Kavallerieattacke

Theoderich

Mitglied
Hallo, ich hätte da mal ne Frage zum Angriff und Taktik zweier sich angreifender Ritterheere.
Oder besser gesagt nur der jeweils berittene Teil stürmt in klassischer Manier mit eingelegter Lanze auf einander zu.
Ich habe ein wenig Probleme mir das vorzustellen. Wenn zwei mehr oder weniger tief gestaffelter Reihen aufeinanderzugaloppieren, müsste das nicht beim Zusammenprall für die beiden ersten Reihen in einer marmeladeartigen Konsistenz enden? :S
Oder ritt man mit Abstand zu seinem Nachbarn und jeder nahm sich einen Gegner aufs Korn, schloss dann die Augen und hoffte....
 
Nun ich würde sagen, die sind ja nicht als "Mauer" angeritten gekommen. Auch wenn es für die Gegenseite vieleicht so aussah. Da wird wohl zwischen zwei benachbarten Reitern wenigstens noch ein Pferd gepasst haben.
Auch wenn es als "ehrvoll" galt in der Schlacht zu sterben, wird wohl auf beiden Seiten keiner scharf darauf gewesen sein und versucht haben auszuweichen. Wem dies nicht gelang, der flog vom Pferd und landete natürlich vor den Hufen der nachfolgenden Reiter.
Ich nehme auch mal an, das je nach Formation, kurze Zeit nach dem "Aufprall" der ersten sowieso keine große Vorwärtsbewegung mehr möglich war. Die Speere/Lanzen waren weg oder unbrauchbar und das "gehacke" mit Schwert und Streitkolben ging los.
 
Ist mir schon klar, das das keine Panzer auf vier Füßen waren.

Ich nehme auch mal an, das je nach Formation, kurze Zeit nach dem "Aufprall" der ersten sowieso keine große Vorwärtsbewegung mehr möglich war.
Eben um den ersten Aufprall gehts mir hier. Eigentlich müsste der doch absolut (selbst-) mörderisch gewesen sein. Und zwar gerade auch durch die hinterherreitenden Reihen, will sagen, wenn man Glück hatte und die eigene Lanze den Typ vom anderen Lager erwischt hatte, dann hatte man doch auch nach vorne keinen Platz zum "ausrollen".
Hat man keine möglichst dichte Reihe zu bilden versucht?
 
Wenn zwei mehr oder weniger tief gestaffelter Reihen aufeinanderzugaloppieren, müsste das nicht beim Zusammenprall für die beiden ersten Reihen in einer marmeladeartigen Konsistenz enden? :S
Oder ritt man mit Abstand zu seinem Nachbarn und jeder nahm sich einen Gegner aufs Korn, schloss dann die Augen und hoffte....

Zunächst einige grundsätzliche Dinge dazu...

1. Die Lanze wird dicht unter die rechte Achselhöhle eingeklemmt und in der Form geführt, daß die Spitze nach links über den gebeugten Pferdehals zeigt, wobei der Winkel zwischen Lanzenachse und Längsachse des Pferdes so gering wie möglich zu halten ist*. Mit dieser Haltung werden zwei Dinge optimal genutzt: die Deckung gegen den Gegner durch den (Dreiecks-)Schild sowie der vom galoppierenden Pferd ausgehende Schub. WICHTIG ist hierfür jedoch unbedingt, daß das Pferd im Rechtsgalopp** geht, da es dabei den Kopf ehedem leicht nach rechts wendet und somit nur wenig von der vorgestreckten Lanze irritiert wird!
* Verfügt man beim Kampf Reiter gegen Reiter über ein größeres und v.a. schwereres Tier, so ist es auch möglich, die Lanze bzw. den Stoß über die Ohren des Pferdes zu führen...
** Deswegen auch die Bezeichnung dextrarius bzw. destrier für das ritterliche Schlachtroß - auch wenn gar nicht jeder Ritter vermögend genug war, sich wirklich ein solch teures reines Kriegspferd zu leisten, und der Großteil so ein "normales" Reitpferd, welches kampftauglich war, einsetzte.

2. Ritter - und übrigens auch die vergleichsweise leichter gerüsteten und bewaffneten Sergenten - verwendeten Hengste für den Kampfeinsatz, denn deren Grundtemperament und Dominanzverhalten war diesbezüglich erwünscht: das Pferd sollte gegen andere Pferde wie auch gegen Menschen ausschlagen, und ebenso sollte es nahezu wild um sich beißen.

Es braucht nicht viel Phantasie o.ä., um sich vorzustellen, daß unter diesen Voraussetzungen eine eng gehaltene Formation wie auch ein im vollen Galopp von Anbeginn vorgetragener Lanzenangriff so nicht machbar sind, andererseits jedoch eine relativ starke (Selbst-)Disziplinierung notwendig ist.
Diesbezüglich liegt meine Position weder bei der alten Sichtweise a la Delbrück noch bei der neuen Sichtweise a la Verbruggen und Smail - vgl. dazu bspw. http://www.dissertationen.unizh.ch/2006/lanz/diss.pdf
 
Merci für den Link, bei der diss werd ich wohl ein wenig länger brauchen.:winke:

An das mit den aggressiven Hengsten hab ich noch gar nicht gedacht. Hm, das hieße dann, das für ein größeres Reitergefecht eigentlich eine riesige freie Fläche zur vergügung stehen musste, um überhaupt im vollen Galopp gegeneinander anzugehen, und zwar vor allem auch in die Breite.
ich nehme an,d ass ist dann auch einer der Gründe, warum gegen Gewalthaufen das ganze dann nur noch wenig Sinn genmacht hat, denn besonders flexibel kommt mir das im taktischen Sinne nicht vor. Man zeigt in die richtige Richtung und alles prescht los wie es gerade passt....
 
Hat man keine möglichst dichte Reihe zu bilden versucht?

Nein, vermutlich nicht; das Anreiten eines "ritterlichen", mittelalterlichen Heeres gepanzerter Reiter geschah wahrscheinlich in einem ziemlichen langsamen Tempo (schritt bis langsamer Trab), und mit erheblichen Abständen zwischen den einzelnen Reitern bzw den einzelnen Rängen (Reihen). Die Gefahr, vom Pferd zu fliegen und dann von dan Nachkommenden zertrampelt zu werden, war gewiss gegeben, aber auch keine 100%ige Sicherheit; v.a. wenn man bedenkt, dass die ja nicht umsonst kiloweise Stahl am Körper trugen... ;)

Hier schildert bzw analysiert Delbrück ein ritterliches Gefecht (Pillenreuth, 1450):

Delbrück, Hans/Geschichte der Kriegskunst/3. Teil. Das Mittelalter/3. Buch. Das hohe Mittelalter/2. Kapitel. Das Rittertum militärisch/Das Treffen bei Pillenreuth - Zeno.org

EDIT

@ Timotheus: Du schreibst, dass solche Angriffe im Galopp vergetragen wurden; das würde allem widersprechen, was ich zu dem Thema gelesen habe (nicht nur beim alten Delbrück). Worauf beziehst Du Dich da?
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Timotheus: Du schreibst, dass solche Angriffe im Galopp vergetragen wurden...

Bitte meinen Beitrag genau lesen:
Es braucht nicht viel Phantasie o.ä., um sich vorzustellen, daß unter diesen Voraussetzungen eine eng gehaltene Formation wie auch ein im vollen Galopp von Anbeginn vorgetragener Lanzenangriff so nicht machbar sind, andererseits jedoch eine relativ starke (Selbst-)Disziplinierung notwendig ist.

... das würde allem widersprechen, was ich zu dem Thema gelesen habe (nicht nur beim alten Delbrück). Worauf beziehst Du Dich da?

Ich wies bereits auf die gegensätzlichen Positionen von Delbrück einerseits sowie Verbruggen und Smail andererseits hin; wie geschrieben stimme ich da keiner Seite ungeteilt zu:
 
Ich wies bereits auf die gegensätzlichen Positionen von Delbrück einerseits sowie Verbruggen und Smail andererseits hin; wie geschrieben stimme ich da keiner Seite ungeteilt zu:
D.h. Du bist Skeptiker wie ich und sagst: wir wissen nicht wie es war?:grübel:

Wobei mir auch Delbrücks Ausführungen eher nach einer Hypothese, also im Sinne von "es könnte so und so gewesen sein", vorkommen.
 
Nein, vermutlich nicht; das Anreiten eines "ritterlichen", mittelalterlichen Heeres gepanzerter Reiter geschah wahrscheinlich in einem ziemlichen langsamen Tempo (schritt bis langsamer Trab), und mit erheblichen Abständen zwischen den einzelnen Reitern bzw den einzelnen Rängen (Reihen). Die Gefahr, vom Pferd zu fliegen und dann ?


Es wird sehr OT sein,
aber ich habe so 69/70 mal erlebt, wie berittene Polizei gegen eine Demo "angetrabt" ist (hinterher hieß es, die Polizei wäre galoppiert, aber das stimmt nicht)
Ich kann nur sagen "Meine Herren! da kann ein daher rollender Panzer auch nicht viel bedrohlicher sein.
Da brach Panik aus, richtig gehende Todesangst, nur noch "rette sich wer kann", sonst gab es da nichts mehr.

Nur mal so als Stimmungsbild.
 
Ich bezweifele, ob ein Soldat stehengeblieben wäre, wenn eine Wand aus Pferden auf ihn zuprescht. Bei einer Kavallerieattacke wird ein fester Körper gebildet,der wie eine Phalanx angreift(Delbrück:Geschichte der Kriegskunst Die Neuzeit). Bei einer Ritterattacke löst sich der taktische Körper dagegen noch vor dem Aufprall auf und die Schlacht zerfällt in Duelle Ritter gegen Ritter. Auch griff die Kavallerie geschlossen im Gallop an(seit Gustav Adolf II), während Ritter langsam angriffen um halbwegs geschlossen anzukommen. Die Aufschlagskraft war in beiden fällen groß.
Zudem griffen Ritter an um den Feind nieder zu machen, Kavallerie hat das Ziel die feindliche Linie zu durchbrechen, weshalb sie schnell sein musste.

Ausnahmen, wie die attacke des preußischem garde du corps bei Zorndorf,
bestätigen die Regel.
 
Es wird sehr OT sein,
aber ich habe so 69/70 mal erlebt, wie berittene Polizei gegen eine Demo "angetrabt" ist (hinterher hieß es, die Polizei wäre galoppiert, aber das stimmt nicht)
Ich kann nur sagen "Meine Herren! da kann ein daher rollender Panzer auch nicht viel bedrohlicher sein.
Da brach Panik aus, richtig gehende Todesangst, nur noch "rette sich wer kann", sonst gab es da nichts mehr.

Nur mal so als Stimmungsbild.

Einerseits sicher ein gutes Stimmungsbild, allerdings sollte man dabei nicht außer Acht lassen, dass (insbesondere erfahrenere) Mitglieder in einem ritterlichen Heer die Gefahr diesbezüglich eher einschätzen konnten, als linke Demonstranten um 1970.
 
@El: Einerseits sicher ein gutes Stimmungsbild, allerdings sollte man dabei nicht außer Acht lassen, dass (insbesondere erfahrenere) Mitglieder in einem ritterlichen Heer die Gefahr diesbezüglich eher einschätzen konnten, als linke Demonstranten um 1970.

So verkehrt finde ich @Repos Vergleich gar nicht. Altgediente Landsknechte in Formation waren so sicher nicht zu sprengen. Aber wie sah es bei anderer Gelegenheit aus, besonders in offenem Gelände gegen Bauern und ähnliche Sonntagskrieger? Die liefen davon oder wurden überritten - bestimmt auch im Trab. Dass die Schweizer mehrfach gegen Ritterheere siegten, verdanken sie doch mehr dem Gelände, in dem die Ritter sogar abgesessen kämpfen mussten.
 
Aber es ging @Theoderich doch um aufeinanderzureitende Ritter und nicht um Ritter oder sonstige Reiter gegen alles was hier sonst genannt wurde.
 
So verkehrt finde ich @Repos Vergleich gar nicht. Altgediente Landsknechte in Formation waren so sicher nicht zu sprengen. Aber wie sah es bei anderer Gelegenheit aus, besonders in offenem Gelände gegen Bauern und ähnliche Sonntagskrieger? Die liefen davon oder wurden überritten - bestimmt auch im Trab. Dass die Schweizer mehrfach gegen Ritterheere siegten, verdanken sie doch mehr dem Gelände, in dem die Ritter sogar abgesessen kämpfen mussten.

So will ich auch nicht missverstanden sein. Der Vergleich bezog sich explizit auf die "Profis" und etwas weniger explizit auf die erfahrenen Profis. Ob mit der Pike bewaffnete Landsknechte wirklich unterlegen waren? Nicht umsonst waren die Schweizer in der FNZ die Leibwächtertruppe schlechthin, im Vatikan bis heute.
 
So will ich auch nicht missverstanden sein. Der Vergleich bezog sich explizit auf die "Profis" und etwas weniger explizit auf die erfahrenen Profis. Ob mit der Pike bewaffnete Landsknechte wirklich unterlegen waren? Nicht umsonst waren die Schweizer in der FNZ die Leibwächtertruppe schlechthin, im Vatikan bis heute.

So will ich auch nicht mißverstanden werden. Kurz darauf haben sich die Demonstranten mit Eisenstangen bewaffnet, um sich gegen die Pferde zu wehren. (Straftatbestand der Tierquälerei! Von der vorherigen Menschenquälerei keine Rede). "Erfahrenes Fussvolk" findet eine Gegenstrategie.

Es ging mir lediglich darum, dass ich die Reiterheere "im vollen Galopp" für eine Mär halte.
Der psychologische Effekt wird dadurch nicht größer, was das Beispiel zeigt, dass Augenzeugen jener Reiterattacken der ausgehenden 60er noch heute von "galoppierenden Polizeipferden" erzählen. Was, wie gesagt nicht stimmt.
Insofern denke ich, dass Reinecke damit
Nein, vermutlich nicht; das Anreiten eines "ritterlichen", mittelalterlichen Heeres gepanzerter Reiter geschah wahrscheinlich in einem ziemlichen langsamen Tempo (schritt bis langsamer Trab
Recht hat.
 
Dann will ich auch noch kurz etwas nachtragen, um nicht mißverstanden zu werden...

D.h. Du bist Skeptiker wie ich und sagst: wir wissen nicht wie es war?:grübel:

Wobei mir auch Delbrücks Ausführungen eher nach einer Hypothese, also im Sinne von "es könnte so und so gewesen sein", vorkommen.

Es stimmt, daß ich durchaus konstatiere, daß wir bestenfalls rekonstruieren können, wie es mit einiger Wahrscheinlichkeit gewesen sein kann.

Worum es mir beim Abwägen der Positionen jedoch ging, waren zwei andere Punkte:
1. Delbrück gesteht - etwas vereinfacht ausgedrückt - den mittelalterlichen Rittern kaum eine Disziplinierung i.d.S. zu, sondern betrachtet ein Ritterheer als vergleichsweise undisziplinierten Verbund von starken Einzelkämpfern. Verbruggen und Smail widersprechen dem und stellen heraus, daß es sogar eine starke Disziplinierung bzw. Selbstdisziplinierung gegeben haben muß, da ansonsten ein Ritterheer - das sich bekanntlich in erster Linie auf die Schlagkraft der Ritter und Sergenten verließ - so nicht funktioniert haben kann.
In diesem Punkt stimme ich eher Verbruggen und Smail zu, denn wie ich bereits anhand der Pferdecharakteristik auszuführen versuchte, wäre ein vergleichsweise undisziplinierter Verbund von Einzelkämpfern schon allein beim Anreiten (und da genügt bereits die Schrittgangart) in Unordnung geraten.
2. Delbrück beschreibt andererseits das Anreiten zum Kampf als eine relativ lange Phase in Schrittgangart,einer darauf folgenden Trabphase und einer relativ kurzen Phase im Galopp (also faktisch einem Sprint vergleichbar). Verbruggen und Smail ziehen sich hier auf die Quellenaussagen zurück, wonach - wieder etwas vereinfacht beschrieben - die Ritter in sehr dichter Formation beeinander den Galopp quasi "durchgezogen" haben.
In diesem Punkt stimme ich eher Delbrück zu (und halte entsprechende Quellenaussagen für zumindest leicht übertrieben), denn wie ich bereits anhand der Pferdecharakteristik auszuführen versuchte, ist eine derart enge Formation mit ritterlichen Kriegspferden (zur Erinnerung: Hengste!) kaum machbar (wenn überhaupt), da sich auch hier bereits beim Anreiten in Schrittgangart - und im "durchgezogenen" gestreckten Galopp wäre es einerseits noch schlimmer, andererseits v.a. auch lebensgefährlich - die Pferdeformation in sich auflösen würde, da die Tiere ernsthaft Gefahr laufen, aggressiv gegeneinander anzugehen.
Desweiteren weise ich dabei darauf hin, daß die Belastung v.a. auch mit einem schwergepanzerten Reiter - und davon sprechen wir hier bekanntlich - das Pferd (unabhängig von der Statur) in deutlich kürzerer Zeit ermüden läßt, wenn die Phase schnellerer Gangarten lange durchgehalten werden als wenn diese Phase nur eine Kurzbelastung darstellt.
 
Zuletzt bearbeitet:
@ timotheus

Ich denke man muss bei der Disziplin, Tauglichkeit der Ritter diferenzieren.

Delbrück scheint sich meines Erachtens durch konkrete historische Beispiele zu einer Disziplinlosigkeit der Ritterheere veranlasst gesehen zu haben. Ich hatte schon mal andernorts die Schlacht bei Ravenna 1512 als Beispiel genannt, wo sich die adelige Reiterei quasi verselbstständigte.
Auf der anderen Seite muss man aber auch sehen, dass sich diese ritterliche Kavallerie dann als Korps verselbstständigte - natürlich wird irgendeiner angefangen haben.
Dabei würde für mich genauso gut als Argument gelten, dass von der Ausbildung her der Ritter nicht wie ein schwerer Kavallerist des 18.Jh. auf den Angriff in Linie gedrillt war. Dazu bedarf es schließlich andauernder Übung bis es gelingt in einer Linie, geschlossen als taktischer Körper vorzugehen. Gab es Manöver oder quasi Regimentsexerzieren bei den Rittern, worin sie andauernd geschult wurden?
Ich kann es mir nicht vorstellen. Dazu waren die Ritter in ihrer Funktion als Feudalherren doch auch zu stark, ganz anders als der Berufskavallerist 1750, anderweitig gebunden.
Das Turnier und insbesondere das Buhurt wird ja häufig als Waffenübung dargestellt und zumindest bei den Massenkämpfen des Buhurt könnte man ein geschlossenes Anreiten der Parteien annehmen. Doch stellen doch, ausgenommen irgendwelche Profis dieses "Sports", die Turniere auch wieder eher eine seltene Erfahrung der Ritter dar und können nicht als ständige Trainingseinheit betrachtet werden.

Die Disziplin der Ritter sehe ich als schwierig zu bewerten an. Zum einen verband ihn seine Treue in Form der Vasallentreue etc. an den Truppenkörper seines Lehnsherren. Auf der anderen Seite machten ihn die ritterlichen Ideale auch vorzugsweise zu einem Einzelkämpfer.

Wenn erst einmal ein Angriff begonnen wurde, dann nahm er sicherlich eine Gruppendynamik an. Zumal wir ja von eher kleinen Verbänden von wenigen hundert Rittern oder ritterlich bewaffneten Kämpfern sprechen und nicht von gewaltigen Korps von tausenden von Reitern wie im 18.Jh..

(Ich glaube zum Problem mit den späteren Reiterformationen im 16.Jh. und dem Zurückbleiben einzelner Reiter und den weiteren Auswirkungen lässt sich Delbrück auch ganz gut aus. Das mag als Vergleich dienen.)

Ich selbst bin da in meiner Vorstellung von einem Ritterangriff zwiespältig. In manchen Beiträgen gehen ja Forianer von einer gewissen angeborenen Feigheit aus. Das heißt Mann und Ross würden so oder so eher instinktiv versuchen dem Feind und dessen Waffen durch Flucht zu entgehen. Das geht aber m. E. auch wieder weit an dem ritterlichen Verständnis vorbei. Die ritterliche Selbstlegitimation - nach dem Motto: warum haben die Ritter eine hervorragende Stellung innerhalb der Gesellschaft? - leitete sich von dem militärischen Wert und ihrer Einsatzbereitschaft ab. Feigheit stellte den Ritter bloß und entzog ihm sozusagen die moralische Würdigkeit die Ehre zu haben, sich Ritter mit der dazu gehörigen Exklusivität zu nennen(!). Das spielt indirekt sicherlich für den Kampfgeist keine so geringe Rolle.

Grundsätzlich scheinen mir die Ausführungen Delbrücks einleuchtend, auch wenn er quasi an einem Beispiel die ritterliche Kampfweise generell erklären will.
Sein ständiger Bezug zu den zeitgenössischen Kampfformen der Kavallerie (also denen im frühen 20.Jh.) scheinen mir befruchtend und hinderlich zugleich.

Ein allgemeines Bild des Ablaufs solcher Schlachten habe ich daher weniger. Ich kann mir nur vorstellen, dass viele so wie die beschriebene von Pillenreuth 1450 abliefen.
 
Sein ständiger Bezug zu den zeitgenössischen Kampfformen der Kavallerie (also denen im frühen 20.Jh.) scheinen mir befruchtend und hinderlich zugleich.

Diese häufigen Bezüge Delbrücks auf militärische Erscheinungsformen des späten 19./frühen 20. Jh. sind nur verständlich, wenn man bedenkt, dass Delbrück sowohl den Kampf im geschlossenen Truppenkörper als auch eine echte Feldkavallerie noch selbst erlebt hat, diese Dinge also (im Gegensatz zu jedem modernen Militärhistoriker) aus eigener Anschauung kennt, zumindest die entsprechende Ausbildung. Er selbst kämpft als junger Mann im Krieg 1870/71 und war später Leutnant der Reserve (ich glaub aber bei der Infantrie).

Dass das Vor- und Nachteile hat würde ich auch so sehen; auf der einen Seite dürfte das intuitive Verständnis größer werden, auf der anderen Seite besteht wohl die Gefahr, persönliche Erfahrungen zu generalisieren und die Unterschiede zwischen 1170 und 1870 zu übersehen.

Allerdings verwendet Delbrück mit Vorsatz die Begriffe "Kavallerie" und "Infantrie" nicht für das Mittelalter, da diese für ihn eng mit eben den Punkten "Disziplin" und "geschlossener Truppenkörper" verknüpft sind, die damals sE kaum vorhanden waren. Erst mit der beginnenden Neuzeit sind diese Begriffe treffend (Stichwort Moritz von Oranien).
 
@ Reinicke

Ganz richtig!

Delbrück hat da zumindest vielen Historikern vorraus, dass er überhaupt praktische Erwägungen in seine Darstellungen miteinbezieht.


Das Gelände dürfte auch eine gewaltige Rolle dafür spielen, wie der Aufeinanderprall von Ritterheeren ausgesehen haben dürfte. (Wahrscheinlich haben wir den Punkt schon genannt.) Hierin sehe ich eigentlich genauso wie bei den Fragen der "Disziplin", dem Selbstverständnis, der Gewohnheit und der taktischen Möglichkeiten, die aus alledem resultieren, einen Grund, der eher gegen breit aufgestellte linienförmige Schlachtordnungen spräche. Natürlich haben wir laut Delbrück späterhin auch bei seiner Formation, die er am Beispiel der Schlacht bei Pillenreuth anführt, eine Auffächerung der Reiterei im Verlauf zu erwarten. Aber dennoch brauchte man bei der Formation zumindest hauptsächlich kein breites, halbwegs geeignetes Terrain, was in der Natur nicht selbstverständlich ist.

Man darf sich selbst die Äcker des Mittelalters nicht so plan und gut zu Reiteratacken vorstellen wie sie heute vielerorts sind.
Bei meinen Wanderungen auf Rügen (passt vielleicht nicht so, aber sei es drum :rotwerd: ) fiel mir auf, dass die meisten Großsteingräber (Hünengräber) erst im Laufe der letzten 200 Jahre verschwanden, da die Bauern diese zur Bearbeitung der Böden mit moderneren Maschinen etc. entfernen mussten. Denn in Karten noch aus der ersten Hälfte des 19.Jh. waren viele davon noch eingezeichnet. (Ein Archäologe wird besser sagen können in welchem Verhältnis zu den ursprünglich vorhandenen Gräbern zu den heute noch existierenden, sie verschwanden.) Kurz die Flur wurde in den Jahren mächtig aufgeräumt.
Auf der anderen Seite gab es natürlich auch in der FNZ große Aufforstungen. Weiß da jemand genauer wie sich der Waldanteil an der Gesamtfläche Deutschlands gewandelt hat? (Wie sieht es aus balticbirdy? :rolleyes:)

Ist sowas sinnvoll in die Betrachtung von Reiterattacken einfließen zu lassen?
Wahrscheinlich müsste man dann Einzelfälle anschauen.

Bei Pillenreuth, um bei dem Beispiel zu bleiben, wählte ja scheinbar der Markgraf selbst das Schlachtfeld aus, wo er seine Feinde erwarten wollte. Denkbar wäre, dass hier neben vielen anderen Aspekten, auch ein günstiges Gelände eine Rolle gespielt haben könnte.


Da wir uns die Heere nicht direkt als undurchlässige Wände (oder besser Blöcke?) vorstellen sollten, werden die Pferde (und mit Glück auch die Reiter) auch nach dem Aufeinanderprall nicht direkt auf feindliche Gäule gerannt sein, sondern man konnte einander ausweichen, zumindest besser als es bei dichten Fußkämpferformationen denkbar wäre.
 
Auf der anderen Seite gab es natürlich auch in der FNZ große Aufforstungen. Weiß da jemand genauer wie sich der Waldanteil an der Gesamtfläche Deutschlands gewandelt hat? (Wie sieht es aus balticbirdy? :rolleyes:)
Wenn du mich schon so direkt fragst
Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa: Von der Eiszeit bis zur Gegenwart: Amazon.de: Hansjörg Küster: Bücher

1) Der Waldanteil betrug im 14. Jahrhundert etwa 15%.
2) Abgesehen von unzugänglichen Lagen, verdienten die meisten dieser Flächen eigentlich nicht den Namen "Wald".
3) Erst im 18. Jahrhundert gab es dann im Allgemeinen eine Waldbewirtschaftung mit Aufforstungen.

Ich glaube deshalb nicht, dass dies für das Thema Kavallerieattacke im Mittelalter relevant ist. Eher dürften, zumindest in vielen Gegenden, Feuchtgebiete und Moore, heute meist entwässert, ein möglicher Faktor gewesen sein.
 
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