Planten die USA eine Bodenreform für ihre Zone?

flavius-sterius

Aktives Mitglied
So richtig passt das Thema nicht in diesem Unterforum. Ich habe nur keines für die Geschichte von Trizonesien und der frühen Bundesrepublik Deutschland gefunden. Man übe diesbezüglich Nachsicht.

Dieser Tage haben mir zwei Hobby-Historiker (welche jeweils die Geschichte ihrer Gemeinde erforschen) eine ähnliche Episode erzählt, aber mit abweichenden Ursachen.

Die Familie Schilling von Canstatt war schon längere Zeit Gutsbesitzer zu Hohenwettersbach. Diese Gemeinde lag nach dem II. Weltkrieg in der damaligen US-amerikanischen Besatzungszone. Nach dem Krieg mussten die Gutsherren etwa 20% der Gutshofflächen für den Bau einer Wohnsiedlung abtreten. So weit ist dies unstrittig. Der Lokal-Hobby-Historiker erklärt diese Abtretung wider Willen mit einem US-Amerikanischen Plan, alle "Junker" auch in der amerikanischen Zone zu enteignen. Die US-Amerikaner hätten als eine der Ursachen des deutschen Militarismus diese Landgüter ausgemacht. Die Söhne dieser Gutsbesitzer wären meist Offiziere geworden und hätten so den Militarismus in Deutschland angeheizt. Diese "Neigung" wollte die USA angeblich durch Enteignung der Gutsbesitzer beseitigen. Nur durch den dann einsetzenden Kalten Krieg wäre man davon wieder abgekommen, weil man die Gutsbesitzer als wichtige Pfeiler gegen den Kommunismus nicht verlieren wollte. Die entschädigungsfreie Landenteignung von 20% wäre also am Schluss ein Zurückrudern der USA gewesen.

Die Familie von Bohlen und Halbach war seit 1885 Gutsbesitzer zu Obergrombach. Diese Gemeinde lag nach dem II. Weltkrieg ebenfalls in der damaligen US-amerikanischen Besatzungszone. Nach dem Krieg mussten die Gutsherren ebenfalls etwa 20% der Gutshofflächen abtreten. Auf diese Flächen wurden Aussiedlerhöfe angelegt.
Interessant ist hier jedoch, dass die Orts-Chronisten dies mit der Verstrickung der Familie von Bohlen und Halbach (Stichwort KRUPP) mit dem NS-Regime erklären. Als Strafe für die Unterstützung des NS-Regimes wäre unter anderem auch diese Grundstücksabtretung erfolgt.

Mir ist nicht bekannt, ob auch die Familie Schilling von Canstatt dem NS-Regime nahestand. Die derzeitige Gutsbesitzerin ist eine Baronin von Maffei, jedoch eine geborene Schilling von Canstatt. Eventuell gab es eine Beziehung zur Panzerschmiede Krauss-Maffei.

Kennt jemand ähnlich gelagerte Grundstückswegnahmen in den Westzonen nach dem Krieg - unabhängig von einer individuellen Schuld der Eigentümer?

Oder kann dies eine generelle Strafe für regimenahe Großgrundbesitzer gewesen sein?

Karlsruhe: Hohenwettersbach und die Familie Schilling von Canstatt

Burg und Schloss Obergrombach ? Wikipedia
 
Es gibt tatsächlich ein Gesetz der alliierten hohen Kommission, das auf eine Bodenreform abzielte (ich muss erst noch suchen, ich hoffe mal, das gibts online), die aber nie umgesetzt wurde, dafür aber durchaus Entschädigungen vorsah. Einen Artikel zum Thema habe ich zumindest schon mal gefunden. Daraus:

Und erst im Laufe der fünfziger Jahre konnte es als sicher gelten, daß es nicht auch auf dem Gebiet der westlichen Besatzungszonen zu Enteignungen ländlichen Grundbesitzes in großem Stil kommen würde. In den ersten Jahren der Besatzung hatten auch die westlichen Mächte umfassende Bodenreformen geplant, und die antiliberale und antidemokratische Rolle des landbesitzenden Adels stellte einen wichtigen Grund dar für diese Bestrebungen.
Der Junker ist tot, es ist der Unterschied, der den Adel macht - Aktuell - FAZ.NET
 
Nein das wars nicht, ich meine 23 oder 32 der AHK-Gesetze, wobei die Aufhebung des Erbhofgesetzes ebenfalls in die Richtung geht.
 
Nein das wars nicht, ich meine 23 oder 32 der AHK-Gesetze, wobei die Aufhebung des Erbhofgesetzes ebenfalls in die Richtung geht.
Mittlerweile kann ich mit Sicherheit sagen, dass es das AHK-Gesetz Nr. 32 ist, Online finde ich es aber beim besten Willen nicht. Ich schaue heute Abend mal nach, ob ich es abgedruckt irgendwo habe. Hier ist ebenfalls der Verweis auf das AHK-Gesetz Nr. 32 zu finden:
Bodenreform in Deutschland ? Wikipedia
 
Es gibt ein Sonderheft VfZ 31 "Die Bodenreform in der Britischen Zone 1945-1949, in der ab S. 15 auch kurz auf die Verhältnisse in der US-Zone eingegangen wird.

Demnach hat sich Clay von Beginn an "pragmatisch" verhalten und die diesbezüglichen Vorgaben der "Direktive JCS 1067" nicht beachtet. Noch im Herbst 1945 wurde dem südlichen Länderrat eine US-Studie mit den Bodenverhätnissen überreicht, wobei man durchscheinen ließ, an "revolutionären Umwälzungen" nicht interessiert zu sein. Es dauerte dann - schon unter Beteiligung deutscher Politiker - bis August 1946, dass ein "Gesetz zur Beschaffung von Siedlungsland und zur Bodenreform" (G.S.B.) verabschiedet wurde und in den Länder-GVBl. abgedruckt wurde. Im September 1947 wurde es zum "zoneneinheitlichen Gesetz" erklärt. Clay entsprach damit den "amerikanischen Besitzvorstellungen" und hatte Vorschläge zur vollständigen Enteignung von Großgrundbesitzern nicht übernommen bzw. abgeblockt. Die geplanten Flächenabgaben reduzierten sich dadurch (%-Sätze oberhalb von 100 ha) von rd. 1,1 Mio. ha (analog SBZ-Kriterien) erst einmal auf rd. 290.000 ha. Mit mehreren Durchführungsgesetzen wurde das nochmal auf nur noch 115.000 ha reduziert. Weitere Probleme in der Durchführung führten dazu, dass davon nur 24.701 ha tatsächlich umgesetzt wurden (bezogen auf die US-Zone).
 
@silesia

Danke für die Literaturangaben. Eine generelle Bodenreform, wie in der SBZ, hätte auch nicht in die juristische, kulturelle von mir aus auch, ideologische Mentalität der Westalliierten gepaßt. Entflechtung von Konzernen ja => "Anti-Trust-Tradition", aber Enteignung, noch dazu eventuell entschädigungslos, dann wohl doch eher nein.

M.
 
Danke für Eure Beiträge. Diese haben mir meine Frage beantwortet.
:anbetung:

Immer wieder interessant, wie sich die große Politik auch im kleinen (wie der Lokalgeschichte) widerspiegelt.
 
Danke für Eure Beiträge. Diese haben mir meine Frage beantwortet.
:anbetung:

Immer wieder interessant, wie sich die große Politik auch im kleinen (wie der Lokalgeschichte) widerspiegelt.


Falls es noch interessiert:
Es gab eine US-Initiative vom August 1945 für ein Kontrollrats-Bodenreformgesetz die dann in entsprechende Gesetze für die US-Zone mündeten.
Aus der Hand:
Grundbesitz ab 125 Hektar, Waldbesitz ab 400 Hektar waren betroffen, es mussten Flächen prozentual nach einem Schlüssel abgegeben werden.
Für Württemberg-Baden (ich denke darum geht es) gibt es dann noch ein entsprechendes Landes-Gesetz von 1948(?)
 
Für BW:

RegBl Nr. 23
Seite 263-265 | Gesetz Nr. 65 zur Beschaffung von Siedlungsland und zur Bodenreform | vom 26.11.1946

RegBl Nr. 7
Seite 43-50 | Erste Verordnung zur Ausführung und Ergänzung des Gesetzes zur Beschaffung von Siedlungsland ... | vom 29.05.1947

RegBl Nr. 19
Seite 172 | Verordnung Nr. 606 zur Ausführung des Gesetzes zur beschleunigten Durchführung der Bodenreform | vom 15.12.1947

RegBl Nr. 19
Seite 171 | Gesetz Nr. 908 zur beschleunigten Durchführung der Bodenreform | vom 15.12.1947

RegBl Nr. 17
Seite 167-168 | Gesetz Nr. 948 über die Entschädigung für Übereignung oder Enteignung von Grundeigentum nach ... | vom 21.07.1949



Jedenfalls für den Zeitraum 1946 bis 1949.

M.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Für BW:

RegBl Nr. 23
Seite 263-265 | Gesetz Nr. 65 zur Beschaffung von Siedlungsland und zur Bodenreform | vom 26.11.1946

RegBl Nr. 7
Seite 43-50 | Erste Verordnung zur Ausführung und Ergänzung des Gesetzes zur Beschaffung von Siedlungsland ... | vom 29.05.1947

RegBl Nr. 19
Seite 172 | Verordnung Nr. 606 zur Ausführung des Gesetzes zur beschleunigten Durchführung der Bodenreform | vom 15.12.1947

RegBl Nr. 19
Seite 171 | Gesetz Nr. 908 zur beschleunigten Durchführung der Bodenreform | vom 15.12.1947

RegBl Nr. 17
Seite 167-168 | Gesetz Nr. 948 über die Entschädigung für Übereignung oder Enteignung von Grundeigentum nach ... | vom 21.07.1949



Jedenfalls für den Zeitraum 1946 bis 1949.

M.

Danke für die Infos.
Eine kleine Ergänzung. Die genannten betreffen nur die US-Zone, das damalige Land Württemberg-Baden.

In der franz. Zone, den Ländern (Süd-)Baden und Württemberg-Hohenzollern war die Welt wieder ein bißchen anders.
durch den dort sehr großen Landbesitz des mediatisierten Adels und der Herrscherhäuser bis 1918 ein Thema mit einst großer Sprengkraft.
 
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