Rezeption/Bewertung der DDR

Decurion

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Guten Abend, liebe Freunde.

Ich habe mich in den letzten Wochen und Monaten sehr stark mit der DDR beschäftigt. Natürlich nicht soweit, dass ich jetzt absoluter Experte wäre, aber ich denke schon, dass ich einen recht umfassenden (wenn auch oberflächlichen) Eindruck gewinnen konnte.

Da ich aus Westdeutschland komme, betrifft mich die DDR-Geschichte nicht. Dennoch interessiert mich die Zeit von 1945/49-1989/90.

Ich habe viel über Repressionsmaßnahmen in der DDR gelesen. Zum Beispiel, dass Honecker und davor Ulbricht Demonstrationen oder auch den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 gewaltsam niederschlagen ließen. Allein Honecker noch 1989. Ich habe vor geraumer Zeit darüber hinaus auch die Gedenkstätte des ehemaligen StaSi-Gefängnisses Hohenschönhausen in Berlin besichtigt und mir Literatur zu diesem Thema zu Gemüte geführt.

Ich war wirklich in höchstem Maße schockiert, dass es tatsächlich Menschen gibt, die die Terrorherrschaft des SED-Regimes in der DDR leugnen oder gar nichts darüber wissen. Es kam natürlich, wie es aus meinen Studien hervorgegangen ist, zu einer Identifikation der Bevölkerung mit dem SED-Staat, spätestens seit dem Mauerbau. Vor allem durch wissenschaftliche und kulturelle Erfolge wurde dieses Phänomen begünstigt (wobei ich natürlich nicht die Opposition und die vielfache Kritik an der DDR außer Acht lassen will).

So hatte ich zum Beispiel letztens eine Unterhaltung mit meinem Freund über die deutsche Geschichte in der jüngeren Vergangenheit (er studiert Geschichte). Wir kamen auch auf die DDR zu sprechen und da er praktisch keinerlei Wissen darüber hatte, klärte ich ihn auf über das, was ich gelesen und in Erfahrung gebracht habe. Er hat mir fast nicht geglaubt, als ich ihm Dinge zum MfS erzählte, zu Hohenschönhausen, zu blutig niedergeschlagenen Aufständen etc.

Meiner Meinung nach muss man das "sozialistische" System der DDR mit anderen Unrechtsregimen wie dem Dritten Reich vergleichen. Natürlich hinken alle historischen Vergleiche, das ist klar. Es gab eine andere Ideologie und weitere gravierende Unterschiede. Von dem Standpunkt der Gewalt, des Terrors und der Unterdrückung muss ich aber derartige Parallelen konstatieren, dass ich mich frage, wie jemand darauf kommt, den Nationalsozialismus zu verdammen und gleichzeitig den "DDR-Sozialismus" zu glorifizieren oder zu relativieren. Und damit spreche ich nicht von den alteingesessenen überzeugten "Sozialisten" oder der damals von der DDR geprägten Jugend, sondern von unbefangenen und nicht involvierten Menschen, die nicht aus den alten Ostblock-Ländern respektive der ehemaligen DDR stammen.

Was haltet ihr davon?
 
Meiner Meinung nach muss man das "sozialistische" System der DDR mit anderen Unrechtsregimen wie dem Dritten Reich vergleichen. Natürlich hinken alle historischen Vergleiche, das ist klar. Es gab eine andere Ideologie und weitere gravierende Unterschiede. Von dem Standpunkt der Gewalt, des Terrors und der Unterdrückung muss ich aber derartige Parallelen konstatieren, dass ich mich frage, wie jemand darauf kommt, den Nationalsozialismus zu verdammen und gleichzeitig den "DDR-Sozialismus" zu glorifizieren oder zu relativieren. Und damit spreche ich nicht von den alteingesessenen überzeugten "Sozialisten" oder der damals von der DDR geprägten Jugend, sondern von unbefangenen und nicht involvierten Menschen, die nicht aus den alten Ostblock-Ländern respektive der ehemaligen DDR stammen.
Was haltet ihr davon?
es gibt sicher ein paar Parallelen zwischen der DDR und dem NS-Staat wie die Einparteienherrschaft, die Zensur, Jugendorganisationen, Meinungsunterdrückung , Unrechtsurteile,etc. Es gibt aber auch grundlegende Unterschiede. In der DDR wurden keine staatlich organisierten Massenmorde begangen und ein Rassismus als Staatsdoktrin existierte auch nicht.
Unter einem Terrorregime stelle ich mir eine Militärjunta vor, in der es zu willkürlichen Folterungen und Ermordungen im großen Stil kommt . Auch das passt nicht oder nur sehr bedingt zur DDR.
Ein echtes Terrorregime tritt nicht durch Demonstrationen ab ohne jede Menge Protestierender zu erschießen. Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass man die Nazis hätte wegdemonstrieren können. Die traten nicht einmal freiwillig ab als die Russen schon in Berlin waren und Deutschland ein Trümmerhaufen war.
Die DDR war mit Sicherheit kein Rechtsstaat und es gibt keinerlei Gründe sie zurückzuwünschen oder zu verklären aber ein Vergleich mit dem Nationalsozialismus passt nicht.
 
es gibt sicher ein paar Parallelen zwischen der DDR und dem NS-Staat wie die Einparteienherrschaft, die Zensur, Jugendorganisationen, Meinungsunterdrückung , Unrechtsurteile,etc. Es gibt aber auch grundlegende Unterschiede. In der DDR wurden keine staatlich organisierten Massenmorde begangen und ein Rassismus als Staatsdoktrin existierte auch nicht.

Genau das hatte ich auch gesagt. In der Ideologie gab es natürlich Unterschiede. Der "Sozialismus" steht links, der Nationalsozialismus rechts. In der DDR gab es keine Rassenlehre, keine Lebensraumideologie etc.

Allerdings gab es ein Feindbild (der "Imperialismus"), einen teleologischen Systemanspruch und eine variierte Form des Führerkults (v. a. unter Ulbricht, noch stärker in anderen Ostblock-Staaten).

In der DDR gab es meiner Meinung nach aber keine Einparteienherrschaft. Im Nationalsozialismus gab es die NSDAP als einzige existierende Partei. In der DDR gab es aber auch andere Parteien, die allerdings zum Antifa-Block zusammengefasst wurden und unter dem Supremat der SED standen, womit es de jure mehrere Parteien gab.

Unter einem Terrorregime stelle ich mir eine Militärjunta vor, in der es zu willkürlichen Folterungen und Ermordungen im großen Stil kommt . Auch das passt nicht oder nur sehr bedingt zur DDR.
Ein echtes Terrorregime tritt nicht durch Demonstrationen ab ohne jede Menge Protestierender zu erschießen. Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass man die Nazis hätte wegdemonstrieren können. Die traten nicht einmal freiwillig ab als die Russen schon in Berlin waren und Deutschland ein Trümmerhaufen war.

Ein Terrorregime wäre für mich - um es an realen Beispielen festzumachen - das Franco-Regime in Spanien, das Mussolini-Regime in Italien, das Hitler-Regime in Deutschland und die DDR in Ostdeutschland. Das hat mit Militärjunta erst einmal nicht viel zu tun. Sondern mit einer diktatorischen autoritären-totalitären Staatsform.

Die DDR hat in der Tat Demonstrationen niederschlagen lassen. Ich habe bereits 1953 benannt. Und auch 1989, als die DDR bereits in einer ausweglosen Situation stand, ließ Erich Honecker noch am 7. Oktober Aufstände in Berlin niederschlagen.

Der Zusammenbruch der DDR hat seine Ursache aber nicht lediglich in den Demonstrationen. Es gab eine ganze Reihe von Ursachen. Allerdings muss man hier nach dem Kriegskatalog zwischen "Ursache" und "Auslöser" unterscheiden.

Die DDR war mit Sicherheit kein Rechtsstaat und es gibt keinerlei Gründe sie zurückzuwünschen oder zu verklären aber ein Vergleich mit dem Nationalsozialismus passt nicht.

Ich habe bereits gesagt, dass alle historischen Vergleiche hinken und ich habe meine Aussage auch direkt relativiert, indem ich den Vergleich auf einige Gemeinsamkeiten beschränkt habe. Allerdings ist der Vergleich so zu verstehen, dass es nicht auf Ideologie oder bestimmte Aspekte ankommt, sondern auf die Gemeinsamkeit der Gewalt, des Terrors, der Unterdrückung, des Unrechts, der Willkür, der Missachtung aller Menschenrechte etc.
 
Ich war wirklich in höchstem Maße schockiert, dass es tatsächlich Menschen gibt, die die Terrorherrschaft des SED-Regimes in der DDR leugnen oder gar nichts darüber wissen.

Sehr bedauerlich dieser Zustand und bedeutet, dass das Bewußtsein für die hohe und universelle Bedeutung von Menschenrechten immer wieder erneut geweckt werden muss. Auch durch die neutrale und kritische Darstellung von geschichtlichen Ereignissen.

Ein durchaus interessantes Buch zur DDR, dass die Stabilität nicht alleine durch "Terrorherrschaft" erklärt, ist folgendes:

Die rätselhafte Stabilität der DDR: Arbeit und Alltag im sozialistischen ... - Andrew I. Port - Google Books

Meiner Meinung nach muss man das "sozialistische" System der DDR mit anderen Unrechtsregimen wie dem Dritten Reich vergleichen. Natürlich hinken alle historischen Vergleiche, das ist klar. Es gab eine andere Ideologie und weitere gravierende Unterschiede. Von dem Standpunkt der Gewalt, des Terrors und der Unterdrückung muss ich aber derartige Parallelen konstatieren

Natürlich kann man es vergleichen. Aber einmal mehr, die oberflächliche Ähnlichkeit eines stalinistischen Staates mit einem nationalsozialistischem Staat wird heute in der Totalitarismusforschung zwar als gegeben angesehen, jedoch wird ebenfalls betont, dass die Unterschiede überwiegen und eher zunehmen, je tiefer man sich in die Schichten des Vergleichs hineinbewegt.

Totalitarianism: The Inner History of the Cold War - Abbott Gleason - Google Books

Stalinism and Nazism: Dictatorships in Comparison - Google Books

Beyond Totalitarianism: Stalinism and Nazism Compared - Michael Geyer - Google Books
 
Galeotto hat ja schon einiges geschrieben.
Ich wiederhole es deshalb nicht.
Nicht das ich schon wieder belehrt werde, dass hat ja schon ... geschrieben.
Ich persönlich störe mich an den Begriff: „Identifikation“.
Wenn man in der DDR bis zu seinem 50igsten Lebensjahr gelebt hat und dann so etwas liest, Entschuldigung, da hat man Probleme.
Was wirft man uns vor?
 
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Was wirft man uns vor?

Ich glaube nicht, dass Decurion etwas anklagen wollte. :winke:

Und es gibt auch absolut keine Legitimation für eine Anklage, da "Historiographie" kein Ort für einen historischen Gerichtshof ist, auch wenn sich manche Historiker und andere in der Vergangenheit als "Verteidiger", als "Staatsanwälte" oder gar als "Richter" für historische Ereignisse aufgeführt haben.

Und dabei die grundlegendsten Voraussetzungen für einen fairen Prozess, nämlich die umfassende, sachlich angemessene und neutrale Beweisaufnahme historischer Fakten sträflich unterlassen.

Und dann das einseitige Verdikt mit einem scheinbaren neutralen moralischen Anspruch auf Kritik kaschieren.
 
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Ich glaube nicht, dass Decurion etwas anklagen wollte. :winke:

Und es gibt auch absolut keine Legitimation für eine Anklage, da "Historiographie" kein Ort für einen historischen Gerichtshof ist, auch wenn sich manche Historiker und andere in der Vergangenheit als "Verteidiger", als "Staatsanwälte" oder gar als "Richter" für historische Ereignisse aufgeführt haben.

Und dabei die grundlegendsten Voraussetzungen für einen fairen Prozess, nämlich die umfassende, sachlich angemessene und neutrale Beweisaufnahme historischer Fakten sträflich unterlassen.

Und dann das einseitige Verdikt mit einem scheinbaren neutralen moralischen Anspruch auf Kritik kaschieren.

Ich will ganz bestimmt niemandem etwas vorwerfen. Wenn es aus meinem Beitrag hervorgegangen ist, so tut es mir leid; allerdings war dies nie meine Intention, sondern lediglich eine Wiedergabe sachlich-faktischen Wissens.

Denn meines Wissens nach kam es seit dem Mauerbau zu einer immer stärkeren Identifikation der DDR-Bevölkerung mit ihrem Staat (als Vaterland). Das habe ich bei diversen Historikern gelesen, die allesamt unterschiedliche Ansätze vertraten, doch war diese Aussage immer gleich.

Ich habe selbst gesagt, dass ich dabei auch nicht die Opposition und die Kritiker außer Acht lassen will, was aber in der Fragestellung nicht zielführend wäre, da es mir allein darum geht, was Menschen dazu bewegt, sich mit einem derartigen Unrechtsregime zu identifizieren und zu solidarisieren. Ich würde es zu großen Teilen auf Resignation zurückführen, da sich am Ende gezeigt hat, dass der DDR-Bevölkerung jahrzehntelang jegliche Möglichkeit zur Eigenständigkeit genommen wurde und am Ende daher auch gar kein Wille da war, die DDR zu verteidigen (wie ein Historiker, dessen Namen ich vergessen habe, treffend sagte).

Ich würde gerne nachvollziehen können, wie man ein System untersützten respektive nicht anklagen kann, das Menschen aus politischer Willkür verhaftet, einsperrt und hinrichtet (vgl. Hilde Benjamin, Verstrahlung von inhaftierten BRD-Bürgern vor der Heimreise), darüber hinaus auch bespitzelt (vgl. StaSi) und jegliche Opposition gewaltsam unterbindet (vgl. blutige Niederschlagung von Aufständen). Und wie ist es möglich, dass derlei psychische, verbale und physische Gewalttaten so gedeutet und wiedergegeben werden, dass eine unglaubliche Relativierung stattfindet.

Ich verstehe nicht, wie man die Geschichte der DDR nüchtern-neutral, fast beiläufig erwähnen kann, wenn dieses System doch genauso unrechtens und gewaltsam war wie zum Beispiel das Dritte Reich, südamerikanische Diktaturen und sonstige europäische Diktaturen.
 
Ich will ganz bestimmt niemandem etwas vorwerfen. Wenn es aus meinem Beitrag hervorgegangen ist, so tut es mir leid; allerdings war dies nie meine Intention, sondern lediglich eine Wiedergabe sachlich-faktischen Wissens.

Denn meines Wissens nach kam es seit dem Mauerbau zu einer immer stärkeren Identifikation der DDR-Bevölkerung mit ihrem Staat (als Vaterland). Das habe ich bei diversen Historikern gelesen, die allesamt unterschiedliche Ansätze vertraten, doch war diese Aussage immer gleich.

Ich habe selbst gesagt, dass ich dabei auch nicht die Opposition und die Kritiker außer Acht lassen will, was aber in der Fragestellung nicht zielführend wäre, da es mir allein darum geht, was Menschen dazu bewegt, sich mit einem derartigen Unrechtsregime zu identifizieren und zu solidarisieren. Ich würde es zu großen Teilen auf Resignation zurückführen, da sich am Ende gezeigt hat, dass der DDR-Bevölkerung jahrzehntelang jegliche Möglichkeit zur Eigenständigkeit genommen wurde und am Ende daher auch gar kein Wille da war, die DDR zu verteidigen (wie ein Historiker, dessen Namen ich vergessen habe, treffend sagte).

Ich würde gerne nachvollziehen können, wie man ein System untersützten respektive nicht anklagen kann, das Menschen aus politischer Willkür verhaftet, einsperrt und hinrichtet (vgl. Hilde Benjamin, Verstrahlung von inhaftierten BRD-Bürgern vor der Heimreise), darüber hinaus auch bespitzelt (vgl. StaSi) und jegliche Opposition gewaltsam unterbindet (vgl. blutige Niederschlagung von Aufständen). Und wie ist es möglich, dass derlei psychische, verbale und physische Gewalttaten so gedeutet und wiedergegeben werden, dass eine unglaubliche Relativierung stattfindet.

Ich verstehe nicht, wie man die Geschichte der DDR nüchtern-neutral, fast beiläufig erwähnen kann, wenn dieses System doch genauso unrechtens und gewaltsam war wie zum Beispiel das Dritte Reich, südamerikanische Diktaturen und sonstige europäische Diktaturen.

Mir ist bei deinen bisherigen Äußerungen nicht klar, wen speziell du meinst.
Sind es die Einwohner der DDR, die sich zu Zeiten ihrer Existens nicht gegen den Staat aufgelehnt haben und sich mit diesem Staat auch noch identifizierten?
Oder diejenigen, welche heute negieren daß es in der DDR auch nur teilweise Zustände wie in den von dir aufgeführten Diktauren gab?
Oder diejenigen, welche das nicht negieren und behaupten das dies rechtens war?
Oder diejenigen, die alles begangene Unrecht bedauern aber trotzdem meinen, das es ihnen in der DDR besser ging bzw. das es auch gute Seiten gab?
 
Allerdings gab es ein Feindbild (der "Imperialismus"), einen teleologischen Systemanspruch und eine variierte Form des Führerkults (v. a. unter Ulbricht, noch stärker in anderen Ostblock-Staaten).
Die USA besaß auch immer ein festes Feindbild, den Kommunismus. Würdest Du sie mit dieser Begründung auch zum Terrorregime erklären ?
Der groteske Führerkult war in sämtlichen Ostblockstaaten ziemlich gleich und seine absurdeste Form nahm er in Rumänien an. Mit Titan der Titanen, glorreiche Eiche oder Sohn der Sonne, irdischer Gott und der Auserwählte, wie Ceaușescu ließen sich weder Ulbricht noch Honecker anreden. Auch der Vergleich mit Hitlers Führerkult passt nur sehr bedingt. Im dritten Reich sah ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung Hitler tatsächlich als eine Art Erlöser an, in der DDR- Bevölkerung war ,mangels Charisma der Führungsfiguren und geringer Erfolge in der Verbesserung der Lebensverhältnisse eine kultische Verehrung nicht vorhanden. Im Gegenteil, man schämte sich eher für die abgelesenen, mit Fistelstimme vorgetragenen Reden oder die unappetitliche Knutscherei zwischen den Bruder-Führern.
Man kann auch nicht von einem kontinuierlichen Terror in der DDR sprechen. Es gab verschiedene Phasen. Die Zeit der Benjamin- Prozesse war wohl die übelste, wo schon ein politischer Witz hinter Gittern enden konnte, das Hören von westlichen Sendern und der Empfang von Westfernsehen als staatsfeindliche Handlung galten. In den siebziger und achziger Jahren wurde auch im öffentlichen Raum,(Restaurants, Betriebe etc.) ziemlich unverhohlen geschimpft und auch Witze erzählt, ohne dass diejenigen deshalb sofort zur Stasi zitiert wurden. Es machte auch niemand mehr einen Hehl daraus( Parteigenossen vielleicht ausgenommen), dass er Westfernsehen sah und niemand schloss ängstlich das Fenster wenn der Signalton der Verkehrsnachrichten von Bayern Drei ertönte. Das war längst Normalität geworden und die Stasi fand das wohl nicht mehr für verfolgungswürdig. Mein älterer Bruder bekam in den sechziger Jahren noch ziemliche Probleme in der Schule, weil er die Haare, westlich lang trug. Ich wurde deswegen nicht mehr in den Siebzigern benachteiligt, obwohl meine Haare doppelt so lang waren.

Das soll keine Verteidigung der DDR sein, ich habe mich zu keiner Zeit mit diesem Staat identifiziert aber die Lebenswirklichkeit kann man nicht mit dem generellen Begriff Terror abtun. Der Normalbürger lebte nicht in ständiger Angst vor der Stasi. Man wusste dass es sie gab, testete seine Freiräume aus und versuchte sie ständig zu erweitern. Wer sich offen mit dem System anlegte, machte natürlich vollkommen andere Erfahrungen. Das trifft aber nicht für den größten Teil der DDR-Bevölkerung zu.
 
Denn meines Wissens nach kam es seit dem Mauerbau zu einer immer stärkeren Identifikation der DDR-Bevölkerung mit ihrem Staat (als Vaterland). Das habe ich bei diversen Historikern gelesen, die allesamt unterschiedliche Ansätze vertraten, doch war diese Aussage immer gleich.

Ich habe selbst gesagt, dass ich dabei auch nicht die Opposition und die Kritiker außer Acht lassen will, was aber in der Fragestellung nicht zielführend wäre, da es mir allein darum geht, was Menschen dazu bewegt, sich mit einem derartigen Unrechtsregime zu identifizieren und zu solidarisieren.

Und wie ist es möglich, dass derlei psychische, verbale und physische Gewalttaten so gedeutet und wiedergegeben werden, dass eine unglaubliche Relativierung stattfindet.
Sich in vorhandenen Gegebenheiten einzurichten bedeutet nicht zwangsläufig die Identifikation mit einem System. 90 Prozent aller Menschen haben nicht das "Helden-Gen" ,sich für Andere aufzuopfern sondern denken in erster Linie an sich selbst und ihre Angehörigen. Man muss sich auch nicht mit der Bundesrepublik identifizieren und kann trotzdem in ihr ein vollkommen normales Leben führen. Fast alle schimpfen ständig über die Politiker ohne selbst etwas gegen Missstände zu tun oder sich selbst einzubringen, obwohl das heute gar nicht gefährlich wäre. Das war in der DDR nicht anders, mit dem Unterschied, dass Handeln auch schwere Konsequenzen für das eigene Weiterleben hatte.
Ein viel größeres Thema als die Freiheit war die miese Versorgungssituation mit Konsumgütern. Der Brecht- Spruch "erst kommt das fressen und dann die Moral" hat schon seine Berechtigung. Auch wenn die DDR-Bevölkerung nicht hungerte, war es doch ziemlich mühsam und nervtötend sich mit, heute selbstverständlichen Dingen zu versorgen.
Verhaftungen von Regimegegnern liefen nicht so ab, dass ein Militär-LKW vors Haus fuhr und die Leute auf die Ladefläche geworfen wurden, wie das bei einigen südamerikanischen Regimes üblich war. Das ganze lief so diskret ab, dass die Bevölkerung das nicht mitbekam. Was man nicht sieht empört auch nicht. Ich selbst, habe in den 27 Jahren, in denen ich DDR-Bürger war nicht eine Verhaftung miterlebt oder selbst gesehen , erst bei den Demos 89.
Dieses selbst nicht betroffen gewesen zu sein, führt zu der heutigen Relativierung. Wer in den Fängen der Stasi war, hat eine andere Sicht auf die Vergangenheit als die Mehrzahl, der DDR-Bürger, die die brutale Seite dieses Staates selbst nicht erlebt haben und sich maximal über die Mangelwirtschaft aufgeregt haben.
 
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Dieses selbst nicht betroffen gewesen zu sein, führt zu der heutigen Relativierung. Wer in den Fängen der Stasi war, hat eine andere Sicht auf die Vergangenheit als die Mehrzahl, der DDR-Bürger, die die brutale Seite dieses Staates selbst nicht erlebt haben und sich maximal über die Mangelwirtschaft aufgeregt haben.
Das ist ein ganz wesentlicher Punkt.
 
In der DDR gab es meiner Meinung nach aber keine Einparteienherrschaft.

Faktisch war die Einparteienherrschaft der SED zementiert, denn die Blockparteien CDU, LDPD, DBD und NDPD mussten sich als "Blockflöten" dem Herrschaftsanspruch der SED unterwerfen.

Ab Mitte 1948 setzte die SED ihren Führungsanspruch gegenüber den Blockparteien schrittweise durch. Der "Demokratische Block", so die neue Bezeichnung, wurde zum Instrument der SED und am Ende dieses Prozesses waren die "Parteien" zu bloßen Vollzugsorganen der SED degradiert, deren Repäsentanten den Führungsanspruch der zur leninistischen "Partei neuen Typus" umgeformten SED vorbehaltlos anerkannten. Am Schluss waren diese Parteien ein reines Akklamationsorgan und ihre Existenz zur Farce geworden.

Da die Blockparteien also lediglich Feigenblätter waren, ist es korrekt, bei der DDR von einer Einparteienherrschaft zu sprechen.
 
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Da die Blockparteien also lediglich Feigenblätter waren, ist es korrekt, bei der DDR von einer Einparteienherrschaft zu sprechen.
Vollkommen richtig, irgendwelche Aktivitäten dieser Parteien waren nicht bemerkbar. In der Volkskammer nickten sie sämtliche Beschlüsse des Politbüros der SED ,ohne erkennbare Kritik ab. Las man eine CDU-Zeitung so stand da fast das Gleiche drin wie in einer SED-Zeitung.
 
Ich verstehe nicht, wie man die Geschichte der DDR nüchtern-neutral, fast beiläufig erwähnen kann, wenn dieses System doch genauso unrechtens und gewaltsam war wie zum Beispiel das Dritte Reich, südamerikanische Diktaturen und sonstige europäische Diktaturen.

Um diese Frage zu bewantworten, sollte man sich vielleicht die eigene kultur-räumliche Gebundenheit klar machen. Ich werde auf die beiden Aspekte "Wahrnehmung" und "Perspektive" näher einzugehen versuchen:

1. Menschliche Wahrnehmung ist nicht umfassend, d.h. wir können schlicht und ergreifend nicht alles sensorisch verarbeiten, was in der Welt von statten geht. Des Weiteren ist diese Wahrnehmung sequentiell, d.h. wir können mit unseren Sinnesorganen nur so und so viele Reize gleichzeitig aufnehmen. Außerdem ist unsere Wahrnehmung selektiv: Wir können selbst das nicht alles verarbeiten, was wir in der Lage sind wahrzunehmen, etwa weil wir den Reizen verschiedene Prioritäten zuordnen oder weil wir das emotional schlicht und ergreifend nicht wünschen.

2. Die Perspektive auf die Vergangenheit ist oft von diesen Wahrnehmungshindernissen geprägt. Nicht nur weil wir dazu kognitiv nicht in der Lage wären, sondern auch, weil viele Dinge, die die Zeitgenossen erlebt haben, nicht überliefert sind. Außerdem schlägt die selektive Wahrnehmung stark zu, denn gerade die DDR als eine Art negative Folie zur Beurteilung der BRD in den intellektuellen Milieus im Westen, wird eher in eben diese Traditionslinie von Unrechtsregimen die von den Sowjets, üder die Nazis bis eben zur DDR reichte. Aus dieser Perspektive schein die DDR eindeutig das Unrechtsregime zu sein, als das man sie in der Schule, oder in den Zeitungen und anderen Medien kennengelernt hat.
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Natürlich gibt es andere soziale Gruppen, deren Wahrnehmung ganz anders selektiert. Hier wird die DDR ebenfalls zum Gegenentwurf der BRD, aber zu einem "menschlichen", soll heißen nicht faschistoid-kapitalistischem Gesellschaftsentwurf stilisiert.
Solcherlei Sinnangebote werden natürlich auch von Individuen aufgenommen, die sich nicht aktiv einer der oben genannten Gruppen zugehörig fühlen. Und ich würde Dir zustimmen, dass gerade letztere Interpretation der DDR seit der Jahrtausendwende stark an Akzeptanz gewonnen hat und die totalitären und anderweitig negativen Aspekte sukzessive ausgeblendet werden.

Nicht zuletzt hat die DDR auch weder Völkermorde verübt, noch einen großen Krieg entfacht, sodass das tatsächliche Ausmaß an Terror und Leid weniger deutlich zu erfassen war. Das führt nun kurz auf ein anderes Thema, aber viele Menschen, das das dritte Reich noch erlebt haben, kritisieren es nicht etwa für seine Völkermorde, sondern dafür, dass es einen nicht zu gewinnenden Krieg ausgelöst hat. Ich bin kein großer Experte für die Nachwirkung des Dritten Reiches, aber m.E. kann man konstatieren, dass es für viele weniger die diktatorischen Aspekte des Regimes waren, die man später kritisierte; Stichwort selektive Wahrnehmung.

Allerdings müssen wir uns auch bewusst sein, dass der Begriff "totalitär" nicht in einem absoluten Sinne zu verstehen ist. Es hat immer Leute, Gemeinschaften oder Schichten gegeben, die von den Übergriffen eines solchen Staates nicht berührt worden sind.
Des Weiteren sollte man beachten, dass wir, die wir uns gerne mit Geschichte und Politik beschäftigen, natürtlich sofort auf sozialpolitische Aspekte schauen, es aber auch Leute gibt, die kein Interesse und/oder keinen Spaß daran haben. So eindeutig uns viele Entwicklungen scheinen und so sehr wir doch vermuten wollten, die Leute damals hätten so oder so denken sollen, so sehr sind diese unsere Vermutungen Ausdruck unserer eigenen Lebensrealität als politisch interessierte Menschen.
Nicht jeder DDR-Bürger war direkt oder indirekt betroffen und hatte als solches überhaupt einen Grund, die negativen Seiten des Regimes zu kritisieren. Und nicht jeder, selbst von denen, die in irgendeiner Art betroffen waren, konnte oder wollte sich damit auseinandersetzen.

Das sind Aspekte, die genauso für die BRD (Stichwort Waffenexporte oder Außenhandelsimperialismus, um keine allzu tagespolitischen Themen aufzunehmen) und auch für das Nazi-Regime gelten.

Das das "klaglose Leben" in einem System nicht mit der Identifikation mit diesme System gleichzusetzen ist, hat Galeotto bereits schön ausgeführt.
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Zuletzt möchte ich noch kurz auf ein im Ausgangsbeitrag aufgeworfenes Problem eingehen, nämlich das des Vergleichs. Im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich die Bedeutung des Begriffs abgenutzt, vielleicht kann man auch sagen, sie wurde politisch zurechtgestutzt. Wie auch immer, Vergleich im politischen Diskurs dieser Tage meint weniger den Akt des Vergleichens, als vielmehr eine Gleichsetzung zweier Gegenstände. Selbstverständlich gibt es aus wissenschaftlicher(?)/nach Erkenntnis-strebender Sich keinen Grund, warum man das Dritte Reich nicht mit der DDR vergleichen sollte. Solange man sich Erkenntnise daraus verspricht, sollte man alles vergleichen (idealerweise wären diese Vergleiche natürlich methodologisch sinnvoll, aber das einmal außen vor gelassen).
Davon redet aber niemand, wenn sie in der Öffentlichkeit den Begriff Vergleich verwendet. Dann geht es eher um das Gleichsetzen und Gleichsetzung wird wiederum nicht als Gleichsetzung verstanden, sondern als Relativierung, d.h. in einem Diskurs etablierte Ansichten zu relativieren. Damit ist meinerseits keine wertende Aussage gemeint, ob die allgemein anerkannten Meinungen richtig oder falsch sind (aus wessen Sicht auch immer), spielt hier erstmal keine Rolle, nur dass es sie gibt.

Subsumieren wir das eben ausgeführte: Vergleich = Gleichsetzung und Gleichsetzung = Relativierung anerkannter Meinungen, dann haben wir die Ausgangsformel von Vergleich ist gleich Relativierung. Anders gesagt, wenn wir wissen möchten, warum wir die DDR nicht mit dem Dritten Reich vergleichen dürfen, müssen wir fragen, wer den Begriff "Vergleich" wie nutzt und warum. Und an dieser Stelle möchte ich auf die beiden Interpretationsmuster, die ich vorhin erwähnt habe. Der ein oder andere CDU Politiker ist ganz schnell mit einem Nazi-Vergleich zur Hand, während eine Grüne oder eine Person aus der "intellektuellen Elite" einen solchen Vergleich eher als Relativierung auffassen würde.

PS. Ich bin selbst noch nicht allzu fortgeschritten, was mein zeitliches Vorhandensein in dieser Welt angeht, aber ich wundere mich schon manchmal, wie beispielsweise heutzutage die 90er Jahre dargestellt werden und was ich als Kind/Jugendlicher in diesem Jahrzehnt alles getan und gedacht haben soll. Es ist wirklich spannend zu sehen, wie die Wahrnehmungen sich unterscheiden, zwischen den Leuten, die zur gleichen Zeiten lebten, aber auch jenen, die nachher die eigene Zeit bewerten. Ich hoffe wirklich ich werde alt genug, um zu erleben wie die 90er zu "richtiger" Geschichte werden und was dann aus ihnen gemacht wird.
 
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Denn meines Wissens nach kam es seit dem Mauerbau zu einer immer stärkeren Identifikation der DDR-Bevölkerung mit ihrem Staat (als Vaterland).

Das kann man nicht so generalisierend sagen. Die Bevölkerung fand sich lediglich mit den neuen Bedingungen ab.

Zu keiner Zeit erfüllte der "antifaschistische Schutzwall" die Erwartungen seiner Bauherren. Das SED-Politbüro klagte, "viele Menschen würden nicht die Bedeutung unserer Maßnahmen vom 13. August zur Sicherung der Staatsgrenzen verstehen". Die damit verbundene Forcierung der Erfolgspropaganda, die bei einigen westlichen Politikern und Intellektuellen eine gewisse Wirkung zeigte, vermochte die Glaubwürdigkeit des SED-Regimes innerhalb der DDR-Bevölkerung nicht zu erhöhen. Der versprochene wirtschaftliche Aufschwung trieb Scheinblüten, die von Künstlern und Intellektuellen erwartete Liberalisierung des kulturellen und geistigen Lebens fand nicht statt. Es gab vielmehr eine verstärkte Repression.

Was die Mauer allerdings verhinderte war der Aderlass tausender gut ausgebildeter Arbeitskräfte, die vor dem Bau ständig in den Westen strömten.
 
Ich habe viel über Repressionsmaßnahmen in der DDR gelesen. Zum Beispiel, dass Honecker und davor Ulbricht Demonstrationen oder auch den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 gewaltsam niederschlagen ließen. Allein Honecker noch 1989. Ich habe vor geraumer Zeit darüber hinaus auch die Gedenkstätte des ehemaligen StaSi-Gefängnisses Hohenschönhausen in Berlin besichtigt und mir Literatur zu diesem Thema zu Gemüte geführt.

'53 war vor allem die Sowjetunion treibende Kraft, die ihren Einfluss erhalten wollte, während das SED-Regime nicht mehr als eine bloße Marionettenregierung war.


Ich war wirklich in höchstem Maße schockiert, dass es tatsächlich Menschen gibt, die die Terrorherrschaft des SED-Regimes in der DDR leugnen oder gar nichts darüber wissen. Es kam natürlich, wie es aus meinen Studien hervorgegangen ist, zu einer Identifikation der Bevölkerung mit dem SED-Staat, spätestens seit dem Mauerbau. Vor allem durch wissenschaftliche und kulturelle Erfolge wurde dieses Phänomen begünstigt (wobei ich natürlich nicht die Opposition und die vielfache Kritik an der DDR außer Acht lassen will).

Zu jedem Regime finden sich immer Leute, die den repressiven Charackter des Regimes leugnen. Zum nicht-betroffen-sein haben meine Vorposter ja bereits genügend ausgeführt.

Meiner Meinung nach muss man das "sozialistische" System der DDR mit anderen Unrechtsregimen wie dem Dritten Reich vergleichen. Natürlich hinken alle historischen Vergleiche, das ist klar. Es gab eine andere Ideologie und weitere gravierende Unterschiede. Von dem Standpunkt der Gewalt, des Terrors und der Unterdrückung muss ich aber derartige Parallelen konstatieren, dass ich mich frage, wie jemand darauf kommt, den Nationalsozialismus zu verdammen und gleichzeitig den "DDR-Sozialismus" zu glorifizieren oder zu relativieren. Und damit spreche ich nicht von den alteingesessenen überzeugten "Sozialisten" oder der damals von der DDR geprägten Jugend, sondern von unbefangenen und nicht involvierten Menschen, die nicht aus den alten Ostblock-Ländern respektive der ehemaligen DDR stammen.

Hier wirds etwas haarig. Der Unterschied zwischen NS-Regime und DDR war die Möglichkeit sich zurück zu ziehen. Während im NS-Regime der Anspruch auf vollständige Kontrolle des privaten und öffentlichen Lebens erhob, wurde dieser Anspruch in der DDR mit der Zeit immer brüchiger. Nicht umsonst hat sich die "Nieschengesellschaft" gebildet, bei der sich die Menschen, die mit der staatlichen Ideologie nichts zu tun haben wollten in private oder semiprivate Nieschen zurück zogen. Die Unabhängigkeit der Kirchen war in Teilen gegeben und die Möglichkeiten sich in Blockparteien zu engagieren, wenn man nicht direkt in die SED wollte, blieb bestehen. Die DDR kannte darüber hinaus keine massenhaften Tötungen von Andersdenkenden und keine Vernichtungslager. Natürlich war die DDR eine repressive Diktatur und ein Unrechtsstaat, aber grundsätlich ist der grad an Repression geringer als er im Nationalsozialismus war.
 
Mir ist bei deinen bisherigen Äußerungen nicht klar, wen speziell du meinst.
Sind es die Einwohner der DDR, die sich zu Zeiten ihrer Existens nicht gegen den Staat aufgelehnt haben und sich mit diesem Staat auch noch identifizierten?
Oder diejenigen, welche heute negieren daß es in der DDR auch nur teilweise Zustände wie in den von dir aufgeführten Diktauren gab?
Oder diejenigen, welche das nicht negieren und behaupten das dies rechtens war?
Oder diejenigen, die alles begangene Unrecht bedauern aber trotzdem meinen, das es ihnen in der DDR besser ging bzw. das es auch gute Seiten gab?

Ich würde sagen: sowohl als auch.

Zu den Einwohnern habe ich mich ja schon geäußert (dahin gehend, dass eine Auflehnung und Ablehnung praktisch zu großen Teilen ausblieb, da mit der Zeit eine Identifikation mit der DDR als Vaterland einherging).

Ansonsten meine ich alle von dir angesprochenen Gruppen (und ich finde, du hast das wirklich sehr treffend und akzentuiert zusammengefasst!).

Die USA besaß auch immer ein festes Feindbild, den Kommunismus. Würdest Du sie mit dieser Begründung auch zum Terrorregime erklären ?

Das will und kann ich nicht in Abrede stellen. Jeder Staat hatte irgendwann mal ein bestimmtes Feindbild. Die USA den Kommunismus, das Deutsche Kaiserreich natürlich auch Frankreich, Frankreich umgekehrt Deutschland, Nazi-Deutschland den Kommunismus und die slawischen Staaten und so weiter.

Ich habe das Bestehen eines ideologischen Feindbildes zwar als Kriterium für eine Diktatur bzw. ein "Terrorregime" gesetzt, aber nicht als einziges Merkmal. So hat die USA bestimmt autoritäre Züge, die meiner Meinung nach aber nicht die allgemeine Politik beherrschten wie in den Ostblock-Staaten, im Nazi-Reich, im Franco-Reich etc.

Auch der Vergleich mit Hitlers Führerkult passt nur sehr bedingt.

Das ist mir auch sehr wohl bewusst. Deshalb hatte ich auch gesagt, dass es in anderen Ostblock-Staaten viel intensiver und extremer dazu kam als in der DDR. Dennoch muss ich konstatieren, dass sowohl Ulbricht als auch Honecker einen gewissen Kult um ihre Person aufgebaut haben. Zumindest insofern, als dass es im Vergleich mit der heutigen bundesdeutschen Politik vollkommen kontradiktorisch stehen würde.

Das soll keine Verteidigung der DDR sein, ich habe mich zu keiner Zeit mit diesem Staat identifiziert aber die Lebenswirklichkeit kann man nicht mit dem generellen Begriff Terror abtun. Der Normalbürger lebte nicht in ständiger Angst vor der Stasi. Man wusste dass es sie gab, testete seine Freiräume aus und versuchte sie ständig zu erweitern. Wer sich offen mit dem System anlegte, machte natürlich vollkommen andere Erfahrungen. Das trifft aber nicht für den größten Teil der DDR-Bevölkerung zu.

Ich verstehe durchaus deinen Standpunkt. Und genauso sehe ich das auch. Doch erlaube mir eine Frage: Der "arische Volksgenosse" - hatte dieser etwa Sanktionen durch das RSHA und in besonderem Maße die GeStaPo zu erwarten? Ich denke eher nicht. Genauso wenig wie ein Otto-Normal-Verbraucher (der durchschnittliche DDR-Bürger) Übergriffe durch die StaSi zu befürchten hatte.

Dennoch: Verhielt man sich nicht systemkonform, kam auch ganz schnell die StaSi. Das meine ich mit Terror. Sonst könnte man auch sagen, dass es im Dritten Reich ja auch keinen Terror gegeben hätte. Was bestimmt auf "arische Volksgenossen" zutreffen würde.


Sich in vorhandenen Gegebenheiten einzurichten bedeutet nicht zwangsläufig die Identifikation mit einem System.

Gewiss nicht. Aber in allen Quellen und historischen Darstellungen, die ich gelesen habe (die auch bestimmt keine monokausale, sondern ambivalente Darstellung lieferten), war eine grundlegende Aussage, dass die DDR-Bevölkerung einen gewissen Patriotismus entwickelte (nicht unbedingt in den 50er oder auch 60er Jahren). Aber dennoch wurde die DDR als Heimat, als Vaterland und als Faktum angesehen. Ich führe dies, wie bereits gesagt, auf eine Resignation des Volkes spätestens seit dem Mauerbau zurück, die irgendwann zu einer self-fulfilling prophecy wurde, wenn man sich soziopsychologischen Begrifflichkeiten bedienen möchte. Die DDR hat zweifelsohne großartige Erfolge erzielt in Wissenschaft (erster DDR-Bürger im All) und zum Beispiel auf im Sport (Olympia-Medaillen).

Man muss sich auch nicht mit der Bundesrepublik identifizieren und kann trotzdem in ihr ein vollkommen normales Leben führen. Fast alle schimpfen ständig über die Politiker ohne selbst etwas gegen Missstände zu tun oder sich selbst einzubringen, obwohl das heute gar nicht gefährlich wäre.

Jetzt vergleichst du Äpfel mit Birnen. Du willst mir doch nicht allen Ernstes sagen, dass es keinen Unterschied machen würde, ob man gegen ein diktatorisches System ohne bürgerliche und Menschenrechte (DDR) oder gegen ein demokratisches, vielleicht etwas fehlgeleitetes System (BRD) demonstriert?

Dieses selbst nicht betroffen gewesen zu sein, führt zu der heutigen Relativierung. Wer in den Fängen der Stasi war, hat eine andere Sicht auf die Vergangenheit als die Mehrzahl, der DDR-Bürger, die die brutale Seite dieses Staates selbst nicht erlebt haben und sich maximal über die Mangelwirtschaft aufgeregt haben.

Da hast du wiederum bestimmt Recht. Das gleiche Phänomen erlebt man ja auch im Nachkriegsdeutschland. Das deutsche Volk negiert und leugnet die Verbrechen der NS-Herrschaft, weil man das einfach nicht mitbekommen hat, wie Juden zu Tausenden und Millionen deportiert, erschossen, vergast, verbrannt und sonstwie ermordet und misshandelt wurden.

Ich selbst kenne einen Sozialisten (er bezeichnet sich selbst so), der vom Honecker-Regime inhaftiert und nach Hohenschönhausen gebracht wurde. Dies, weil er Flugblätter (anzumerken: pro-sozialistisch) verteilt hatte, was dem Regime aber nicht passte. Die Gefahr war also schon allgegenwärtig.

Ich will auch auf das Abhören von Telephonaten, das Lesen von Briefen, die Verwanzung von Wohnungen und derlei hinweisen. Allesamt Maßnahmen der DDR gegen die eigene Bevölkerung. Inhaftierung bei Landesflucht etc. Es gibt tausende Beispiele.

Der normale DDR-Bürger war damit, wie du sagst, nicht konfrontiert oder zumindest war es ihm nicht bekannt, dass er gerade belauscht und bespitzelt wird. So wussten zum Beispiel auch viele Menschen gar nicht, dass in Hohenschönhausen ein StaSi-Gefängnis eingerichtet war (abgeschirmt durch eine Mauer).
 
Hier wirds etwas haarig. Der Unterschied zwischen NS-Regime und DDR war die Möglichkeit sich zurück zu ziehen.

Es ist durchaus erlaubt, das Regime der DDR mit dem NS-Regime zu vergleichen. Dabei wird man feststellen, dass es einige Gemeinsamkeiten, aber auch zahlreiche Unterschiede gab. Das betrifft die politischen und ideologischen Ziele, die Durchsetzung der Staatsmacht im Innern, die Behandlung von Minderheiten, die religiöse Toleranz, das außenpolitische Vorgehen und vieles andere.
 
Vollkommen richtig, irgendwelche Aktivitäten dieser Parteien waren nicht bemerkbar. In der Volkskammer nickten sie sämtliche Beschlüsse des Politbüros der SED ,ohne erkennbare Kritik ab. Las man eine CDU-Zeitung so stand da fast das Gleiche drin wie in einer SED-Zeitung.
Um das zu vertiefen, die SED stellte in der Tat nur 127 der 500 Volkskammerabgeordneten, während die anderen vier Parteien (CDU, LDPD, NDPD und DBD) über 208 Sitzen verfügten. Allerdings saßen (zur breiteren Beteiligung des Volkes, "heuchel") noch Massenorganisationen in der Volkskammer. Diese hatten 165 Sitze. Diese Massenorganisationen waren aber von der SED kontrolliert. Und auch die vier "bürgerlichen" Parteien waren schon seit 1945 im Demokratischen Block und dann ab 1950 in der Nationalen Front vereinigt. Bereits nach 1945 kam es zu großangelegten Säuberungen der bürgerlichen Parteien. Noch waren sie aber trotz DB nicht gleichgeschaltet. 1948 versuchten die "bürgerlichen" Parteien CDU und LDPD noch einmal gegen die Einbindung in den DB und die Bevormundung durch die SED aufzubegehren. Dies endete aber letztlich in der Volkskongressbewegung, die dann die Massenorganisationen und NDPD und DBD in die Volkskammer aufnahm, die schon weitgehend von der SED kontrolliert waren. Bis 1952/53 waren dann auch die CDU und LDPD weitgehend gleichgeschaltet. teilweise versuchten sie die SED in den Folgejahren sogar links zu überholen.

Dem Unbedarften mag es also so erscheinen, als wäre die DDR kein Einparteienstaat gewesen. Faktisch kontrollierte die SED aber die Volkskammer, wobei die entscheidenden beschlüsse eh im Politbüro der SED getroffen wurden und nicht in der Volkskammer. Wie Galeotto bereits schireb, dort wurde die beschlüsse nur noch abgenickt.
 
Das gleiche Phänomen erlebt man ja auch im Nachkriegsdeutschland. Das deutsche Volk negiert und leugnet die Verbrechen der NS-Herrschaft, weil man das einfach nicht mitbekommen hat, wie Juden zu Tausenden und Millionen deportiert, erschossen, vergast, verbrannt und sonstwie ermordet und misshandelt wurden.

Das leugnet heute niemand mehr.
Höchstens die Kameraden von der rechtsradikalen Front.
 
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