Die rechtliche Beurteilung Danzigs durch die Bundesrepublik vor 1989

flavius-sterius

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Dieser Tage wollte ich der Frage nachgehen, welches KFZ-Kennzeichen - bei der Einführung von Stadt- und Landkreiskennungen Anfang der 1950er Jahre - die westdeutschen Beamten im Verkehrsministerium für die Stadt Rostock vorgesehen hatten. WIKI hatte die Antwort. Eine Frage beantwortet, aber gleich hat sich für mich eine neue Frage ergeben:

In der WIKI-Liste wird erwähnt, dass die westdeutschen Beamten im Verkehrsministerium gleich ein Kennzeichen für die Stadt Danzig ( = DZ ) vorgesehen hatten. Zuerst war ich nun wirklich von dieser Chuzpe mehr als überrascht. Aber nach längerem Grübeln kann ich mir vorstellen, dass das wirklich aus westdeutschen Beamtenhirnen stammen könnte. Da sich die Bundesrepublik bis 1989 rechtlich an die Grenzen von 1937 klammerte, war wohl auch Danzig für die Juristen in den Bonner Ministerien eine FREIE STADT unter Völkerbundmandat. Da konnte es ja nicht schaden, schon mal ein Kfz-Kennzeichen für Danzig zu reservieren.

Oder ist die Seite auf WIKIPEDIA nur eine Träumerei von Ewig Gestrigen aus der rechten Ecke?

Ich bin für Antworten dankbar, welche etwas zur Position der Regierungen unter Adenauer bis Kiesinger zu Danzig beitragen können. Haben eine oder mehrere dieser Regierungen Danzigs Position als Freie Stadt unter Völkerbundmandat verteidigt und deren Zugehörigkeit zu Polen bestritten?

Und wie lief es völkerrechtlich ab? Wurde irgend wann von der UNO das Völkerbundmandat für Danzig aufgehoben und/oder die Stadt und ihr Umland formell an Polen übertragen?

Ach ja, der WIKI-Link:

Ostzonenverzeichnis ? Wikipedia
 
Das Potsdamer Abkommen von 1945 stellte keinen endgülitigen Vertrag dar. Unter anderem stand da:
"Konfrontiert mit vollendeten Tatsachen, akzeptierten auch die beiden westlichen alliierten Siegermächte die polnische Verwaltung dieser Gebiete für die Zeit bis zu einer friedensvertraglichen Regelung." (...) „Die Häupter der drei Regierungen stimmen darin überein, dass bis zur endgültigen Festlegung der Westgrenze Polens, die früher deutschen Gebiete östlich der Linie, die von der Ostsee unmittelbar westlich von Swinemünde und von dort die Oder entlang bis zur Einmündung der westlichen Neiße und die westliche Neiße entlang bis zur tschechoslowakischen Grenze verläuft, einschließlich des Teiles Ostpreußens, der nicht unter die Verwaltung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken in Übereinstimmung mit den auf dieser Konferenz erzielten Vereinbarungen gestellt wird und einschließlich des Gebietes der früheren Freien Stadt Danzig, unter die Verwaltung des polnischen Staates kommen und in dieser Hinsicht nicht als Teil der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland betrachtet werden sollen.“
Siehe: Potsdamer Abkommen ? Wikipedia
Ja und dann kam der Kalte Krieg... So waren im Grunde die endgültigen Staatsgrenzen bis zum 2+4-Vertrag 1990 nicht geklärt. Rein staatsrechtlich waren die ehemaligen Ostprovinzen bis 1990 deutsches Staatsgebiet, das unter der Verwaltung anderer Länder stand - so auch Danzig.
Wobei Danzig bis 1939 ja eigentlich nicht zu Deutschland gehörte. Also doch eine Anmaßung?
:grübel:
 
Zuletzt bearbeitet:
Und wie lief es völkerrechtlich ab? Wurde irgend wann von der UNO das Völkerbundmandat für Danzig aufgehoben und/oder die Stadt und ihr Umland formell an Polen übertragen?

Mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag als abschließende Friedensregelung ist auch diese Vereinbarung aus dem Potsdamer Abkommen bekräftigt:

"Die Häupter der drei Regierungen stimmen darin überein, daß bis zur endgültigen Festlegung der Westgrenze Polens, die früher deutschen Gebiete östlich der Linie, die von der Ostsee unmittelbar westlich von Swinemünde und von dort die Oder entlang bis zur Einmündung der westlichen Neiße und die westliche Neiße entlang bis zur tschechoslowakischen Grenze verläuft, einschließlich des Teiles Ostpreußens, der nicht unter die Verwaltung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken in Übereinstimmung mit den auf dieser Konferenz erzielten Vereinbarungen gestellt wird und einschließlich des Gebietes der früheren Freien Stadt Danzig, unter die Verwaltung des polnischen Staates kommen und in dieser Hinsicht nicht als Teil der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland betrachtet werden sollen."
Potsdamer Abkommen, IXb


Die Bundesregierungen sprachen - zB bei Entschädigungsfragen Vertriebener - immer vom Reichsgebiet in den Grenzen vom 31.12.1937 und dem Gebiet der Freien Stadt Danzig (ggf. zzgl. Memelland, etc.). Als Reichsgebiet wurde das Gebiet nicht angesehen. Der Völkerbund hat sich 1946 aufgelöst, das Potsdamer Abkommen sah für die Stadt eben kein Mandat vor.
 
Die Reservierung eines Autokennzeichens für Danzig hat m.E. nichts mit einer außenpolitischer Anmaßung etwas zu tun, sondern folgte innenpolitischen Kalkül in der von Scorpio eingegrenzten Zeit (Adenauer/Kissinger). Das Potsdamer Abkommen, Barbarossa hat den hierzu entscheidenden Ausschnitt einkopiert, legte definitiv die Verwaltung von Danzig in polnische Verantwortung. Damit war das Völkerbund-Mandat quasi "erledigt". Ein deutscher Teilstaat hat bereits 1950 diesen Grenzverlauf akzeptiert: "Görlitzer-Abkommen". Der zweite deutsche Teilstaat hat 1990 diesen Grenzverlauf anerkannt (Artikel I). De facto schon seit bestehen der Bundesrepublik.

Eine Grenzrevision war eine "Chimäre". Die Reservierung von Autokennzeichen für Danzig würde ich einfach der politischen Rücksicht auf die Vertriebenenverbände zuordnen wollen, die ein erhebliches Wählerpotential in der Bundesrepublik darstellten (inkl. politischen Lobbyismus).

Soweit ich weiß, hat die UNO auch niemals das "Völkerbund-Mandat" für Danzig reklamiert bzw. eingefordert.

M.
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine Grenzrevision war eine "Chimäre". Die Reservierung von Autokennzeichen für Danzig würde ich einfach der politischen Rücksicht auf die Vertriebenenverbände zuordnen wollen, die ein erhebliches Wählerpotential in der Bundesrepublik darstellten (inkl. politischen Lobbyismus).

Nicht nur das: Der BHE, die Vertriebenenpartei in der BRD war an der zweiten Bundesregierung der Bundesrepublik beteiligt. Im Kabinett Adenauer hatte sie zwei Minister (Vertriebenenangelegenheiten und einen ohne Ressort). Zugleich war sie in 5 Landesregierungen vertreten.
 
Melchior schrieb:
Soweit ich weiß, hat die UNO auch niemals das "Völkerbund-Mandat" für Danzig reklamiert bzw. eingefordert.
Ich bin bisher davon ausgegangen, dass die UNO Rechtsnachfolger des Völkerbundes geworden ist. Das habe ich einfach voraus gesetzt, da die Gebäude des Völkerbundes in Genf von der UNO übernommen wurden und die vorherigen Mandatsgebiete des Völkerbundes teilweise als UN-Treuhandgebiete weiter geführt wurden. Aber nachdem ich mich in das Thema mal eingelesen habe, ist die UNO nicht Rechtsnachfolger des Völkerbundes geworden. Wieder was gelernt.

Danke für die hilfreichen Beiträge. Insbesondere der Hinweis auf das Potsdamer Abkommen war für mich entscheidend.
:anbetung:
Noch eine Frage:
Melchior schrieb:
Die Reservierung eines Autokennzeichens für Danzig hat m.E. nichts mit einer außenpolitischer Anmaßung etwas zu tun, sondern folgte innenpolitischen Kalkül in der von Scorpio eingegrenzten Zeit (Adenauer/Kissinger).
Innenpolitisch kann ein Kfz-Kennzeichen für die Ostgebiete unter polnischer und sowjetischer Verwaltung nur etwas genutzt haben, wenn man diese veröffentlicht hat. Eine interne Liste im Ordner des Verkehrsministeriums konnte ja keinen Vertriebenenfunktionär glücklich machen. Weiß jemand, ob diese Liste damals in der Öffentlichkeit bekannt war?
 
...Innenpolitisch kann ein Kfz-Kennzeichen für die Ostgebiete unter polnischer und sowjetischer Verwaltung nur etwas genutzt haben, wenn man diese veröffentlicht hat. Eine interne Liste im Ordner des Verkehrsministeriums konnte ja keinen Vertriebenenfunktionär glücklich machen. Weiß jemand, ob diese Liste damals in der Öffentlichkeit bekannt war?

Ich weiß nicht, wie das in den 50er Jahren war, aber heute kann man die KfZ-Kennzeichen in fast jedem Taschenkalender nachschlagen...
:grübel:
 
Noch eine Frage:

Innenpolitisch kann ein Kfz-Kennzeichen für die Ostgebiete unter polnischer und sowjetischer Verwaltung nur etwas genutzt haben, wenn man diese veröffentlicht hat. Eine interne Liste im Ordner des Verkehrsministeriums konnte ja keinen Vertriebenenfunktionär glücklich machen. Weiß jemand, ob diese Liste damals in der Öffentlichkeit bekannt war?

@flavius-sterius

KFZ-Kennzeichen werden im Bundesanzeiger bzw. BGBl. veröffentlicht. In dem folgenden verlinkten Buch findest Du eine "Geschichte der deutschen KFZ-Kennzeichen" auch mit viel Literatur- bzw. Quellenangaben.

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Das entscheidende "Stichjahr" ist 1956. Ich vermute, sie waren öffentlich zugänglich, dagegen spräche aus historischer Sicht auch nichts.

M. :winke:
 
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