Republikflucht, Personalhoheit und Grundlagenvertrag

El Quijote

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Wie vertrug sich eigentlich der Anspruch der Personalhoheit mit der Anerkennung der DDR durch die Bundesrepublik?
Zum einen kaufte ja die Bundesrepublik politische Gefangene (und eine Reihe als politische Gefangene firmierende Stasi-Agenten) frei. Sie wurden quasi aus der Personalhoheit der DDR entlassen und in die Personalhoheit der Bundesrepublik überführt.
Aber wie sah das mit Republikflüchtigen aus? Vor dem Grundlagenvertrag beanspruchte die Bundesrepublik ja die Alleinvertretung der Deutschen zu sein. Sie war Erbnachfolgerin des Reiches und die DDR war aus bundesdeutscher Sicht bis zum Grundlagenvertrag lediglich nicht unter der Souveränität der Bundesrepublik, wurde aber als eigener Staat nicht anerkannt. Das änderte sich ja dann 1971.
Wenn also vor dem Grundlagenvertrag jemand "Republikflucht" (ein absurder Straftatbestand!) beging, war das aus BRD-Sicht kein Problem, da ja eh alle DDR-Bürger eigentlich BRD-Bürger seien und nur wegen einer Kriegsfolge quasi daran gehindert wurden. Diese Auffassung kollidierte dann ja mit dem Grundlagenvertrag: Mit der Anerkennung der DDR als zweitem deutschen Staat durch die Bundesrepublik war ja auch notwendigerweise die Anerkennung der Personalhoheit der DDR über ihre Bürger verbunden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bundesrepublik erfolgreiche Republikflüchtlinge noch freikaufte, aber auch nicht, dass die DDR freiwillig die Personalhoheit über republikflüchtige Bürger abgab.
Wie ist das zu lösen? Oder habe ich möglicherweise den Inhalt des Begriffs der Personalhoheit missverstanden?
 
ich finde es jetzt gerade nicht ...
Die "Republkflüchtigen" haben wie jeder andere Mensch das Recht auf freie Wahl des Aufenthaltsorts und als Deutsche das Recht auf die (bundes)deutsche Staatsangehörigkeit. Wenn sie sich also aus der Personalhoheit der DDR in die der BRD begeben, so ist das ihr Recht. Genauso, wie ein Deutscher aus Südafrika
 
Diese Auffassung kollidierte dann ja mit dem Grundlagenvertrag: Mit der Anerkennung der DDR als zweitem deutschen Staat durch die Bundesrepublik war ja auch notwendigerweise die Anerkennung der Personalhoheit der DDR über ihre Bürger verbunden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bundesrepublik erfolgreiche Republikflüchtlinge noch freikaufte, aber auch nicht, dass die DDR freiwillig die Personalhoheit über republikflüchtige Bürger abgab.
Wie ist das zu lösen? Oder habe ich möglicherweise den Inhalt des Begriffs der Personalhoheit missverstanden?

Dein Problem hat auch das BVerfG beschäftigt.

Völkerrechtlich ist es möglich, dass ein Staat die Angehörigen eines anderen als eigene Staatsangehörige betrachtet. Damit werden nicht die souveränen Rechte des anderen Staates verletzt, umgekehrt ist es Recht eines Staates, seine eigenen Staatsangehörigkeiten souverän zu regeln.

"Hinsichtlich der Staatsangehörigkeit bedeutet dies aber nur die deklaratorische Feststellung dessen, was nach allgemeinem Völkerrecht ohnehin gilt: Das Recht jedes Staates, innerhalb der völkerrechtlichen Grenzen seine Staatsangehörigkeit zu regeln, und das Verbot, die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates zu regeln. "

Der Grundlagenvertrag ist insoweit unproblematisch, zumal die Zusatzprotokolle diese Klarstellung bzgl. der Staatsangehörigkeiten auch enthalten. Die Frage sollte man nicht mit den Staatlichkeitsproblemen des Grundlagenvertrages vermischen, in denen es um die "Sezessionstendenzen" des Grundlagenvertrages ging. Das ist zwar eine übergeordnete Fragestellung, die die Souveränität betraf, hat aber mit den Stattsangehörigkeitsfragen zwischen zwei souveränen Staaten nichts zu tun (wenn man die Sezession einfach mal als denkbaren Fall unterstellen würde).

Das Problem betraf auch Bürger anderer Staaten:
"Mit dem Festhalten an der gesamtdeutschen Staatsangehörigkeit wird keine Regelung über die Staatsbürgerschaft der DDR oder die Staatsangehörigkeit Polens, der CSSR etc. getroffen. Von der Existenz dieser Staatsangehörigkeiten geht auch die Bundesrepublik Deutschland aus und bestreitet diese nicht. Nach ihrem Staatsangehörigkeitsrecht sind allerdings die meisten Bürger der DDR und eine bestimmte Anzahl von Bürgern Polens, der CSSR etc. zugleich Inhaber der gesamtdeutschen Staatsangehörigkeit."

Also:
"Dass die sog. Ostverträge und der Grundlagenvertrag keine Regelungen enthalten, die für deutsche Staatsangehörige in den entsprechenden Gebieten den Verlust dieses Status' bedeuten, ist vom BVerfG ... festgestellt worden."
Maunz/Dürig, Art. 16 Gg.


Noch der Hinweis am Rande: die BRD ist nicht Erbnachfolgerin, auch nicht iSe Universalsukzession, sondern mit dem Deutschen Reich identisch (BVerfG).
 
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bundesrepublik erfolgreiche Republikflüchtlinge noch freikaufte, aber auch nicht, dass die DDR freiwillig die Personalhoheit über republikflüchtige Bürger abgab.

Gab sie mWn auch nicht. Mit dem Grundlagenvertrag wurde eine Begnadigung derjenigen vereinbart, die vorher aus der DDR geflohen waren, und ihr Status als Bürger der BRD und Nicht-Bürger der DDR anerkannt. Daher konnten (cih glaub ab 1972) auch frühere "Republikflüchtlinge" wieder gefahrlos in die DDR einreisen. Ich glaube, für später Geflohene galt das nicht (vielleicht gab es aber ähnliche "Gnadenakte" auch später nochmal). Diese Personen wären bei einer Einreise, ja selbst bei einer Transitreise durch die DDR nach West-Berlin, verhaftet worden, wenn sie erkannt worden wären. MWn galt das selbst für von der BRD freigekaufte Personen, zumnidest wenn die vorher wegen Republikflucht im Knast gesessen hatten.

Das sind allerdings persönliche Kindheitserinnerungen, kann nicht garantieren, dass das so stimmt, oder juristisch korrekt dargestellt ist; so habe ich es allerdings an einem Fall ab 1986 miterlebt (von west-berliner Seite aus).
 
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