Jerusalem: Koexistenz bis 10. Jahrhundert

Liebe Forenfreunde,

... aus welchen Gründen kam es überhaupt zu den üblen Gerüchten die Papst Urban dann zu dem fatalen Aufruf zum 1. Kreuzzug führten. Es ist anzunehmen, dass die Angst vor Überfremdung die treibende Kraft war, die von Pilgern im Heiligen Land nach Europa getragen wurden.

In einigen Berichten wird sogar vermutet, dass es durch die in Europa seinerzeit herrschende Veredelungen zu Begehrlichkeiten kam, so daß einige AUfbrachen mit dem Ziel eines Raubzuges zur Selbstbereicherung ...

Meines Wissens gab es vor dem besagten Zeitpunkt eine friedliche Koexistenz in Jerusalem zw. Christen + Moslems ...
 
Die gab es auch nachher. Das Osmanische Jerusalem war eine vorwiegend christliche Stadt, selbiges gilt für Bethlehem. Noch bis heute ist der Schlüssel der Grabeskirche in den Händen einer türkischen >> muslimischen << Familie, die darüber wacht, dass die verschiedenen christlichen Gruppierungen sich nicht gegenseitig ausschließen. Die abendländische "Angst" hatte aber ganz konkrete Gründe, die Du vielleicht mal selber ergründen solltest, der Islam war eine recht expansive Religion, gerade im 11. Jahrhundert wieder.
 
Liebe Forenfreunde,

... aus welchen Gründen kam es überhaupt zu den üblen Gerüchten die Papst Urban dann zu dem fatalen Aufruf zum 1. Kreuzzug führten. Es ist anzunehmen, dass die Angst vor Überfremdung die treibende Kraft war, die von Pilgern im Heiligen Land nach Europa getragen wurden.

In einigen Berichten wird sogar vermutet, dass es durch die in Europa seinerzeit herrschende Veredelungen zu Begehrlichkeiten kam, so daß einige AUfbrachen mit dem Ziel eines Raubzuges zur Selbstbereicherung ...

Meines Wissens gab es vor dem besagten Zeitpunkt eine friedliche Koexistenz in Jerusalem zw. Christen + Moslems ...
Ich kann dir diesen Pfad zum Lesen empfehlen:
http://www.geschichtsforum.de/f36/die-mauren-europa-13094/
Soviel dann zum Thema friedliche Koexistens - zumindest auf staatlicher Ebene.
Was die Koexistenz zwischen Christen und Moslems in islamischen Staaten angeht, da gebe ich dir natürlich Recht, die war durchaus friedlich, anders, als in christlichen Staaten, die auch innenpolitisch recht intolerant regiert wurden.
Hier muß man also wohl stark differenzieren.
 
Was die Koexistenz zwischen Christen und Moslems in islamischen Staaten angeht,

Hier muß man also wohl stark differenzieren.

Du sagst es - warum also praktizierst Du es nicht?

da gebe ich dir natürlich Recht, die war durchaus friedlich, anders, als in christlichen Staaten, die auch innenpolitisch recht intolerant regiert wurden.

Gegenbeispiele gefällig? Sizilien unter Normannen und Staufern, die Kreuzfahrerstaaten [sic!], die nordspanischen Königreiche und Fürstentümer, insbesondere im 12. und 13. Jahrhundert. Dies sind nur die dokumentierten Fälle von Toleranz im Mittelalter. Viel aussagekräftiger zur gelebten Toleranz sind aber die Fälle der Intoleranz. Die schrecklichen Pogrome entlang des Rheins, die im Rahmen des ersten Kreuzzuges stattfanden, sind ein Beleg dafür, dass es den Juden hier vorher relativ gut ging, dass die Rheinstädte attraktiv für sie waren. Auch das Entsetzen, dass sich in den jüdischen Quellen über diese Pogrome äußert, spiegelt den eher plötzlichen Stimmungsumschwung wider, genauso im Übrigen, wie die Strafmaßnahmen des Kaisers 1097.
 
Du sagst es - warum also praktizierst Du es nicht?
Wie meinst du das?


Gegenbeispiele gefällig? Sizilien unter Normannen und Staufern, die Kreuzfahrerstaaten [sic!], die nordspanischen Königreiche und Fürstentümer, insbesondere im 12. und 13. Jahrhundert. Dies sind nur die dokumentierten Fälle von Toleranz im Mittelalter. Viel aussagekräftiger zur gelebten Toleranz sind aber die Fälle der Intoleranz. Die schrecklichen Pogrome entlang des Rheins, die im Rahmen des ersten Kreuzzuges stattfanden, sind ein Beleg dafür, dass es den Juden hier vorher relativ gut ging, dass die Rheinstädte attraktiv für sie waren. Auch das Entsetzen, dass sich in den jüdischen Quellen über diese Pogrome äußert, spiegelt den eher plötzlichen Stimmungsumschwung wider, genauso im Übrigen, wie die Strafmaßnahmen des Kaisers 1097.
Gerade am Beispiel der Juden ist aber erkennbar, wie Juden eben nicht in die Gesellschaft integriert wurden, da sie z. B. aus Handwerkergilden ausgeschlossen waren. So wurden sie häufig Kaufleute (in Ermangelung an Alternativen) und konnten damit natürlich gutes Geld verdienen. In der Tat ging es Juden oft nicht schlecht, wahrscheinlich sogar besser, als vielen Handwerkern, was jedoch deren Neid hervorrief. Juden waren in ganz Europa nie besonders angesehene Leute (Neid auf deren Reichtum + Absonderung der Juden) und wohin so etwas führen kann, hat man dann auch in den Judenprogromen im Mittelalter gesehen (das Beispiel des 20. Jh. will ich an dieser Stelle nicht bemühen).
:grübel:
 
Du forderst eine differenzierte Schau auf's MA, schreibst dann aber, dass das gesamte christliche MA intolerant war. Es hatte seine intoleranten Zeiten, das ist ebenso fatal wie wahr. Aber die Ausschreitungen des Volkskreuzzuges des Jahres 1096 sind gegenüber den 500 Jahren, die das MA damals schon alt war, ein ziemlich singuläres Ereignis (nehmen wir die westgotische Gesetzgebung mal aus, aber die betrifft ja nicht Mitteleuropa).

Die Absonderung war eher religiöser Natur und ging zunächst von den Juden selbst aus, was mit den jüdischen Reinheitsgeboten zu tun hatte. Man denke nur daran, wie eine mittelalterliche Stadt aussah: Schweine und Hunde, die in der Gegend rumliefen, niemand achtete darauf Milch und Fleisch zu trennen etc.

Erst relativ spät wurden Juden bewusst ausgegrenzt. Natürlich zur Kreuzzugszeit, in den Pestzeiten und besonders im Zuge der Reformation. Wir sollten aber sehen, dass zwischen den Kreuzzügen, der Pest und der Reformation jeweils Jahrhundert lagen, in denen es praktisch keine Judenverfolgung gab.
 
Gerade am Beispiel der Juden ist aber erkennbar, wie Juden eben nicht in die Gesellschaft integriert wurden, da sie z. B. aus Handwerkergilden ausgeschlossen waren. So wurden sie häufig Kaufleute (in Ermangelung an Alternativen) und konnten damit natürlich gutes Geld verdienen. In der Tat ging es Juden oft nicht schlecht, wahrscheinlich sogar besser, als vielen Handwerkern, was jedoch deren Neid hervorrief.

So stark darf man diesen Kontext nun aber eben auch nicht vereinfachen - vgl. dazu auch Antijudaismus im Mittelalter - Wikipedia
Anm.: Dieser Artikel darf guten Gewissens empfohlen werden.

Juden waren in ganz Europa nie besonders angesehene Leute (Neid auf deren Reichtum + Absonderung der Juden) und wohin so etwas führen kann, hat man dann auch in den Judenprogromen im Mittelalter gesehen (das Beispiel des 20. Jh. will ich an dieser Stelle nicht bemühen).
:grübel:

Das Beispiel des 20. Jh. wäre - wiewohl es zudem in den Kontext des Antisemitismus nach 1789 einzuordnen ist - auch an der Stelle fehl am Platz: der Antijudaismus früherer Zeiten (gerade auch der des Mittelalters) ist in anderem Zusammenhang zu sehen.



PS: Aufgrund aktuellen Zeitmangels zur Thematik des Eingangsbeitrages später mehr...
 
Ich meinte mit meinem Beitrag ja auch nicht, dass es ständig Übergriffe auf Juden gab, jedoch bestätigt mich der Wikipedia-Artikel (Antijudaismus im Mittelalter - Wikipedia) im Großen und Ganzen in meiner Meinung: Es gab schon sehr früh eine latente Judenfeindlichkeit (oft von der Kirche geschürt), die sich bei jeder Gelegenheit in Übergriffen oder gar Progromen entlud und auch beim im Startbeitrag angesprochenen 1. Kreuzzug wurde gegen Moslems und Juden vorgegangen.
 
Um auf den Ausgangspunkt zurück zu kommen:
es handelte sich nicht ausschließlich um üble Gerüchte. Es kam nach einerlangen Zeit des freien Zugangs für christliche Pilger zu vermehrten Übergriffen. Auch wenn andere Faktoren ebenfalls eine große Rolle spielten, völlig aus der Luft gegriffen waren die Gerüchte nicht.

Angst vor Überfremdung war sicher nicht der Grund. Jegliche Basis für eine derartige Theorie hatte sich zu diesem Zeitpunkt in der Levante schon längst erledigt und in Europa war noch keine entstanden.

@Helmut
Wieso stellst Du eigentlich eine Frage, wenn Du sie daraufhin selber sofort anhand einer These, aber ohne Argumente zu bringen, beantwortest?
Das kommt mir regelmäßig etwas nach Kraut und Rüben vor. :(
 
Und jetzt zur thematischen Seite des Eingangsbeitrages...

... aus welchen Gründen kam es überhaupt zu den üblen Gerüchten die Papst Urban dann zu dem fatalen Aufruf zum 1. Kreuzzug führten.

Woher hast Du die Gewißheit, daß es sich um "üble Gerüchte" handelte?
Einige Dinge sind nachweislich geschehen, bei anderen ist sich die Kreuzzugsforschung lediglich nicht ganz sicher, wieviel Überzeichnung in den Berichten steckt.
Vgl. dazu auch:
http://www.geschichtsforum.de/157368-post8.html
http://www.geschichtsforum.de/158107-post15.html

Es ist anzunehmen, dass die Angst vor Überfremdung die treibende Kraft war, die von Pilgern im Heiligen Land nach Europa getragen wurden.

Mit welcher Begründung nimmst Du dies an?
"Angst vor Überfremdung" bedarf einer gewissen Ausprägung von Nationalbewußtsein, was im Hochmittelalter so überhaupt noch nicht gegeben war - bestenfalls kann man einen ersten Ansatzpunkt für sich bildendes Nationalbewußtsein im Hundertjährigen Krieg (1337/1453) für England und Frankreich sehen, und selbst dies ist ziemlich strittig.

In einigen Berichten wird sogar vermutet, dass es durch die in Europa seinerzeit herrschende Veredelungen zu Begehrlichkeiten kam, so daß einige AUfbrachen mit dem Ziel eines Raubzuges zur Selbstbereicherung ...

Diese Wertung ist längst überholt: http://www.geschichtsforum.de/158811-post71.html

Meines Wissens gab es vor dem besagten Zeitpunkt eine friedliche Koexistenz in Jerusalem zw. Christen + Moslems ...

Das ist so nicht richtig: spätestens seit dem Kalifen Abu Ali al-Mansur - Beiname al-Hakim bi-Amr Allah (reg. 996/1021) ging dies signifikant zurück. Christliche Beamte wurden zur Annahme des Islam genötigt, öffentliche Prozessionen wurden verboten, es gab zudem Übergriffe gegen christliche Pilger, seit 1008 wurden Kirchen enteignet und geplündert, um 1009 wurde dann gar die Grabeskirche zerstört.
Bzgl. Fortsetzung des Kontextes siehe die Links oben... :fs:



Noch zum anderen angesprochenen Kontext...

Ich meinte mit meinem Beitrag ja auch nicht, dass es ständig Übergriffe auf Juden gab, jedoch bestätigt mich der Wikipedia-Artikel (Antijudaismus im Mittelalter - Wikipedia) im Großen und Ganzen in meiner Meinung: Es gab schon sehr früh eine latente Judenfeindlichkeit (oft von der Kirche geschürt), die sich bei jeder Gelegenheit in Übergriffen oder gar Progromen entlud und auch beim im Startbeitrag angesprochenen 1. Kreuzzug wurde gegen Moslems und Juden vorgegangen.

Im Großen und Ganzen sicherlich; zur Differenzierung entsprechend den Hintergründen jedoch mag folgende Diskussion noch einiges beisteuern: http://www.geschichtsforum.de/f48/das-europaeische-christentum-im-hochmittelalter-10506/
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich meinte mit meinem Beitrag ja auch nicht, dass es ständig Übergriffe auf Juden gab, jedoch bestätigt mich der Wikipedia-Artikel (Antijudaismus im Mittelalter - Wikipedia) im Großen und Ganzen in meiner Meinung: Es gab schon sehr früh eine latente Judenfeindlichkeit (oft von der Kirche geschürt), die sich bei jeder Gelegenheit in Übergriffen oder gar Progromen entlud und auch beim im Startbeitrag angesprochenen 1. Kreuzzug wurde gegen Moslems und Juden vorgegangen.
Aus dem Artikel:
Zu ersten Ansätzen des Antijudaismus und teilweise erheblichen Ausschreitungen (Pogrom von Köln) kam es jedoch erst seit dem 11. Jahrhundert.
Ich hätte das im Übrigen so ("erste Ansätze") nicht geschrieben.
Zum Vergleich das, was ich schrieb:
Aber die Ausschreitungen des Volkskreuzzuges des Jahres 1096 sind gegenüber den 500 Jahren, die das MA damals schon alt war, ein ziemlich singuläres Ereignis (nehmen wir die westgotische Gesetzgebung mal aus, aber die betrifft ja nicht Mitteleuropa).

Hier allerdings hätte ich differenzierter argumentieren müssen:
Wir sollten aber sehen, dass zwischen den Kreuzzügen, der Pest und der Reformation jeweils Jahrhunderte lagen, in denen es praktisch keine Judenverfolgung gab.
Nämlich zwischen staatlicher bzw. kirchlicher und populärer (also vom Volk ausgehender) Verfolgung.
 
Zuletzt bearbeitet:
... aus welchen Gründen kam es überhaupt zu den üblen Gerüchten die Papst Urban dann zu dem fatalen Aufruf zum 1. Kreuzzug führten. Es ist anzunehmen, dass die Angst vor Überfremdung die treibende Kraft war, die von Pilgern im Heiligen Land nach Europa getragen wurden.

Mir ist nicht klar, von welchen "üblen Gerüchten" du da berichtest!

Der Aufruf des Papstes zum Ersten Kreuzzug hatte eine ganz handfeste Ursache im Auftreten byzantinischer Gesandter, die eine Bitte des Kaisers Alexios I. Komnenos um militärische Hilfe gegen die Seldschuken vortrugen. Hinzu kam, dass christlichen Pilgern der Zutritt zu den Heiligen Stätten Jerusalems erschwert wurde, seit die türkischen Seldschuken die Macht in Vorderasien übernommen hatten.

Es gab also keine "üblen Gerüchte", sondern konkrete Gründe, die den Kreuzzug auslösten.

In einigen Berichten wird sogar vermutet, dass es durch die in Europa seinerzeit herrschende Veredelungen zu Begehrlichkeiten kam, so daß einige AUfbrachen mit dem Ziel eines Raubzuges zur Selbstbereicherung ...

Die komplexen Gründe der Kreuzfahrer sind keine "Vermutung", sondern seit langem fester Bestandteil wissenschaftlicher Erkenntnis. An der Spitze standen für viele Kreuzfahrer sicherlich religiöse Motive, da die Päpste durch Ablässe und andere kirchliche Wohltaten ein gottgefälliges Werk anmahnten. Andere waren oftmals zweitgeborene Adelssöhne, die sich im Heiligen Land den Erwerb einer Herrschaft oder Grundbesitz erhofften. Wieder andere zogen aus reiner Abenteuerlust mit oder erhofften sich reiche Beute.

So gab es also ein komplexes Bündel von Motiven, das die adligen Kreuzfahrer zur Pilgerfahrt - wie man das nannte - ins Heilige Land bewog.

Meines Wissens gab es vor dem besagten Zeitpunkt eine friedliche Koexistenz in Jerusalem zw. Christen + Moslems ...

Man wird davon ausgehen können, dass die Christen so behandelt wurden, wie das auch in anderen Teilen der arabischen Welt üblich war. Die "Leute des Buchs" -also Christen und Juden - wurden von den Moslems im allgemeinen tolerant behandelt, da die drei Religionen zahlreiche gemeinsame religiöse Wurzeln hatten. Sie mussten aber eine Kopfsteuer zahlen und durften ihren Glauben im übrigen ungehindert ausüben.

Dass es je nach politischer Großwetterlage auch zu stärkerer Bedrückung der Christen kommen konnte - z.B. wenn eine puristische Dynastie die Macht übernahm - war nicht auszuschließen.
 
Zur Gewichtung der Motive hatten wir schon in verschiedenen Threads zur Thematik diskutiert...

Natürlich kamen mehrere Aspekte der Motivation zusammen, so daß weder das eine noch das andere als alleiniges Motiv angesehen werden kann. Allerdings ist die Gewichtung i.S.v. Bewertung der Motivationen und v.a. bzgl. ihrer Rolle und Relevanz hinsichtlich der Kreuzzugsbewegung im vom 11. bis zum 13. Jh. doch nach aktuellem Stand recht deutlich.

Da ich mir nicht sicher bin, ob alle meinen Verlinkungen wie gewünscht folgen, möchte ich also noch einmal als Repräsentanten des aktuellen Forschungsstandes Jonathan Riley-Smith zu Wort kommen lassen:
Die Kreuzzugsbewegung und die Historiker schrieb:
... während intellektuelle Entwicklungen vielleicht zu einem besseren Verständnis der Kreuzfahrer führen mochten, besagten die meisten Erklärungen, warum so viele Männer und Frauen sich an der Kreuzzugsbewegung beteiligt hatten, doch immer noch, daß es ihnen an Einsicht und Bildung gefehlt habe oder daß sie materiellen Gewinn erstrebt hätten. Gerade letztgenannte Erklärung fand mächtigen Rückhalt in der klugen, aber dennoch unzureichend belegten Hypothese, daß die Kreuzzüge das Resultat von familiären Strategien zur Sicherung des ökonomischen Überlebens gewesen seien...
In der Tat fiel es schwer, ernst zu nehmenden Männern und Frauen eine derartig abstoßende Ideologie wie die der Kreuzzüge zuzusprechen; da war es leichter zu glauben, sie seien zu einfältig gewesen, um ihr Tun zu verstehen, oder ihnen zu unterstellen, der Wunsch nach Land oder Beute habe sie getrieben, was auch immer sie selbst erklärt haben mochten. Freilich hätte sich die letztgenannte Erklärung nur schwer erhärten lassen, da allgemein bekannt war, welche Kosten die mittelalterliche Kriegsführung verursachte, und zudem bereits eine Vielzahl von Quellen gedruckt vorlag - auch wenn diese nicht unbedingt rezipiert worden waren -, die eindrucksvoll verdeutlichten, welche finanziellen Opfer die Männer und ihre Familien bringen mußten, um an einem Kreuzzug teilzunehmen.
Mit anderen Worten: die Historiker waren blind gegenüber den Fakten und dem Beweismaterial, weil sie vor ideologisch motivierter Gewalt einen Abscheu hatten und sich nicht vorstellen konnten, daß sie wirklich einen überzeugenden Anreiz darstellen konnte. Wie alle anderen hatten sie vergessen, wie intellektuell respektabel die christliche Theorie der gerechten Gewalt war...
... Die Historiker, deren Forschungsgebiet die Kreuzzüge waren, entdeckten plötzlich, daß es ernst zu nehmende und fromme Zeitgenossen gab (bezieht sich auf den militanten Flügel der Befreiungstheologie ab den 60er Jahren bzw. die Auseinandersetzung mit diesem - Anm. von mir), die ideologische Positionen vertraten, die jenen der mittelalterlichen Apologeten, die sie untersuchten, sehr nahe kamen. Mit dieser Entdeckung wurde die fundamentale Schwäche der Argumente zu Gunsten der materialistischen Motivation der Kreuzzüge und die Dürftigkeit der Beweise, auf die sich diese Hypothese gestützt hatte, offenkundig. Die abenteuerlustigen jüngeren Söhne mußten schließlich die Bühne verlassen; nur wenige Historiker glauben heute noch, daß sie eine Rolle gespielt haben.
Lit.: Jonathan Riley-Smith "Illustrierte Geschichte der Kreuzzüge"- Campus Verlag - Frankfurt/M., New York 1999
 
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