Heinrich VI nimmt den Lehenseid für England ab

JetLeechan

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Hi,
Richard Löwenherz nahm 1194 das englische Königreich von Kaiser Heinrich VI. als Lehen. Wie wurde das von den Zeitgenossen aufgenommen? Wurde es das überhaupt? Faktisch war das unerheblich, Richard war englischer König, natürlich ging es um die Symbolik. Aber hatte diese auch die, wahrscheinlich, angestrebte Wirkung? Gab es das jemals wieder das eines der großen Reiche (ich sag' mal England, Frankreich, Ungarn, Dänemark, Schweden, Polen) vom Kaiser als Lehen vergeben wurde? Wurde jemals von römisch-deutscher Seite versucht aufgrund dieses Sachverhalts irgendwelche Rechte vom englischen König einzufordern?
 
Hi,
Richard Löwenherz nahm 1194 das englische Königreich von Kaiser Heinrich VI. als Lehen. Wie wurde das von den Zeitgenossen aufgenommen? Wurde es das überhaupt?
Wie das von den Zeitgenossen aufgenommen wurde, weiß ich nicht, aber dieser Lehenseid kam Zustande, als Richard (Verbündeter der Welfen)1192 bei seiner Rückreise vom III. Kreuzzug vom Herzog von Österreich (Verbündeter des Kaisers Heinrich VI.) gefangen genommen und dem Kaiser ausgeliefert wurde. Dieser erpresste nun von Richard ein hohes Lösegeld und die Leistung des Lehenseides.
Faktisch war das unerheblich, Richard war englischer König, natürlich ging es um die Symbolik. Aber hatte diese auch die, wahrscheinlich, angestrebte Wirkung? (...) Wurde jemals von römisch-deutscher Seite versucht aufgrund dieses Sachverhalts irgendwelche Rechte vom englischen König einzufordern?
Dieser Lehenseid hatte sogar Auswirkungen auf die praktische Politik zwischen beiden Reichen, denn nach dem Tod Heinrichs 1197, brach erneut der Streit zwischen den Staufern und den Welfen aus, die nun beide versuchten, nach der Krone des HRR zu greifen. Richard unterstützte hier nun erneut die Welfenpartei - vor allen wohl mit viel Geld, aber er wurde auch vom Erzbischof von Köln unter Berufung auf den Lehenseid eingeladen, damit auch er an den Beratungen zur Königswahl teilnehmen konnte. So kam es Zur Doppelwahl von 1198:

Die Stauferpartei wählte Philipp von Schwaben zum König und die Welfenpartei den Sohn Heinrichs des Löwen, Otto IV.
So wurde der Lehenseid von 1194 zum Bummerang für die Staufer.
 
Faktisch hatte es aufgrund des schnellen Todes des Kaisers 1197, die Lehnsnahme erfolgte 1194, keine Wirkung. Was Löwenherz davon hielt hatte er 1198 kund getan.

Schlacht bei Gisors ? Wikipedia
Mir ist klar was der englische König davon hielt, aber es war ja wahrscheinlich Heinrichs (oder eines Beraters) Idee. Was könnte sich der Kaiser versprochen haben? Nur ein bisschen Machtgebahren um niedere Adelige und das Volk zu beeindrucken oder die Hoffnung später einmal darauf zurückgreifen zu können?

Wie das von den Zeitgenossen aufgenommen wurde, weiß ich nicht, aber dieser Lehenseid kam Zustande, als Richard (Verbündeter der Welfen)1192 bei seiner Rückreise vom III. Kreuzzug vom Herzog von Österreich (Verbündeter des Kaisers Heinrich VI.) gefangen genommen und dem Kaiser ausgeliefert wurde. Dieser erpresste nun von Richard ein hohes Lösegeld und die Leistung des Lehenseides.
Mir kam der Gedanke an daran als ich im Mayer (Geschichte der Kreuzzüge) blätterte :p. Der Herzog war Leopold V., Richard hatte das Banner der Babenberger vom eroberten Akkon entfernen lassen, weil er der Meinung war, nur die neu hinzugestoßenen Englander und Franzosen dürften sich mit dem Sieg rühmen, weil unter anderem Leopold vor deren eintreffen schon seit längerem erflglos Akkon belagert hatte.

Dieser Lehenseid hatte sogar Auswirkungen auf die praktische Politik zwischen beiden Reichen, denn nach dem Tod Heinrichs 1197, brach erneut der Streit zwischen den Staufern und den Welfen aus, die nun beide versuchten, nach der Krone des HRR zu greifen. Richard unterstützte hier nun erneut die Welfenpartei - vor allen wohl mit viel Geld, aber er wurde auch vom Erzbischof von Köln unter Berufung auf den Lehenseid eingeladen, damit auch er an den Beratungen zur Königswahl teilnehmen konnte. So kam es Zur Doppelwahl von 1198:

Die Stauferpartei wählte Philipp von Schwaben zum König und die Welfenpartei den Sohn Heinrichs des Löwen, Otto IV.
So wurde der Lehenseid von 1194 zum Bummerang für die Staufer.
Sehr interessant, danke. Jetzt wäre es doch interessant zu erfahren ob nicht doch noch ein deutscher Kaiser etwas positives daraus ziehen konnte?
 
Für die Staufer war natürlich die Demütigung Richards und damit die Demütigung der Angevinen ein vorwiegend innenpolitischer Erfolg: Richard unterstützte die Welfen ja nicht nur, er war mit ihnen verschwägert. Seine Schwester hatte Heinrich den Löwen geheiratet, dieser war einige Jahre im englischen (respektive nordfranzösischen) Exil.
 
Mir ist klar was der englische König davon hielt, aber es war ja wahrscheinlich Heinrichs (oder eines Beraters) Idee. Was könnte sich der Kaiser versprochen haben? Nur ein bisschen Machtgebahren um niedere Adelige und das Volk zu beeindrucken oder die Hoffnung später einmal darauf zurückgreifen zu können?

Ich würde eher sagen das es zu Heinrichs Weltreichspolitik gehörte. Er war ja auch Lehnsherr des armenischen Königreichs von Kilikien sowie vom Königreich Zypern. Dort hätte er sicherlich imperiale Macht spüren lassen können, hätte er ein paar Jahre länger gelebt und seinen Kreuzzug durchgeführt.

Ob er aber jemals in England hätte Einfluss erreichen können, wage ich nicht zu spekulieren. England war das gesamte Mittelalter über für römisch-deutsche Herrscher Terra incognita, zumal man dort zwangsläufig, besonders zu Heinrichs und Richards Zeiten, auch in französische Interessen verwickelt worden wäre.
 
Dieser Lehenseid hatte sogar Auswirkungen auf die praktische Politik zwischen beiden Reichen, denn nach dem Tod Heinrichs 1197, brach erneut der Streit zwischen den Staufern und den Welfen aus, die nun beide versuchten, nach der Krone des HRR zu greifen.

Ganz so einfach ist das nicht, denn der Welfe Otto war nicht die erste Wahl der anti-staufischen Fraktion im Reich. Als erster Kandidat wurde der Zähringer Berthold V. ins Auge gefasst, der aber nicht wirklich gewillt war (man sagte ihm später nach, dass er den geforderten finanziellen Beitrag nicht leisten wollte, er selbst soll gesagt haben, dass er nur dann gewählt werden wolle, wenn alle Fürsten hinter ihm stehen würden. Dies war aber unwahrscheinlich, daher habe er abgelehnt).

Erst danach kam der Welfe Otto ins Spiel.
 
M. E. ging es hier nur um ein persönliches Dienstverhältnis zwischen Richard und Heinrich.
D.h. Richard war diesem nun in ritterlicher Lehnstreue zur Heerfolge etc. verpflichtet, und damit auch zur Benutzung seiner Ressourcen im Königreich England.

Das heißt aber überhaupt nicht, daß England nun als Königreich abhängig vom Reich geworden wäre - dessen Eigenständigkeit und Unabhängigkeit wurde von Richards Lehnseid nicht berührt.
 
Mir ist klar was der englische König davon hielt, aber es war ja wahrscheinlich Heinrichs (oder eines Beraters) Idee. Was könnte sich der Kaiser versprochen haben? Nur ein bisschen Machtgebahren um niedere Adelige und das Volk zu beeindrucken oder die Hoffnung später einmal darauf zurückgreifen zu können?
Nicht nur um zu beeindrucken. Heinrich VI. hatte ja als Römischer Kaiser einen universellen weltlichen Machtanspruch über alle Christen. Diesen Machtanspruch hat er 1194 von Richard eingefordert. Vielleicht spielt deine kleine Geschichte hier sogar mit hinein:
Mir kam der Gedanke an daran als ich im Mayer (Geschichte der Kreuzzüge) blätterte :p. Der Herzog war Leopold V., Richard hatte das Banner der Babenberger vom eroberten Akkon entfernen lassen, weil er der Meinung war, nur die neu hinzugestoßenen Englander und Franzosen dürften sich mit dem Sieg rühmen, weil unter anderem Leopold vor deren eintreffen schon seit längerem erflglos Akkon belagert hatte.
Sehr interessant, danke. Jetzt wäre es doch interessant zu erfahren ob nicht doch noch ein deutscher Kaiser etwas positives daraus ziehen konnte?
Etwas positives für das Reich oder den Kaiser fällt mir jetzt nicht ein. Klar ist, daß Otto IV. auf die Unterstützung Englands im Kampf gegen die Staufer bauen konnte. Ich hab gerade noch nachgelesen, daß Richard 1199 starb und der Nachfolger Johann ohne Land sich zunächst nur wenig für den Welfen interessierte. England fiel damit als Verbündeter Ottos aus.
Andererseits könnte man natürlich mal nachforschen, ob England ab 1194 einen Tribut o.ä. an den Kaiser zahlen mußte. (?)

Der Einfluß Englands auf die Reichspolitik blieb jedenfalls noch lange erhalten, denn im Jahre 1257 wurde sogar noch Richard v. Cornwall, der Bruder des englischen Königs, zu einem der neuen Könige gewählt (wiederum Doppelwahl), womit die sogenannte Zeit des "Interregnum" (1257-1273) begann.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Einfluß Englands auf die Reichspolitik blieb jedenfalls noch lange erhalten, denn im Jahre 1257 wurde sogar noch Richard v. Cornwall, der Bruder des englischen Königs, zu einem der neuen Könige gewählt (wiederum Doppelwahl), womit die sogenannte Zeit des "Interregnum" (1257-1273) begann.

Ich würde aber nicht sagen, dass die Wahl Richards of Cornwall auf einen hohen Einfluss Englands im Reich zurückgeht. Letztlich hatte er als König dort kaum was zu tun, was wiederum den Fürsten die ihn gewählt haben recht war.

Richards Bruder, König Heinrich III. jedenfalls hatte ebenfalls mehr mit eigenen Problemen zu kämpfen als das er irgendwie im Reich für seinen Bruder hätte wirken können.

Das gleiche trifft auch auf Johann Ohneland und Otto IV. zu. Der Kaiser lies sich damals vielmehr von seinem Onkel für dessen Interessen in Frankreich (Kampf gegen Philipp II.) einspannen als das Johann ihm jemals im Reich irgendeine Untertsützung zukommen lies.
 
Ich würde aber nicht sagen, dass die Wahl Richards of Cornwall auf einen hohen Einfluss Englands im Reich zurückgeht. Letztlich hatte er als König dort kaum was zu tun, was wiederum den Fürsten die ihn gewählt haben recht war.
Immerhin ließ sich Richard, als Bruder des englischen Königs, zum röm.-deutschen König wählen und zahlte dafür anscheinend viel Geld. Schon allein deshalb kann man sagen, daß er Einfluß auf die Reichspolitik genommen hat.
Regiert hat er das Reich hingegen kaum, denn wie ich lese, hat er sich insgesamt nur knapp vier Jahre auf vier Reisen verteilt und auch nur im linksrheinischen Gebiet aufgehalten.
 
Immerhin ließ sich Richard, als Bruder des englischen Königs, zum röm.-deutschen König wählen und zahlte dafür anscheinend viel Geld. Schon allein deshalb kann man sagen, daß er Einfluß auf die Reichspolitik genommen hat.
Regiert hat er das Reich hingegen kaum, denn wie ich lese, hat er sich insgesamt nur knapp vier Jahre auf vier Reisen verteilt und auch nur im linksrheinischen Gebiet aufgehalten.

So sieht das auch der Fast-Zeitgenosse Matthias von Neuenburg:

"Richard und Wilhelm werden nämlich, weil sie keinen Bestand hatten, als nicht dagewesen angenommen."

Chronik, cap. 3
 
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