Philosophie im Osmanischen Reich

Florencia

Neues Mitglied
Hallo Ihr Lieben,
ich bin zwar neu hier, habe aber schon mit großem Interesse die einzelnen Threads verfolgt!
Da ich im Rahmen meines Studiums ein Projekt zum Osmanischen Reich bearbeiten werde, würde ich gerne von Euch wissen, ob Ihr eine Ahnung habt,wie die Philosophie im Osmanischen Reich, vor allem auch im Gegensatz zur Vier-Reiche-Lehre der europäischen Staaten, ausgesehen hat.
War Philosophie immer nur theologiebgründet oder gab es "freie Geister", die die das einheitliche, religiöse Weltbild kritisiert haben?
Es wäre wirklich toll, wenn ich Eure Meinung zu diesem Thema hören könnte!:yes:

Vielen Dank schon einmal im Voraus!

Lieben Gruß,
florencia.
 
Da bin ich auch auf Antworten gespannt! Meines Wissens gibt es so etwas wie "osmanische Philosophie" nicht explizit... Normalerweise wird der übergreifende Begriff Islamische Philosophie ? Wikipedia verwendet, dessen Hauptvertreter aber vor (al-Kindi) oder auch außerhalb des Osmanischen Reiches lebten.
 
@jschmidt: Dein obiger Link funzt irgendwie nicht, oder ist verwirrend... kannste du ihn nochmals bringen?


Uii, da haste dir aber ein schweres Thema ausgesucht, denn die Naturwissenschaften, oder die Philosophie des islamischen Kulturkreises sind nach dem 14./15. Jh. oftmals noch Weiße Flecken der Forschungslandschaft.
Da die meiste Forschung darüber bis vor wenigen Dekaden aus dem Westen kam, interessierten sich die westl. Forscher vorwiegend für die Leistung und Übermittlungsfunktion des islamischen Kulturkreises für das Abendland. Deshalb gibt und gab es wenige Forschung, auch deshalb, weil nach dieser Zeit, die Ergebnisse der Philosophie weniger spektakulär und originär schienen. Früher dachte allerdings gar, dass die islamische Philosophie nach der "Schließung der Tore des Idschtihad" gar nicht oder kaum noch stattfand. Dieses Bild hat sich in den letzten Dekaden als unzureichend herausgestellt, denn es fand durchaus eine Fortsetzung der islamischen Philosophie statt; vor allem im schiitischen Raum.
Im Osmanischen Reich ist mir allerdings keine große philosphische Tradition bekannt, vor allem keine, die größere neue Ideen eingebracht hätte.

Es gibt aber noch den Bereich der islamischen Mystik, der Sufis, die teilweise durchaus quasi-philosophische Gedankengebäude errichteten, oder deren Denken man ein wenig mit dem philosophischen Denken in Verbindung bringen kann. Da sind natürlich im Osmanischen Reich einige Denker von mystischen Bruderschaften erwähnenswert.
Siehe auch hier (Anhang nicht vergessen):

http://www.geschichtsforum.de/f29/politischer-islam-nach-1967-a-22552/#post341479

Empfehlenswert für einen ersten Überblick, auch mit kurzer Streifung der Philosophie nach dem 15. Jh. sind:

Wolfgang Günter Lerch: Denker des Propheten. Die Philosophie des Islam. Patmos Verlag, Düsseldorf 2000.

Ulrich Rudolph: Islamische Philosophie. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. C. H. Beck, München 2004.

Im letzteren gibt es folgende Passagen zur osm. Philosophie:

"Im Osmanischen Reich lässt sich das Aufkommen der Philosophie
ab dem 15. Jahrhundert genauer verfolgen. In dieser Zeit
kam es zu einem enormen Ausbau des Unterrichtswesens (mit
den Zentren Edirne, Bursa und nach 1453 Konstantinopel), der
vor allem von Mehmed II. vorangetrieben wurde. Er hatte zur
Folge, dass sich die Lehrbücher, die wir inzwischen kennen,
auch an den osmanischen Hochschulen verbreiteten. Abharîs
Einführung in die Logik fand also neue Leser; seine Anleitung
durch die Philosophie und Urmawis Erscheinungsorte der Lichter
wurden jetzt auch in Konstantinopel kommentiert.
Daneben entwickelte sich eine eigenständige philosophische
Debatte. Sie kreiste um die Frage, wer in der berühmten Auseinandersetzung
zwischen Ghazâlî und Avicenna (d. h. konkret bei
den zwanzig Fragen, die Ghazâlî in Die Inkohärenz der Philosophen
behandelt hatte; vgl. dazu oben S. 59) im Recht gewesen
sei. Diese Frage galt als brisant. Sie interessierte sogar Mehmed
II. Deswegen setzte er für denjenigen, der die überzeugendste
Antwort formulieren sollte, ein Preisgeld aus. Die Prämie erhielt
schließlich ein Gelehrter namens Khodjazâde (gest. 1488). Sein
Text (der ebenfalls unter dem Titel Die Inkohärenz der Philosophen
erhalten ist) überzeugte die Juroren mehr als ein Beitrag,
den ‛Alâ’addîn at-Tûsî (gest. 1482) eingereicht hatte (Der
Schatz). Damit war die Debatte aber noch nicht beendet. Denn
einige Jahrzehnte später griff Kamälpaschazäde (gest. 1533) zur
Feder und verfasste Glossen, in denen er seine Ansichten zu
Ghazâlîs Inkohärenz und zu den Ausführungen seiner Vorgänger
festhielt."

"Im arabischen Sprachraum (der lange Zeit mehrheitlich zum
Osmanischen Reich gehörte) lässt sich keine vergleichbare Entwicklung [im Vergleich zum Iran] beobachten. Hier wurde die Schule von Isfahan kaum
wahrgenommen und auch keine eigene philosophische Bewegung,
die eine ähnliche Ausstrahlung besessen hätte, ausgelöst.
Wenn sich Gelehrte des 18. oder des 19. Jahrhunderts überhaupt
für Philosophie interessierten, geschah das in der Regel im
Rahmen des theologischen Unterrichts, bei der Lektüre von altvertrauten
Kompendien. Ein Beispiel dafür ist der Ägypter
Ibrâhîm al-Bâdjûrî (gest. 1860)."

Ein erwähnenswerter Philosoph ist noch Tâschköprüzâde / Tâşköprüzâde (16. Jahrhundert, Osmanisches Reich)

Das die Wissenschaftler auch zu späterer Zeit recht mobil waren, und ein größeres Netzwerk der Gelehrten unterhielten, kannste hier lesen, auch wenn es nicht explizit um Philosophen geht:

Das Gelehrten-Netzwerk des Murtada al-Zabidi:
„Global Player“ des 18. Jahrhunderts


Deshalb könnte es interessant sein, ob es z.B. wissenschaftliche Netzwerke der Philosophen Irans zu anderen im Osm. Reich, z.b. in Anatolien, gab, wenn auch oben steht, dass die Schule von Isfahan im arab. Raum kaum bekannt war.

Hier noch einige Seiten, auch das osm. Reich betreffend:
(STRG + F gleichzeitig drücken und "Ottoman" eingeben, zum schnellen Finden)

Suhrawardi (Stanford Encyclopedia of Philosophy)

Ontological Argument Revisited by Two Ottoman Muslim Scholars

Vielleicht auch hier? (Wahrscheinlich nicht, sondern nur Naturwissenschaft):

MuslimHeritage.com - Topics

Viel Erfolg, und such dir lieber was leichteres... ;)

Ciao & LG.
 
Zuletzt bearbeitet:
@jschmidt: Dein obiger Link funzt irgendwie nicht, oder ist verwirrend... kannste du ihn nochmals bringen?

Die "Link-Kette" habe ich per copy & paste aus einem Webkatalog, weil ich die türkischen Sonderzeichen nicht heraussuchen wollte.:red:
Kann auch kein Türkisch - florencia hoffentlich (bei dem Thema!) -, vermutete aber aufgrund der bibliographischen Angaben (siehe Autor- oder Verlag-Link) etwas Einschlägiges.
 
@Lynxxx:
Wow, das war mal ne Antwort ;)
Vielen Dank erstmal, auch an die anderen "Helfer"! Da sind schon einige gute Ansätze dabei.

Das Thema habe ich mir übrigens nicht selber ausgesucht. Dafür ist meine Professorin verantwortlich. Wahrscheinlich hat sie mir das Thema zugeschustert, weil es sie ziemlich interessiert, sie aber auch die dürftige Quellenlage kennt.
Also soll sich mal die gefügige Studentin kümmern... ;)

Nee, im Ernst. Ich freu mich echt darauf, mich damit zu beschäftigen.
Vielen Dank nochmal!
 
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