Freiheitsrecht in der mittelalterlichen Stadt des HRR

Howl

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Meine Frage bezieht sich eigentlich nur auf den deutschen Raum des HRR, also ohne hinteralpines Gebiet, sprich Italien. Es wird ja immer gesagt, dass das Stadtrecht gewährleistet, dass die Regel "Nach einem Jahr und einem Tag bist du ein freier Mann" für die Bewohner greift. Nun ist eine meiner Fragen, ob dieses Recht auch als Einzelrecht (und wie dessen Name lautet) gegeben ist, d.h. einer Stadt verliehen werden kann wie z.b. das Münzprägerecht.
Des Weiteren meine Frage: Ich höre immer Stadtrechtsverleihung, habe aber arge Probleme in alten Römerstädten, wie z.B. Worms und Speyer ein konkretes Jahr zu finden, ab dem das Stadtrecht gegeben war und somit das oben genannte Freiheitsrecht. Gilt das Stadtrecht mehr als Summe gegebener Rechte wie Marktrecht etc. oder muss es tatsächlich ein verliehenes Stadtrecht geben wie z.B. in Höchst am Main (http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/28/Stadterhebung_Höchst_1356_01_12.jpg). Ab wann gilt das "Freiheitsrecht" in einer Stadt?
 
Ich höre immer Stadtrechtsverleihung, habe aber arge Probleme in alten Römerstädten, wie z.B. Worms und Speyer ein konkretes Jahr zu finden, ab dem das Stadtrecht gegeben war und somit das oben genannte Freiheitsrecht. Gilt das Stadtrecht mehr als Summe gegebener Rechte wie Marktrecht etc. oder muss es tatsächlich ein verliehenes Stadtrecht geben wie z.B. in Höchst am Main...
Ab wann gilt das "Freiheitsrecht" in einer Stadt?

Das ist eben nicht so einfach abzuhandeln, weil dabei Entwicklungen zu beachten sind:
http://www.geschichtsforum.de/315123-post2.html

Es wird ja immer gesagt, dass das Stadtrecht gewährleistet, dass die Regel "Nach einem Jahr und einem Tag bist du ein freier Mann" für die Bewohner greift.

Dabei vertut man sich auch ganz schnell, weil es generell auch damit so einfach nicht gewesen ist und daher differenzierter betrachtet werden muß:
http://www.geschichtsforum.de/156194-post6.html
http://www.geschichtsforum.de/156480-post15.html
http://www.geschichtsforum.de/156529-post18.html
 
Das Wort "Stadtrecht" wird gerne als "Freibrief" interpretiert, was aber durchaus unhistorisch ist. Ein "Stadtrecht" ist eine Sammlung von (Selbst-)Verwaltungsvorschriften - manchmal auch Privilegien - die Organisation einer "Stadt" betreffen. Mit der "Erhebung" zur "Stadt" wurde so ein Paket gültig (es gab mehrere beispielhafte: Lübeck, Magdeburg,... )

Der STADTHERR blieb natürlich der Fürst, Bischof oder König!
Die Tendenz zur Selbstverwaltung, zum Erwerb weiterer Privilegien (Münzecht!) nahm historisch natürlich zu; musste aber dem Stadtherrn abgerungen werden. Fast jede Stadt war "aufmüpfig", und eine Stadtherr stand nicht selten mit einem Heer vor der Stadtmauer SEINER Stadt...
Vor allem erstrebte eine Stadt den Status der Reichsunmittelbarkeit, also den König/Kaiser als Stadtherrn zu gewinnen. Dies bedeutete i.d.R. wenig Einmischung in die Stadtangelegenheiten und die Möglochkeit, eine völlige Selbstverwaltung als fait accomplie aufzubauen, geschützt durch immense Handelsmacht, wie etwa in den Hansestädten.

Reichsunmittelbare Städte nannten sich "Freie Stadt"; der Begriff "Reichsstadt" bedeutet, das sie Sitz im Reichstag hatte (wie die Reichsfürsten, aber natürlich nur auf der Stadtbank), was nicht unbedingt das gleiche ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Wort "Stadtrecht" wird gerne als "Freibrief" interpretiert, was aber durchaus unhistorisch ist. Ein "Stadtrecht" ist eine Sammlung von (Selbst-)Verwaltungsvorschriften - manchmal auch Privilegien - die Organisation einer "Stadt" betreffen. Mit der "Erhebung" zur "Stadt" wurde so ein Paket gültig (es gab mehrere beispielhafte: Lübeck, Magdeburg,... )

Aus alter Verbundenheit lege ich Wert auf die Feststellung, dass das Soester Stadtrecht ? Wikipedia das erste in Deutschland nachweislich aufgezeichnete ist (siehe auch Westfälische Geschichte, Bd. 1, S. 448 ff.). - Zu Madgeburg usw. siehe den kleinen Aufsatz in FHI, zum Stadtrecht allgemein Baden/Dilcher, Deutsche Rechtsgeschichte (via Googlebooks, S. 600 ff.).

Das Sprichwort "Stadtluft macht frei!" ist eine summarische Formel der deutschen Rechtsgeschichte des 19. Jh. Verfahrensrechtliches Vorbild ist z. B. das Privileg Heinrichs von Meißen für die Stadt Altenberg, "daß jeder, der unfrei geboren ist und Jahr und Tag in der Stadt ohne Rückforderung lebt, nach dieser Frist nicht mehr zurückverlangt werden kann"; die "Jahr-und-Tag"-Formel ist römischen Ursprungs und wird unterschiedlich definiert: von "1 Jahr + 1 Tag" bis zu "1 Jahr + 6 Wochen + 3 Tagen" (Zitate aus Lexikon des Mittelalters, Bd. VIII, Sp. 23 bzw. Bd. V, Sp. 279)
 
Das Sprichwort "Stadtluft macht frei!" ist eine summarische Formel der deutschen Rechtsgeschichte des 19. Jh. Verfahrensrechtliches Vorbild ist z. B. das Privileg Heinrichs von Meißen für die Stadt Altenberg, "daß jeder, der unfrei geboren ist und Jahr und Tag in der Stadt ohne Rückforderung lebt, nach dieser Frist nicht mehr zurückverlangt werden kann"; die "Jahr-und-Tag"-Formel ist römischen Ursprungs und wird unterschiedlich definiert: von "1 Jahr + 1 Tag" bis zu "1 Jahr + 6 Wochen + 3 Tagen" (Zitate aus Lexikon des Mittelalters, Bd. VIII, Sp. 23 bzw. Bd. V, Sp. 279)

Die Festlegung der Formel "Jahr und Tag" auf 1 Jahr und 6 Wochen und 3 Tage stammt aus dem Sachsenspiegel.
 
Die Festlegung der Formel "Jahr und Tag" auf 1 Jahr und 6 Wochen und 3 Tage stammt aus dem Sachsenspiegel.
Laut WP. Aber Gerhard Köbler, dessen Artikel ich zitierte, verlegt die erste ausdrückliche Belegung von 1J+6W+3T auf das 14. Jh. Im Sachsenspiegel selbst ist immer nur von einem Jahr und sechs Wochen die Rede (Schlagwort), also vom sog. "Sachsenjahr".
 
Laut WP. Aber Gerhard Köbler, dessen Artikel ich zitierte, verlegt die erste ausdrückliche Belegung von 1J+6W+3T auf das 14. Jh. Im Sachsenspiegel selbst ist immer nur von einem Jahr und sechs Wochen die Rede (Schlagwort), also vom sog. "Sachsenjahr".

Ich hatte es nach einer Übersichtstafel zur Rechtsgeschichte wiedergegeben:
Rechtsgeschichte des Hochmittelalters - Stadtrechte schrieb:
...
"Jahr und Tag" = sog. Sachsenfrist oder Sachsenjahr = 1 Jahr, 6 Wochen, 3 Tage (erstmals geregelt im Sachsenspiegel)
...
Von Veranstaltungsmaterialien SS 2007 - Arbeitsblatt 5
 
Ich hatte es nach einer Übersichtstafel zur Rechtsgeschichte wiedergegeben: Von Veranstaltungsmaterialien SS 2007 - Arbeitsblatt 5
Ich vermute, dass die im Sachsenspiegel noch fehlenden drei Tage im Laufe der Weiterentwicklung der Gerichtsverfassung "angehängt" wurden, also aus prozessualen Gründen. - Im Übrigen blieben andere Definitionen von "Jahr und Tag" weiterhin in Kraft; es gab offenbar keine Möglichkeit (oder auch Notwendigkeit) zur damaligen Zeit, solche Dinge allgemein verbindlich zu regeln.
 
Ich vermute, dass die im Sachsenspiegel noch fehlenden drei Tage im Laufe der Weiterentwicklung der Gerichtsverfassung "angehängt" wurden, also aus prozessualen Gründen.

Ich habe mir jetzt auch Jahr und Tag ? Wikipedia angesehen, wo die 3 Tage als Gerichtstag erklärt werden. Auch in älteren Lexika - vgl. bspw. retro|bib - Seite aus Meyers Konversationslexikon: Sachsen-Weißenfels - Sachsenspiegel bzw. Sachsenfrist | Lexikon 1888 | Rechtswissenschaft - Rechtsgeschichte - Gerichtliche Formalien - ist stets von der Sächsischen Frist die Rede, welche sich aus 6 Wochen Gerichtsfrist und 3 Tagen Gerichtstag zusammensetzt.
Danach wäre es also aus dem (alt-)sächsischen Stammesrecht erwachsen; kann es sein, daß sich da Rechtsgeschichtler und andere Geschichtswissenschaftler nicht ganz einig sind?
:grübel:

Wie dem auch sei, sind prozessuale Gründe bei beiden Lesarten gegeben... :fs:

Im Übrigen blieben andere Definitionen von "Jahr und Tag" weiterhin in Kraft; es gab offenbar keine Möglichkeit (oder auch Notwendigkeit) zur damaligen Zeit, solche Dinge allgemein verbindlich zu regeln.

D'accord :friends:
 
Auch in älteren Lexika ... ist stets von der Sächsischen Frist die Rede, welche sich aus 6 Wochen Gerichtsfrist und 3 Tagen Gerichtstag zusammensetzt.
Danach wäre es also aus dem (alt-)sächsischen Stammesrecht erwachsen; kann es sein, daß sich da Rechtsgeschichtler und andere Geschichtswissenschaftler nicht ganz einig sind?

Die Uneinigkeit wird von Köbler ausdrücklich bestätigt!:winke: Die ZRG (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte) enthält mehrere Beiträge zur Definition von "Jahr und Tag", der letzte "brandaktuelle" ist von 1970.

Im PIERER (Bd. 6, S. 753) wird die "Sächsische Frist" genau so wie im MEYER erläutert: Sie "kommt von der alten dreimaligen Vorladung her, von denen eine jede den Zeitraum von 14 Nächten in sich faßte; sie besteht aus 6 Wochen u. 3 Tagen. Diese F. wird auch bei der sächsischen Verjährung von Jahr u. Tag (Annus saxonicus) zu dem Jahre noch hinzugerechnet".

Das größere Problem ist: "Sächsisches" Recht heisst nicht "gemeindeutsches" Recht, d. h. man kann die Frage, ab wann "Stadtluft frei macht", konkret nur anhand des lokal geltenden partikularen Rechts beantworten.
 
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