17. Juni, früherer Nationalfeiertag

M

Markus 1962

Gast
Sehr geehrte GeschichtswissenschaftlerInnen,

die Erklärungen, die ich zum Thema gefunden habe, sind für mich unbefriedigend. Daher wäre für mich interessant zu erfahren, wer damals den Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht hat und wie seine Begründung war. Ggf. auch wie die politische Einstellung dieses Abgeordneten im Allgemeinen eingeschätzt werden kann.

Vielen Dank.

Herzlich grüßt Sie...
 
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Sehr geehrte GeschichtswissenschaftlerInnen,

die Erklärungen, die ich zum Thema gefunden habe, sind für mich unbefriedigend. Daher wäre für mich interessant zu erfahren, wer damals den Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht hat und wie seine Begründung war. Ggf. auch wie die politische Einstellung dieses Abgeordneten im Allgemeinen eingeschätzt werden kann.

Vielen Dank.

Herzlich grüßt Sie ...

@Markus

Hier könntest Du fündig werden in Bezug auf Deine Frage.

Vergl.: dort Textziffer 13870B, beinhaltet die Lesungen zum Gestz über den Nationalfeiertag 17. Juni. Quelle: Dokumentationsdienst des Bundestages, Protokoll vom 1. Juli 1953, 278. Sitzung.

http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/01/01278.pdf

M.
 
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Ich konnte nie ganz nachvollziehen, warum man nach der Wiedervereinigung diesen Feiertag abgeschafft hatte? Der 3. Oktober schien mir da ein willkürlich gewählter Tag von nur formeller Bedeutung, da hätte ich den 9. November viel sinnvoller gefunden, bin aber kein Deutscher, habe aber immer viel Deutsches Fernsehen und Politik verfolgt.
 
Der 3. Oktober hat eine ganz seltsame Vorgeschichte:
1. Kanzler Kohl hat der DDR-Volkskammer praktisch vorgegeben, an welchem Tag sie den Beschluss fassen solle, um diesen Tag zu definieren,
2. Am 03.10.1988 war Franz-Josef Strauß gestorben
3. Helmut Kohl und FJS galten als Intimfeinde.

Aus meiner westdeutschen Sicht hätte ich die Beibehaltung des 17. Juni absolut bevorzugt: Ein Symbol für den Widerstand der DDR-Bevölkerung gegen das sowjetische Diktat. Mich würde ja mal interessieren, ob Menschen mit DDR-Hintergrund das eher ebenso sehen oder eher als Arroganz des Westens emfinden.
 
Ich kann mich erinnern, dass die Wiedervereinigung in einem engen Zeitraum, ca. Anfang Oktober stattfinden sollte, wobei der genaue Tag vorgegeben werden sollte.

Vorgegeben insoweit, als das zu wählende Datum historisch unbeleckt, also "unbeschwert" sein sollte. Kohl (der ja selbst Historiker ist) wollte da wohl jede Panne ausschließen. In einem Kommentar damals hieß es sinngemäß, man wollte nicht irgendeinen Tag festlegen und dann hinterher feststellen müssen, dass an eben jenem Tag vor vielen Jahren ein Massaker der SS stattgefunden hatte.

Kohl ließ also Tag für Tag unter die Lupe nehmen. Der 3. Oktober war ein historisch unbelasteter...

Mit FJS hatte das ganze übrigens nichts zu tun.

Aus diesem Grund wurde auch der 9.11. nicht genommen. Nicht nur, weil man damit noch einen weiteren Monat verloren hätte (Kohl drängte zur Eile!), sondern auch, weil der 9.11. an negative Ereignisse erinnerte (Reichspogromnacht).
 
Mich würde ja mal interessieren, ob Menschen mit DDR-Hintergrund das eher ebenso sehen oder eher als Arroganz des Westens emfinden.

Auf die Idee, dass es sich bei der Festlegung des Datums des Feiertages um eine Arroganz seitens des Westens handelt, bin ich noch nicht gekommen. Da gab es viele andere Erscheinungen in dieser Zeit, diese jedenfalls gehörte nicht dazu.
Habe in dieser Richtung auch nichts aus meinem Bekanntenumfeld gehört.

Klar war, es muss einen Feiertag geben.

Hochanzurechnen ist es dem damaligen Bundeskanzler, dass er bei der Festlegung des Datums sehr verantwortungsvoll gehandelt hat.
Bei der bewegten Geschichte der Deutschen muss man dies sicher auch tun, ich meine, genau hingucken welcher Tag da nur in Frage kommen könnte.

Die Eile die da eine Rolle spielte, hat wohl auch seinen Grund, einen Hintergrund.
Die Frage die sich sehr bald stellte, wie lang halten die Russen dieses Zeitfenster offen?
So abwegig war das nicht gedacht, dh. entweder verhandeln die Russen nach (Risiko?, Ausgang?) oder schließen es gar.
Zu diesem Zeitpunkt war das Fenster offen, also galt es zu handeln und genau das hat der Kanzler getan.

Der 17.06.1953...
Hier gilt die Proklamation des Bundespräsidenten vom 17.06.1963 in der er den 17.06.1953 auch zum „Nationalen Gedenktag des deutschen Volkes“ erhob. Siehe BGBL Teil I, Nr. 31 vom 24.06.1963.
 
Ich konnte nie ganz nachvollziehen, warum man nach der Wiedervereinigung diesen Feiertag abgeschafft hatte? Der 3. Oktober schien mir da ein willkürlich gewählter Tag von nur formeller Bedeutung, da hätte ich den 9. November viel sinnvoller gefunden, bin aber kein Deutscher, habe aber immer viel Deutsches Fernsehen und Politik verfolgt.

Wie auch in den vorherigen Beiträgen bereits gesagt, war der 03. Oktober ein "historisch unbelastetes" Datum. Der 9. November (Tag des Mauerfalls 1989) war mit der Programmnacht von 9. November 1938 zu stark verbunden. Übrigens war der 9. November 1918 auch der Tag, an dem die Republik doppelt ausgerufen worden ist.

Der 03. Oktober ist natürlich ein Tag von formeller Bedeutung (Beitritt der neuen Länder zur Bundesrepublik), aber letztendlich wurde damit materiell die Einheit Deutschlands verwirklicht.
 
Der 3. Oktober hat eine ganz seltsame Vorgeschichte:
1. Kanzler Kohl hat der DDR-Volkskammer praktisch vorgegeben, an welchem Tag sie den Beschluss fassen solle, um diesen Tag zu definieren,
2. Am 03.10.1988 war Franz-Josef Strauß gestorben
3. Helmut Kohl und FJS galten als Intimfeinde.

Vor allem hätte sich am 7. Oktober das Gründungsdatum der DDR erneut gejährt und auf die 41 Jahre wollte man diesen Unrechtsstaat nicht mehr kommen lassen. Man konnte aber erst nach dem 2. Oktober die Einheit vollziehen.
 
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Vor allem hätte sich am 7. Oktober das Gründungsdatum der DDR erneut gejährt und auf die 41 Jahre wollte man diesen Unrechtsstaat nicht mehr kommen lassen. Man konnte aber erst nach dem 2. Oktober die Einheit vollziehen.

Siehe hier:
Warum ist der 9. November nicht "Tag der deutschen Einheit" geworden? | MDR.DE

Zudem war es wohl eine formelle diplomatische Frage, die KSZE-Außenministerkonferenz am 2.10.1990 abzuwarten. Nach der Bericht soll es in den Einigungsvertrags-Verhandlungen vom Juli und August 1990 ein Vorschlag der Bundesregierung für Artikel 2 gewesen sein, den 15.10. zu wählen.
 
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Vielen Dank.

An alle, die sich Gedanken zum Thema gemacht haben herzlichen Dank.

Bei einer Stadtführung war die Frage nach dem Sinn der Festlegung auf den 17. Juni aufgetaucht. Abgesehen davon, dass es sich ja im kalten Krieg auch um eine politische Entscheidung handelte und Revanche eine Rolle gespielt haben könnte, war für mich auffallend, dass an diesem Tag auch ein Namenstag gefeiert wird, nämlich der des Bischofs Adolf von Utrecht.

Herzlich grüßt Sie ...
 
zum 3.10. habe ich diese Stelle gefunden:

Die Festlegung des Termins 3. Oktober erfolgte in einer am 22. August 1990 vom damaligen DDR-Ministerpräsidenten und CDU-Politiker Lothar de Maizière beantragten Sondersitzung der Volkskammer, die um 21 Uhr begann. Nach hitziger Debatte gab die ehemalige Präsidentin der Volkskammer, Sabine Bergmann-Pohl, um 2.30 Uhr am 23. August als Abstimmungsergebnis bekannt:
„Die Volkskammer erklärt den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes mit der Wirkung vom 3. Oktober 1990. Das liegt Ihnen in der Drucksache Nr. 201 vor. Abgegeben wurden 363 Stimmen. Davon ist keine ungültige Stimme abgegeben worden. Mit Ja haben 294 Abgeordnete gestimmt. Mit Nein haben 62 Abgeordnete gestimmt, und sieben Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Meine Damen und Herren, ich glaube, das ist ein wirklich historisches Ereignis. Wir haben uns die Entscheidung alle sicher nicht leicht gemacht, aber wir haben sie heute in Verantwortung vor den Bürgern der DDR in der Folge ihres Wählerwillens getroffen. Ich danke allen, die dieses Ergebnis im Konsens über Parteigrenzen hinweg ermöglicht haben.“

nach zulesen bei: Tag der Deutschen Einheit - 3. Oktober
 
Abgesehen davon, dass es sich ja im kalten Krieg auch um eine politische Entscheidung handelte und Revanche eine Rolle gespielt haben könnte, war für mich auffallend, dass an diesem Tag auch ein Namenstag gefeiert wird, nämlich der des Bischofs Adolf von Utrecht.

Bei der Entscheidung für/gegen den 17. Juni als Nationalfeiertag wird der Name des katholischen Heiligen jedoch keine Rolle gespielt haben.
 
Alles interessante Hinweise. Zu allem Überfluss war am 9. November 1923 der Hitlerputsch... also hatte dieses Datum wohl wirklich keine Chance.
 
Alles interessante Hinweise. Zu allem Überfluss war am 9. November 1923 der Hitlerputsch... also hatte dieses Datum wohl wirklich keine Chance.


Man kann auch anders herum argumentieren: Am 9. November wurde Hitler gestoppt, der Putsch niedergeschossen.

Aber der 9.11. ist nun mal ein sehr kontroverser Tag in der deutschen Geschichte, im positiven wie im negativen.
 
Vielleicht hat auch eine Rolle gespielt, dass der 17. Juni in der Bundesrepublik zum Zeitpunkt der Wende viel von seiner einstigen politischen Bedeutung verloren hatte. Ich kann mich erinnern, dass er bei uns sowohl in der Schule als auch daheim quasi wie ein beweglicher Ferientag behandelt wurde und wir nie erklärt bekamen, was an diesem Tag passiert war.
Das muss in den 1950er Jahren noch anders gewesen sein, als an diesem Tag z.B. in manchen grenznahen Gebieten, etwa dem Harz, noch große Mahnfeuer angezündet wurden, Kundgebungen veranstaltet etc.
 
Man kann auch anders herum argumentieren: Am 9. November wurde Hitler gestoppt, der Putsch niedergeschossen.

Aber der 9.11. ist nun mal ein sehr kontroverser Tag in der deutschen Geschichte, im positiven wie im negativen.

Mittlerweile habe ich zum Thema Novemberpogrome auf Wikipedia dies gefunden:

"1990 war der 9. November zeitweise auch als deutscher Nationalfeiertag im Gespräch. Wegen des Mauerfalls von 1989 stand das Datum für den entscheidenden Durchbruch zur Wiedervereinigung. Es hätte zudem einen Bezug zu einigen historischen Ursachen der Novemberpogrome hergestellt: zur Novemberrevolution von 1918 sowie zum Hitler-Ludendorff-Putsch von 1923. Darin sah eine Minderheit der Bundestagsabgeordneten eine Chance zu einer gesamtdeutschen Identität, die die Freude über die Wiedervereinigung bewusst mit der Erinnerung an den Wendepunkt zum Holocaust als tiefster Schattenseite der deutschen Geschichte verbindet."

Dieser Meinung hätte ich mich angeschlossen.
 
Man kann auch anders herum argumentieren: Am 9. November wurde Hitler gestoppt, der Putsch niedergeschossen.

Das schon, nur bleibt zu bedenken, dass dieser Tag während der Nazizeit völlig hochstilisiert wurde (ob es Feiertag war oder nicht weiss ich jetzt nicht). Hitler und sein Rudel "wiederholten" ihren Marsch von damals jedes Jahr, schritten andächtig und ohne Kopfbedeckung die Strecke von 1923 ab, zum Abschluss gab es dann den letzten Appel der damals "gefallenen Kameraden".
 
Vielleicht hat auch eine Rolle gespielt, dass der 17. Juni in der Bundesrepublik zum Zeitpunkt der Wende viel von seiner einstigen politischen Bedeutung verloren hatte. Ich kann mich erinnern, dass er bei uns sowohl in der Schule als auch daheim quasi wie ein beweglicher Ferientag behandelt wurde und wir nie erklärt bekamen, was an diesem Tag passiert war.
Das muss in den 1950er Jahren noch anders gewesen sein, als an diesem Tag z.B. in manchen grenznahen Gebieten, etwa dem Harz, noch große Mahnfeuer angezündet wurden, Kundgebungen veranstaltet etc.


Im Mai / Juni liegen einige Feiertage, vielleicht hat dann der ein oder andere den Überblick verloren, ob man nun gerade Christi Himmelfahrt, Fronleichnam, Pfingsten oder den Tag der deutschen Einheit beging. Im Juni mit seinen langen Tagen und dem häufigen warmen Wetter war ein Feiertag immer gerne gesehen.

Andererseits kann ich mich erinnern, dass am 17. Juni auch einiges an Dokumentationen auf den drei öffentlich-rechtlichen TV-Sendern ausgestrahlt wurde, die sich mit dem 17. Juni bzw. der deutschen Teilung beschäftigten. Die Jugendorganisation der CDU, die Junge Union (JU), hat auch an diesem Tag an der Mauer in Berlin (auf der westlichen Seite natürlich) demonstriert. Das führte gelegentlich auch zu Problemen, wenn die Angehörigen der JU mit Reisebussen aus der Bundesrepublik über die Transitwege nach Berlin (West) fahren wollten. Da wurde m. W. auch schon der ein oder andere Reisebus an der innerdeutschen Grenze gestoppt und an der Transitdurchfahrt gehindert, so dass er wieder umkehren mußte.
 
Zeitweilig war ja auch der 18. März als neuer nationaler Feiertag im Gespräch. Er hätte sowohl an die ersten und einzigen freien Volkskammerwahlen in der DDR am 18. März 1990 erinnert, als auch an die Kämpfe in Berlin während der Revolution 1848. Es reichte dann aber doch nur zur Umbenennung des Platzes am Brandenburger Tor.
 
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