Kleinkrieg im Mittelalter?

Mittelwalter

Mitglied
Hallo zusammen

Inwieweit bekriegten sich Grundherren, die dem gleichen König dienten eigentlich gegenseitig?
Es gibt ja, so finde ich zumindest, das Standardbild der zwei Fürsten, die um ihre Gebiete kämpfen.

Gab es das standardmäßig?
 
Kann man so sagen, jedenfalls war es keine seltene Ausnahme
Fehde ? Wikipedia



Fehden waren im Mittelalter ein legitimes Rechtsmittel, so wie heute Zivilprozesse. Durch die Landfriedensurkunden versuchte man Fehden einzuschränken oder zumindest sie regelkonformer und humaner für die Landbevölkerung zu machen. So wurde das Fehderecht auf bestimmte Tage in der Woche beschränkt, und Mühlen und andere bestimmte Gebäude sollten nicht angetastet werden. Außerdem sollte die Fehde durch förmliche Übergabe eines Fehdebriefes erklärt und vorher angesagt werden. Manche Ritter wie Götz von Berlichingen, der bei einer Fehde seine Hand verlor, attackierten dennoch unter weit hergeholtem Vorwand Kaufleute an.

Ulrich von Hutten schilderte anschaulich die miserable Lage mancher Ritter, die auf kalten Burgen ausharren mussten und sich nur bewaffnet auf die Jagd oder zum Angeln wagen konnten, weil der Dienstherr mit einem Nachbarn in Fehde lag.
 
War die Streitlust unter den Fürsten in Herrschaftsgebieten wie dem HRR auch höher als vielleicht in Frankreich, da im Reich die Fürsten mehr tun und lassen konnten was sie wollten ?
 
Die Fürsten konnten im HRR auch nicht tun und lassen, was sie wollten. Wie Scorpio schon sagte, gab es ein mehr oder weniger festes Regelwerk (die von Gerd Althoff so genannten "Spielregeln"), an das sie sich halten mussten, wenn es auch nicht ganz unflexibel war. Und nicht zuletzt bemühte man sich seit der Stauferzeit verstärkt darum, das Rechtswesen zu institutionalisieren und das Königsgericht zum vorherrschenden Mittel der Konfliktbewältigung auszubauen, wenn auch mit wechselndem Erfolg; letztlich sollte es noch bis zum Ewigen Landfrieden von 1495 dauern, bis das Fehdewesen weitgehend eingedämmt werden konnte.

Grundsätzlich würde ich dir so ziemlich alles von Gerd Althoff empfehlen, er gilt als Spezialist auf diesem Gebiet. Hier ein Interview mit ihm, das dich auch interessieren könnte:

Krieg und Folter im Mittelalter – Interview mit Gerd Althoff | Q History
 
Inwieweit bekriegten sich Grundherren, die dem gleichen König dienten eigentlich gegenseitig?
Es gibt ja, so finde ich zumindest, das Standardbild der zwei Fürsten, die um ihre Gebiete kämpfen.

Gab es das standardmäßig?

Die großen Adelsfamilien bekämpften sich Im Mittelalter allerorten und überall ging es um die Ausweitung von Macht und Einfluss und natürlich um die Ausweitung des eigenen Territoriums, da damit weitere Einkünfte und eine Stärkung der eigenen Position gegenüber anderen begehrlichen Adelshäusern verbunden war.

So kam es z.B. in Thüringen im 14. Jh. zur berühmten Grafenfehde zwischen den Wettinern und einigen Grafenfamilien. Im Ergebnis büßten dabei einige Adelshäuser ihren Einfluss bis zum Ende des Alten Reichs ein. Ähnliches geschah vielerorts an anderen Stellen im HRR, oftmals wegen erheblich kleinerer Dimensionen ziemlich unbeachtet und nur im engen regionalen Maßstab von Bedeutung.

Thüringer Grafenkrieg ? Wikipedia
 
Die großen Adelsfamilien bekämpften sich Im Mittelalter allerorten...

Ich möchte ja nicht kleinlich sein, doch haben sich richtige Adelsfamilien und Dynastien erst im Laufe des Hochmittelalters ausgebildet. Noch im 12. und 13. Jahrhundert lässt sich schwer von Dynastien mit spezifischen dynastischen Interessen sprechen; eher verfolgte jeder Fürst seine eigenen Interessen, häufig auch gegen Verwandte. Zu seinen wichtigsten Verbündeten gehörten neben Freunden und Getreuen natürlich auch die allernächsten Verwandten, allerdings unabhängig davon, ob man ihnen agnatisch oder cognatisch verbunden war. Dazu empfehle ich Werner Hechbergers Dissertation "Staufer und Welfen", sowie diverse Arbeiten von Karl Schmid, deren Namen mir nicht einfallen...
 
In der Mark Brandenburg, die fast 100 Jahre lang von Süddeutschland aus (oder besser gesagt: gar nicht) regiert wurde (1319-1415), nahm das Fehde-Unwesen besonders katastrophale Ausmaße an; die Übergänge zur schlichten Plünderung und Räuberei sind hier fließend, bzw auf diesen unruhigen Zeiten basiert u.a. die Vorstellung vom "Raubritter". Kurz gesagt konnten die großen Adelsgeschlechter mit Berufung auf ihr Fehderecht machen, was sie wollten, da der abwesende Landesherr nicht einschritt, weil er weit, weit weg war.

Besonders tat sich dabei das Geschlecht der von Quitzows hervor, aber die waren nicht die einzigen. Auch wurden diese Zustände schlimmer, je länger sie anhielten. Besonders dramatisch war es mWn ab 1388, mit der Übernahme der Herrschaft durch Jobst von Mähren.

Enden tat diese Epoche erst, als mit dem Burggrafe Friedrich von Nürnberg der erste Hohenzoller mit der Mark belehnt wurde (1411 bzw 1415). Er nahm hier seinen Sitz, musste besagte Adelgeschlechter allerdings erst in einem Krieg unterwerfen. Dabei kamen in der Mark zum ersten Mal Geschütze in wichtigem Maße zum Einsatz, denn diesen konnten die veralteten Burgen der Brandenburger Rittergeschlechter nicht widerstehen. Damit endete um 1420 in der Mark Brandenburg sowohl das Fehdewesen weitgehend, als auch das damit zusammenhängende Raubrittertum.

Geschichte Brandenburgs ? Wikipedia

Brandenburg - Brandenburger Landstreicher - Zeittafel der Geschichte Brandenburgs 1300-1399

Brandenburg - Brandenburger Landstreicher - Zeittafel der Geschichte Brandenburgs 1400-1499

Quitzow (Adelsgeschlecht) ? Wikipedia

Faule Grete ? Wikipedia
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich möchte ja nicht kleinlich sein, doch haben sich richtige Adelsfamilien und Dynastien erst im Laufe des Hochmittelalters ausgebildet. Noch im 12. und 13. Jahrhundert lässt sich schwer von Dynastien mit spezifischen dynastischen Interessen sprechen; eher verfolgte jeder Fürst seine eigenen Interessen, häufig auch gegen Verwandte. Zu seinen wichtigsten Verbündeten gehörten neben Freunden und Getreuen natürlich auch die allernächsten Verwandten, allerdings unabhängig davon, ob man ihnen agnatisch oder cognatisch verbunden war. Dazu empfehle ich Werner Hechbergers Dissertation "Staufer und Welfen", sowie diverse Arbeiten von Karl Schmid, deren Namen mir nicht einfallen...

Hm, so richtig zustimmen kann ich Dir hier nicht. Natuerlich ist es so, dass sich dynastisches Bewusstsein verschaerft erst im Hochmittelalter herausbildete. Dennoch kann man bereits im Fruehmittelalter derartige Tendenzen erkennen. Beispielsweise die Zugehoerigkeiten bestimmter Adeliger zu diversen genealogiae, wie sie in der lex baiuwariorum genannt werden. Beschaeftigt man sich naeher etwa mit einzelnen Urkunden, so stellt man fest, dass auch dort familiare Bande sehr schoen zu erkennen sind. So treten andere Huosi als Zeugen fuer Schenkungen die Huosi betreffend auf und es wird oftmals dahin gestiftet, wo ein Bruder, ein Vetter oder eine Tante in eine geistliche Institution eingetreten ist.

So weit stimme ich Dir zu, dass die Gewichtung Partikularinteresse VS. dynastisches Interesse eine Verschiebung erfaehrt. Doch vorhanden war dynastisches Interesse auch schon im Fruehmittelalter.

Werner Hechberger ist zu empfehlen, da stimme ich Dir zu. Am eindruckvollsten finde ich die Tatsache, dass cognatische Linien eine enorme Bedeutung hatten, in

Armin Wolf, Königliche Tochterstämme, Königswähler und Kurfürsten, Frankfurt am Main, Klostermann 2002 (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte Bd.152), darin: Wolf, Königswähler und Königliche Tochterstämme, S. 1–77.
 
Besonders im Spätmittelalter verschwimmen individuell motivierter Raub, dynastisch motivierte Fehden und staatlich motivierte Eroberungszüge zu einer kaum noch zu entwirrenden Motivlage.
Ein Beispiel sind die Söldnerzüge der "Gügler" und der "Armagnacen" (1375 resp. 1444) ins Elsaß und in die Nordschweiz. Ging es vordergründig um Erbansprüche des Sire de Coucy gegen Habsburg bzw. um eine Unterstützung der habsburger gegen die Eidgenossen (im zweiten falle), wollte doch die französische Krone in erster Linie die Söldnerscharen loswerden, die nach den vorangegangenen waffenstilständen mit den Engländern noch im Lande waren. Einem solchen Eroberungszug schlossen sich dann schnell (neben den üblichen Reisläufern) auch unternehmungslustige Adlige an, oft unter abenteuerlichen Vorwänden.
 
War die Streitlust unter den Fürsten in Herrschaftsgebieten wie dem HRR auch höher als vielleicht in Frankreich, da im Reich die Fürsten mehr tun und lassen konnten was sie wollten ?

Die Ausprägung des Fehdewesens hing in allen Ländern letztlich von der Unfähigkeit der jeweiligen herrscherlichen Gewalt ab, die Adelskämpfe zu unterbinden. In Westfranken/Frankreich setzten mit der zunehmenden Feudalisierung des Landes bei gleichzeitigem Zerfall der königlichen Autorität die Kämpfe der Feudalfürsten ein. Bis zum 12. Jahrhundert nahmen diese für so manchen zeitgenössischen Beobachter unerträgliche Ausmaße an, indem sich alle Schichten des Adels untereinander blutig bekämpften, ungeachtet verwandtschaftlicher Bande. Abt Suger prangerte die Verrohung des Adels in seiner Vita zu König Ludwig VI. an den Beispielen der Morde an Graf Karl dem Guten von Flandern und dem Burgherren Guido von La Roche-Guyon an.

Erst mit dem Erstarken des Königtums ab der Zeit Ludwigs VI. wurde das Fehdewesen zunehemend zurückgedrängt, indem das Königtum bis zum Ende des 13. Jahrhunderts seine richterliche Höchstgewalt in ganz Frankreich zur Geltung bringen konnte. Exemplarisch ist die Anklage und der Prozess gegen Enguerrand IV. von Coucy aus dem Jahr 1259 zu nennen, der sich wegen Rechtsbrüche vor dem König persönlich zu verantworten hatte.

Natürlich konnte das Fehdeunwesen nur solange eingedämt werden, wie die königlich-staatliche Autorität über das gesamte Königreich wirken konnte. Während des Hundertjährigen Krieges und des Bürgerkrieges zwischen Armagnacs und Burgunder hatte der Adel Frankreich wieder ausreichend Gelegenheit persönliche Rechnungen untereinander auszutregen.

Guy de la Roche-Guyon ? Wikipedia
Enguerrand IV. de Coucy ? Wikipedia
 
Hm, so richtig zustimmen kann ich Dir hier nicht. Natuerlich ist es so, dass sich dynastisches Bewusstsein verschaerft erst im Hochmittelalter herausbildete. Dennoch kann man bereits im Fruehmittelalter derartige Tendenzen erkennen.

Tendenzen hat es natürlich gegeben, doch von großen Adelsfamilien kann man bis ins Hochmittelalter nicht sprechen. Selbstverständlich hat Verwandtschaft auch im Frühmittelalter eine große, ja enorme Rolle gespielt, doch spielten da nahe Verwandte (unabhängig, ob man mit ihnen über die Mutter oder den Vater verwandt war) eine größere Rolle als (nur mal als Beispiel) der Cousin vierten Grades, der im Mannesstamm vom selben Ururgroßvater abstammt, so wie es im Spätmittelalter und in der Neuzeit der Fall gewesen ist. "Dynastische Interessen" (wenn sie jetzt nicht nur auf Interessen betreffs des Sohnes oder der Tochter beschränkt war) und "Konflikte zwischen (agnatischen) Adelsfamilien" kann ich jedenfalls nur in Einzelfällen erkennen; die Regel bildete es bis zum 12./13. Jahrhundert nicht. Aber gut, Ausnahmen gab es und wie die Adelslandschaft in der Karolingerzeit ausgesehen hat (da du ja von der lex Bajowarorum gesprochen hast), davon habe ich keine Ahnung, wie ich zu meiner Schande gestehen muss.

Am eindruckvollsten finde ich die Tatsache, dass cognatische Linien eine enorme Bedeutung hatten, in

Armin Wolf, Königliche Tochterstämme, Königswähler und Kurfürsten, Frankfurt am Main, Klostermann 2002 (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte Bd.152), darin: Wolf, Königswähler und Königliche Tochterstämme, S. 1–77.

Ob es sich bei Wolfs Thesen zu den Tochterstämmen um Tatsachen handelt, wage ich zu bezweifeln; ich persönlich halte sie eher für Konstruktionen, für die in den Quellen so gut wie keine Belege zu finden sind; selbst die Verwandtschaftsverhältnisse selbst sind zumeist von Wolf nur rekonstruiert worden. Sie mögen vielleicht den Tatsachen entsprechen, doch bin ich nicht überzeugt davon, dass man im 13./14. Jahrhundert sich noch dessen bewusst war, welcher Großer von welcher Tochter/Enkelin Heinrichs I. abstammt und dass man auf dieser Grundlage bestimmt hat, wem die Kurwürde gebührt. Hätte das eine Rolle gespielt, hätte man dergleichen in den zeitgenössischen Quelln (des 13./14. Jh.) finden müssen, doch ist das nicht der Fall. In meinen Augen überinterpretiert Wolf hier die Bedeutung cognatischer Abstammungslinien massiv.
 
War die Streitlust unter den Fürsten in Herrschaftsgebieten wie dem HRR auch höher als vielleicht in Frankreich, da im Reich die Fürsten mehr tun und lassen konnten was sie wollten ?

Nicht unbedingt deshalb, aber ganz allgemein war Gewalt zur Lösung von inneren Konflikten im HRR sozialkulturell deutlich akzeptierter als in anderen "Staaten" dieser Zeit.
 
Nicht unbedingt deshalb, aber ganz allgemein war Gewalt zur Lösung von inneren Konflikten im HRR sozialkulturell deutlich akzeptierter als in anderen "Staaten" dieser Zeit.

Das würde ich gerne ein wenig genauer erläutert bekommen.
Warum sollen "deutsche" Fürsten (und dabei schreibe ich deutsch ganz bewusst in Gänsefüsschen) aggressiver oder streitlustiger gewesen sein als ihre "französischen", "flämischen", "niederländischen", "slawischen" oder "italienischen" Nachbarn?
Auch der Begriff des Staats stört mich in diesem Zusammenhang denn war es nicht gerade seine Abwesenheit, die jene Verhältnisse begünstigte?
 
Das würde ich gerne ein wenig genauer erläutert bekommen.
Warum sollen "deutsche" Fürsten (und dabei schreibe ich deutsch ganz bewusst in Gänsefüsschen) aggressiver oder streitlustiger gewesen sein als ihre "französischen", "flämischen", "niederländischen", "slawischen" oder "italienischen" Nachbarn?
Auch der Begriff des Staats stört mich in diesem Zusammenhang denn war es nicht gerade seine Abwesenheit, die jene Verhältnisse begünstigte?

Sehe ich eigentlich genauso. Man kann sich allerdings fragen warum sich gerade im HRR ein zentralistisches Staatswesen nicht so recht etablieren wollte.
Nachklaenge einer in frueheren Zeiten eher stammesrechtlichen Organisation ?
Im gleichen Zusammenhang frage ich mich manchmal warum die Reformation gerade in den linksrheinischen, bzw noerdlich der Donau gelegenen Laendern solchen Zulauf gehabt hat (+ Skandinavien )
Vielleicht etwas zu spekulativ, aber vielleicht war dies ja mit soziokulturell gemeint ?
 
Sehe ich eigentlich genauso. Man kann sich allerdings fragen warum sich gerade im HRR ein zentralistisches Staatswesen nicht so recht etablieren wollte.
Nachklaenge einer in frueheren Zeiten eher stammesrechtlichen Organisation ?
Im gleichen Zusammenhang frage ich mich manchmal warum die Reformation gerade in den linksrheinischen, bzw noerdlich der Donau gelegenen Laendern solchen Zulauf gehabt hat (+ Skandinavien )
Vielleicht etwas zu spekulativ, aber vielleicht war dies ja mit soziokulturell gemeint ?
Auch das verstehe ich nicht.
"Stammesrechtliche Organisation" ist mir zu schwammig.
Wenn Menschen in Sippen, Familienclans, Stämmen oder was weiß ich für gesellschaftlichen Rumpfstrukturen lebten, kann es keine schriftlich fixierte Verfassung oder ähnliches gegeben haben. Wo diese wiederum nicht existiert, herrscht das Gewohnheitsrecht und das galt m.W.n. für das gesamte Mittel- und Nordeuropa der poströmischen Antike und des frühen Mittelalters, ist also kein "deutsches" Phänomen gewesen.
Auch der Zusammenhang zwischen Reformation und den genannten Regionen erscheint mir konstruiert. Im Kern war die Reformation eine rein religiöse Bewegung, die staatliche bzw. weltliche Angelegenheiten gar nicht tangierte.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an Luthers ablehnende Haltung den Bauernkriegen gegenüber.
Dezentralismus ist ein Charakteristikum, dass beinahe alle Regionen Europas die meiste Zeit prägte und nur weil Deutschland ihn erst 1871 abschüttelte heißt das doch nicht dass er hier besonders stark ausgeprägt war.
An anderer Stelle wurde halt einfach früher mehr Geld ausgegeben und größere militärische Ressourcen verbraten um ihn gewaltsam zu beseitigen.
 
Melchior:​

Meines Wissens nach gab es gerade im Gebiet des deutschen Königreiches deutlich mehr Kleinkriege bzw deutlich mehr Gewalt zwischen Adelsfamilien als in anderen Königreichen Europas. Da es auch unter fähigen Königen und in Zeiten in denen diese die Zentralmacht staerken konnten keine Abnahme der Fehden gab, bedeutet dies fuer mich, dass solche Fehden im deutschen Koenigreich eben akzeptierter waren als anderswo.

huski:

Sie waren nicht zwingend agressiver, aber es war im deutschen Königreich einfach sozialkulturell üblicher, eigene Ansprüche mit Gewalt durchzusetzen. Während man in anderen Königreichen noch verhandelt hätte, höhere Adelige, den König oder ein Gericht angerufen hätte, griff man im deutschen Königreich einfach viel schneller zu Gewalt zum Zweck der Problemlösung. Die Stellung des Königs als Mittler und Rechtssprecher war in anderen Königreichen stärker. Das ist aber als Erklärung noch ebenso wenig ausreichend, wie die im deutschen Königreich noch bestehenden Stammesstrukturen. Auch wenn die Kultur hierzulande noch viel stärker tribal war, der primäre Grund scheint einfach die Akzeptanz der Gewalt als Problemlösung und die allgemein größere sozialkulturelle Akteptanz von Gewalt gewesen zu sein.

"Stammesrechtliche Organisation" ist mir zu schwammig.

Es geht nicht so sehr um eine bloße Organisation. Es geht um eine tribale Kultur, also eine Frage der Sozialkultur. Das damalige deutsche Königreich war von der sozialkultur her deutlich tribalistischer als andere Königreiche Europas.

Da der Kleinkrieg und die ständigen Fehden aber nicht zuletzt auch "stammes"intern stattfanden, ist das auch keine Erklärung. Es gab also andere Gründe dafür.
An anderer Stelle wurde halt einfach früher mehr Geld ausgegeben und größere militärische Ressourcen verbraten um ihn gewaltsam zu beseitigen

Man könnte an dieser Stelle beispielsweise auf den Kreuzzug gegen die Katharer verweisen und wie das Königtum in Frankreich damit die weitgehende Unabhängigkeit Südfrankreichs beseitigte.

Die Fehden und der ständige Kleinkrieg im deutschen Königreich fanden aber meistens auch "stammes"intern statt, also innerhalb eines bestimmten Gebietes und nicht zwischen den "stammesgebieten". Die Dezentralisierung ist also nicht der primäre Grund, auch wenn sie sicher ein gewisser Faktor war.

Meiner Ansicht nach war der primäre Faktor einfach die hierzulande größere sozialkulturelle Akzeptanz in den Eliten, Probleme und Rechtssstreitigkeiten untereinander mit Gewalt zu lösen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Melchior:

Meines Wissens nach gab es gerade im Gebiet des deutschen Königreiches deutlich mehr Kleinkriege bzw deutlich mehr Gewalt zwischen Adelsfamilien als in anderen Königreichen Europas. Da es auch unter fähigen Königen und in Zeiten in denen diese die Zentralmacht staerken konnten keine Abnahme der Fehden gab, bedeutet dies fuer mich, dass solche Fehden im deutschen Koenigreich eben akzeptierter waren als anderswo.


Kann es aber nicht sein, dass du einfach falsche Schlussfolgerungen aufgrund von einer Informationsschieflage ziehst?

Wenn ich z.B. an San Gimignano denke, das Manhattan des toskanischen Mittelalters oder den Umstand, dass die Kirche die Notwendigkeit eine Gottesfriedensbewegung ins Leben zu rufen in Südfrankreich sah und mir ähnliches für Deutschland nicht so leicht einfällt (was durchaus auf eine ähnliche Informationsschieflage zurückgehen kann), dann würde ich meinen, dass anderswo Fehden mindestens genau so ein Problem darstellten, wenn nicht sogar mehr.

Wie kommst du darauf, dass Fehden in Deutschland häufiger geführt wurden, als anderswo?
 
Zurück
Oben