Ungarn bei der Schlacht von Las Navas de Tolosa 1212?

El Quijote

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Hallo zusammen,

wir haben hier schon häufiger über die Schlacht von Las Navas de Tolosa gesprochen, bei der ein vereinigtes Heer von Kastilien, Navarra und Aragón, mehr oder minder unterstützt durch - aus spanischer Sicht - transpyrenäische Kontingente, das Heer der Almohaden vernichtend schlug, was zu den dritten taifas auf iberischem Boden führte und innerhalb der nächsten Jahrzehnte zur Eroberung sämtlicher verbliebener muslimischer Herrschaften außer dem mit Kastilien verbündeten Königreich Granada führte (der Wahlspruch der Naṣriden "Wa-lā ġālibu illā ’llāhi - und es gibt keinen Sieger außer Allāh" bezieht sich ja gerade auf die Hilfe des "Staatsgründers" Granadas bei der Eroberung des muslimischen Sevillas für die Kastilier).

Die transpyrenäischen Kontingente, die in Las Navas de Tolosa dabei waren, waren natürlich zum größten Teil Franzosen, die zum Teil vor der eigentlichen Schlacht aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit den Spaniern nach der Eroberung von Qal'at Rabāḥ (Calatrava) abzogen, außerdem nennt Jiménez de Rada Italiener und Herzog Leopold VI. von Österreich hatte wohl noch versucht, zu den christlichen Truppen zu stoßen, begegnete aber den spanischen Kontingenten erst auf dem Rückweg nach der Schlacht.

Nun ist die Frage, ob sich Ungarn bei der Schlacht befanden?
Meine Frage hat zwei Wurzeln.
1.) den diffusen Bericht Simon Kézas über Attila (Ethele) und die Schlacht auf den campos catalaunicos, die Simon fälschlicherweise nicht in der Champagne sondern in Katalonien verortet mit dem Anachronismus, dass Attilas Truppen gegen den Sultan von Marokko in Sevilla gezogen seien und der Sultan dann über die "Meerenge von Sevilla" nach Marokko übergesetzt sei.
descendens tandem iuxta Rodanum aduersus Cathalaunos, vbi etiam diuiso suo exercitu, tertiam partem suae gentis contra Miramammonam Soldanum scilicet Marroquae, cum electis Capitaneis destinauit. Quod audito, Mirama de Vrbe Sibiliae fugiit ante Hunos in Marchiam, brachio maris Sibiliae transpassato.

Mir scheint dies eine antikisierte Nacherzählung des zeitgeschichtlichen Geschehens rund um die Schlacht von Las Navas de Tolosa zu sein.
Im Rahmen dieser Erzählung entwirft Simon dann gleich auch noch eine ätiologische Legende zur Namensherkunft Spaniens:

Tertia Attilae exercitus pars Catalauni remanet. Tertia vero Exercitus societas, quae fuerat contra Miramammonam destinata, propter moram interesse non velens praelio, remansit vsque vitam Ethelae, Katalaunis, habitatores tandem Kataluniae sunt effecti. Erant enim Huni praeter exteras nationes, trecenta millia, triginta millia et triginta duo Hunni. Ex his etiam Hunis plures fuerant in exercitus capitanei constituti, qui Hunorum lingua spani vocabantur, ex quorum nominibus tota Ispania postmodum est vocata, cum primo vocati essent Catalauni.
Gemeint ist der ungarische Titel des ispán, der hier unreflektiert auf die Hunnen zurück übertragen wird. Von diesem, so Simon Kéza, leite sich der Name Hispanien ab.

Der genannte Titel "Miramammonam" verweist zudem auf die verwendete Titulatur der Almohaden-Kalifen: Amīr al-Mu'minīn - Fürst der Gläubigen.


2.) heiratete Jaime I. 1235 in zweiter Ehe Violnate/Yolante von Ungarn, die Tochter des ungarischen Königs Andreas II. Jaimes Vater Pedro, der 1213 in der Schlacht von Muret auf der Seite der Albingenser, obwohl bekennender Katholik, starb (Jaime war damals fünf und wurde mit fünf Jahren zum König Aragóns), hatte bei Las Navas de Tolosa ebenfalls gefochten. Die Beziehungen zwischen Aragón und Ungarn müssen ja irgendwie gestiftet worden sein.
 
Hier ist ein Text in dem über die Wechselbeziehungen zwischen der Iberischen halbinsel (besonders den Katalanen) und Ungarn gesprochen wird. Es hat mich dabei überrascht zu lesen, dass um das Jahr 900 eine ungarische Invasion in Katalonien stattfand.

Ein wichtiges Bindeglied scheinen später die Pilgerfahrten nach Santiago gewesen zu sein. Die Schlacht der Navas de Tolosa wird erwähnt, ohne jedoch ins Detail zugehen.

Revista de estudios histórico-jurídicos - AA. VV., Princeses de terres llunyanes. Catalunya i Hongria a l'edat mitjana
 
2.) heiratete Jaime I. 1235 in zweiter Ehe Violnate/Yolante von Ungarn, die Tochter des ungarischen Königs Andreas II. Jaimes Vater Pedro, der 1213 in der Schlacht von Muret auf der Seite der Albingenser, obwohl bekennender Katholik, starb (Jaime war damals fünf und wurde mit fünf Jahren zum König Aragóns), hatte bei Las Navas de Tolosa ebenfalls gefochten. Die Beziehungen zwischen Aragón und Ungarn müssen ja irgendwie gestiftet worden sein.

Ich denke eher, dass die erste Ehe der Konstanze von Aragón, der Schwester Peters II., mit König Emmerich von Ungarn am Anfang der aragónesisch-ungarischen Beziehungen stand. Wobei natürlich zu ergründen ist, wie diese Ehe hat zustande kommen können.

Nach dem Tod hatte Konstanze vor ihrem Schwager Andreas II. aus Ungarn nach Österreich fliehen müssen, von wo aus sie nach Aragón zurückkehrte. Gut möglich das sie dabei ein paar ungarische Gefolgsleute mit sich geführt hatte. Etwas später wurde sie dann mit Friedrich von Sizilien verheiratet.

Die Ehe Jakobs I. (Jaime) mit Violante von Ungarn wurde von Papst Gregor IX. eingefädelt. So meint es zumindest Wikipedia. Vielleicht hat er im Llibre dels Fets was darüber geschrieben.

Bdaian schrieb:
Es hat mich dabei überrascht zu lesen, dass um das Jahr 900 eine ungarische Invasion in Katalonien stattfand.

Um 920/24 war eine Reitertruppe der Ungarn in die Pyrenäentäler vorgestoßen. Ermengol, der Sohn Graf Sunyers von Barcelona, ist vermutlich gegen sie gefallen.
 
Aus dem Bisherigen entnehme ich mal, dass eine Anwesenheit von Ungarn bei Las Navas de Tolosa zwar sicher nicht auszuschließen ist, dass sich aber aus der Reminiszenz in Simon Kézas Ausführungen an die Schlacht und dem Umstand der gleich zweimaligen Verschwägerung des aragonesischen Königshauses mit den Árpáden keine solche Anwesenheit ableiten lässt. Vor allem spräche gegen eine Anwesenheit von Ungarn der Umstand, dass Konstanze ja Ungarn nicht im Guten verließ. Dass dann allerdings ihr Neffe (Jaime I.) wiederum in zweiter Ehe die Tochter (Violante) ihres Ex-Schwagers (Andreas II.), dem sie ihr Unglück zu verdanken hatte, heiratete, ist auch interessant, allerdings waren da ja auch schon wieder dreißig Jahre ins Land gegangen.
 
Vor allem spräche gegen eine Anwesenheit von Ungarn der Umstand, dass Konstanze ja Ungarn nicht im Guten verließ.

Vielleicht hatte sie ein paar Ungarn als Exilanten ja mit in ihrem Schlepptau gehabt. Anhänger ihres Mannes, die nun aus Furcht vor Andreas II. ebenfalls das Land verlassen mussten. Aber das bleibt letztlich nur Spekulation. Ein größeres ungarisches Kontingent hätte sicher bei Jiménez de Rada oder in den Briefen Alfons' VIII und Arnaud Amaurys Erwähnung gefunden.
 
Bezüglich des Teilnehmerfeldes von Las Navas de Tolosa auf christlicher Seite hätte ich noch eine eigene Frage.

Alberich von Trois-Fontaines (Frankreich, 13. Jahrhundert) schrieb in seiner Chronik, dass auch der "Herr von Portugal" (domicellus Portugallie/Alfons II.) sich an der Koallition beteiligt hat, sofern ich das richtig herausgelessen habe. Alberich war kein Augenzeuge und auch nicht in Spanien zugegen, nehm ich an. Im Brief von Alfons VIII. an den Papst wie auch in dem von Arnaud Amaury an das Generalkapitel der Zisterzienser wird keine portugiesische Beteiligung erwähnt. Gibt es eventuell eine spanische (Rada?) oder portugiesische Quelle, die darüber Aufschluss geben könnte?


Alberich von Trois-Fontaines: Monumenta Germaniae Historica, SS 23, S. 894-895.
Brief Alfons' VIII: Patrologia Latina 216, Sp. 699-703.
Brief Arnaud Amaurys: Recueil des Historiens des Gaules et de la France 19, S. 250-254.
 
Jiménez de Rada schreibt - ich habe im Augenblick nur die spanische ÜS vorliegen, im lateinischen Original könnte ich aber morgen nachschauen -, dass nach dem Rückzug der Ultamontanen die Triade der Könige (also die drei Könige von Kastilien, Navarra und Aragón) weiter vorstieß. Und ein Kapitel später, über die Eroberung des Berges, nennt er sie alle noch mal explizit: "Am Freitag Morgen begannen Alfonso von Kastilien, Pedro von Aragón und Sancho von Navarra, nachdem sie den Namen des Herren angerufen hatte, den Aufstieg und kampierten auf einem Vorsprung.
 
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