Privilegium Ottonianum

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962 hat ja bekanntermaßen Otto I. die Dominanz der weltlichen Macht über das Papsttum zum ersten Mal nachweislich erwähnt, indem er dem römischen Bischof den sogenannten Kirchenstaat zuerkannte, als Gegenleistung für die im gleichen Jahr erfolgte Anerkennung als Imperator durch den Bischof von Rom.

Es existieren keine Pippinische Schenkung oder ähnliche Anerkenntnisse Karls des Großen - zumindest können diese bis zur heutigen Zeit nicht nachgewiesen werden. Die erste Erwähnung solcher Urkunden erfolgte durch selbigen Otto I., was aber nicht beweist, daß es die Dokumente tatsächlich vorher schon gab.

Die gefälschte Konstantinische Schenkung (die ja ein Primat der Kirche über die weltliche Macht postuliert) wird weder von Otto I. noch von Otto II. erwähnt, Otto III. bestreitet 1001 deren Rechtmäßigkeit. Insofern kann man davon ausgehen, daß die Konstantinische Schenkung in der 2. Hälfte ds 10. Jahrhunderts erfunden wurde - nachweislich erwähnt wurde sie bekanntermaßen zum ersten Mal 979.

Otto I. war ja der erste ottonische König, der sich zum Imperator krönen ließ - und nachweislich der erste fränkische Kaiser überhaupt. Dies geschah nach oströmischer Tradition durch den christlichen Patriarchen - hier den Bischof von Rom - und nicht den von Konstaninopel.

Da also vor der Konstantinischen Schenkung (die ja vor 979 nachweislich nie erwähnt wurde) oder einem Zugeständnis des ostfränkischen Königs (durch das Privilegium Ottonianum) überhaupt kein Anlaß bestand, dem Bischof von Rom irgendein besonderes Recht zur Kaiserkrönung zuzuerkennen, bleibt nur festzustellen, daß Otto I. der erste Imperator der Franken war. Durch diesen Akt der Ernennung zum Imperator (neben dem Hauptkaiser in Konstaninopel) hat er auch die Abspaltung der Westkirche (später katholisch genannt) von der orthodoxen christlichen Kirche vorangetrieben, die ja wenige Jahrzehnte später 1054 zum Schisma führte. Einfach deswegen, weil der (ost)römischre Kaiser in Konstaninopel den Frankenkaiser nicht als gleichberechtigt anerkennen wollte.

Die imperiale Politik Ottos I. fand seine Krönung in der Heirat seines Sohnes Otto II. mit der oströmischen Prinzessin Theophanu (die allerdings keine Verwandte des römischen Kaisers war). Diese war dann auch nach dem Tode Ottos II. 983 für 9 Jahre selbst Kaiserin - was ganz klar der unsinnigen These einiger Historiker, daß es keine weiblichen Kaiser geben darf (der angebliche Grund für die Krönung Karls des Großen zum Kaiser) , widerspricht.


Ist also nicht das Privilegium Ottonianum die eigentliche Geburtsstunde der Kaiser im Fränkischen Reich und der Trennung der weströmischen Kiche des Bischofs von Rom von der oströmischen Kirche ?
 
Ist also nicht das Privilegium Ottonianum die eigentliche Geburtsstunde der Kaiser im Fränkischen Reich und der Trennung der weströmischen Kiche des Bischofs von Rom von der oströmischen Kirche ?

Zunächst solltest du Abschied nehmen vom Terminus "Fränkisches Reich" und "Fränkischer Kaiser" für die römisch-deutschen Kaiser und das Territorium des Heiligen Römischen Reiches seit der Mitte des 10. Jahrhunderts.

In den Straßburger Eiden des 9. Jh. wurde das Territorium des Ostfrankenreichs erstmals als Regnum Teutonicum oder auch Regnum Teutonicorum bezeichnet. Später war der offizielle Name Heiliges Römisches Reich, sodass sich dessen Herrscher bereits seit dem 11. Jh. vor ihrer Kaiserkrönung Rex Romanorum nannten. - Vom Ostfrankenreich für die Gebiete rechts des Rheins kann man vielleicht noch zur Zeit Heinrichs I. sprechen, nicht aber mehr nach der Kaiserkrönung Ottos I. Die Titel und Bezeichnungen rex francorum und Regnum Francorum orientalium („Königreich der östlichen Franken“),wurden nach Otto Kaiserkrönung aufgegeben.

Ist also nicht das Privilegium Ottonianum die eigentliche Geburtsstunde der Kaiser im Fränkischen Reich und der Trennung der weströmischen Kiche des Bischofs von Rom von der oströmischen Kirche ?

Das sehe ich nicht so. Das Privileg Ottos I. erneuerte die Pippinsche Schenkung und garantierte der römischen Kirche ihre alten Besitz- und Hoheitsrechte. Damit ist also der spätere Kirchenstaat (Patrimonium Petri) umschrieben, in welchem dem Papst dauerhafte Herrschaft und kaiserlicher Schutz garantiert wird.

Ein anderer wichtiger Aspekt des Privilegs ist jedoch die Vereinbarung, dass der Papst erst nach Ablegung eines Treueeids gegenüber den kaiserlichen Gesandten geweiht werden kann.

Somit liegt die Bedeutung des Privilegium Ottonianum vor allem darin, dass Otto I. Einfluss auf das Papsttum nehmen will - ein Versuch der unter seinen staufischen Nachfolgern endgültig scheitert.

Die "Geburtsstunde" der römisch-deutschen Kaiser ist hingegen ganz zentral die Kaiserkrönung Ottos I. durch den Papst in Rom am 2. Februar 962.
 
Mir ist die Intention des Threads nicht ganz klar, aber sei's drum...



962 hat ja bekanntermaßen Otto I. die Dominanz der weltlichen Macht über das Papsttum zum ersten Mal nachweislich erwähnt, indem er dem römischen Bischof den sogenannten Kirchenstaat zuerkannte, als Gegenleistung für die im gleichen Jahr erfolgte Anerkennung als Imperator durch den Bischof von Rom.

Es existieren keine Pippinische Schenkung oder ähnliche Anerkenntnisse Karls des Großen - zumindest können diese bis zur heutigen Zeit nicht nachgewiesen werden. Die erste Erwähnung solcher Urkunden erfolgte durch selbigen Otto I., was aber nicht beweist, daß es die Dokumente tatsächlich vorher schon gab.

Das stimmt so nicht ganz:
Das Frühmittelalter im Überblick: 754: Papst Stephan II. im Frankenreich | Abteilung für Mittelalterliche Geschichte der Universität Tübingen

Lexikon des Mittelalters: Band V Spalte 956
Karl der Große schrieb:
...
Da die Heirat der Langobardin den Widerstand von Papst Hadran I. hervorgerufen hatte, schickte KARL seine langobardischen Gemahlin wieder zu ihrem Vater zurück und stellte damit nicht nur das gute Verhältnis zum Papst wieder her, sondern nahm zugleich auch die Langobardenpolitik Pippins wieder auf, um diesmal freilich ganze Arbeit zu leisten: Er eroberte Pavia, setzte Desiderius ab und machte sich selbst zum rex Langobardorum (774). Anschließend erneuerte er in Rom die donatio Pippini (Pippinische Schenkung) und übernahm als patricius Romanorum die Schutzherrschaft über den Kirchenstaat, das sogenannte Patrimonium Petri. 781 wurde auf seinem zweiten Romzug ein neues Pactum geschlossen, in dem der Herrschaftsbereich des Papstes für den Dukat von Rom, den Exarchat von Ravenna und die Pentapolis feierlich bestätigt wurde...
...

Was weitere Anerkennungen betrifft, sei zudem noch zumindest auf Karls Sohn Ludwig den Frommen bzw. dessen Sohn Lothar verwiesen:
http://ri-opac.adwmainz.de/guest-lit/titelindex_r.php?p=hludowicianum
Regimen Christianuum: Weg und ... - Google Buchsuche


Die gefälschte Konstantinische Schenkung (die ja ein Primat der Kirche über die weltliche Macht postuliert) wird weder von Otto I. noch von Otto II. erwähnt, Otto III. bestreitet 1001 deren Rechtmäßigkeit. Insofern kann man davon ausgehen, daß die Konstantinische Schenkung in der 2. Hälfte ds 10. Jahrhunderts erfunden wurde - nachweislich erwähnt wurde sie bekanntermaßen zum ersten Mal 979.

Trotz allem geht die Mehrheit der Historiker davon aus, daß diese gefälschte Urkunde zwischen der Mitte des 8. Jh. und der Mitte des 9. Jh. entstanden ist:
Christliche Legitimation von Herrschaft - Glossar
http://www.geschichtsforum.de/342581-post3.html
Das Frankenreich - Google Buchsuche
http://www.geschichtsforum.de/23612-post2.html



Und noch etwas bzgl. der Zweifel am Kaisertum Karls des Großen:
Das Frühmittelalter im Überblick: Das Kaisertum Karls des Großen: Quellen zum Jahr 800 | Abteilung für Mittelalterliche Geschichte der Universität Tübingen
 
Es existieren keine Pippinische Schenkung...

Dieser Auffassung wird eine Passage aus dem Lexikon des Mittelalters ("Anschließend erneuerte er in Rom die donatio Pippini..") entgegenhalten. Es lohnt sich, den Artikel über die P.Sch. im dortigen Band VI, Sp. 2171 f. genauer zu lesen, wo der Terminus als "sehr problematisch" bezeichnet wird, und zwar aus vier Gründen:

  1. konnte Pippin dem Papst keine Gebiete "schenken"; vielmehr zwang er den langb. Kg., Ländereien, die vorher Ravenna und Rom entzogen worden waren, zu verschenken oder zurückzugeben.
  2. muß die "Schenkung" von 756 vor dem Hintergrund von Besitzeinziehungen, -ansprüchen und -zusicherungen gesehen werden, die auf das Jahr 751 zurückreichen.
  3. gibt es keinen eindeutigen Beweis dafür, daß die gesamten Gebiete der P. Sch. vom Papst einbehalten oder beständig dem Papsttum von den Karolingern garantiert wurden.
  4. Viertens erhoben die Päpste seit den 30er Jahren des 8. Jh. Anspruch auf bedeutende Ländereien in Mittel- und NO-Italien, doch machten sie niemals geltend, daß ihre weltl. Herrschaft auf einer Schenkung des Frankenreichs beruhe.
Aus diesen und anderen Gründen - u. a. ging die 754 in Quierzy angefertigte Zusammenstellung der päpstlichen Ansprüche später verloren - gibt es nach wie vor Diskussionen; vgl. z. B. Hans von Schubert, Geschichte der christlichen Kirche im Frühmittelalter [Googlebooks!], S. 319 ff. - Das ändert freilich nichts an den faktischen Konsequenzen, welche die "Kooperation" zwischen Franken und Papsttum hatte.
 
Schon vor Otto gab es eine Tradition, dass der Papst den Kaiser krönt. So war es bei Karl dem Großen. Die Große Ausnahme bildet Ludwig der Fromme, der noch zu Lebezeiten Kaiser Karls in Aachen zum Kaiser gekrönt wurde, ganze ohne Papst und Römer!
Richtig ist, dass seit Otto das weströmische Kaisertum an das ostränkische Reich gebunden war. Es gab ja mit Karl dem Kahlen durchaus mal einen Westfranken, aber danach...
In den Straßburger Eiden des 9. Jh. wurde das Territorium des Ostfrankenreichs erstmals als Regnum Teutonicum oder auch Regnum Teutonicorum bezeichnet. Später war der offizielle Name Heiliges Römisches Reich, sodass sich dessen Herrscher bereits seit dem 11. Jh. vor ihrer Kaiserkrönung Rex Romanorum nannten. - Vom Ostfrankenreich für die Gebiete rechts des Rheins kann man vielleicht noch zur Zeit Heinrichs I. sprechen, nicht aber mehr nach der Kaiserkrönung Ottos I. Die Titel und Bezeichnungen rex francorum und Regnum Francorum orientalium („Königreich der östlichen Franken“),wurden nach Otto Kaiserkrönung aufgegeben.
(In den Straßburger Eide ist von Teutonen keineswegs die Rede. Ludwig der Deutsche kommt da eher als Rex Germaniae ins Spiel.)
Dass Frankenreich war zu Zeiten der Ottonen durchaus noch aktuell. Unter König Heinrich wurde es zum Reich der Franken und Sachsen, Regnum Francorum et Saxonum.
Wie auch immer der mittelalterliche Kaiser ist immer Romanorum.
 
Richtig ist, dass seit Otto das weströmische Kaisertum an das ostränkische Reich gebunden war. Es gab ja mit Karl dem Kahlen durchaus mal einen Westfranken, aber danach...

Wobei diese Bindung des Kaisertums an das Ostreich, sich erst aus dem späteren Blickwinkel ergibt. Auch nach Otto I. gab es noch Bestrebungen Italien und damit die Kaiserkrone an Westfranken wie Robert II. dem Frommen, Odo II. von Blois oder Wilhelm V. von Aquitanien zu vergeben. Die Ostfranken und Sachsen konnten eigentlich erst nach der Anbindung Burgunds an das Reich, sich der Kaiserkrone sicher sein. Die Westfranken waren dadurch räumlich von Italien abgeschnitten.
 
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