Deutsche Wiederverenigung - Welche Rolle spielten die Siegermächte ?

DarkMoon31

Neues Mitglied
Guten Tag,

Ich hab mich vor einiger Zeit ein bisschen über die deutsche Wiedervereinigung belesen. Mir ist jedoch eine Frage gekommen auf die ich im Internet keine wirkliche Antwort fand.

Welche Rolle spielten die Siegermächte bei der Wiedervereinigung ?

Könnte das bitte jemand zusammengefasst auflisten ?

Liebe Grüße.
 
Hey Turgot, Danke für die Links, haben mir wirkich weitergeholfen.
 
ich glaube, dass eine der zentralen Fragen war, ob die damalige Sowjetunion die Einheit akzeptiert (ja/nein). Helmut Kohl hat da bei Michail Gorbatschow ziemlich weibeln müssen.

Deutsche Wiedervereinigung ? Wikipedia

Nach meiner Erinnerung hat Gorbatschow die Deutsche Einheit selbst relativ schnell akzeptiert. Der Knackpunkt war die von der Bundesregierung angestrebte NATO-Mitgliedschaft des wiedervereinten Deutschland. Da war von Kohl großes diplomatisches Geschick notwendig.
 
Nach meiner Erinnerung hat Gorbatschow die Deutsche Einheit selbst relativ schnell akzeptiert. Der Knackpunkt war die von der Bundesregierung angestrebte NATO-Mitgliedschaft des wiedervereinten Deutschland. Da war von Kohl großes diplomatisches Geschick notwendig.

Kohl? Oder doch Genscher? Ein großes Hindernis war die Eiserne Lady, Margaret Thatcher. Sie hatte, genauso wie die Franzosen Angst vor einem vereinten Deutschland. Wenn man das gebaren der Deutsche Politiker ab etwa 1860 bis 1945 sieht, war das auch nicht ganz aus der Luft gegriffen.
Bis zur Wiedervereinigung war weder die BRD als auch die DDR nicht komplett Souverän. Auch wenn man sich das als Westdeutscher gerne eingebildet hat.

Apvar
 
Mit Verlaub, ich habe mir als Westdeutscher nicht eingebildet, Bürger eines souveränen Staates zu sein.

Mitterand hat sich sein Ja zur Einheit teuer bezahlen lassen. Für den Erhalt der Einheitswährung wird ja die Bundesrepublik aktuell ja gerade in großen Stil herangezogen.

Und anzumerken ist auch, das Gorbatschow dringend sehr große Summen für sein Land benötige, denn seine Wirtschaftsreformen waren bis dato nicht erfolgreich gewesen. Die wirtschaftliche Lage der Sowjetunion war alles andere als rosig. Gorbatschow ließ sich sein Ja ebenfalls teuer bezahlen.

apvar schrieb:
Wenn man das gebaren der Deutsche Politiker ab etwa 1860 bis 1945 sieht, war das auch nicht ganz aus der Luft gegriffen.

Die Bundesrepublik hatte über Jahrzehnte hinweg glaubwürdig gezeigt, das sie ein zuverlässiger Bündnispartner ist und außerdem auch eine gefestigte Demokratie. Das Mißtrauen empfand ich als nicht gerechtfertigt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kohl? Oder doch Genscher?
Nö. Kohl hat mit Gorbatschow locker geplaudert - die Bilder habe ich heute noch vor Augen. Und danach war alles "geritzt". :)
Ein großes Hindernis war die Eiserne Lady, Margaret Thatcher. Sie hatte, genauso wie die Franzosen Angst vor einem vereinten Deutschland. Wenn man das gebaren der Deutsche Politiker ab etwa 1860 bis 1945 sieht, war das auch nicht ganz aus der Luft gegriffen.
Bis zur Wiedervereinigung war weder die BRD als auch die DDR nicht komplett Souverän. Auch wenn man sich das als Westdeutscher gerne eingebildet hat.

Apvar
Na ja - vor allem wohl wegen 1933-45.
Ein sehr schlimmer schwarzer Fleck in der deutschen Geschichte. Hätte nie passieren dürfen, aber...
:(

Auf Bismarck dagegen lasse ich nichts kommen - der war schon genial für seine Zeit.
:)
 
Zuletzt bearbeitet:
Mit Verlaub, ich habe mir als Westdeutscher nicht eingebildet, Bürger eines souveränen Staates zu sein.

Die Bundesrepublik hatte über Jahrzehnte hinweg glaubwürdig gezeigt, das sie ein zuverlässiger Bündnispartner ist und außerdem auch eine gefestigte Demokratie. Das Mißtrauen empfand ich als nicht gerechtfertigt.

Als Schüler und auch als Junger Erwachsener war mir und auch vielen anderen nicht klar, das die BRD nicht vollständig Souverän war. Der Alliierte Kontrollrat war ja in 80'ern schon lange abgeschafft.

Das Misstrauen war ungerechtfertigt. Trotzdem war es dar.

Apvar
 
Nö. Kohl hat mit Gorbatschow locker geplaudert - die Bilder habe ich heute noch vor Augen. Und danach war alles "geritzt". :)

Na ja - vor allem wohl wegen 1933-45.
Ein sehr schlimmer schwarzer Fleck in der deutschen Geschichte. Hätte nie passieren dürfen, aber...
:(

Auf Bismarck dagegen lasse ich nichts kommen - der war schon genial für seine Zeit.
:)

Die Grundlagen für die Zeit von 33-45 sind aber schon früher gelegt worden. Antisemitismus gab es schon in der Kaiserzeit. Und das Grossmachtgebaren von unserem letzten Kaiser hat viele andere Staaten verstört (Ein Platz an der Sonne). Aber das ist OT.

Apvar
 
Die Grundlagen für die Zeit von 33-45 sind aber schon früher gelegt worden. Antisemitismus gab es schon in der Kaiserzeit.
Den gab es schon im Mittelalter und zwar in ganz Europa. Selbst Judenprogrome sind keine "Erfindung" der Nazis. Nur das erreichte Ausmaß - das war bei den Nazis etwas neues. Und der Organisationsgrad, der durch eine klar antijüdische Ideologie untermauert wurde. Ich mag übrigens im Bezug auf die Naziideologie den Begriff "Antisemitismus" nicht, denn auch die Araber sind Semiten und gegen die hatten die Nazis nichts. "Antisemitismus" ist deshalb schon wieder eine aus meiner Sicht ungerechtfertigte Verallgemeinerung. Man müßte hier also tatsächlich von Antizionismus oder eben von einer u.a. antijüdischen Ideologie sprechen.
Und das Grossmachtgebaren von unserem letzten Kaiser hat viele andere Staaten verstört (Ein Platz an der Sonne). Aber das ist OT.

Apvar
Ja, wir sind etwas OT, aber was solls... :pfeif:

Der zweite Wilhelm hat tatsächlich einige Staaten verschreckt, aber wohl vor allem aus politischer Unberechenbarkeit und Ungeschicktheit. Er war kein guter Diplomat. Das mit dem "Großmachtsgebaren" - na ja, Deutschland kam als einheitlicher Staat relativ spät auf die "europäische Bühne". Natürlich wollte man sich degenüber den übrigen Nationen in Europa emanzipieren und da meinte W. II wohl, dies mit großem tamtam machen zu müssen.
Aber ich würde ich die Frage im Grunde genommen dennoch anders herum stellen:
Mit welchem Recht versuchten die übrigen europäischen Großmächte, Deutschland künstlich klein zu halten?
Dazu war die wirtschaftliche Potenz Deutschlands einfach zu groß. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen.
 
Welche Rolle spielten die Siegermächte bei der Wiedervereinigung ?
Die USA waren daran interessiert ihren Einflussbereich in Europa auf Osteuropa auszudehnen. Das setzte aber voraus, dass dem "freien Osteuropa" eine Perspektive der Sicherheit (vor der SU/Russland) vermittelt werden konnte. Am besten konnte dies durch ein wiedervereinigtes Deutschland in der Mitte Europas geschehen sozusagen als Brücke zu Osteuropa, wenn diese Mitte Mitglied der westlichen Bündnisse blieb.

Die Sowjetunion konnte 1990 noch nicht einmal das Baltikum im eigenen Herrschaftsbereich halten. Da machte es keinen Sinn, die noch weiter westlich gelegene DDR im sowjetischen Einflussbereich halten zu wollen. Als sich dieser Realismus durchzusetzen begann, ging es primär darum, die Kriegsbeute DDR, deren Unterhalt man sich nicht mehr leisten konnte, zu einem Zeitpunkt loszuwerden, in dem man für die DDR noch wirklich viel verlangen konnte. Auch ging es darum, sich das wiedervereinigte Deutschland als Partner zu sichern.

Mitterand war nicht gegen die Wiedervereinigung sondern sorgte sich um die Reihenfolge: zuerst sollte die osteuropäische Freiheitsrevolution abgesichert werden, dann erst - wenn das Thema keinen Schaden mehr anrichten konnte - sollte es zur deutschen Wiedervereinigung kommen. Interessant ist hier der Gegensatz zur amerikanischen Position, die die Mitte Europas als Bindeglied zwischen Ost und West sah.

Thatcher war für die osteuropäische Freiheitsrevolution, hatte aber keine Konzeption wie man diese absichern konnte. Sie hatte Angst vor einer deutschen Wiedervereinigung, weil sie ganz unreflektiert an eine "Wiederholung der Geschichte" glaubte, und sie wollte auch den europäischen Einigungsprozess nicht. Im Einigungsprozess war Großbritannien bedeutungslos.
 
Die Bundesrepublik hatte über Jahrzehnte hinweg glaubwürdig gezeigt, das sie ein zuverlässiger Bündnispartner ist und außerdem auch eine gefestigte Demokratie. Das Mißtrauen empfand ich als nicht gerechtfertigt.
Diese Jahrzehnte war die Bundesrepublik ja nicht völlig selbständig, stand immer noch unter Kontrolle - daher war 1990 für GB/Frankreich nicht bewiesen, daß sich Deutschland wirklich anders verhalten würde als in der Vergangenheit. Wobei diese Vergangenheit ja nicht nur 33-45 war - Deutschland war für seine Nachbarn schon immer etwas unverständlich und unberechenbar.

Und es gibt in Frankreich/GB/USA durchaus Außenpolitik-Experten die heute der Meinung sind, daß das Mißtrauen berechtigt war und Deutschland sich wieder in Richtung Problemfall entwickelt.
Als Belege dafür werden z. B. die Schröder'sche Außenpolitik wg. Irak (und zwar weniger die Nichtbeteiligung selber als die Art der Kommunikation dazu), das Verhalten gegenüber Polen (Ostsee-Pipeline), die aktuelle Stellung zu Libyen, der deutsche Sonderweg beim Atomausstieg oder die Bundeswehr-Abrüstung gesehen.

Wobei es unerheblich ist, ob man das inhaltlich jeweils für falsch oder richtig hält (kann hier wg. Tagespolitik auch nicht diskutiert werden).
Aber im Ausland wird Deutschland teilweise - in schlechter alter Tradition - als unzuverlässig, sprunghaft, emotionsgetrieben und schwer einschätzbar wahrgenommen.
 
Die Außenpolitik der Bundesrepublik wurde in den Jahrzehnten aber eben in und von Bonn und nicht in Paris, London oder Washington festgelegt und gesteuert. Natürlich war gab es Rücksichtnahmen, aber das ist unter Bündnispartnern ja nicht weiter ungewöhnlich.

R.A. schrieb:
Und es gibt in Frankreich/GB/USA durchaus Außenpolitik-Experten die heute der Meinung sind, daß das Mißtrauen berechtigt war und Deutschland sich wieder in Richtung Problemfall entwickelt.
Als Belege dafür werden z. B. die Schröder'sche Außenpolitik wg. Irak (und zwar weniger die Nichtbeteiligung selber als die Art der Kommunikation dazu), das Verhalten gegenüber Polen (Ostsee-Pipeline), die aktuelle Stellung zu Libyen, der deutsche Sonderweg beim Atomausstieg oder die Bundeswehr-Abrüstung gesehen.

Das sind m.E. nach aber sehr schwache Belege. Die Bundesrepublik ist doch nicht der Vasall der USA und der Irak war kein Bündnisfall, so das die Bundesrepublik das Recht besaß, übrigens in vollkommener Übereinstimmung mit Paris, eine eigenständige von den USA unbhängige Außenpolitik zu fahren. Und dass das Mißtrauen der Deutschen und Franzosen hier gerechtfertigt war, ist ja mittlerweile hinlänglich bekannt. Die USA haben ja sogar den Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen gezinkte Beweise für den angeblichen Bestand an Nuklearwaffen präsentiert.

Zu Libyen führe ich jetzt nichts aus, da es aktuelle Tagespolitik ist.

Was an der Ostseepipline nun ein Mißtrauen rechtfertigen würde, leuchtet mir nicht ein. Ich möchte hier einmal daran erinnern in welchem, teils schon aggressiven, Ausmaße sich die polnische Politik und die polnischen Medien sich in die inneren deutschen Anglegenheit eingemischt hat; vollkommen unabhänig davon ob sie nun inhaltlich richtig lagen oder nicht.

Ich halte es nicht für gerechtfertigt, wenn die deutsche Außenpoltik einmal einen eigenständigen Weg wählt,gleich von einem deutschen Sonderweg zu sprechen. Die Bundesrepublik kommt sowohl in der Nato als auch in der EU ihre Verpflichtungen in sehr große Umfange nach.
 
Um mal auf 1989/90 zurück zu kommen. Mich würde interessieren, wer damals die Bundesrepublik als "unsicheren Kantonisten" einschätzte? Letztlich war es doch so, dass die DDR als eigenständiger Staat (was ihre künftige Entwicklung oder politische Positionierung anging) deutlich schwieriger einzuschätzen war als die Bundesrepublik oder ein wiedervereinigtes Deutschland, in dem 16 Mio. Ostdeutsche und 61 Mio Westdeutsche zusammen leben würden. Ein Vorteil der Wiedervereinigung bestand doch darin, dass mit der DDR ein Staat verschwand, mit dem man in Europa nichts anzufangen wusste (ausser dass dessen Verhältnisse und damit die Verhältnisse in der Mitte Europas auf lange Zeit instabil sein würden).
 
Um mal auf 1989/90 zurück zu kommen. Mich würde interessieren, wer damals die Bundesrepublik als "unsicheren Kantonisten" einschätzte? Letztlich war es doch so, dass die DDR als eigenständiger Staat (was ihre künftige Entwicklung oder politische Positionierung anging) deutlich schwieriger einzuschätzen war als die Bundesrepublik oder ein wiedervereinigtes Deutschland, in dem 16 Mio. Ostdeutsche und 61 Mio Westdeutsche zusammen leben würden. Ein Vorteil der Wiedervereinigung bestand doch darin, dass mit der DDR ein Staat verschwand, mit dem man in Europa nichts anzufangen wusste (ausser dass dessen Verhältnisse und damit die Verhältnisse in der Mitte Europas auf lange Zeit instabil sein würden).

Äh - nein, das mußt du anders sehen:
Mehrere europäische Regierungen hatten immer noch Angst vor DEN Deutschen als Gesamtheit. Zwei deutsche Staaten können nie so wirtschaflich und politisch stark werden, wie ein deutscher Gesamtstaat - das war einfach das Prinzip "teile und herrsche". Das war ja 1870/71 auch schon das Problem, vor dem Bismarck stand und in abgeschwächter Form 1989/90 auch wieder. Daß das jedoch inzwischen ein ganz anderes Deutschland geworden ist, das wollte wohl kaum jemand sehen. Entscheidend für die Überwindung der Bedenken war dann wohl, daß Deutschland in europäischen Sicherheitssystem eingebunden blieb. Und die Schecks von Kohl... :pfeif:
 
Die Außenpolitik der Bundesrepublik wurde in den Jahrzehnten aber eben in und von Bonn und nicht in Paris, London oder Washington festgelegt und gesteuert.
Aber doch in einigen Bereichen eingegrenzt, in vielen Fragen ist Deutschland schlicht im Windschatten gefahren und hat kein eigenes außenpolitisches Profil gezeigt.
Dazu gehörte ja auch, daß die Bundeswehr keinerlei Auslandseinsätze machte. Das wurde damals mit der Verfassung begründet - und es war natürlich auffällig, daß nach 1990, mit unveränderter Verfassung, Auslandseinsätze plötzlich möglich waren.

Die Bundesrepublik ist doch nicht der Vasall der USA und der Irak war kein Bündnisfall, so das die Bundesrepublik das Recht besaß
Ja sicher, das Recht hat auch keiner bestritten.
Aber das mit der Zuverlässigkeit, das war halt nicht so klar. Ich habe ja geschrieben, die Kommunikation war das eigentliche Problem.
Paris hat nie einen Hehl aus seiner kritischen Position gemacht. Schröder hat dagegen lange Zeit den Eindruck vermittelt, mit Bush konform zu gehen. Die Kehrtwende in der Goslar-Rede war ein ziemlicher Schock für die Verbündeten. Natürlich ist in anderen Staaten Außenpolitik auch immer Mittel der Innenpolitik bzw. es gibt Wahlkampfrücksichten (siehe z. B. aktuell Sarkozys Engagement in Libyen) - aber das ist dann für die Partner transparent und auch kalkulierbar.
Das traditionelle Problem des Auslands mit Deutschland ist, daß die deutschen Beweggründe und Reaktionen von außen oft schwer nachvollziehbar sind und oft übertrieben, emotional und spontan wahrgenommen werden. Und da hat das "Wie" der Schröder'schen Irak-Politik genau ins Schema gepaßt.

Was an der Ostseepipline nun ein Mißtrauen rechtfertigen würde, leuchtet mir nicht ein.
Sie wurde ja von Rußland bewußt so konzipiert, daß sie nicht durch das Baltikum oder Polen führt. Das wird dort sehr problematisch gesehen.
Natürlich muß Deutschland auf diese Bedenken nicht eingehen, wenn andere Argumente höher bewertet werden.
Aber der Eindruck war, daß der deutschen Regierung diese Bedenken völlig unwichtig, vielleicht nicht einmal bewußt waren. Auch hier traf sich der Eindruck mit alten Erfahrungen, die Deutschland als tumben Riesen in der Mitte Europas sehen, der gar nicht wahrnimmt, wenn er anderen Ländern auf die Füße tritt.

So mal als Kontrast: Die französische Außenpolitik legt viel stärkere Priorität auf die eigenen nationalen Interessen als die deutsche - aber sie analysiert recht sorgfältig die Wünsche und Interessen der anderen Länder und berücksichtigt sie bestmöglich, solange es die französischen Ziele nicht beeinträchtigt. Damit kann Frankreich oft mehr durchsetzen als Deutschland, und trotzdem weniger Anstoß erregen.

Ich möchte hier einmal daran erinnern in welchem, teils schon aggressiven, Ausmaße sich die polnische Politik und die polnischen Medien sich in die inneren deutschen Anglegenheit eingemischt hat
Nicht wirklich "innere Angelegenheiten" - das Thema Vertreibung ist ja ein sehr heikles und bilaterales.
Ansonsten würde ich die polnische Außenpolitik auch nicht als vorbildhaft gegenüber der deutschen darstellen wollen - aber Polen ist eben deutlich unwichtiger, da werden Fehler nicht so kritisch gesehen.

Ich halte es nicht für gerechtfertigt, wenn die deutsche Außenpoltik einmal einen eigenständigen Weg wählt,gleich von einem deutschen Sonderweg zu sprechen.
Eigenständigkeit ist nicht das Problem - das strebt ja jedes Land an (die kleinen besonders).
Das mit dem "Sonderweg" bezieht sich im wesentlichen auf den Stil, die sehr andere Wahrnehmung der Welt, auf dieses typische "am deutschen Wesen soll die Welt genesen". Das steckt noch tief bei uns drin und wird bei den anderen überhaupt nicht goutiert.
 
R.A. schrieb:
Aber doch in einigen Bereichen eingegrenzt, in vielen Fragen ist Deutschland schlicht im Windschatten gefahren und hat kein eigenes außenpolitisches Profil gezeigt.
Dazu gehörte ja auch, daß die Bundeswehr keinerlei Auslandseinsätze machte. Das wurde damals mit der Verfassung begründet - und es war natürlich auffällig, daß nach 1990, mit unveränderter Verfassung, Auslandseinsätze plötzlich möglich waren.

In Artikel 1 (2) des Deutschlandvertrages hieß es:"

Die Bundesrepublik wird demgemäß die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten haben.

Die einzigen Einschränkungen, die in Artikel 2 des Deutschlandvertrages genannt werden, bezogen sich auf Deutschland als Ganzes, auf Berlin und die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands. Das war es denn auch schon.

Die Bundesrepublik hatte nach der totalen Niederlage reichhaltige Probleme zu lösen. Außenpolitisch galt es die Westintegration ins Werk zu setzten, die ja auch gelungen ist. Nur war das nicht in wenigen Jahren zu bewerkstelligen. Adenauer und Co. mussten erst einmal eine Atmossphäre des gegenseitgen Vertrauens herstellen und das hat Zeit in Anspruch genommen. Das in dieser Zeit sorgfältig darauf geachtet wurde, keinen anderen Mächte, insbesondere die westlichen Alliierten, vor dem Kopf zu stoßen oder zu brüskieren, sondern vielmehr der Konsens angestrebt wurde, ist für mich sehr nachvollziehbar.

Spätestens ab der Kanzlerschaft von Willy Brandt fuhr die deutsche Außenpolitik aber nicht mehr im Windschatten der anderen Mächte. Die bundesdeutsche Außenpolitik suchte die Verständigung mit dem Osten und das stieß durchaus auf Mißtrauen der westlichen Alliierten. Der Weg zu einer Veränderung sprich Verbesserung der Beziehungen der beiden deutschen Staaten führte nun einmal über Moskau.

Das die Bundesrepublik sich lange Zeit gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr sperrte, ergibt sich schon aus der jüngeren deutschen Geschichte (Zweiter Weltkrieg) und dürfte nachvollziehabr sein. Das sich dies nun geändert hat, ist sicher auch darauf zurückzuführen, das die Bundesrepublik mittlerweil doch ein geachtetes und respecktiertes Mitglied der Staatengemeinschaft ist.

R.A. schrieb:
Paris hat nie einen Hehl aus seiner kritischen Position gemacht. Schröder hat dagegen lange Zeit den Eindruck vermittelt, mit Bush konform zu gehen. Die Kehrtwende in der Goslar-Rede war ein ziemlicher Schock für die Verbündeten. Natürlich ist in anderen Staaten Außenpolitik auch immer Mittel der Innenpolitik bzw. es gibt Wahlkampfrücksichten (siehe z. B. aktuell Sarkozys Engagement in Libyen) - aber das ist dann für die Partner transparent und auch kalkulierbar.
Das traditionelle Problem des Auslands mit Deutschland ist, daß die deutschen Beweggründe und Reaktionen von außen oft schwer nachvollziehbar sind und oft übertrieben, emotional und spontan wahrgenommen werden. Und da hat das "Wie" der Schröder'schen Irak-Politik genau ins Schema gepaßt

Das Schröder hier nicht sonderlich pr0fessionell agiert hatte, ist vollkommen unstrittig. So macht man keine Außenpolitik. Allerdings stellt das m.E. nach nicht die generelle Zuverlässigkeit der Bundesrepublik in Frage. Bush hat ja schließlich auch Schröder lange genug hingehalten und ist trotz zahlreicher Nachfragen hinsichtlich eines geplanten militärischen Vorgehens nicht mit der Wahrheit herausgekommen. Es mußen wohl noch die Beweise manipuliert werden. Überhaupt war Bush sein Unilateralismus und die unterschliedlichen Interessen für die deutsch.amerikanischen Beziehungen wenig vorteilhaft.

R.A. schrieb:
Nicht wirklich "innere Angelegenheiten" - das Thema Vertreibung ist ja ein sehr heikles und bilaterales.
Ansonsten würde ich die polnische Außenpolitik auch nicht als vorbildhaft gegenüber der deutschen darstellen wollen - aber Polen ist eben deutlich unwichtiger, da werden Fehler nicht so kritisch gesehen.

Also ob oder wo in der Bundesrepublik eine Gedenkstätte für die Vertriebenen aufgestellt wird, ist eindeutig eine innerdeutsche Anglegenhet. Die teils schon hysterischen Zwischenrufe aus Polen sind da eher kontrproduktiv und der Sache nicht wirklich dienlich. Es ist nun einmal eine Tatsache, das in Folge des Zweiten Weltkrieges Millionen Deutsche, auch aus Polen, brutal vertrieben worden sind. Das läßt sich nicht leugnen, genauso wenig wie die zahlreichen, entsetztlichen deutschen Verbrechen im Zuge des Zweiten Weltkrieges. Insbesondere verdient hier natürlich der beispiellose Holocaust Erwähnung. Nur: Es ist aber eben auch so, das nach nach fast 66 Jahren nach Kriegsende auch gesagt werden, das auch im Zuge der Vertreibung sehr vielen Deutschen Leid angetan worden ist und dafür darf man auch eine Gedenkstätte ins Leben rufen. In diesem Kontext finde ich beispielsweise das Denkmal in London für Arthur Harris, auch genannt der Schächter, ziemlich geschmacklos.

R.A. schrieb:
So mal als Kontrast: Die französische Außenpolitik legt viel stärkere Priorität auf die eigenen nationalen Interessen als die deutsche - aber sie analysiert recht sorgfältig die Wünsche und Interessen der anderen Länder und berücksichtigt sie bestmöglich, solange es die französischen Ziele nicht beeinträchtigt. Damit kann Frankreich oft mehr durchsetzen als Deutschland, und trotzdem weniger Anstoß erregen.

Das Frankreich mehr durchsetzten kann, liegt nicht zuletzt auch daran, das Frankreich als Siegermacht des Zweiten Weltkrieges, als einer der Vetomächte im Weltsicherheitsrat und schließlich auch als Atommacht wahrgenommen wird. Die Bundesrepublik kann im Prinzip "nur" über die wirtschaftliche Schiene agieren. In der UNO wird der Bundesrepublik ja auch der ständige Sitz konsequent verweigert, obwohl weltweit Verantwortung übernommen wird und obwohl man einer der größten Beitragszahler ist.
 
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