Unterkönig

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Gast

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Was ist denn ein Unterkönig - wo gab es solche und was hatten die für Vollmachten ?
 
Diese Frage lässt sich nicht allgemein beantworten. Grundsätzlich ist ein Unterkönig ein König, der einem anderen König untergeordnet ist - und zwar nicht nur faktisch (weil der andere König mächtiger ist und ihm seinen Willen aufzwingt), sondern auch rechtlich.

Das wohl bekannteste Beispiel ist das Königreich Böhmen, das zum Deutschen Reich gehörte. Der böhmische König war Unterkönig des deutschen Königs.

Unterkönige gab es ansonsten vor allem im Frankenreich. Bayern und Aquitanien hatten im 9. Jhdt. zeitweise eigene Könige, die aber dem fränkischen König unterstanden.
Auch im England zur Zeit der angelsächsischen Königreiche setzten manche Könige in Reichsteilen Unterkönige ein.
 
Das ist meines Wissens ein Hilfskonstrukt der Geschichtswissenschaft. Man bezeichnet die Herrschersöhne der Karolinger, die als Könige über entferntere Reichsteile herrschen, als Unterkönige, die Quellen aber sprechen sie als reges, also schlicht als Könige an. Die Funktion war eine doppelte: Die Söhne wurden an ihre spätere Aufgabe herangeführt und das Reich, welches sich ja immer weiter ausgedehnt hatte, blieb einigermaßen regierbar. Allerdings darf man sich das nicht im Sinne einer Zentralmacht vorstellen. Um macht durchzusetzen, galt es präsent zu sein, also immer durch den zugefallenen Reichsteil zu reisen.
 
Also war ein Unterkönig faktisch ein Herzog ???

War sich der König von Böhmen eigentlich bewusst, dass er ein Unter-König war ??
 
Nein!
Ein Unterkönig war schon ein König, nur dass er eben einen anderen über sich hatte. Der Unterkönig selbst bezeichnete sich aber nie als Unterkönig, sondern als König (rex). Lediglich von anderen wurde er mitunter regulus (Königlein) oder dergleichen genannt. Aber der Ausdruck Unterkönig ist, wie El Quijote schon gesagt hat, moderner Natur.

Natürlich wusste der König von Böhmen, dass er ein Unterkönig war. Er gehörte schließlich zu den Reichsfürsten und war ein Kurfürst, wählte also den deutschen König.
 
Wie hat denn der römische König seine Macht in den Unterkönigreichen durchgesetzt ?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass er in Italien, Burgund oder Böhmen eine Briefkastenfirma hatte um seine Forderungen einzutreiben.
Und welche Rechte hatte er dort - also wurden ihm von den Unterkönigen noch zugestanden
 
Eigentlich hatte er alle Rechte, denn der Unterkönig war ja nur eingesetzt. in der Realität sah das aber anders aus, wenn der Unterkönig nicht mehr wollte und die Großen des Teilreiches dann auch mitspielten. Königsherrschaft ist nur möglich, wenn man sich immer der wichtigsten Männer versichert.
 
In Italien und Burgund gab es gar keine Unterkönige, der deutsche König war (in Italien ab 951 und nach dem Zwischenspiel Arduins von Ivrea endgültig ab 1004; in Burgund ab 1033) gleichzeitig auch König von Italien und Burgund, wenngleich die meisten nie dazu gekrönt wurden. Unterkönig war nur der König von Böhmen, denn er war dem deutschen König unterstellt, während Italien und Burgund mit dem Deutschen Reich im HRR vereinigt waren und ihre eigenen Erzkanzler hatten - allerdings hatten die Erzkanzler von Italien und Burgund keine Aufgaben, das waren rein formale Funktionen. Unter Kaiser Friedrich II. gab es den Plan, die Herzogtümer Österreich und Steiermark zu einem Königreich Österreich zu verschmelzen, das wäre dann ebenfalls ein Unterkönigtum des deutschen Königs gewesen.
Was nundie Rechte anbelangt: Der König von Böhmen hatte dieselben Rechte wie die anderen reichsunmittelbaren Fürsten, außerdem war er ja Kurfürst. Aber der Königstitel selbst brachte ihm praktisch eigentlich gar nichts.
 
der deutsche König war (in Italien ab 951 und nach dem Zwischenspiel Arduins von Ivrea endgültig ab 1004; in Burgund ab 1033) gleichzeitig auch König von Italien und Burgund,

Es gab aber durchaus Zeiten, in denen die jeweils Mächtigen in Italien und Burgund versuchten eigene Personen zum König zu krönen und nicht mit der Wahl der Mächtigen des Deutschen adels übereinstimmten.
 
Natürlich wusste der König von Böhmen, dass er ein Unterkönig war. Er gehörte schließlich zu den Reichsfürsten und war ein Kurfürst, wählte also den deutschen König.

Wenn ich das nur ein klein wenig modifizieren darf: Ob der König von Böhmen zu den Reichsfürsten gehörte, ist umstritten; die Tendenz geht allerdings eher in die Richtung, dass er keiner war, da er keine Stimme im Reichstag hatte und in der Reichskreisverfassung nicht berücksichtigt worden ist. In seinem Land hat er auch schon vor dem 16. Jahrhundert so unabhängig herrschen können wie die Könige von Polen und Ungarn, in deren Länder der ostfränkisch-deutsche König sich gelegentlich aber auch eingemischt hat. Daran ändert auch nicht die Tatsache, dass der König von Böhmen die Kurwürde besaß. Ob er also als Unterkönig des deutschen Königs zu bezeichnen ist, halte ich für fragwürdig.
 
Es gab aber durchaus Zeiten, in denen die jeweils Mächtigen in Italien und Burgund versuchten eigene Personen zum König zu krönen und nicht mit der Wahl der Mächtigen des Deutschen adels übereinstimmten.

Ja das war in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts, eben in jener Zeit in der die Kaiser ihre königliche Gewalt in Burgund und in Italien entscheidend durchsetzten. In dieser Zeit versuchten einige burgundische und italienische Große Gegenkönige zu den Kaisern aufzubauen.

z. B.
http://de.wikipedia.org/wiki/Odo_II._(Blois)
http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_V._(Aquitanien)
 
Nach dem Deutschen Wörtebuch kann mit Unterkönig folgendes gemeint sein: UNTERKÖNIG, m., gs. zum ober- oder groszkönig; vgl. überkönig. tributpflichtiger könig, dessen statthalter oder stellvertreter

Das Wort scheint taucht im 18. Jahrhundert in der deutschen Sprache auf. Im Niederländischen und Dänischen war das Wort schün früher bekannt.

Der König von Böhmen kann als dem Kaiser/römischen König tributpflichtiger König gelten.

Der Vizekönig ist der Stellvertreter des Königs, z.B. als Gouverneur in einer Kolonie oder als Stellvertreter des abwesenden Königs. Als solchen stellvertreteten Unterkönig könnte man den Pfalzgraf bei Rhein als Reichsverweser bezeichnen.
 
Zuletzt bearbeitet:
"Unterkönige" waren meiner Meinung nach Statthalter, wie die Persischen Satrapen oder die Spanischen Vizekönige. Sie herrschten in ihren Gebieten wie Könige, waren aber dem König, Großkönig oder Kaiser tributpflichtig.





"Wenn wir Moskau dem Feind überlassen, bewahren wir unsere Armee, wenn wir jedoch die Armee verlieren, ist Moskau und Russland verloren."
 
Nein, denn das waren eben keine Könige. "Unterkönig" bedeutet nicht einfach "unter einem König stehend", sondern "einem anderen König untergeordneter König". Was heutzutage und mitunter auch schon früher als "Unterkönige" bezeichnet wird, waren Herrscher, die selbst den Königstitel führten. Das taten Satrapen oder Vizekönige nicht.
 
Danke für die Richtigstellung!
Dazu noch eine Frage von mir.
Zählen die Cäsaren aus der Römischen Kaiserzeit zu den Unterkönigen, da sie den Augusti doch unterstellt waren???:grübel:
 
Nicht direkt, zum Caesar wurden ursprünglich gelegentlich designierte Erben ernannt. Inwieweit sie tatsächliche Aufgaben erhielten, lag im Ermessen des Ernenners. Erst in Diokletians Tetrarchie gab es dann eine reguläre Caesarenposition. Diese Caesaren beherrschten einen eigenen Reichsteil, insofern könnte man sie tatsächlich als eine Art "Unterkaiser" bezeichnen. Im 5. Jhdt. verkam der "Caesar" dann wieder zu einem bloßen Titel ohne Kompetenz, als der er im byzantinischen Reich noch lange fortlebte.
 
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