Deutscher Herbst - Gefahr für die Demokratie?

N

Niklas

Gast
Halli Hallo:)
Ich habe mich zur Zeit etwas mit der RAF befasst. Ich wollte nun von euich wissen in wie weit die RAF eine Gafahr für die Deustche Demokratie war?

Vielleicht da sie anfingen alle hohen Ämter zu entführen/ermorden? Wie Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer? Damit würden sie wichtige Funktionen, welche für den Staat notwendig sind unbeliebt machen?

Bin ich mit meiner Überlegund soweit richtig?

Lg Niklas
 
Wow, Gute Frage ! Zwar hat uns die Geschichte gelehrt, daß sie keine Gefahr für unsere Demokratie waren. Aber was wäre, wenn es weiter mit der RAF gegangen wäre ?
Ich denke, damit es zur Gefahr für die Demokratie wird, braucht es auch einen gewissen Rückhalt und Symphatien aus der Bevölkerung.

Wenn ich an meine Kindheit / Jugend denke, sind mir die Fahndungsfotos der RAF noch bildlich in Erinnerung. Für uns Heranwachsende waren dies Mörder und Verrückte. So haben es meine Lehrer und meine Eltern auch gesehen.
Ich denke, daß ein Rückhalt aus der breiten Masse nie gegeben war und dadurch sie nie eine wirkliche Gefahr für die Demokratie waren.
Selbst wenn sie sich verändert hätten, hätten die RAF meiner Meinung nach nie den Rückhalt der Bevölkerung bekommen. Auch nicht, obwohl damals es noch eine Zeit war, wo man auch als Jugendlicher sehr genau wusste, daß in den verschiedenen Parteien noch genug Alt-Nazis waren.

Meine Meinung

Pidibaer
 
Die RAF war zu keiner Zeit eine Gefahr für die Demokratie, sie hatte nie den nötigen Einfluss und die Macht die Demokratie zu zerstören - ausser vielleicht dadurch, dass undemokratische Gesetze durchgesetzt wurden um die RAF, oder ähnliche Gruppen, zu stoppen.
Sie war eine Gefahr für die Gesundheit und das Leben mancher Menschen, das möchte ich nicht abstreiten. Aber die RAF hatte zu keiner Zeit das Potenzial die Demokratie aus den Angeln zu heben, das hatten nur die Fürungskräfte der Parteien und Instititutionen, welche an oberster Spitze der Demokratie standen.
 
Vielleicht da sie anfingen alle hohen Ämter zu entführen/ermorden? Wie Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer? Damit würden sie wichtige Funktionen, welche für den Staat notwendig sind unbeliebt machen?

Bin ich mit meiner Überlegung soweit richtig?

Lg Niklas

Nein. Das waren immer nur ganz wenig Leute. Sie hatten ein paar Ueberraschungserfolge, weil nichtstaatlicher Terror bis dato unbekannt war. Es gab zum Beispiel noch keine Sicherheitsmassnahmen an Flughaefen, dass kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.

Trotzdem hat die RAF keine Leute aus der ersten Reihe erwischt. Schleyer war Arbeitgeberpraesident, Ponto Sprecher der Dresdner, Herrhausen Sprecher der Deutschen Bank, Buback Generalbundesanwalt.

Frage zur Selbstkontrolle: koenntest du ohne Google den aktuellen Arbeitgeberspraesidenten, den Generalbundesanwalt und Vorstaende der Banken nennen? Wahrscheinlich nicht und dass war damals auch nicht anders.

RAF und PLO waren laestig und haben uns allen das Leben schwerer gemacht. Aber nie die Demokratie gefaehrdet.
 
Sie hatten ein paar Ueberraschungserfolge, weil nichtstaatlicher Terror bis dato unbekannt war.

Ich sehe keine qualitativen Unterschiede zwischen politischen Morden in der Weimarer Republik, bspw. durch Freikorps, und den Untaten der RAF. Beides könnte man als "nichtstaatlichen Terror" ansehen.

Ansonsten sehe ich es ähnlich, die RAF hatte nicht genug Rückhalt in der Bevölkerung - "6 gegen 60 Millionen" -, um eine Gefahr für die Demokratie zu sein. (Freikorps in der WR vielleicht schon eher)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich sehe keine qualitativen Unterschiede zwischen politischen Morden in der Weimarer Republik, bspw. durch Freikorps, und den Untaten der RAF. Beides könnte man als "nichtstaatlichen Terror" ansehen.

Stimmt schon. Sagen wir mal, Freikorps und Rotfront haben fuer die Polizeitaktik in den 60ern keine Rolle mehr gespielt.

Gestapo und Stasi natuerlich auch nicht, ich wollte nur nicht schreiben, dass Deutschland gar keine Erfahrungen mit Terror hatte. Haette irgendwie falsch geklungen.
 
Stimmt schon. Sagen wir mal, Freikorps und Rotfront haben fuer die Polizeitaktik in den 60ern keine Rolle mehr gespielt.
Ich denke auch, dass Rotfront und Freikorps bei der Polizei der 60er kaum eine Rolle spielten.
Bei der Leberwursttaktik hat man wahrscheinlich eher auf ältere Konzepte zurückgegriffen. ;)

Leberwursttaktik dürfte aber gegen die RAF wenig sinnvoll gewesen sein. Schleierfahndungen als Polizeitaktik wurde gegen die RAF erstmals angewandt, obwohl damals die rechtlichen Grundlagen für "verdachtsunabhängige Personenkontrollen" bestenfalls fragwürdig waren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Schleierfahndungen als Polizeitaktik wurde gegen die RAF erstmals angewandt, obwohl damals die rechtlichen Grundlagen für "verdachtsunabhängige Personenkontrollen" bestenfalls fragwürdig waren.

In den 70ern hätte dich eine solche Formulierung (ichsachma nur: schleyerhaft...) gleich obermegaverdächtig gemacht, wg Sympathisantensumpf und so.

Neben dem Flax meine ich aber doch, mich eher an den Begriff "Rasterfahndung" zu erinnern.
 
In den 70ern hätte dich eine solche Formulierung (ichsachma nur: schleyerhaft...) gleich obermegaverdächtig gemacht, wg Sympathisantensumpf und so.

Neben dem Flax meine ich aber doch, mich eher an den Begriff "Rasterfahndung" zu erinnern.

Danke für die Richtigstellung. In den 70ern war ich Kind. Die heutige Schleierfahndung hatte ich im Kopf - und nicht eine Verhöhnung von Terroropfern. Man verzeihe mir bitte diesen Verschreiber.
 
Danke für die Richtigstellung. In den 70ern war ich Kind.

Mach dir nix draus - ich war schon damals älter als du :D und bin inzwischen froh, wenn bei mir solche Details nicht bereits in der Alzheimerschachtel abgelegt sind. :devil:

Die heutige Schleierfahndung hatte ich im Kopf - und nicht eine Verhöhnung von Terroropfern. Man verzeihe mir bitte diesen Verschreiber.

Ooops - nee, so war das nicht gemeint. Sorry, wenn es in der Kürze falsch rüberkam. Die Zeiten waren damals durchaus von einer gewissen Hysterie geprägt und ein Verdacht, dem Sympathisantensumpf angezugehören, war recht fix konstruiert - und sei es über das an sich harmlose Wort "schleierhaft". Dazu gibt es auch eine nette Zeichnung von Seyfried, wo einer in der Unterhaltung das Wort gebraucht, dann zusammenzuckt und sich anschließend errötend, stotternd und verhaspelnd in Sprachlosigkeit verliert und die gesamte gemütliche Runde kriegt vor lauter Verkrampfung auch kein Wort mehr raus.
 
Die RAF war zu keiner Zeit eine Gefahr für die Demokratie, sie hatte nie den nötigen Einfluss und die Macht die Demokratie zu zerstören - ausser vielleicht dadurch, dass undemokratische Gesetze durchgesetzt wurden um die RAF, oder ähnliche Gruppen, zu stoppen.
Das sehe ich ähnlich! Die RAF wurde von der damaligen Bundesrepublik, die noch teilweise durchsetzt von Leuten in Ämtern war, die schon einen Hitler dienten, viel zu hysterisch überbewertet. Wenn der Staat nicht so dermassen exzessiv u. übertrieben auf die paar Linksterroristen reagiert hätte (bspw. Hochsicherheitsgefängnis Stuttgart Stammheim, Folter durch Isolationshaft, etc.) , wäre möglicher Weise eine zweite u. dritte Generation der RAF ausgeblieben (wobei es der dritten Generation um keine politischen Ziele mehr ging, sondern "nur" noch um Vergünstigungen bzw. Durchsetzung von Haftbedingungen der Gefangenen).

Literatur zum Thema:
Gerd Koenen: "Vesper, Ensslin, Baader. Urszenen des deutschen Terrorismus"
Pieter Bakker Schut: "Stammheim"
Die Zeit - Zeitgeschichte Nr. 2 2007: "Das Jahr der Revolte"
Die Zeit - Zeitgeschichte Nr. 3 2007: "Die Jahre des Terrors"
 
Die RAF als Gruppe war wohl keine Gefahr für die Demokratie ... allerdings stellte der Terrorismus den Staat vor so große, neue Herausforderungen, dass dieser beim Kampf gegen den Terrorismus Gefahr lief, bestimmte Errungenschaften der Demokratie selbst zu gefährden (ähnlich wie in Folge von 9/11 in den USA?).
 
Komischerweise ist immer nur der linke Terrorismus eine Gefahr für die Demokratie. Als nach dem Oktoberfestattentat 1980 der damalige Bundesinnenminister die Wehrsportgruppe Hoffmann verbot, wurde er aus CDU/CSU Kreisen heftig dafür kritisiert.
Dass es überhaupt und offiziell Rechtsterrorismus in der BRD gibt, wird noch gar nicht solange offiziell zugegeben.
Was es mit geradezu grotesken "Ermittlungspannen" in der Aufklärung von "Dönermorden" auf sich hat und was ein der Agent des Verfassungsschutzes mit dem Spitznamen "Klein Adolf" der sich zur Tatzeit im Internetcafe von Halit Yozgat in Kassel aufhielt davon mitbekam wird man, wenn überhaupt, leider erst nach Öffnung der Archive herausfinden, da Hessens Ministerpräsident Volker Bouvier eine Befragung von Andreas T vulgo "Klein Adolf" durch die Polizei verhinderte.





Dass der KuKluxKlan eine Terrororganisation
 
Scorpio, hier wurde nach dem Deutschen Herbst und der RAF gefragt ... auch der Umgang mit Rechtsterrorismus lässt den Staat nicht immer gut aussehen, keine Frage.

Der Unterschied ist (Vorsicht, persönliche Meinung und sehr verallgemeinernd):

beim Linksterrorismus hat der Staat Probleme, weil er Mittel finden will, den Terrorismus zu bekämpfen ...
beim Rechtsterrorismus ist der Bekämpfungsimpetus z.T. nicht immer so ausgeprägt - und das macht dann auch Probleme.
 
Wow, Gute Frage ! Zwar hat uns die Geschichte gelehrt, daß sie keine Gefahr für unsere Demokratie waren. Aber was wäre, wenn es weiter mit der RAF gegangen wäre ?
Ich denke, damit es zur Gefahr für die Demokratie wird, braucht es auch einen gewissen Rückhalt und Symphatien aus der Bevölkerung.

Wenn ich an meine Kindheit / Jugend denke, sind mir die Fahndungsfotos der RAF noch bildlich in Erinnerung. Für uns Heranwachsende waren dies Mörder und Verrückte. So haben es meine Lehrer und meine Eltern auch gesehen.
Ich denke, daß ein Rückhalt aus der breiten Masse nie gegeben war und dadurch sie nie eine wirkliche Gefahr für die Demokratie waren.
Selbst wenn sie sich verändert hätten, hätten die RAF meiner Meinung nach nie den Rückhalt der Bevölkerung bekommen. Auch nicht, obwohl damals es noch eine Zeit war, wo man auch als Jugendlicher sehr genau wusste, daß in den verschiedenen Parteien noch genug Alt-Nazis waren.

Meine Meinung

Pidibaer

Meiner Meinung nach war die RAF eine Stadtguerilla, die niemals Potential für mehr als ein Schinderhannesabenteuer hatte. Denen, die sich in der BRD mehr Demokratie wünschten, hat sie einen Bärendienst erwiesen. Sie wurde durch die Medien zu einer Riesenbedrohung aufgeblasen deren Aktivitäten zum Vorwand herhalten mussten, für bedenkliche Aufweichungen der Grund- und Bürgerrechte. Damals wurde die Grundlage zum heutigen Überwachungsstaat gelegt.

Die breite Masse hat das neomarxistische Programm der RAF gar nicht verstanden, und Volkstümlichkeit hätte sich die RAF wohl eher erworben mit einem Anschlag auf die Verkehrssünderkartei in Flensburg, kaum aber durch Banküberfälle, Entführungen und politische Morde. Nach den Morden an Ponto, Buback und Schleyer war auch bei den Intellektuellen das letzte Maß an Solidarität aufgezehrt, die nach der Knüppelorgie beim "Polizeistaatsbesuch" des Schahs 1967 Gewalt gegen staatliche Gewalt nicht mehr ausschlossen als Mittel des politischen Kampfs. Die BRD zu Beginn der 70er Jahre unter einer sozialliberalen Koalition war kein faschistoider Zwangsstaat, auch wenn die, die hofften, die BRD würde "mehr Demokratie wagen" enttäuscht wurden. Die BRD gehörte zu den Staaten, in denen die höchsten Löhne in Europa gezahlt wurden und sie verfügte über ein Sozialstaatssystem, das diesen Namen noch verdiente.

Die RAF war ein kleiner und extrem radikaler Teil der Bürgerrechts- und Protestbewegung der 60er Jahre, die bestehende reaktionäre und restaurative Verhältnisse nicht mehr hinnehmen wollte und bestehende Autoritätsverhältnisse in Frage stellte. Sie radikalisierte sich nach der Ermordung Benno Ohnesorgs durch einen Berliner Polizisten anlässlich des "Polizeistaatsbesuchs" von Schah Reza Pahlevi und seiner Gemahlin 1967. Während die Boulevardpresse über den Glanz des Pfauenthrons berichtete, für den Schah wurde die Autobahn die abgesperrt- gab es in Berlin Proteste und Berliner Polizei und Jubelperser, Angehörige des Geheimdienstes Sawak, die mit Dachlatten und Knüppeln ausgestattet waren schlugen auf Demonstranten ein. Es wurden nach dem Tod Ohnesorgs Gutachten gefälscht, Dokumente verändert und Zeugen zur Falschaussage genötigt.

West-Berlin war von den Lebenshaltungskosten günstiger, als westdeutsche Großstädte und außerdem brauchte man keinen Wehrdienst in der Bundeswehr zu leisten oder ersparte sich all die bürokratischen Hürden und Schikanen, um als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden samt Ersatzdienst. Außerdem verfügte Berlin über Hochschulen, so dass sich dort eine relativ große Gruppe linker Intellektueller etablierte. West Berlin zog aber auch all die Leute an, die in der Nazizeit im Polizei- und Geheimdienst tätig waren und wegen ihrer Erfahrungen wieder im Polizei- und Justizapparat der BRD Bastionen bezogen hatten, denn es galt (West)-Berlin als "die Frontstadt" des Kalten Krieges. Dazu befand sich dort auch das Verlagshaus des Axel Springer Verlags, und die Bild zog extem polemisch gegen die Protestbewegung vom Leder und brachte APO in die Nähe einer terroristischen Vereinigung.

Über einen großen Rückhalt in der breiten Masse verfügte die sehr heterogene Studenten- und Protestbewegung nicht und die RAF der 1. und 2. Generation der RAF erst recht nicht. In linken Kreisen machte man sich aber Gedanken über Widerstand und ob notfalls auch Gewalt als legitimes Mittel anzusehen war. Viele fühlten sich in dieser Frage durch Soziologen wie Herbert Macuse und Juristen wie Fritz Bauer bestätigt.

Ulrike Meinhof war eine angesehene Journalistin, die u. a.über Fürsorgezöglinge recherchierte und deren Bericht "Bambule" im Fernsehen abgesetzt wurde als sie an der Befreiung Andreas Baaders beteiligt war.

Liest man Bekennerschreiben, wundert man sich, wie sehr sich intelligente Menschen in eine inhumane Ideologie verrennen können.

Sieht man sich aber an, wie das vereinte Europa nach Ende des Kalten Krieges von einer Kapitalismuskrise in die nächste taumelt und eine Spekulationsblase nach der anderen platzt, beobachtet einen Justiz- und Polizeiskandal nach dem anderen und wie Europa von Angst heimgesucht wird und durch Angst regiert wird, drängt sich der Gedanke auf, das Ulrike Meinhof guten Grund hätte, sich in ihrer Sicht eines faschistoiden Überwachungsstaates bestätigt zu fühlen.
 
Meiner Meinung nach war die RAF eine Stadtguerilla, die niemals Potential für mehr als ein Schinderhannesabenteuer hatte. Denen, die sich in der BRD mehr Demokratie wünschten, hat sie einen Bärendienst erwiesen. Sie wurde durch die Medien zu einer Riesenbedrohung aufgeblasen deren Aktivitäten zum Vorwand herhalten mussten, für bedenkliche Aufweichungen der Grund- und Bürgerrechte. ...
Die breite Masse hat das neomarxistische Programm der RAF gar nicht verstanden, ...

Ich würde die RAF eher als leninistisch einsortieren; bei Marx zB ist zwar von einer Diktatur des Proletariats die Rede, aber dies hat sich sozus noch nicht verselbständigt zu einer Diktatur, die *für* das Proletariat von einer Gruppe von Stellvertretern ausgeübt wird.

Daß eine breite Masse der Bevölkerung das Programm der RAF verstehen sollte, war mE auch gar nicht wirklich vorgesehen; es reichte, deren Führungsanspruch, Analysen etc zu befürworten. Eine Mitarbeit bei dessen Zustandekommen oder eine Überarbeitung, um weite(re) Teile der Bevölkerung möglicherweise einbinden zu können, hätte die RAF vermutlich bereits als 'konterrevoltionär' gewertet.

und Volkstümlichkeit hätte sich die RAF wohl eher erworben mit einem Anschlag auf die Verkehrssünderkartei in Flensburg, kaum aber durch Banküberfälle, Entführungen und politische Morde.
Mit anderen Aktionen hätte sich das Bild sicherlich ändern können. Aber gerade die Entführung von Schleyer – nicht der Mord – hat in der Tat bei vielen Personen Ansätze von Sympathie bewirkt, da Schleyer Arbeitgeberpräsident war, den viele gerade 'normal' arbeitende Menschen als auf der anderen Seite stehend erlebt hatten – zumindest aber so, daß er ihren Interessen nun so gar nicht gewogen war. Ansonsten wurde natürlich ebenso wahrgenommen, daß die in Reaktion beschworene „wehrhafte Demokratie“ dann vor allem wehrhaft gegen ihre Mitglieder (die Staatsbürger) auftrat und deren Rechte und Freiheiten beschneiden mochte, um die Freiheit zu verteidigen.

Die RAF war ein kleiner und extrem radikaler Teil der Bürgerrechts- und Protestbewegung der 60er Jahre, die bestehende reaktionäre und restaurative Verhältnisse nicht mehr hinnehmen wollte und bestehende Autoritätsverhältnisse in Frage stellte.
Rückblickend sehe ich es sogar so, daß die RAF zwar aus dieser Bürgerrechts-/ Protestbewegung hervorging, diese aber mit Aufnehmen der spezifischen Ideologie (RAF als Avantgarde, die durch Gewaltaktionen das Klima so zuspitzt, daß die Bevölkerung immer weiter in ihren Freiheiten beschnitten wird und damit sowohl der faschistoide Charakter des „Schweinesystems“ zutage tritt wie die Bereitschaft der Bevölkerung steigt, eine Revolution zu begrüßen) auch recht schnell wieder verlassen hat. Die RAF war ja recht explizit eben nicht für das Ausloten und Umsetzen der verfassungsmäßigen Freiheiten und Rechte und im gerade skizzierten Sinne war ihr das Bestehen reaktionärer und restaurativer Verhältnisse nicht unrecht und auch nicht unangenehm. Gleichzeitig hat sie es aber auch verstanden, einen Teil der linken Szene moralisch unter Druck zu setzen, um sich ein unterstützendes Umfeld zu schaffen bzw zu erhalten, auf das sie bei Bedarf zurückgreifen konnte. Da gab es durchaus schon recht nötigende Umgangsformen, mit denen Personen dazu -äh: bewogen werden sollten, dem „bewaffneten Kampf“ (auch: „bewaffneter Krampf“) mindestens mit Hilfsdiensten zur Seite zu stehen, wenn man schon zu sehr Weichei war, um selbst die Knarre in die Hand zu nehmen.

Zusätzlich war die RAF aber insbesondere deswegen keine Gefahr für die Demokratie, weil Vorstellungen oder gar Planungen, wie eine erfolgreiche Revolution die Gesellschaften (um)gestalten sollte, gewissermaßen im Zweckaktionismus ertranken. Und letztlich auch wg der Untergrundexistenz und dann dauerhaften Fluchtsituation gar nicht höhere Priorität einnehmen konnten, schätze ich.

 
Wow vielen dank euch allen.
Wirklich sehr interessant eure Meinungen darüber zu hören:)

Lg Niklas
 
Was waren eigentlich die Ziele der RAF ?
Egal, was ich bis jetzt über die RAF gelesen habe, werde ich das Gefühl nicht los, daß es ein kleiner Zirkel war, der einfach erst mal nur Unruhe stiften wollte. Der erst einmal einfach mit allem, was mit Obrigkeit zu tun hatte, ein Problem hatte.

Das ganze hat sich dann irgendwann verselbstständigt und die Spirale hat sich angefangen zu drehen. Einige extreme Charaktere und ab ist es gegangen.
Irgendwann haben sie sich ein Motiv zur eigenen Rechtfertigung zusammengebastelt und dann irgendwann sogar selber daran geglaubt.
Waren diese Leute überhaupt politisch in irgendeine Richtung einzuordnen ? Links oder Rechts ?
Weil sich in dieser Szene plötzlich einige aus der linken Szene eingefunden haben bzw. die Anfänge in der linken Szene zu suchen sind, ist damit die RAF links einzuordnen ?
Ein Baader hatte, wie bekannt, sehr wohl seine Freude an "kapitalistischen" Dingen.

Bei solchen Charakteren denke ich mir immer, es ist egal, in welchen Kreisen dieser gelandet wäre. Wenn der unter anderen Umständen in der Rechten Szene gelandet wäre, wäre der genauso extrem geworden.

Und wenn dann die Spirale überdreht ist, und ein Ausweg aus seiner Sicht nicht mehr gegeben ist, dann kommt ein solcher Charakter in das Fahrweise " wenn ich untergehe, dann mit Pauken und Trompeten".

Ich glaube etwas daran, daß der RAF auch heute noch zuviel Bedeutung zugestanden wird. Zudem laufen wir Gefahr, daß eine gewisse Legendenbildung entstehen könnte. Und damit wieder eine Vorlage für die nächsten Verrückten.

Nehmen wir doch mal das Beispiel Che' ! Er wird bis heute nicht schlecht verklärt und vermarktet. Das er gerade in seinen letzten Jahren ein äusserst gefährlicher Mann war, der auch vor dem Einsatz der Atombombe nicht zurückgeschreckt wäre, wenn er die Möglichkeit gehabt hätte , ist zwar jedem bekannt, der sich mit ihm auseinandersetzt, wird aber in der Legendenbildung weit nach hinten gerrückt.
 
@Pidibaer: Ich denke die Extreme ziehen sich an. Horst Mahler z.B. war als Rechtsanwalt einer der Verteidiger von RAF-Mitgliedern. Heute ist er ein Protagonist der "Neuen Rechten".
 
Um für die Unterstützer zu sprechen: Ich hab das als Generationenkonflikt, nicht als politischen Konflikt, in Erinnerung.

Schleyer zum Beispiel war auch nach damaligen Massstäben nicht als Arbeitgeberpräsident vertretbar. Heute würde den kein Hund mehr anbellen. 1935 aus einer Studentenverbindungen exkludiert weil er zu rechts war! Das muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen. Und nach 45 von der Verbindung wieder aufgenommen! Dem und seiner Verbindung weine ich doch heute noch keine Träne nach.

SA-Opa, zur Demokratie bekehrt aber immer noch treuer Abonnent der National- und Soldatenzeitung, Grosstante, erst 12 Jahre lang nationale dann internationale Sozialistin und ich konnten uns grossartig im Kampf gegen die Plutokraten gegen Papa zusammenrotten. Alt und Jung gegen die Generation an der Macht. Zum Glück hatte Papa viel Humor.

Andreas Baader hätten wir zu jeder Zeit Unterschlupf gewährt, den Mädels sowieso. Ansonsten "Big Raushole"-Aufkleber auf dem Kaefer, viel mehr war da politisch nicht. Wir waren gegen Big Gouverment, Big Money und für Free Drugs und Free Kalashnikows.

Wow. Eigentlich waren wir die Tea Party. Wenn das die Gudrun wüsste. Oder die Sarah Palin

Und Che Guevara, meine Güte. Wenn der ausgesehen hätte wie Erich Honecker wäre er auf keinem T-Shirt gelandet. Ich hab seinen "Guerillakrieg" gelesen. Rotbuchverlag. Das einzige woran ich mich noch erinnere ist, dass der Guerillero seine Socken und Stiefel trocken halten muss. Heck, das hätte ich in "Forest Gump" billiger haben können.

Bekommen hab ich das Che-Buch von einem Rechtsradikalen, der in der Bundeswehr für die Söldnertruppe eines Grafen Adelmann zu Adelmannsfelden rekrutieren wollte. Die Adelmänner gibt es im Hohenlohischen immer noch, der obige war wohl ein schwarzes Schaf. Oder ein braunes. Oder ein rotes.
 
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