osmanisches Erbe in Südosteuropa?

lynxxx

Aktives Mitglied
Hi,

mal ne Frage:

Was ist das osmanische Erbe in Südosteuropa, also von Ungarn, Rumänien, bis runter nach Griechenland, Kreta.
Mal sehen, was zusammengetragen werden kann außer Cevapcici... ;)
 
Hi lynxxx,
also ich finde es viel interessanter zusammenzutragen, was die turkmenischen Nomadenstämme denn so alles von den Völkern übernommen haben, die sie erobert haben.
Ich fange mal mit den gerollten und gefüllten Weinblättern an, die heute Dolma genannt werden. Obwohl der Name eindeutig türkisch ist (dolma = eingerollt oder gerollt), dürfte das Gericht wohl nicht ursprünglich türkisch sein. Da Nomadenstämme wohl nicht die Kunst des Weinanbaues und des Reisanbaues damals beherrschten, dürften sie das wohl von der eroberten einheimischen und seßhaften Bevölkerung übernommen haben. Vermute ich mal :)
Grüße,
 
Oje, lieber nicht. Sonst fangen die Balkanesen mit den Türken an zu streiten was zu welcher Küche gehört... :D
Deine Links schaue ich mir gerne an.
Grüße
 
Hihi,
zu spät... :D
wenn sie gute historisch-kulinarische Quellen angeben können?
Außerdem gibt es ja noch mehr, außer Küche. Z.B. Agrarstruktur, Musik, lokale Traditionen, Kunst, Techniken, Sprache, etc.
 
Da hier (noch) nicht viel los ist, hier mal was über Makedonien und sein osmanisches Erbe (in unterschiedlicher Qualität):

Turkish Borrowings in Macedonian

The Ottoman Influence in Macedonia

Macedonian Trades & Crafts 16th-19th century

Macedonia's Islamic Heritage

und so weiter:
http://www.macedonia.co.uk/client/Search.aspx?QueryExpr=turkish&ResultsPage=1


Wo sind eigentlich all die 450 Moschen in Budapest und 400 Moscheen in Belgrad hin? Stimmt denn die Anzahl - sind es Freitagsmoscheen und Alltagsmoscheen zusammen (mescid und cami)?
 
Die Brücke von Mostar (der sogenannte "stari most") als berühmtes Beispiel osmanischer Baukunst. ;)

&

Die Brücke von Visegrad, welche mit dem Buch "Die Brücke über die Drina" des Nobelpreisträgers Ivo Andric in die Literaturgeschichte einging.
 
Zuletzt bearbeitet:
Weiß einer genaueres, was mit all den Moscheen passiert ist?
Alle abgebrannt, oder sind einige noch versteckt und zweckentfremdet, z.B. als Schweinestall oder Rinderstall, oder ähnliches? ;)
 
Vielleicht etwas abstrakt aber: durch die Gewährung doch recht großer Freiräume blieben die einzelnen Kulturkreise/Sprachen/Nationen recht intakt, sodass dadurch Jahrhundertelang ein vielleicht "künstlicher" pax ottomania auf dem Balkan herrschte. Dieser hat einerseits das friedliche zusammenleben und gar zumindest die teilweise geographische Vermischung diverser Kulturen gebracht, was aber nach dem Rückzug der Staatenbildung und den Interbalkanbeziehungen nicht gerade gut getan hat wie ja die Geschichte seit 1900 dort zeigte und immernoch zeigt. Andererseits wurde so viel kulturelles Erbe erhalten, dass sich, wenn die osmanen nicht gekommen wären, vielleicht unter z.b. Ungarischer Herrschaft auf dem Balkan nicht erhalten hätte.

Eher für den Westen kann als "Erbe" vielleicht die Orientbegeisterung des 19. und frühen 20. Jahrhundert gelten mit vielen Gemälden und Bauten die auch durch den ottomanischen Stil beeinflusst.

@ Gefüllte Weinblätter
Die habe ich auch bei Einheimischen in Uzbekistan gegessen, aslo entweder ist das Rezept ostwärts gewandert oder es wurde schon früher weiter im Osten von den Türken übernommen. Laut Wikipedia haben die Türken den Reis erst auf den Balkan gebracht, also zumindest die Füllung ist nicht wirklich griechisch^^
 
@ Gefüllte Weinblätter
Die habe ich auch bei Einheimischen in Uzbekistan gegessen, aslo entweder ist das Rezept ostwärts gewandert oder es wurde schon früher weiter im Osten von den Türken übernommen. Laut Wikipedia haben die Türken den Reis erst auf den Balkan gebracht, also zumindest die Füllung ist nicht wirklich griechisch^^


Ich kenne das Gericht auch in einer persischen Variante. Sowohl Reis als auch Wein sind im Iran schon recht lange bekannt...
 
Offtopic:
In: Die türk. Küche. Rezepte aus dem Osm. Reich. von Sarah Woodward
steht, dass die gefüllten Weinblätter aus Makedonien stammen und sich von dort in dem Osm. Reich verbreitet haben.
Ob das stimmt, steht aber noch auf einem anderen (Wein-)Blatt... ;)
 
Hi,

mal ne Frage:

Was ist das osmanische Erbe in Südosteuropa, also von Ungarn, Rumänien, bis runter nach Griechenland, Kreta.
Mal sehen, was zusammengetragen werden kann außer Cevapcici... ;)
Mir fällt dazu spontan der Kaffee ein.

Nachfolgend das Hörnchen als Gebäck, das von einem Wiener Bäcker, zur Erinnerung an die Türkenbedrohung, dem Halbmond nachempfunden worden sein soll.

Und dann der Einfluss der Janitscharenmusik auf die Marschmusik und selbst auf die Konzertmusik in Europa (... Pauken, Perkussionsinstrumente, Flöten, Pfeifen etc.)

Der aussergewöhnlich massive Einsatz von Artillerie und artilleristischen Techniken im militärischen Bereich.

Das war's halt, was mir spontan eingefallen ist.

MfG Jürgen
 
Eher für den Westen kann als "Erbe" vielleicht die Orientbegeisterung des 19. und frühen 20. Jahrhundert gelten mit vielen Gemälden und Bauten die auch durch den ottomanischen Stil beeinflusst.


Dieses "Erbe" geht allerdings nicht unwesentlich auf den Einfluß der "Geschichten aus 1001 Nacht " zurück. Dieses Werk prägte im guten-wie im schlechten Sinn das europäische Orientbild in entscheidender Weise. Antoine Galland, Pariser Lehrstuhlinhaber ließ den 1. Band der "Mille et Une Nuit " 1704 erscheinen. Das Werk wurde zum Trendsetter in Sachen Orientgeschmack und des späteren "Exotismus" in europ. Bildungs,- Salon-und nicht zuletzt Kunstkreisen.
Bereits mit Racine wandelte sich das europ. Bild des Serail. Der Harem wird zum Ort der Lustbarkeit und des Todes. Racine bediente sich dabei des jahrhundertealten Topos eines finsteren, grausamen und sinnlichen Orients.
Die neuzeitl. gängigen Klischees über den Orient entspringen einer in allen europ. Ländern auftretenden Projektion vom vermeintlich sinnlichen, exotischen, im wilhelm. Kaiserreich auch schwülen Orientphantasien und spießig-verklemmten Exotismus, der nicht zuletzt ein Produkt dieses literarischen ! "Erbes " ist.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
PROF. MAURUS REINKOWSKI
Kulturerbe oder Erblast?
Zum Status der Turzismen in den Sprachen
Südosteuropas, insbesondere des Bosnischen


"Der Einfluß des Türkischen reichte weit über die Gebiete mit Türkisch- Sprechern oder das osmanische Herrschaftsareal hinaus. Josef Matl berichtet, daß er während des Ersten Weltkriegs ebenso wie die anderen Soldaten eines kroatischen k.u.k. Infanterie-Regiments als Verstärkung des üblichen kroatischen ne ('nein') häufig das türkische yok gebraucht habe.
Turzismen sind in allen Sprachen Südosteuropas in verschieden großer Zahl enthalten, im Griechischen, in den südslavischen Sprachen wie Bulgarisch, Serbisch/Kroatisch/Bosnisch, im Albanischen, aber auch in den schon jenseits des eigentlichen Balkans liegenden Sprachen wie Rumänisch und Ungarisch. ..."

"Während das bosnische Experiment des Den-Strom-Hinaufschwimmens ein Sonderfall ist und sich erst noch beweisen muß, zeigt die Wiederbelebung von Turzismen etwa im bulgarischen oder griechischen Journalismus, daß türkisches Lehngut im alltäglichen, im publizistischen und im literarischen Gebrauch auch heute noch häufig vorkommen kann."

Interessant, eine Renaissance des türkischen ausgerechnet im bulgarischen und griechischem... hätt ich nicht gedacht...

Hier mal drei Kuriosa als Beispiele:
Ceausescu < türk. cavus 'Bote, Türwächter' etc
Cevapcici < türk. kebapcik 'ein Stückchen Röstfleisch'
fertigdzija < Kombination von deutsch 'fertig' mit dem türkischen Berufesuffix -CI ('der, der die Züge abfertigt'). zur Bezeichnung eines Bahnhofsbeamten
der Orient-Bahn in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg

Das interessante Dokument wollte ich euch nicht vorenthalten.

Ciao, LG lynxxx
 
Mir fällt dazu spontan der Kaffee ein.

Nachfolgend das Hörnchen als Gebäck, das von einem Wiener Bäcker, zur Erinnerung an die Türkenbedrohung, dem Halbmond nachempfunden worden sein soll.

Und dann der Einfluss der Janitscharenmusik auf die Marschmusik und selbst auf die Konzertmusik in Europa (... Pauken, Perkussionsinstrumente, Flöten, Pfeifen etc.)

Der aussergewöhnlich massive Einsatz von Artillerie und artilleristischen Techniken im militärischen Bereich.

Das war's halt, was mir spontan eingefallen ist.

MfG Jürgen

Das mit der Musik wäre mir auch spontan eingefallen. Stücke wurden teilweise auch in Pest aufgeführt. Hierzu folgende Quellen(zu meiner Schande "nur" Wikipedia *g*):
Janitscharenmusik - Wikipedia
weiter unten sind Stücke von Mozart, Beethoven und Haydn angegeben.

Diese gefüllten Weinblätter kenn ich nur als "Sarma" (eingewickelt):grübel:
Dolma sind für mich mit Hackfleisch und Reis gefüllte Paprika. Meine türkischen Vorfahren kommen ursprünglich aus dem makedonischen Raum und sind Anfang des 20.Jhd nach Thrakien gezogen.

Ansonsten fällt mir außer allem bisher genannten die recht abenteuerlichen Schnurrbartfrisuren auf dem Balkan ein (vor allem Ungarn).Soweit ich weiß sind Türken ziemliche Schnurrbartfans (je größer umso besser).

Dann noch die Wasserpfeife, die aber wahrscheinlich ein arabisch-türkisches Joint-Venture gewesen ist. Außerdem Kaffee

Es gibt viele Moscheen und Hamams(Badehäuser) auf dem Balkan, z.B. in Skopje.

Ich hab gelesen dass es im damaligen Selanik(heute Thessaloniki) unter osmanischer Herrschaft die größte europäische Judengemeinde gab.
Quelle:Weithmann, Michael W. ,Der ruhelose Balkan" (dtv wissenschaft) Seite 222/223
Daraus schließe ich, dass eine gewisse Religionsfreiheit und freie Kulturausübung in den eroberten Ländern praktiziert wurde (nur wenn die Steuern bezahlt wurden versteht sich *g*), wohingegen bis dahin in anderen Ländern die Kultur und Religion des Eroberten (zum Teil gewaltsam) eher ersetzt wurde.
Vielleicht hat jemand dazu eher eine andere Meinung oder Quellen, die mich eines besseren belehren? Bin ja hier um zu lernen :winke:
 
linxxx
Weiß einer genaueres, was mit all den Moscheen passiert ist?
Alle abgebrannt, oder sind einige noch versteckt und zweckentfremdet, z.B. als Schweinestall oder Rinderstall, oder ähnliches?



Eine solche Frage zeigt, meiner Meinung nach, einen sehr schlechten Geschmack, aber was können wir machen....
Wenn ich mich nicht irre, sind die osmanischen Moscheen in FYR Mazedonien noch heute zahlreicher als die Kirchen, obwohl das Land überwiegend christliche Bevölkerung hat. Die osmanischen Moscheen sind auch in Bulgarien, Rumänien und teilweise in Griechenland sehr gut erhalten und regelmäßig mit staatlichen Mitteln renoviert.

Ich habe aber eine Gegenfrage an unseren Freund linxxx. Was ist passiert mit all den Kirchen (nach einigen Angaben es geht um mehr als 800 Kirchen) in dem europäischen Teil von der heutigen Türkei? Heutzutage gibt es nur eine (1) einzige Kirche in der europäischen Türkei (ohne Istanbul) mit einem bulgarischen Priest in Edirne (Adrianopel, Odrin). Das auf einem Territorium ungefähr so groß wie Brandenburg! Weiß jemand was mit den anderen Kirchen geschah? Ich danke im voraus.

 
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