gewaku in Thüringen 1946

tilia

Neues Mitglied
Ich habe ein Klassenbuch vom Schuljahr 1946 /1947. Welches Fach steht hinter der Abkürzung gewaku?
 
GEWAKU...
Müsste GEGENWARTSKUNDE sein.

Wurde später durch das Fach STABÜ ersetzt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank! Es ist ein interessantes Dokument der Zeit zwischen amerikanischer und russischer Besatzung. Dieses Fach war sicher sehr nötig, um sich überhaupt noch im Leben zurechtzufinden.
 
Na ja. Ich greife mal als Stichwort „nötig“ auf.

War ja ein Fach das ausgerichtet war auf das neue sozialistische System und beschäftigte sich deshalb mit aktuellen Ereignissen, aber immer aus der Sichtweite des entstehenden Sozialismus.

Die Lehrer - damals alles Neulehrer - hatten dabei zu beachten, der Stoff musste verständlich für Kinder vermittelt werden.

Und in meiner Klasse, soweit ich mich erinnere auch in anderen Klassen, waren die Schüler (Einfluss Elternhaus) da in ihrer Auffassung recht unterschiedlich. Hinzukommend auch der Einfluss der außerschulischen Christenlehre (evangelisch), die die überwiegende Anzahl der Schüler besuchte.

Du hast Recht, Stoff gabs damals in Hülle und Fülle und wenn ich es rückblickend betrachte, war es ja eine recht bewegte Zeit.

Unklar war ja, wohin triftet Deutschland als Ganzes. Wird es geteilt, kommt es zusammen und tausend andere Fragen die sich daraus ergeben. Bei den Mecklenburgern, wie ich viel später mal von einen Rostocker erfuhr, kam hinzu Unklarheit ob sie zu den Schweden kommen.

Hauptlieferanten für den Unterrichtsstoff waren W. Ulbricht, O. Grotewohl, K. Adenauer, K. Schumacher und J.W. Stalin, Mao Zedong sowie auch Bolesław Bierut und K. Gottwald, manches mal auch H. Truman.

Ich hatte dieses Fach ab der 7 Klasse bis zur 8. Klasse. Danach habe ich eine 3jährige Berufsausbildung absolviert. Da waren die Inhalte mit im Fach Geschichte integriert.
Auf der Ingenieurschule (Maschinenbau, ab 1961) hieß das dann „Gesellschaftswissenschaft“ und beschäftigte sich ebenfalls mit aktuellen Ereignissen aber hinzukommend die Lehre von Marx, Engels und Lenin.
 
Bei den Mecklenburgern, wie ich viel später mal von einen Rostocker erfuhr, kam hinzu Unklarheit ob sie zu den Schweden kommen.
Das war doch bloß ein haltloses Gerücht ohne jeden Realitätsbezug, oder? Wieso hätten die Sowjets Mecklenburg dem neutralen Schweden übergeben sollen?
 
Das war doch bloß ein haltloses Gerücht ohne jeden Realitätsbezug, oder? Wieso hätten die Sowjets Mecklenburg dem neutralen Schweden übergeben sollen?

Muss aber wohl damals im Gespräch gewesen sein.
Mir ging es hier mehr darum zu unterstreichen, welche Unklarheiten damals bestanden.
Aber richtig - Quelle zur Aussage! Werde morgen mal versuchen im Netz was zu finden.
 
War ja ein Fach das ausgerichtet war auf das neue sozialistische System und beschäftigte sich deshalb mit aktuellen Ereignissen, aber immer aus der Sichtweite des entstehenden Sozialismus.
Ich weiß jetzt nicht ob ich etwas falsches in deine Aussagen hinein interpretiere, falls ja (und das hoffe ich) dann sag das bitte:
Bemängelst du gerade wirklich, dass in der sowjetischen Besatzungszone Ereignisse aus der eigenen Sichtweise (welche diese "sozialistisch" nannten, was aber natürlich nicht stimmte, da sie kein sozialistisches, sondern ein unfreies System hatten) beurteilt haben? Aus welcher Sichtweise beurteilt man denn ansonsten Sachen - natürlich kann man auch hin- und wieder die Sichtweise wechseln um neue Probleme eines Ereignis anschaulich zu machen, aber im Endeffekt wird ein Ereignis schlussendlich immer von der eigenen Sichtweise her dargestellt und beurteilt. Genauso gut müsstest du dann bemängeln, dass wir uns heute mit allen Ereignissen aus der Sichtweise des Kapitalismus befassen........!
 
Bemängeln!?
Eigentlich ist das nur eine Feststellung zum Lehrinhalt.
Dieser Satz sollte nicht als Bewertung verstanden werden.
Zumindest habe ich dies und auch andere Mitschüler – wir hatten vor Jahren wiedermal Kontakt miteinander – so wahrgenommen.
„War ja ein Fach das ausgerichtet war auf das neue sozialistische System und beschäftigte sich deshalb mit aktuellen Ereignissen, aber immer aus der Sichtweite des entstehenden Sozialismus.“
 
Okay danke für die Klarstellung.
Durch die Bemerkung "immer" klang das für mich wie eine negative Bewertung, dass das sogennnte sozialistische System der DDR sich aus seiner Sichtweise mit Ereignissen beschäftig hat.
 
Durch die Bemerkung "immer" klang das für mich wie eine negative Bewertung, dass das sogennnte sozialistische System der DDR sich aus seiner Sichtweise mit Ereignissen beschäftig hat.
Nach meiner persønlichen Meinung kann man das auch durchaus negativ sehen.
Ich hatte mir mal in Ost-Berlin ein Buch ueber die preussisch-deutschen Kriege gekauft. Das enthielt neben dem eigentlichen Thema soviel "sozialistische Interpretationen" *, dass es fast schon peinlich war.
Æhnliches fand sich auch in einem Buechlein zur "Vølkerschlacht", wenn ich mich recht entsinne.
Kommunismus/Sozialismus war zu der Zeit doch gar kein Thema, aber dennoch wurde bestændig versucht, einen Bogen zu schlagen.
Vergleichbares fand/findet sich in "westlichen" Buechern zu Themen vor Marx/Engels/Lenin in der Regel nicht.
Es wære mal interessant zu wissen, wie in der DDR z.B. die Geschichte Roms oder das Mittelalter beschrieben und gelehrt wurde.

Gruss, muheijo

(*) Ich muesste vielleicht wirklich mal ein Beispiel heraussuchen, um es besser zu erklæren
 
Mir machen solche Fragen Spaß und darauf in der Art und Weise zu antworten, wie erfolgt.

Sicher bin ich mir dabei bewusst, meine Wahrnehmungen sind da nicht immer das Absolute; es gibt da auch zum gleichen Sachverhalt zur gleichen Zeit andere Wahrnehmungen. Und wenn man da die sogenannte Netiquette wahrt, ist es in aller Regel ein Gewinn, eine Wissensbereicherung.

Jedenfalls, GEWAKU hat in mir wieder Erinnerungen an die Jahre Ende 1940, Anfang bis Mitte 1950 geweckt.

Das war ja die Zeit wo die JP - Organisation anfing, in den Schulen sich langsam zu etablieren (Einrichtung der Stelle des hauptamtlichen Pionierleiters, gewählte Gruppenräte und gewählter Freundschaftsrat - die meisten gingen jedoch auf Tauchstation, war deshalb manches mal nicht einfach).

Das war die Zeit wo die evangelischen Pfarrer sich weigerten jemanden zu konfirmieren, der gleichzeitig die Jugendweihe haben wollte. Soweit ich mich erinnere, einigen Eltern passte die Haltung der Pfarrer nicht, sie wollten gemäß Kindeswunsch beides. Ging aber nicht.

War auch die Zeit wo der „Superstar der DDR“ den "Welthit" startete: „Komm mit nach Saratow“ (1951). Findet man sogar noch heute bei YouTube.

Später machte diese Stadt dann von sich Reden, weil die Maschinenbauer in Saratow das „System der fehlerfreien Arbeit“ erfanden, das dann auch in der DDR angewandt wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zur Diskussion passend:

Im Klassenbuch sind christliche Feiertage eingetragen und Feiertage, die sicher von der sich bildenden Staatsführung eingebracht wurden.
Buß- und Bettag, "Reformationsfest! Schule fällt aus!" (evangelisches Thüringen)
und "Tag der russischen Oktoberrevolution"


Inhalt von GewaKu ist z.B. "der Volkskongreß"

Übrigens muss ich mich korrigieren: Das Schuljahr ist 1947/1948

Bemerkenswert auch der Eintrag: "Gewaku entfällt, da der Klassenlehrer noch auf Parteischule und seine Vertretung im Urlaub"
Da wüsste ich ja gerne, was die Hintergründe sind.
 
Unterrichtsausfall.
Offensichtlich ist in diesem Fall der GEWAKU Lehrer auch der Klassenlehrer.

Jede Klasse hatte einen Klassenlehrer der für alle Fragen der Klasse betreffend zuständig war, gleichzeitig als Bindeglied zu den Fachlehrern, zum Direktor und den Eltern der Kinder fungierte.
Wenn ich mir mein Zeugnis ansehe, wir hatten damals 12 Fächer, wobei Deutsch untergliedert war in Sprachlehre, Literatur und Aufsatz. Russisch begann in der 5. Klasse.

Parteischule...

In der Regel war der GEWAKU – Lehrer Mitglied der SED.

Die SED hatte ein eigenes Schulnetz.
Soweit mir bekannt, Kreisparteischule (Großkombinate eigene Betriebsparteischule), Bezirksparteischule und eine Parteihochschule, sowie Delegierungen nach Moskau und wohl auch Leningrad.

Auch Blockparteien hatten dies, aber wohl nicht ganz so umfangreich gegliedert.

Hier könnte es sein der GEWAKU Lehrer absolvierte möglicherweise an der Kreisparteischule ein Fernstudium.
Da war er wohl turnusmäßig immer 1 Woche dort, was dann zum Unterrichtsausfall führte.

Kann aber auch sein das er - bedingt durch seine Tätigkeit - nur ein paar Tage zum Fit machen dort war.

Frage zum Volkskongress - siehe Wiki.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben