Bäcker in der DDR

ichwillwissen

Neues Mitglied
sehr geehrte damen und herren,
ich wollte etwas über das procedere wissen, wie das bäckerhandwerk in der frühzeit der DDR in die produktionsgenossenschaften überführt wurden (lief das so ähnlich ab wie bei den LPGs, wo es bis anfang 1960 ja noch selbständige bauern gab?).
präzisiert lautet meine frage: gab es selbständige bäcker in der ddr? und wenn ja, wie lange?
vielen dank für Ihre hilfe!
 
Auf 2 Dörfern bei uns in der Umgebung bis kurz nach der Wende. Das waren die wo die Leute auch von weiter her kamen (10-20 km).
Dann ist der eine gestorben und der andere hat Pleite gemacht.
 
@ichwillwissen

Deine Frage ist ganz klar mit "Ja" zu beantworten. In der DDR gab es bis 1989 selbstständige, private Bäcker. Allerdings waren sie den staatlichen Preisvorschriften unterworfen und wahrscheinlich auch Sortimentsvorschriften (also z.B. das Verhältnis von Kuchen <=> Brot etc.). Letzteres aber als Vermutung.

Betrieb mit staatlicher Beteiligung ? Wikipedia <= Letzter Satz.

Eingebunden waren diese kleinen privaten Handwerks-, Dienstleistungs- und Verkaufsbetriebe in die staatliche Wirtschaftsregulierung durch:

- Materialzuteilung
- Preisfestsetzung
- Subventionszahlung (für z.B. die Produktion von Grundnahrungsmittel)

Um bei den Bäckern zu bleiben. So kostete in der gesamten DDR bis 1989 ein Brötchen 5 Pfennig. Egal ob von privaten Bäckern, PGH oder staatlichen Unternehmen hergestellt und verkauft. Man muß kein Bäcker sein, um zu erkennen, daß z.B. in den 1980'er Jahren kein Brötchen für 5 Pfennig hergestellt werden konnte (Materialeinsatzkosten, Arbeitskosten, allgemeine Betriebsskosten etc.) auch nicht unter den Bedingungen der DDR. Daher hingen die privaten Bäckereien sozusagen am "Subventionstropf" des Staates.

M.
 
Zuletzt bearbeitet:
sehr geehrte damen und herren,
ich wollte etwas über das procedere wissen, wie das bäckerhandwerk in der frühzeit der DDR in die produktionsgenossenschaften überführt wurden (lief das so ähnlich ab wie bei den LPGs ...

Soweit ich mit Restitutionsansprüchen zu tun hatte, ergab sich daraus eigentlich nur, dass die Vermögensgegenstände in die PGHs überführt worden sind. NmE (da gab es Statistiken) waren so etwa 2/3 der Handwerksbetriebe gegen Ende der DDR-Zeit in PGHs.

Ich habe noch einige Statistische Jahrbücher der DDR um 1960/1980. Die Vergenossenschaftlichung war ein Prozess, der über die Jahrzehnte ablief. in den frühen Jahrbüchern waren stets noch größere Zahlen selbständiger Betriebe ausgewiesen.
 
Bäcker und Fleischer waren überwiegend privat. Die Produkte der Großbäckereien wurden überwiegend in Kaufhallen und Konsum-oder HO- Lebensmittelgeschäften verkauft. Die Qualität der Produkte von Privatbäckereien war aber wesentlich besser.
 
...

... Die Vergenossenschaftlichung war ein Prozess, der über die Jahrzehnte ablief. in den frühen Jahrbüchern waren stets noch größere Zahlen selbständiger Betriebe ausgewiesen.

Diese Beschreibung der Vergenossenschaftlichung des Handwerkes ist m.E. vollkommen richtig. Im Gegensatz zur Landwirtschaft (LPG, "sozialistischer Frühling") gab es m.E. keine regelrechte Kampagne zur Vergenossenschaftlichung des Handwerkes.

M.
 
Bäcker und Fleischer waren überwiegend privat.

Das beschreibt einen einen komplizierten Hintergrund.

Die in PGHs zusammengeschlossenen Bäcker mussten nmE die Produktionsmittel/Grundmittel in die PGH überführen. Die PGH bilanzierte die Vermögenswerte (einfach ausgedrückt: Backstube, Laden etc.). Die Umsätze liefen ebenfalls zusammen. Die Einkäufe an Umlaufmitteln (Mehl etc.) liefen ebenfalls zentriert ab und wurden angeliefert.

Man könnte das marktwirtschaftlich mit Franchise-Systemen vergleichen, etwa McD oder Burger.

Daneben gab es noch die selbständigen Handwerker, die das Vermögen nicht in PGHs überführt hatten, 1989 etwa 100.000.
 
sehr geehrte damen und herren,
ich wollte etwas über das procedere wissen, wie das bäckerhandwerk in der frühzeit der DDR in die produktionsgenossenschaften überführt wurden (lief das so ähnlich ab wie bei den LPGs, wo es bis anfang 1960 ja noch selbständige bauern gab?).
präzisiert lautet meine frage: gab es selbständige bäcker in der ddr? und wenn ja, wie lange?
vielen dank für Ihre hilfe!


Eine der ganz wenigen Institutionen die alle Reiche und Republiken in Ost und West recht unbeschadet überstanden haben, sind die
Handwerkskammern.
Für Fragen dieser Art zweifelsohne die erste Adresse.
Ich würde mich zB hierhin wenden
 
Bäcker und Fleischer waren überwiegend privat.

Nach den Beschäftigtenzahlen sind Bäcker (wie auch das Fleischerhandwerk, anders zB Bauhandwerk) ganz überwiegend privat organisiert gewesen:

Zahlen 1979:

Bäcker-, Fleischerhandwerk: rd. 7750 Beschäftigte in 130 PGHs
privat organisiert: 56.600 in 11.500 Betrieben

Gesamtes Handwerk, Beschäftigte:
151.500 in PGHs
247.900 in selbständigen Betrieben
 
Nach den Beschäftigtenzahlen sind Bäcker (wie auch das Fleischerhandwerk, anders zB Bauhandwerk) ganz überwiegend privat organisiert gewesen:

Zahlen 1979:

Bäcker-, Fleischerhandwerk: rd. 7750 Beschäftigte in 130 PGHs
privat organisiert: 56.600 in 11.500 Betrieben

Gesamtes Handwerk, Beschäftigte:
151.500 in PGHs
247.900 in selbständigen Betrieben

Zahlen vom 09.11.1989
Das Handwerk in der DDR zählt nur noch 82.672 private Betriebe mit 262.651 Beschäftigten sowie 2.178 PGH mit 163.663 Beschäftigten. 1949 gab es noch 303 821 Betriebe mit 858 000 Beschäftigten.
Nach dem Fall der Mauer übernahm das Handwerk eine Vorreiterrolle beim demokratischen Neuaufbau. Noch vor der Wiedervereinigung De
[FONT=Arial, Helvetica, sans-serif]utschlands wurde im Ostthüringer Handwerk am 09.11.1989 mit Unterstützung der Handwerkskammer für Oberfranken, Bayreuth, der Demokratisierungsprozess, basierend auf dem Gesetz des Handwerks vom 17.09. 1953 der BRD, eingeleitet.[/FONT]


[FONT=Arial, Helvetica, sans-serif]Von der Seite der HWK Gera[/FONT]




[FONT=Arial, Helvetica, sans-serif]Die Organisation des Handwerks über die Zeiten der dt. Reiche und Staaten hinweg, wäre ein überaus interessantes Thema.
[/FONT]
[FONT=Arial, Helvetica, sans-serif]Sprengt aber die Anfrage in jeder Hinsicht.[/FONT]


[FONT=Arial, Helvetica, sans-serif]Eine "Erweiterungsfrage" hat hier jemand Einblick in die Entwicklung des tschechischen Handwerks, von Kaiser FJ bis heute?
[/FONT]
 
Und ganz am Rande noch eine köstliche DDR-Erzählung, in der ein privater Bäcker, der die besten Brötchen weit und breit macht, den Aufhänger spielt: "Der dritte Nagel" von Hermann Kant. Der Ich-Erzähler versucht da, privilegierter Kunde des Bäckers zu werden und muß dafür eine ganze Kette von Beziehungen spielen lassen und für zich Leute schwer erhältliche Sachen besorgen. :yes:
 
...Nach dem Fall der Mauer übernahm das Handwerk eine Vorreiterrolle beim demokratischen Neuaufbau. ...

Könntest Du so freundlich sein und zu der "Vorreiterrolle" des privaten Handwerks in der ehemaligen DDR bei der Demokratisierung, ein, zwei resp. drei Beispiele zu nennen. Sei bitte nicht sauer, aber da erschließt sich mir Dein Argumentarium nicht ganz. Auch nicht zur historischen Einordnung der Handwerkskammern.

M.
 
Könntest Du so freundlich sein und zu der "Vorreiterrolle" des privaten Handwerks in der ehemaligen DDR bei der Demokratisierung, ein, zwei resp. drei Beispiele zu nennen. Sei bitte nicht sauer, aber da erschließt sich mir Dein Argumentarium nicht ganz. Auch nicht zur historischen Einordnung der Handwerkskammern.

M.

Verstehe ich nicht ganz.
Die "Vorreiterrolle" ist Selbsteinschätzung des Handwerks.

zB Wiki über die genannte Handwerkskammer Dresden
Noch vor der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten schloss sich das Deutsche Handwerk am 21. Juni 1990 im sächsischen Zwickau zusammen.
von da
hatte ich eigentlich darauf hingewiesen.

Oder/und meinst Du
Eine der ganz wenigen Institutionen die alle Reiche und Republiken in Ost und West recht unbeschadet überstanden haben, sind die
Handwerkskammern.
 
Die "Vorreiterrolle" ist Selbsteinschätzung des Handwerks.

Das ist vermutlich Bestandteil des Marketings und der Verbandsarbeit.

Berufsständische Kammern der Selbstverwaltung, somit auch Handwerkskammern, sind idR Zwangs-Körperschaften, üben hoheitliche Tätigkeit aus, und sind somit zB in der Berufsaufsicht auch Träger staatlicher Gewalt (-> Sanktionen, Bestellungen etc.).

Ein Zusammenschluss war rechtlich mit der Beendigung der Zweistaatlichkeit möglich. Kontakte wie die beschriebenen fanden seit dem Frühjahr 1990 auf allen Ebenen und bei allen Verbänden, Vereinigungen etc. statt.
 
Erfahrung heute und gestern!

Urlaub 2008 - in der Nähe von Kahla, wiederum in der Nähe von Jena.

Die nächste Bäckerei unserer Ferienwohnung ca. 10 Minuten Autofahrt, praktisch von Ort zu Ort, wobei ein Geländewagen unsere Durchschnittsgeschwindigkeit erheblich erhöht hätte.

Ich fahre durch Kahla (ich komme gebürtig aus der Gegend) auf der Suche nach einer Bäckerrei, alles Grau, die Strassen mit fussballgroßen Kopfsteinpflaster ... ich dachte, wow, besser hätte ich meiner (Wessi)Frau, den Osten nicht beschreiben können ... doch es kam noch härter!

Beim Bäcker angekommen, wollten wir für die Familie (2 Erwachsene 2 Kinder) eine über 10 Brötchen große Spontanbestellung abgeben. Als ich die Antwort hörte, dachte ich sofort an den Film, Back to the Future, ...Antwort: "Also da hätten Sie vorbestellen müssen!" ....:rofl:

Ich habe dann später meiner Familie gesagt, dass diese Aktion so nah, wie nur möglich an der Realität von ca. 1986 war ... das nenne ich eine Nostalgiereise durch die DDR, eigendlich fehlte nur noch eine entsprechende Beflaggung an den Grau in Grau Häusern.

Kleiner Tipp, wer die DDR nochmals erleben will, Kahla ist eine Reise wert ....:scheinheilig:

Oder manchmal ändert sich nüschd ...
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist vermutlich Bestandteil des Marketings und der Verbandsarbeit.

Berufsständische Kammern der Selbstverwaltung, somit auch Handwerkskammern, sind idR Zwangs-Körperschaften, üben hoheitliche Tätigkeit aus, und sind somit zB in der Berufsaufsicht auch Träger staatlicher Gewalt (-> Sanktionen, Bestellungen etc.).

Ein Zusammenschluss war rechtlich mit der Beendigung der Zweistaatlichkeit möglich. Kontakte wie die beschriebenen fanden seit dem Frühjahr 1990 auf allen Ebenen und bei allen Verbänden, Vereinigungen etc. statt.


Natürlich.

Es ging mir lediglich darum, dass der Anfrager bei den HWK´s, nicht zuletzt auf Grund der Kontinuität fundierte Auskünfte bekommen kann.

Die Organisation des Handwerks vom Ende des alten Reichs 1805 bis heute, wäre allerdings ein sehr interessantes Thema.
Zunftwesen - Gewerbefreiheit - großer Befähigungsnachweis
nur mal als Stichworte.
 
[FONT=Arial, Helvetica, sans-serif][/FONT][FONT=Arial, Helvetica, sans-serif][/FONT]

Dann nochmal zurück zu den Daten 1949-1979-1989. Zwischen den beiden letzten Zeitpunkten besteht kein großer Unterschied mehr, bzw. Stagnation.

Wie erklärst Du Dir den Abbau nach 1949 in den kumulierten Beschäftigtenzahlen PGHs und Private?


Zuerstmal, und ohne Witz.
Die sind in Mengen in den Westen geflüchtet. Zumindest bis 61
Tatsache!
Gut ausgebildete Fachleute haben in den Jahren der Vollbeschäftigung und des Wirtschaftswunders in der BRD die besten Chancen gehabt.

Morgen mehr.
 
Zurück
Oben