Online-Publikation portugiesischen Geschichte

ursi

Moderatorin
Teammitglied
Aus historicum.net

Das Zeitalter der europäischen Expansion begann nicht erst mit den Reisen des Kolumbus, sondern mit dem Vordringen portugiesischer Seefahrer entlang der afrikanischen Küste. Die Umsegelung des Kaps der Guten Hoffnung durch Bartolomeu Dias 1487/88 sowie die zehn Jahre später folgende erste Seereise Vasco da Gamas nach Indien hatte aus portugiesischer Perspektive eine ähnlich große Bedeutung, wie die Entdeckung Amerikas für Spanien. Für die beiden iberischen Mächte brachten die Entdeckungen den Aufstieg zu wirtschaftlichen und politischen Weltmächten mit sich. Der 1494 durch den Papst vermittelte Vertrag von Tordesillas, der die außereuropäische Welt zwischen Portugal und Spanien aufteilte, wurde zwar von den anderen europäischen Seemächten nie anerkannt, doch er wirft ein deutliches Licht auf die hegemonialen Ambitionen der Vertragspartner. Nachdem dynastische Umstände im Jahr 1580 dazu geführt hatten, dass die portugiesische Krone an den spanischen König Philipp II. fiel, wurde Portugal für mehr als ein halbes Jahrhundert zu einem Teil des spanischen Weltreiches. 1640 jedoch lehnte sich der portugiesische Adel gegen Philipp IV. auf und erklärte den Herzog von Bragança zum neuen König. Die folgenden kriegerischen Auseinandersetzungen, die erst 1668 im Vertrag von Lissabon beendet wurden, trugen zur Schwächung der spanischen Machtposition in Europa bei. Obwohl Portugal seinen im 15. und 16. Jahrhundert errungenen Weltmachtstatus nicht mehr zurückgewinnen konnte, blieb das Land aufgrund seines umfangreichen Kolonialbesitzes in Brasilien und Afrika ein wichtiger Faktor der Weltwirtschaft.

Angesichts der bedeutenden Rolle, die Portugal während der Frühen Neuzeit für die Geschichte Europas und der Welt spielte, fällt das Interesse unter den nicht in Portugal, Spanien oder deren ehemaligen Kolonien angesiedelten Geschichtswissenschaftlern für die portugiesische Geschichte überraschend gering aus. Eine 2002 begründete, ausschließlich in englischer Sprache gehaltene und frei zugängliche Online-Zeitschrift soll dabei helfen, größere internationale Aufmerksamkeit für Themen der portugiesischen Geschichte zu gewinnen. Seit dem Jahr 2003 veröffentlicht ein von Luís Adão da Fonseca geleitetes Herausgebergremium das zwei Mal jährlich erscheinende "E-Journal of Portuguese History". Auf der Startseite dieses Kooperationsprojekts der Universidade do Porto und der Brown University (Providence, Rhode Island) lassen sich über die Navigationsspalte zunächst Informationen zu Aims and Scope des Vorhabens abrufen. Hier wird u. a. die Anwendung des Peer-Review-Verfahrens betont, das der Qualitätssicherung der Beiträge dienen soll. Die ebenfalls über die Navigationsspalte abrufbaren Namenslisten des Editorial Board und des Advisory Board zeigen an, dass den Herausgebern das Bemühen um eine internationale Ausrichtung der Zeitschrift ein ernsthaftes Anliegen ist.

Den direkten Zugang zu den Inhalten der seit 2003 veröffentlichten Ausgaben eröffnet ebenfalls die Startseite, wobei die jeweils neueste Nummer (current issue) vom Archiv der älteren Ausgaben (back issues) abgehoben wird. Die im Sommer 2005 publizierte fünfte Nummer der Zeitschrift kann als Beispiel für die Bestandteile der Zeitschrift dienen: Unter der Überschrift "Articles" finden sich vier Aufsätze, darunter Fernando Dores Costas Beitrag "Interpreting the Portuguese War of Restoration (1641-1668) in a European Context" sowie der von Amândio Jorge Morais Barros verfasste Aufsatz "Oporto: The Building of a Maritime Space in the Early Modern Period". Alle Aufsätze können sowohl im HTML- als auch im PDF-Format angezeigt und heruntergeladen werden. Zu begrüßen ist, dass allen Aufsätzen "Abstracts" und "Keywords" vorangestellt werden. Den Aufsätzen folgt der Abschnitt "Surveys and Debates", in dem sich ein Bericht über "The Department of Portuguese and Brazilian Studies at Brown University" findet. Die dritte Abteilung "Institutions and Research" beinhaltet im Sommer 2005 u. a. eine Liste portugiesischer Dissertationen zur Geschichte der Neuzeit und zur Zeitgeschichte, und schließlich finden sich im vierten Bereich "Book Reviews" zwei Rezensionen neuerer Publikationen mit Bezug zur portugiesischen Geschichte.

Beim Durchsehen der bislang erschienenen Ausgaben fällt auf, dass Beiträge zur Frühen Neuzeit geradezu das Rückgrat dieses E-Journals darstellen: Gut 40% alle Aufsätze sind Themen dieser Epoche gewidmet. Das Bemühen um eine vergleichende Perspektive kommt z. B. in der Studie von Nuno Monteiro über "Portuguese Nobilities in the European Context (Seventeenth and Eighteenth Centuries): A Historiographical Overview" zum Ausdruck, während sich Peter C. Emmer den in den Kolonien zu konstatierenden Folgen des niederländischen Aufstands gegen die spanische Herrschaft zuwendet ("The First Global War: The Dutch Versus Iberia in Asia, Africa and the New World, 1590-1609"). Für Fragestellungen der Konfessionalisierung ist der Aufsatz von Isabel dos Guimarães Sá über "Catholic Charity in Perspective: The Social Life of Devotion in Portugal and its Empire (1450-1700)" von Nutzen. Auch der Bereich "Surveys and Debates" bietet Interessantes: Im Winter 2003 wurde zum Beispiel in fünf Beiträgen über die Notwendigkeit der Internationalisierung der portugiesischen Geschichtsschreibung debattiert, wobei sich die Diskutanten durchaus nicht auf das Werfen von Wattebäuschchen beschränkten. Für Spezialisten dürfte auch die über zwei Hefte verteilte Dokumentation von Magisterarbeiten hilfreich sein - von einer Bereitstellung digitaler Versionen dieser Arbeiten auf Dokumentenservern der jeweiligen Universitäten ist allerdings nicht die Rede.

Das E-Journal verfügt über eine Suchfunktion, wobei jedoch nur eine einfache Stichwortsuche angeboten wird. Bei den einzelnen Rechercheergebnissen wird jeweils der Link Match Info angeboten, nach dessen Anklicken man direkt beim ersten Treffer innerhalb eines Zeitschriften-Beitrags landet. Klickt man den Link Show Parents an, wird die Zeitschriftennummer angezeigt, in der der Beitrag zu finden ist. Im Vergleich zu den einzelnen Ausgaben der Zeitschrift ist der Webseiten-Service News and announcements noch schlecht gefüllt. Das kontinuierliche Erscheinen seit dem Start im Jahr 2003, die Verknüpfung von Aufsätzen mit diskursiven und dokumentierenden Komponenten, das ansprechende Erscheinungsbild sowie die interessante Themenmischung lassen hoffen, dass das "E-Journal" die verdiente internationale Aufmerksamkeit findet und auch in Zukunft florieren wird.

[Gregor Horstkemper, 28. November 2005]

Link:
http://www.brown.edu/Departments/Portuguese_Brazilian_Studies/ejph/
 
Zurück
Oben