Wäre ein anderer erster Bundeskanzler als Adenauer theoretisch denkbar gewesen?

rrttdd

Mitglied
Mir ist letztens diese Frage in den Sinn gekommen:

Hätte auch jemand anderes als Adenauer erster Kanzler der Bundesrepublik werden können?

Mir scheint als wäre Adenauer doch ziemlich der Liebling der Alliierten gewesen und ist von ihnen mehr oder weniger "installiert" worden. D.h. seine Partei wurde gehypt, über andere weniger berichtet...

Wäre es z.B. denkbar gewesen, dass ein SPD-Mitglied erster Kanzler wird, oder jemand von der KPD? Das wäre doch sicher irgendwie verhindert worden...
 
Kurt Schuhmacher von der SPD unterlag in der ersten Wahl eines Bundeskanzlers 1949 mit relativ wenigen Stimmen, 202 Adenauer, 44 Enthaltungen, 142 gegen Adenauer.
Kurt Schuhmacher hätte auch Kanzler werden können
 
Hätte auch jemand anderes als Adenauer erster Kanzler der Bundesrepublik werden können?

Wenn wir am Ende des Threads auf ein "Nein" kæmen, wære mein Vertrauen in unsere Demokratie vollstændig erschuettert.
Was spricht -theoretisch- gegen einen SPD-Kanzler?
Die Mehrheitsverhæltnisse waren derzeit eben anders, aber einen sozialdemokratischen Bundeskanzler zu verhindern, das kann ich den Alliierten nicht zutrauen. Warum auch? Und wie?

Ein kommunistischer Kanzler ist so utopisch mangels generellem Rueckhalt in der Bevølkerung, dass wir darueber nicht zu sinnieren brauchen.

Gruss, muheijo
 
Naja grundsätzlich hatten die Alliierten noch viele Sonderrechte in Bezug auf Deutschland, so wäre ein Nationalsozialist oder ein Kommunist unter Umständen von den Alliierten aufgehalten worden. Zum "Hype" kann man sagen, dass z.B. der ernannte Nordrhein-Westfälische Landtag SPD-dominiert war und dann, im Zuge der für die CDU siegreichen Kommunalwahlen erst die CDU eine Mehrheit erhielt. In Schleswig-Holstein kam es genau umgekehrt, dort wurde in den Kommunalwahlen die SPD stärkste Kraft und der ernannte Landtag wurde daraufhin von einer CDU-Mehrheit in eine SPD-Mehrheit verändert. Es ist also nicht unbedingt eine Bevorzugung der CDU zu erkennen. Als Vertreter der größten Fraktion im ersten Bundestag und als derjenige, der eine Koalition bilden konnte, war Adenauer nach der Wahl, natürlich als Regierungschef "vorprogramiert". Es hätte natürlich auch eine Wahl Karl Arnolds (Linker CDU-Flügel) im Zuge einer großen Koalition geben können, oder aber bei anderem Wahlausgang auch die Wahl eines SPD-Politikers.
 
Rein Mehrheitstechnisch hatte in der Nachkriegszeit ein SPD-Kandidat einfach keine Chance;
Man darf nicht vergessen daß das alles noch vor den 60ern war, vor der Aufarbeitung des Krieges und das Parteienbild noch aus den 20ern übernommen werden mußte (denn danach gab es sie ja erstmal nicht mehr).

Und in dieser Zeit galt bei vielen Bürgerlichen die SPD noch recht nah an den Kommunisten.
Die Kommunisten indes galten durch die Angst vor den Russen bei vielen als Staatsfeinde schlechthin. Jede Partei die irgendwie in die Nähe der Kommunisten gerückt werden konnte, hatte es daher schwer.
Nicht umsonst hatte die CDU damals in ihrer Werbung auch absichtlich versucht, dieses Bild aufrechtzuhalten: sie implizierte, nur wer CDU wählt, wählt die Freiheit, und jeder Weg Richtung Sozialismus führe in den Kommunismus.
Adenauer hat sicher auch mehrheitlich die Stimmen ehemaliger Nazis bekommen, eine Alternative bot sich rechts davon ja nicht; und Adenauer war denen sicher auch lieber als ein Sozialdemokrat.
Dazu kamen damals millionen Vertriebene, die (eben aus persönlichen Gründen) auch eher motiviert waren, möglichst rechts zu wählen.

Durch meine Großeltern und Eltern, die selbst sehr konservativ (und einigermaßen Vergangenheitsbehaftet) sind, habe ich dieses Bild auch von Klein auf vermittelt bekommen, mich davon aber glücklicherweise lösen können.

Gruß Alex
 
Und in dieser Zeit galt bei vielen Bürgerlichen die SPD noch recht nah an den Kommunisten.

Nein, das stimmt so nicht ganz bzw. nicht zu allen Zeitpunkten im Nachkriegsdeutschland, da die SPD immer einen sehr deutlichen Abstand zur moskauorientierten KPD gehalten hat (auch wenn Alfred Tetzlaff in den siebziger Jahren das eigentlich immer anders sah. :pfeif:)

Unmittelbar im Nachkriegsdeutschland gab es noch nicht diese ideologische links-rechts-Verhärtung, sondern eine gewisse Offenheit. Diese wurde durch eine gemeinsame Leidenszeit im 3. Reich möglich und bildete die Grundlage für eine vielfältige politische Kultur im unmittelbaren Nachkriegsdeutschland (vgl. z.B. die Rolle von Eugen Kogon).

Richtig ist aber auch, dass es in der Nachkriegszeit in der SPD einen marxistischen Flügel gab, der allerdings zu Beginn der 50iger Jahre weitgehend neutralisiert war. Inhaltlich war dieser Flügel an die Position der SPD in der Weimarer Republik angelehnt.

Und auch richtig ist, dass es eine allgemeine radikale Kritik am Kapitalismus und seiner Rolle im 3. Reich in großen Teilen der besonders politisch aktiven deutschen Gesellschaft gab. Wie nachfolgend der Link deutlich macht.

Das Ahlener Programm der CDU der britischen Zone vom 3. Februar 1947, Publikationen, Konrad-Adenauer-Stiftung

Die konservative Restauration adenauerscher Prägung setzte wohl frühestens Anfang der 50er Jahre ein und der sich verschärfende Ost-West-Gegensatz war der Katalysator für die restaurativen Tendenzen.

Auch unterstützt durch die Alliierten, die sozialistischen Gedanken zunehmend skeptisch gegenüber standen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Stimmt, ich kann natürlich nicht präzisieren ob die Rechts-Links Polarisation bezüglich CDU<->SPD/Kommunisten bereits 1949 existierte.

Das Beispiel mit Ekel Alfred finde ich interessant, da hatte ich auch nicht mehr dran gedacht, unterstreicht imho aber daß es diese Sicht tatsächlich gab (Satire kann sich ja nur über etwas lustig machen daß es de fakto gibt); die Einstellung Alfred Tetzlaffs ist mir im realen Leben wie gesagt ja durchaus begegnet und die Werbung der CDU in den 50ern geht exakt auf diese Stereotype ein.

Ob sich die SPD offziell gegen den Kommunismus abgrenzte (wovon ich ausgehe) ist dagegen ja aber zweitrangig, entscheidend ist das Bild das die Mehrheit der Wähler hatte, die dann Adenauer wählten.

Ich kenne/kannte halt selber genug ältere Menschen, die Teile der Naziideologie noch mit sich herumtrugen ("jaja, der Adolf hatte schon recht gehabt..." etc...) und kann mir daher gut ausmalen daß, wenn dies in den 50ern so noch einigermaßen verbreitet war, dies also bedeutet daß solche Leute gewiß nicht SPD wählten.

(Ich will übrigens nicht den Schein aufkommen lassen daß ich damit sagen will "Altnazis wählten Adenauer!"; mir ist recht egal wer wen wählte solange der Gewählte dann kein Menschenverachtender Undemokrat war. Willy Brandt wird ja auch nicht zum Kommunisten nur weil einige von diesen ihm seine Stimme gaben.)
 
Rein Mehrheitstechnisch hatte in der Nachkriegszeit ein SPD-Kandidat einfach keine Chance;
Man darf nicht vergessen daß das alles noch vor den 60ern war, vor der Aufarbeitung des Krieges und das Parteienbild noch aus den 20ern übernommen werden mußte (denn danach gab es sie ja erstmal nicht mehr).

Ich denke auch, dass das Parteienbild noch aus den 20ern übernommen wurde, möchte aber zusätzlich darauf hinweisen, dass damals und somit noch bis weit in die 50er/60er hinein, sehr klassenbewußt gewählt wurde.
"Ein Arbeiter wählt SPD" oder "Bauer/Grundbesitzer wählt CDU", deshalb hätte ein anderer Kanzler durchaus möglich sein können.
Du hast ja die Wahlergebnisse der 50er bestimmt schon gegoogelt, wäre es mit einem Koalitionspartner FDP für die SPD rechnerisch möglich gewesen, den Kanzler zu stellen?



Dazu kamen damals millionen Vertriebene, die (eben aus persönlichen Gründen) auch eher motiviert waren, möglichst rechts zu wählen.

Warum sollten die besonders motiviert gewesen sein rechts zu wählen?
 
Weil man in Notzeiten (und für die Vertriebenen war es das) immer "den starken Mann" wählt und linke (bzw. gemäßigte) Parteien seit jeher eher auf Ausgleich und Kompromisse eingehen konnten. Wenn man sich unter den Vertriebenenverbänden so umsieht ist meine Aussage daß unter diesen eher rechts gewählt wird auch nicht von der Hand zu weisen - ohne daß ich das gewertet sehen will.
Ferner waren es ja gerade "die Russen" die in Augen vieler die Ursache oder gar die Täter der Vertreibung darstellten; ich denke schon daß nicht wenige das mit einem festgefahrenen Parteienbild assoziierten Russen=Kommunisten=SPD steht denen näher als CDU.

Ich will das ja auch nicht verallgemeinern sondern nur überlegen wieso manche Gruppen im Nachkriegsdeutschland viel eher zur CDU tendierten.

Das Klassenbewußtsein kenne ich auch heute noch bei einigen Bekannten; da sind die Eltern selbstständig, die Söhne Anwälte und alles hat seit jeher CDU gewählt, und bei einem anderen waren die Eltern im Bergbau, der Sohn als Mechaniker und alles wählt seit jeher SPD. Irgendwie ist es ja schon witzig. :grübel:
 
Mir ist letztens diese Frage in den Sinn gekommen:

Hätte auch jemand anderes als Adenauer erster Kanzler der Bundesrepublik werden können?

Mir scheint als wäre Adenauer doch ziemlich der Liebling der Alliierten gewesen und ist von ihnen mehr oder weniger "installiert" worden. D.h. seine Partei wurde gehypt, über andere weniger berichtet...

Wäre es z.B. denkbar gewesen, dass ein SPD-Mitglied erster Kanzler wird, oder jemand von der KPD? Das wäre doch sicher irgendwie verhindert worden...


Es hätte einen anderen Kanzler geben können, aber es gab nun mal zwei Platzhirsche: Schumacher (SPD) und Adenauer (CDU). Beide haben ihrer Partei jeweils ihren Stempel aufgedrückt (was man nach dem Ableben bzw. Rückzug des jeweiligen auch an einem gewissen Machtvakuum spürte). Beide waren im Bezug auf die Positionen der Gegenseite zu wenig kompromissbereit. Daher konnte es auch zu keiner Großen Koalition unter einem CDU- oder SPD-Kanzler kommen. Und eine andere Koalition wäre unter Führung der SPD erst recht nicht möglich gewesen (Koalitionspartner entweder zu bürgerlich-konservativ oder zu kommunistisch). Und eine Regierung braucht nun mal eine absolute Mehrheit im Parlament.
 
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