Staat in den Konkurs treibt und sagt "die zukünftigen Generationen werden sich daran erfreuen"...ist immer eine zweischneidige Sache).

Vorbehaltslos positiv würde ich die Rechtkodifikation bewerten. Diese war wirklich bahnbrechend und sollte bis in die Neuzeit nachwirken. Machtpolitisch war letztlich nur der Gewinn von Nordafrika (auf Zeit) von Wert...die italienischen und spanischen Besitzungen gingen entweder weitgehend bzw. völlig verloren..außerdem hinterließen sie weitgehend verherrte Gebiete.

Sicher hängt eine solche Bewertung auch von persönlichen Präferenzen ab, keine Frage. Aber völlig von den Fakten abgehoben ist diese Ansicht meines Erachtens nicht. Man kann eine bewertung durchaus splitten. Ich halte viel von Alexander im militärischen Bereich, aber weniger im politischen. Auch Kaiser Friedrich II. war ohne Zweifel eine geniale Persönlichkeit, doch war seine Politik für Deutschland letztendlich schädlich, da dort die Fürstenmacht zunahm,. Ähnlich bei Augustus, dessen Jahre als "Bluthund" in seltsamen Kontrast zum herbst seines Lebens und seiner politischen Leistungen stehen. Man muss da schon differenzieren...

ps: Wer die Propyläen Weltgeschichte zu Hause hat: im 4. Band ist das Kapitel über Ostrom und Justinian von Rubin verfasst. Nur mal so als Tipp, wer sich mal ein Bild von seinem Stil machen will. Allen anderen rate ich zu Evans und (wenn nötig) zu Mischa Meiers Kurzbiographie.
 
Zuletzt bearbeitet:
Benowar schrieb:
Vorbehaltslos positiv würde ich die Rechtkodifikation bewerten. Diese war wirklich bahnbrechend und sollte bis in die Neuzeit nachwirken.

Dem kann ich nur zustimmen. Der Codex Iuris Iustinianus bildet das Fundament jeder Rechtsordnung! Fast unser gesamtes Privatrecht wurde durch diese Fallsammlung vorweggenommen!
 
Kann man Justinian nicht viel mehr als ersten Kaiser des Mittelalters bezeichnen denn als letzten der Antike?
 
In der byzantinischen Geschichte finde ich die Grenzziehung Antike/Mittelalter völlig unangebracht. Die Grenze wurde für die Entwicklung im früheren Westreich erfunden und sollte auch nur dort angewendet werden.

Die Entwicklung im Byzantinischen Reich lief relativ bruchlos bis 1204. Im allgemeinen spricht man von frühbyzantinisch, wenn man die Jahre von 500-843 meint; mittelbyzantinisch vom Ende des Ikonoklasmus 843-1204; spätbyzantisch 1204-1453, wobei in der Kunst die spätbyzantinische Periode nach 1453 noch weiterlebte.
 
Andronikos schrieb:
In der byzantinischen Geschichte finde ich die Grenzziehung Antike/Mittelalter völlig unangebracht. Die Grenze wurde für die Entwicklung im früheren Westreich erfunden und sollte auch nur dort angewendet werden.

Die Entwicklung im Byzantinischen Reich lief relativ bruchlos bis 1204. Im allgemeinen spricht man von frühbyzantinisch, wenn man die Jahre von 500-843 meint; mittelbyzantinisch vom Ende des Ikonoklasmus 843-1204; spätbyzantisch 1204-1453, wobei in der Kunst die spätbyzantinische Periode nach 1453 noch weiterlebte.

Sozusagen überlebte die Antike in Byzanz das ganze Mittelalter.
 
Zurück
Oben