Märchen nach 1945

T

Tarica1989

Gast
Hallo,ich muss derzeit ein Referat über die Geschichte der Märchen schreiben.
Bis zur Nazizeit bin ich auch gut durchgekommen, aber was passierte dann mit den Märchen nach 45?
Inwieweit wurden sie verboten/ verändert?

Wäre sehr dankbar für Hilfe :)
 
Hallo,ich muss derzeit ein Referat über die Geschichte der Märchen schreiben.
Bis zur Nazizeit bin ich auch gut durchgekommen, aber was passierte dann mit den Märchen nach 45?
Inwieweit wurden sie verboten/ verändert?

Beschrænkst du dich auf deutsche Mærchen? Auf Mærchen bestimmter Autoren? Moderne Mærchen neuerer Autoren?

Interessehalber: Was passierte mit Mærchen wæhrend der Nazizeit?
Ideologisiert? Entartete Kunst? Verbrannt? Umgeschrieben?

Gruss, muheijo
 
Hallo,ich muss derzeit ein Referat über die Geschichte der Märchen schreiben.
Bis zur Nazizeit bin ich auch gut durchgekommen, aber was passierte dann mit den Märchen nach 45?
Inwieweit wurden sie verboten/ verändert?

Wäre sehr dankbar für Hilfe :)


Märchen bleiben lebendig, sie wurden neu gesammelt und neu interpretiert. Sie wurden Fundgruben für Psychologen und regten Regisseure an, die "Zeit der wölfe" drehten. Carl zuckmayer nannte sein Drama "Der Hauptmann von Köpenick ein deutsches Märchen"

Die Geschichte des Märchens ist auch eine der Volkskunde und die hatte erhebliche probleme nach 1945, eben weil sehr viele Volkskundler tief braun involviert waren und nur wenige unbelastete Köpfe übrig blieben, die sich in der Nazizeit in innere Emmigration oder in Elfenbeintürme zurückzogen, so dass man sich 1946 bei einer Tagung in Falkenberg ernsthaft überlegte, das Fach Volkskunde/ Europäische Ethnologie aufzulösen, was dann nicht geschah. Die Erzählforschung wurde zu einem Feld der modernen Ethnologie, die eine Enzyklopädie des Märchens begründete.

Wie moderne Märchen entstehen, darüber gibt der Göttinger Volkskundler Rolf Brednich Auskunft, der moderne Sagen gesammelt hat, die tatsächlich irgendwo passiert sind und von denen jeder irgendeinen kennt, der von einem Anderen gehört hat, der einen kannte, der dabei war: da ist die geschichte mit der Oma, die im Urlaub den Löffel abgab und auf dem Dachgepäckträger oder im Kofferraum transportiert wurde über den Killerwels, der Dackel verputzte oder eben die Geschichte von der Giftspinne in der Yuccapalme

Rolf Brednich, "Die Spinne in der Yuccapalme" geht solchen modernen Mythen nach, die lektüre ist ebenso amüsant wie aufschlussreich.
 
aber was passierte dann mit den Märchen nach 45?
Inwieweit wurden sie verboten/ verändert?

Eine allgemeine Antwort auf Deine Frage kann ich nicht liefern. Allerdings kann ich auf das Beispiel eines Märchens (genauer, einer Volkssage) hinweisen, das auch unter dem Eindruck der Erfahrungen der Nazi-Zeit neu gefasst wurde. Es handelt sich um Otfried Preußlers "Krabat".

Dazu ein kleiner Auszug aus Wikipedia:

Otfried Preußler schrieb – mit Unterbrechungen – zehn Jahre an Krabat. Als Vorlage diente ihm die sorbische Volkssage von Krabat, die Ende des 17. Jahrhunderts nahe dem Ort Schwarzkollm in der Oberlausitz zwischen Hoyerswerda (Wojerecy) und Kamenz (Kamjenc) spielt. Die Geschichte des Lehrlings, der sich gegen seinen Meister behaupten muss und ihn zum Kampf herausfordert, findet sich auch in vielen anderen Sagen, ebenso wie das Motiv der Erlösung durch die Liebe.

Preußler sagte über sein Buch:
„Mein Krabat ist […] meine Geschichte, die Geschichte meiner Generation und die aller jungen Leute, die mit der Macht und ihren Verlockungen in Berührung kommen und sich darin verstricken.“

Krabat (Preußler) ? Wikipedia
 
Kommen wir da aber nicht zu weit ab vom "Mærchen"? Bzw. wo sind die Grenzen? Bei Preussler fallen mir natuerlich noch die Hotzenplotz-Geschichten ein, als "Mærchen" kann man die doch nicht ansehen?

Wie ist es mit "Gummi-Tarzan" von Ole Lund Kirkegaard?

Gruss, muheijo
 
Da laß uns jetzt einmal abwarten, was Tarica zu den Ideen sagt. Freilich ist ein Hinweis auf den Unterschied zwischen Märchen und Mythen einerseits, zu Sagen (und Legenden) andererseits; sowie auch den Unterschied zwischen Volks- und Kunstmärchen zu erwähnen. Einige Ideen fand ich aber richtig gut, wie die Hinweise auf die mediale Verarbeitung. Wer kennt zum Beispiel keine Aschenputtel/Cindrella-Variation aus dem Kino oder Fernsehen. Allerdings drängt sich mir die Frage auf, wie läßt sich die Geschichte der Märchen gerade bis 1945 gut bearbeiten/zusammenfassen? Ein Verbot von Märchen wäre mir unbekannt. Allerdings würde ich durchaus zustimmen, daß sie zum Teil sehr unpopulär waren (vielleicht seit den 1970ern), was ein Buch wie Bruno Bettelheims "Kinder brauchen Märchen" sinnvoll machte. Über die Gründe der Unpopularität könnte ich jetzt aber auch nur spekulieren. Aber Tatsache ist schon auch, daß gerade in tiefenpsychologisch orientierten Kreisen die Märchendeutung seither z. T. sogar boomte. Bedeutende Interpreten waren zum Beispiel Verena Kast und Eugen Drewermann.
Aber auch die Umerzählung von Märchen gab es, z. B. schrieb Janosh einige nach.
 
Wenn man sich das Märchen "Brüderchen und Schwesterchen" vornimmt, dann ließe sich das nach heutigen Moralvorstellungen nicht so leicht für ein Kinderbuch verwenden. Mord und Hinrichtung auf grausamste Art (könnte schon fast §27 JuSchG zur Anwendung kommen).
 
Wenn man sich das Märchen "Brüderchen und Schwesterchen" vornimmt, dann ließe sich das nach heutigen Moralvorstellungen nicht so leicht für ein Kinderbuch verwenden. Mord und Hinrichtung auf grausamste Art (könnte schon fast §27 JuSchG zur Anwendung kommen).
Ich lese deinen Beitrag einfach einmal als eine Antwort auf eine meiner Bemerkungen und ich muß zugeben, daß die Grausamkeit so mancher Märchen mir arge Schwierigkeiten bereitete, bis ich selbst einmal die Bekanntschaft mit einem Jungen machte, der vor allem eine Angst vor einer Hexe hatte (also nachts vorm Einschlafen und in Träumen) und ich mich schließlich zu einer märchengestützte Arbeit mit ihm entschied, was ich freilich auch theoretisch abzusichern hatte, da es eine berufliche Prüfung beinhaltete. Freilich bin ich nicht der Auffassung, daß Märchen überhaupt mit Geschichten für Kinder beschrieben werden sollten, mögen auch manche in ihrer Tradierung auch einen pädagogischen Einschlag erhalten haben. Ich halte es eher für ein Vorurteil, dessen historischen Bedingungen zu untersuchen wären.
 
Vor ein paar Jahren bekam ich von einer Sachbuchagentur eine Einladung zu einer Autorenlounge anlässlich der Frankfurter Buchmesse.

Bei dieser veranstaltung lernte ich einen recht interessanten Herrn kennen, der sich als Amos Ruwwe vorstellte. Dieser hat das Märchen vom König Drosselbart als Medium entdeckt, Planungshilfen für den beruflichen Erfolg zu erstellen.

Herr Ruwwe erzählte mir, dass er nach einer langjährigen Tätigkeit als Entwicklungshilfer Selbstfindungskurse und psychoanalytische Stressbewältigung organisiert und angeboten hat, wobei er bei jeder Sitzung das Märchen vom König Drosselbart vorlas und die Klienten nach ihren Asoziationen befragte. Offenbar nicht ohne Erfolg, denn Ruwwe veröffentlichte seine Erkenntnisse in einem Buch

... Die bösen Tage sind zuende- Planungshilfen für den beruflichen Erfolg" heraus.
 
Die Grimmschen Märchen etablierten sich im Laufe des 19. Jahrhunderts in deutschen Bürgerhäusern, doch sind Märchen, seien es Kunst- oder Volksmärchen nicht vordergründig für ein kindliches Publikum gesammelt worden. Die Märchen aus 1001 einer nacht haben häufig einen erotischen Inhalt, und als der Brite Richard Francis Burton, der als einer der ersten Europäer Mekka und Medina bereiste im 19. Jahrhundert eine der ersten Übersetzungen vorlegte, galten die "Arabian Nights" mit Illustrationen von Gorree eher als stoff für Männerphantasien, als Kinderlektüre.
 
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