Schießbefehl!

Köbis17

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Hallo Zusammen,

letztens hatten wir hier im GF eine Diskussion um den Einsatz, freiwillig oder auch nicht, von Wehrmachtsoldaten bei Erschießungen von Zivilisten oder auch Militärangehörigen.

Nun habe ich eine Doku im TV gesehen, bei der mehrere NVA Soldaten auf eine Person an der Mauer geschossen habe ... es sollen wohl um die 190 Geschosse abgefeuert worden sein.

Kann man diese Art des Schießbefehls auch mit den Erschießungen vergleichen? Wenn nicht sogar effektive vom psychischen Aspekt. So schießen mehr Soldaten auf weniger bis ein Person und damit ist nicht klar, wer letztlich den tödlichen Schuß abgegeben hat?

Und eine Bitte, lasst uns sachlich zu dem Thema diskutieren, es ist ein sehr ernstes Thema.
 
190(?) Geschosse sehen mehr nach Blutrausch und Raserei aus, als nach einer "regulären" Erschießung oder gar danach, dass man die Möglichkeit der Gewissensreinheit durch Unwissenheit, wer den tödlichen Schuss abfeuerte, geben wollte.
 
190(?) Geschosse sehen mehr nach Blutrausch und Raserei aus, als nach einer "regulären" Erschießung oder gar danach, dass man die Möglichkeit der Gewissensreinheit durch Unwissenheit, wer den tödlichen Schuss abfeuerte, geben wollte.

6 Soldaten die Ihr Magazin im Dauerfeuer leer ballern? Vielleicht hat einer angefangen zu schiessen und alle anderen sind nachgezogen ... und im Dauerfeuer ist son Magazin schnell leer.

Aber um das Detail ging es mir weniger, sondern der Umstand des Schießbefehls im Zusammenhang im Vergleich zu Erschießungen.
 
Mir ist nicht ganz klar, worauf du genau hinaus willst. Aber es gab ja auch schon in der von dir angesprochenen Diskussion das Problem, dass verschiedene Dinge durcheinandergeworfen wurden: 1.) Die standrechtliche Erschießung, 2.) die nachweislich falsche Behauptung, dass Soldaten/Polizisten, die sich weigerten an Mordaktionen teilzunehmen sich gleich dazu stellen konnten und 3.) der händische Massenmord via Erschießung.
Der Mauerschützenbefehl gehört in keine dieser Kategorien. Es handelt sich dabei zwar klar um Mord an im Regelfall Unbewaffneten*, aber es ist eben kein Massenmord und keine standrechtliche Erschießung (was auch immer man von diesem "Recht" halten mag).

*Es gibt ja mindestens einen Fall, wo der Mauerflüchtling bewaffnet war - allerdings ist hier wohl festzuhalten, dass dies durch den Mauerschützenbefejl erst provoziert war.
 
[...] 1.) Die standrechtliche Erschießung, 2.) die nachweislich falsche Behauptung, dass Soldaten/Polizisten, die sich weigerten an Mordaktionen teilzunehmen sich gleich dazu stellen konnten und 3.) der händische Massenmord via Erschießung.
[...]

1.) Was war der Schießbefehl?
Beispielzitat schrieb:
: In der Tat war es üblich, Grenzsoldaten, die durch das Erschießen von Flüchtlingen Grenzdurchbrüche verhindert hatten, zu belobigen. Auch Geldprämien wurden gezahlt.[5]
Quelle: Schießbefehl ? Wikipedia

2.)Wer sich dem Schießbefehl verweigert und so einen Grenzdurchbruch nicht verhinderte, hatte mit doch mit harten Strafen zu rechnen? Und die Grenzsoldaten waren keine Freiwilligen!

3.)In der Tat, kein Massenmord, aber dennoch zu viel Tode an der Mauer.
 
Hier "purzelt" aber vieles durcheinander.

Wenn ein Soldat der Wehrmacht zu einem "Hinrichtungs-Peloton" kommandiert war, dann ging dieser Kommandierung ein Urteil eines Militärgerichtes voraus. Ob das Urteil "gerecht" oder "ungerecht" war, konnte der einzelne Soldat nicht prüfen, wohl aber, daß es offenbar gerichtsnotorisch feststand (Militärgericht => Militärstaatsanwaltschaft <=> Verteidiger <=> eventuelles Gnadengesuch (Ablehnung) / kommandierender Offizier).

Soweit, so ungut, aber nicht justizabel.

Beteiligte sich ein Soldat der Wehrmacht an Mordaktionen oder auch Polizisten, standen keine individuellen Urteile dahinter, das ns Regime hat niemanden gezwungen sich zu beteiligen, es sind keine Verurteilungen bekannt, bei Verweigerung eines solchen Befehles, wissend, daß eine Verweigerung viel Mut erfordert hätte. (Das wurde hier in anderen Threads schon diskutiert.)

Bei den "Mauerschützen" liegt die Sache m.E. anders. Mord, war es keinesfalls, da kein Mordmerkmal vorlag. Es gab auch keine Verurteilung wegen Mordes. Die "Mauerschützen" hätten abwägen können und müssen, ob die Befolgung des "Schießbefehls" aus dem Grenzgesetz der DDR rechtmäßig und verhälnismäßig war und, ob eine etwaige Bestrafung, wegen der Nichtbefolgung, hinnehmbar gewesen wäre.

Die befaßten Gerichte haben diese "individuelle" Prüfpflicht bejaht und abgestuft von der Kommandoebene auch geahndet.

Soweit, so gut.

M.

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o.t.

Zu Deinem geschildertem Fall. Eine AK47 hat ein Magazin mit 30 Schuß, bei sechs Soldis und 190 Schuß hätte mindestens ein Soldi das Magazin wechseln müssen - ich mag nicht die Produzenten dieser Dokumentation infrage stellen, meinst Du, das wäre ein realistic case?
 
Wer will denn nachweisen, dass man mit Absicht daneben geschossen hat?

Es reicht wohl schon, wenn der Grenzdurchbruch gelang. Ob nun mit absicht daneben oder nicht, spielte dabei wohl keine Rolle.

Und ja, Melchior 30 Schuß mal 6 Soldaten macht dann 180 Schuß ...

Ansonsten kam mir der Zusammenhang zwischen diesen beiden Ereignissen nur, über die Diskussion bei Erschießungen und Platzpatronen und dem Umstand, wenn mehrere Solden auf ein Opfer schießen ... auch hier ist dann wohl kaum nachweisbar, wer getötet hat.
 
Bei den "Mauerschützen" liegt die Sache m.E. anders. Mord, war es keinesfalls, da kein Mordmerkmal vorlag.

Das sehe ich anders und habe dabei auch z.T. die urteilenden Gerichte im Rücken.
Mordmerkmale lagen vor in soweit, als dass die Morde z.T. heimtückisch verübt wurden, dass niedrige Beweggründe vorlagen, nämlich die Bürger gegen alles Recht festzusetzen und, in besonders schwerwiegenden Fällen, kam noch besondere Grausamkeit hinzu, indem man die "Republikflüchtigen" verbluten ließ, anstelle ihnen zu Hilfe zu eilen.
 
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2.)Wer sich dem Schießbefehl verweigert und so einen Grenzdurchbruch nicht verhinderte, hatte mit doch mit harten Strafen zu rechnen? Und die Grenzsoldaten waren keine Freiwilligen!
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Falls wir die gleiche Doku gesehen haben, war mindestens ein Wehrpflichtiger dabei und der wurde abkommandiert.
Ich vermute es war ungefähr so wie Du es darstellst.
Man müsste herausfinden welchen zahlenmäßigen Anteil die Wehrpflichtigen bei den Grenzsoldaten der DDR hatten.

Wenn diese, wie die Doku darstellt, den armen Kerl, mit einem solchen Feuer traktiert haben, dann wird das mit einem "Schießbefehl" allein nicht mehr zu verstehen sein.

So wie ich es verstehe war das Opfer ein betrunkener Mann aus dem Westen der, aus welchem Grund auch immer, vom Westen aus den Zaun überklettert hat.
 
in besonders schwerwiegenden Fällen, kam noch besondere Grausamkeit hinzu, indem man die "Republikflüchtigen" verbluten ließ, anstelle ihnen zu Hilfe zu eilen.
(vorab: ich weiß nicht, ob das nachfolgende wahr ist, da ich das nie nachgeprüft hatte)
als Kind (Grundschulalter) war ich mit meinen Eltern im Urlaub an der Elbe (Hitzacker und Umgebung) und ganz besonders blieb mir in Erinnerung, was uns von Einheimischen erzählt wurde: dass winters, als die Elbe zugefroren war (die Elbe war dort deutsch-deutscher Grenzfluß), auf dem Eis ein angeschossener Republikfüchtling elend starb; diejenigen, die vom Westufer dem Verletzten helfen wollten, seien durch Beschuß von ihrer Hilfeleistung abgehalten worden.
 
Wer will denn nachweisen, dass man mit Absicht daneben geschossen hat?
Genau, über Kimme und Korn schaut mir niemand. Und wenn das Ding so laut knallt, erschrecke ich mich ohnehin immer ganz schrecklich.
Wer schoss, musste es tun. Wer traf, war ein Mörder.
Aus meiner Zeit als Baupionier der NVA 86/88 in Bernau weiß ich, dass jeder, der Ausgang hatte und nach Berlin reinfuhr, sich irgendwie seine Schützenschnur entfernte. In der Disko war diese der Garant dafür, dass man eins fett auf die Visage bekam. Die Damen standen auch nicht sonderlich drauf.
Ich hatte das Pech, auf eine zu treffen, die es ganz toll fand, das Vaterland zu verteidigen... Ich war jung, sie... Das Fleisch ist willig... Irgendwie wurmt es mich noch heute, meine Gesinnung dafür verraten zu haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das sehe ich anders und habe dabei auch z.T. die urteilenden Gerichte im Rücken. ...

Welches Gericht? M.W., was nichts heißen muß, wurde kein "Mauerschütze" zu der jeweiligen Höchststrafe für Mord verurteilt, weder lebenslänglich noch 10 a (falls Jugendtrafrecht angewendet wurde), auch nicht die politisch Verantwortlichen auf hoher Kommandoebene.

Überpositives Recht hast Du allerdings im "Rücken", d'accord.

@hatl

"...Man müsste herausfinden welchen zahlenmäßigen Anteil die Wehrpflichtigen bei den Grenzsoldaten der DDR hatten. ..."

Alle Soldaten der Grenztruppen waren Wehrpflichtige (18-monatiger Grundwehrdienst), jedenfalls seit 1962. Ausnahme von dieser Regel waren die Berufssoldaten (Berufsunteroffiziere, Fähnriche und Offiziere). Hiervon wiederum wären die Unteroffiziere auf Zeit (3 a Wehrdienst) und die Offiziere auf Zeit (4 a Wehrdienst) gesondert zu betrachten. Da lassen sich bestimmt Statistiken finden.

@dekumatland

"...(vorab: ich weiß nicht, ob das nachfolgende wahr ist, da ich das nie nachgeprüft hatte)..."

Das kann man nachprüfen, und zwar im Archiv des BStU bzw. im Bundesarchiv. Ein solcher spektakulärer Fall ist bestimmt auch im Rahmen der Mauerschützenprozesse juristisch nachgeprüft worden.

@Rurik

Ganz so drastisch erinnere ich das an meine Dienstzeit in Thüringen (79/81) bei den GT nicht, allerdings habe auch ich nie die Schützenschnur auf der Ausgangsuniform getragen.

M.
 
Zuletzt bearbeitet:
@silesia

Danke für die links. Allerdings wird in der Revision, dort der w.o. angeführte Straftatbestand: "Mord" und die Kategorien: "Mordmerkmale" nicht erwähnt. Vielmehr wird implizierend der Tatrichter für seine "Einsichtsfähigkeit" in die Befehlsstrukturen der GT (formell und informell) "goutiert".

Ich weiß nicht, ob eine weitere Diskussion hierüber zielführend ist, wer einen Angehörigen an dieser monströsen Grenze verloren hat, wird es jenseits von allen juristischen Argumentarien als "Mord" empfinden. Vllt. sollten wir es dabei belassen.

M.
 
Ich weiß nicht, ob eine weitere Diskussion hierüber zielführend ist, wer einen Angehörigen an dieser monströsen Grenze verloren hat, wird es jenseits von allen juristischen Argumentarien als "Mord" empfinden. Vllt. sollten wir es dabei belassen.

Es ist schwer, über solche Ereignisse zu diskutieren, weil wir hier unmittelbar betroffen sind und es auch miterlebt haben.
Aber diese Ereignisse anhand von juristischer Argumention zu relativieren oder gar zu verklären, ist nicht korrekt. Genauso ist es nicht korrekt, sich dann einfach einer Auseinandersetzung mit einer Haltung des Aussitzen zu entziehen und wird wohl dazu beitragen, daß die DDR Geschichte mit dieser menschenverachtenden Seite noch lang nicht gerecht verarbeitet wird.
 
...Aber diese Ereignisse anhand von juristischer Argumention zu relativieren oder gar zu verklären, ist nicht korrekt. Genauso ist es nicht korrekt, sich dann einfach einer Auseinandersetzung mit einer Haltung des Aussitzen zu entziehen und wird wohl dazu beitragen, daß die DDR Geschichte mit dieser menschenverachtenden Seite noch lang nicht gerecht verarbeitet wird.

@Köbis17

Wohin möchtest Du die Diskussion in diesem Thread führen?

Die Justiz hat nichts "verklärt" oder "relativiert", sondern geurteilt; dieses relativ zeitnah und durch alle Kommandoebenen der GT. Mehr können Gerichte nicht leisten. Ob der juristische Standpunkt von dem die Gerichte ausgingen "korrekt" war/ist, könnte eine Diskussion unter Rechtshistorikern sein, ich könnte da nicht mithalten.

"...daß die DDR Geschichte mit dieser menschenverachtenden Seite noch lang nicht gerecht verarbeitet wird."

Hervorhebung durch mich.

Da hast Du wohl recht. In der DDR war vieles menschenverachtend, einfach deshalb, weil ein totalitäres Regime immer die "übergordneten" Staatsziele über die Rechte des Individuums stellt, ob mittels Schießbefehl, Schulordnung, Strafvollzug etc., die Liste ließe sich via Alltagsleben beliebig verlängern. Was sich mir in Deinem Satz nicht erschließt, ist das Wort: "gerecht".

M.
 
Aber diese Ereignisse anhand von juristischer Argumention zu relativieren oder gar zu verklären, ist nicht korrekt.

Um an Melchior anzuschließen:

Hier liegt auch möglicherweise ein Missverständnis vor. Die Justiz hat keinesfalls relativiert, sondern stand vor der Frage, wie über Tötungen juristisch zu urteilen ist.

Stark vereinfacht war das von folgenden Überlegungen bestimmt:

- Mord und Totschlag unterscheiden sich u.a. in den "niedrigen Motiven", oder in besonders verwerflicher Vorgehensweise, etwa Mordlust, Habgier, Heimtücke, Grausamkeit. Die Staatsanwaltschaften haben sich dann - wie ich meine, nachvollziehbar - für Totschlag als Anklage für die Tötungsdelikte entschieden.

- die anzuwendenden Gesetze (Tötung legal? oder auf Befehl?)
Hier entschieden die Gerichte auf Anwendung der "Radbruchschen Formel"

Die Justiz hat also versucht, diese Fälle unter Anwendung der bestehenden Rechtsnormen zu klären und entsprechend geurteilt. Moralische Kategorien müssen dabei außer Acht bleiben, und im Übrigen gelten für die Anklage die üblichen, rechtstaatlichen Beweisgrundsätze (so auch Unschuldsvermutungen) und die üblichen prozessualen Verfahrenswege (auch die Prüfung in den Instanzen).

Wäre man nicht so vorgegangen, würde sich der Rechtstaat bei der Auseinandersetzung mit Unrechtstaten quasi selbst aushebeln. Er wäre dann - wieder in moralischen Kategorien - um nichts besser als ein Unrechtsregime, bei dem Verfolgte/Oppositionelle/Kritiker etc. in den Gefängnissen einfach "verschwinden".

Das schließt andererseits nicht aus, dass auch im Rechtstaat im Einzelfall "Fehler" gemacht werden, Fehlurteile ergehen, oder Unzulänglichkeiten bestehen. So etwas ist dann Gegenstand der öffentlichen, politischen Diskussion, ggfl. auch der Legislative, wenn Gesetze geändert werden sollen.
 
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