Konstantinopel-Istanbul

H

Hurvinek

Gast
Meine Frau war der Meinung, dass es Konstantinopel bis 1970 gab. Mein ausgeprägtes Wissen lehrte meine Frau, dass Istanbul mit Atatürk kam. Nu habe ich gehört, dass es schon 1800 Istanbul gab.
Wer hat denn nun Konstantinopel zu Istanbul wann gemacht?
 
Ahoj Huvinek

Darüber habe ich noch nie nachgedacht! Ich weiss nur das der Begriff Istanbul, aus verstümmelten Griechisch besteht und soviel, wie: "Hinein in die Stadt! " bedeutet. Es war der Schlachtruf als die Stadt erobert wurde.
 
Ich erinnere mich da noch an das Buch von Karl May mit dem Namen "Von Bagdad nach Stambul" - hab ich nie gelesen, war aber dabei immer von einer Verballhornung von Istanbul ausggegangen. Wenn dem so wäre, hätte die Stadt also zumindest inoffizel schon damals so geheißen.
 
Ja das ist auch das, was ich als Bezeichnung kenne - also so wie es bei Wikpeda aufgeführt ist:

Byzanz ab 660v.

Konstantinopel ab 330

Istanbul dann ab 1930

Zu der Verwendung von Stambul bzw. Istambul schon vor der Umbenennung...
Der heutige Namen ?stanbul stammt aus der osmanischen Herrschaftszeit und leitet sich aus dem griechischen "in die Stadt - is tin polin" ab
aus:
http://de.wikipedia.org/wiki/Byzanz

also sicher eine Benennung für die Stadt wie sie unter den Osmanen schon durchaus üblich war!
 
Das ist ja interessant. Ich komme deshalb darauf, weil bei der 3SAT-Reportage von König Midas ein amerikanischer Offizier (Forscher) 1800 vom Off-Sprecher von Istanbul ins anatolische Hochland geschickt worden ist.
Demnach wurde also schon Istanbul gesagt, bevor offiziell Konstantinopel verschwand. Der Orient-Express und die Bagdadbahn sind doch auch schon vor 1930 gefahren. Die müssten dann auch schon durch Istanbul gefahren sein und nicht mehr durch Konstantinopel.
Obwohl auch Stambul im 19. Jahrhundert mir geläufig ist.
 
Nachtrag: Oder wurde Konstantinopel unter den Osmanen bereits sprachlich osmanisiert in Stambul?
 
Beide Namen existierten sozusagen parallel, nur war halt Konstantinopel bis 1930 (diese Jahresangabe übernehme ich von Caesarion) der offizielle Name, Istanbul ab diesem Zeitpunkt.
 
Hallo !

Istanbul oder auch Stambul stammt aus der umgangsgriechischen Form von " Eis tin Polin ", im Sinne von " in die Stadt ".

Populär wurde diese Bezeichnung erst ab dem 19. Jahrhundert (Weithmann). Die offizielle Umbenennung erfolgte meines Wissens tatsächlich erst 1930.

Noch heute wird im griechischen Sprachgebrauch meist von " Der oder Die Stadt " geredet, wenn man auf Istanbul/ Konstantinopel verweisen möchte.

Gruß

Philippos
 
Noch mal das ganze wirken lassen und zum Schluss gekommen:
Istanbul seit Sultan Mehmed 1453
Aber dieses Konstantinopel muss bis 1930 existiert haben. Allerdings nicht bei den Türkischsprachigen. Insbesondere oder ausschliesslich "verbohrte" Christen konnten sich über Jahrhunderte nicht mit dem neuen nicht-christlicher Herkunft benannten Istanbul abfinden. Na und bei den Griechen heisst es bis heute eigentlich Konstantinopel, denn bis 1453 war Konstantinopel Sitz der griechischen Kirche.
 
Beide Namen existierten seit 1453 gewissermaßen nebeneinander und tun es auch heute z.T. noch. Für die Griechen und die Europäer blieb der Name immer Konstantinopel, ob er auch am Sultanshof benutzt wurde, weiß ich nicht, würde mich auch interessieren. Die Türken verballhornten den griechischen Ausdruck "Eis tin Polis" zu Stambul bzw. Istanbul.

Noch 1920 lebten 500'000 Griechen in Konstantinopel, erst durch den "Bevölkerungsaustausch" zwischen Griechenland und der Türkei ist Konstantinopel eine "rein" türkische Stadt geworden, deshalb wurde 1930 der Name Istanbul offiziell.

Zur Entstehung des Namens habe ich noch diese gefunden:
Es gibt zwei Hypothesen über die Etymologie des Namens von Istanbul: die erste gibt an, daß der Name Istanbul von den griechischen Wörtern eis tin Poli kommt; (die Stadt/Polis, ist Constantinoupolis), während die zweite vorschlägt, daß der Name bloß eine türkische Kontraktion von Constantinoupolis ist. Der Ton übertragen durch "i" wird durch die Tugend der Sprache vorangestellt. Viele türkische Sprachen verbieten bestimmte Kombinationen von Konsonanten am Anfang des Wortes, folglich wird bestimmten, Lehnwörtern ein Vokal, der entsprechend der Richtlinie der Vokalharmonie gewählt wird, vorangestellt. Auf diese Art wurde Smyrna Izmir (türkisches Rechtschreibung Ízmir, Kontraktion des vorhergehenden Namens Smyrna) und Nicaea wurde Iznik, sowie aus "machine" wurde "amashina".
Die Zwischenform Stamboul wurde allgemein im 19. Jahrhundert benutzt.
 
@Hurvinek

>>>Allerdings nicht bei den Türkischsprachigen. Insbesondere oder ausschliesslich "verbohrte" Christen konnten sich über Jahrhunderte nicht mit dem neuen nicht-christlicher Herkunft benannten Istanbul abfinden. Na und bei den Griechen heisst es bis heute eigentlich Konstantinopel, denn bis 1453 war Konstantinopel Sitz der griechischen Kirche.<<<

Istanbul/ Konstantinopel ist bis heute Sitz des griechisch- orthodoxen Patriachats.
Ist die Bezeichnung " Konstantinopel " christlich ? Und was macht " Istanbul " so unchristlich ?
Was meinst du mit " ausschliesslich verbohrte Christen " ?

Dank im Voraus

@Andronikos

Die griechische Bevölkerung von Istanbul, damals noch Konstantinopel, war von dem Bevölkerungstausch laut Lausanner Vertrag ausgenommen. Die Dezimierung dieser Bevölkerungsgruppe hat andere Ursachen.


gruß

Philippos II
 
Zuletzt bearbeitet:
@Wulfnoth

Guten Abend


Natürlich darf man fragen.

Nun, es war eigentlich ein langwieriger und ereignisreicher Prozess der dazu führte das die besagte Minderheit nunmehr kaum wahrnehmbar ist.

Ein Ereignis:


>>>Am 6. und 7. September 1955 kam es in den Großstädten der Türkei wie Istanbul und Izmir zu staatlich inszenierter und gelenkter Massen-gewalt gegen Minderheiten (Griechen, Armenier, Assyrer, Juden). In erster Linie richteten sich die Ausschreitungen gegen die griechische Minderheit Istanbuls. 83 Kirchen wurden angegriffen und zerstört, Wohnungen und Geschäfte verwüstet und geplündert. Im Gefolge der Pogrome verließen schätzungsweise 250.000 Griechen die Türkei. Auslöser waren die Konflikte um die Regelung der Zypernfrage. <<<

http://www.tuday.de/deutsch/veranstaltungen/eine_beschaemende_geschichte.htm



Cem Özdemir schreibt folgendes dazu:


>>>Ich weiß es nicht mehr genau, wie wir damals auf das Thema gekommen sind, aber es hat mich beschäftigt, ob meine Mutter nichts von den Ereignissen des 6. und 7. September 1955 mitbekommen hat. Das Datum der pogromartigen Ausschreitungen gegen die Griechen, die bis dahin noch in großer Zahl in Istanbul lebten. Meine Mutter ist in Istanbul aufgewachsen und hat später in Deutschland mit ihren griechischen Arbeitskolleginnen stets griechisch gesprochen. Aber meine Mutter hat lange nichts gesagt. Es hat viel Zeit gebraucht, bis sie mir davon erzählte, wie in der Nacht zum 6. September die Häuser der Griechen markiert wurden, indem türkische Fahnen vor die Häuser der Türken gehängt wurden. Griechen, die ihre Nachbarn und Freunde waren, mit denen sie zusammen Ostern und Ramadan feierten. Schließlich berichtete sie von Nachbarn, die Hilfe suchend und verzweifelt an die Türen ihrer türkischen Nachbarn klopften. Auch davon, wie einige sich schützend vor ihre Nachbarn stellten oder ihnen Unterschlupf gewährten, bis der Terror vorbei war. Später erfuhr man, dass der eigentliche Anlass, die angebliche Schändung des Geburtshauses von Atatürk im griechischen Thessaloniki, eine reine Erfindung des türkischen Geheimdienstes war und die Ausschreitungen alles andere als dem spontanen Volkszorn entsprangen. Kriminelle und von außerhalb heran gekarrte Ultranationalisten hatten die stolze Istiklal-Caddesi, eine Einkaufsstraße im Stadtteil Beyoglu in einen Scherbenhaufen verwandelt.<<<

http://www.oezdemir.de/sites/presse/artikel_03/031031die_stadt_meiner_mutter.htm


Ich hoffe dir deine Frage ansatzweise beantwortet zu haben.


Gruß

Philippos II
 
Zuletzt bearbeitet:
"Ist die Bezeichnung " Konstantinopel " christlich ? Und was macht " Istanbul " so unchristlich ?
Was meinst du mit " ausschliesslich verbohrte Christen " ?"

ich nehme mal an, dass er mit ´verbohrt´ das meint, was man auch mit ´ewiggestrig´ bezeichnet, finde die formulierung allerdings falsch. ich rede auch von danzig und königsberg und nicht von gdansk und kaliningrad, mich deswegen als verbohrten nationalisten zu bezeichnen dürfte aber etwas übertrieben sein.
 
Hallo Meister !

Genau das wollte ich ja auch von ihm " hören ". Ich finde es ehrlich gesagt ein wenig dreist, Menschen die andere Sprachgewohnheiten haben gleich als irgendwas brandmarken zu wollen.

Wenn ich mich in meiner Muttersprache unterhalte, spreche ich von Konstantinopel, weil es usus ist. Auf deutsch wird die Stadt dann natürlich, gemäß der hiesigen Bezeichnung, Istanbul genannt. Mich deshalb nun als " Ewiggestrigen " oder " Verbohrten " anzusehen, wäre schlichtweg eine Frechheit. Gute Beispiele nanntest du selbst schon.

Zustimmung.

Gruß

Philippos II
 
Philippos II schrieb:
Meine Mutter ist in Istanbul aufgewachsen und hat später in Deutschland mit ihren griechischen Arbeitskolleginnen stets griechisch gesprochen. Aber meine Mutter hat lange nichts gesagt.
Verstehe ich das jetzt richtig, Özdemir ist halber Grieche oder konnte nur seine Mutter griechisch sprechen?
 
Fylgja schrieb:
Verstehe ich das jetzt richtig, Özdemir ist halber Grieche oder konnte nur seine Mutter griechisch sprechen?


Beiderseits türkisch (vielleicht kann die Mutter griechisch) und alevitisch dazu (oder wars alavitisch? Weil das ein Unterschied ist: Die Religionsgemeinschaft meinte ich)
 
Leopold Bloom schrieb:
Beiderseits türkisch (vielleicht kann die Mutter griechisch) und alevitisch dazu (oder wars alavitisch? Weil das ein Unterschied ist: Die Religionsgemeinschaft meinte ich)
Alevitisch ist auch eine Sprache? Bisher dachte ich es ist nur eine Religionsgemeinschaft.

Also konnte/kann Özdemirs Mutter griechisch weil sie unter Griechen aufgewachsen ist, oder?

Übrigens endete die Geschichte der Griechen Istanbuls nicht mit Pogromen 1955 sondern entgültig 1964 als die Türkei die Politik gegenüber den verbliebenen Griechen verschärfte, was sich in Zwangsausweisungen aller "staatsgefährdenden Elemente" und der entgültigen Mißachtung aller im Lausanner Vertrag garantierten Rechte artikulierte.

Heute leben nur wenige tausend Griechen in Istanbul und auf den Inseln Gökceada und Backaada.
 
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