Der burc-Begriff in Hartmanns "Erec"

El Quijote

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Ein ganz einfaches Beispiel dafür, an dem solche regionale Unterschiede gut erkennbar sind. Im "Erec" des Chrestien de Troies nächtigt der Ritter, mit dem Erec noch eine Rechnung zu begleichen hat, in der Stadt, bei Hartmann von Aue dagegen auf der Burg.
Das ist nicht unbedingt ein Unterschied, Burg hat durchaus die Bedeutung 'Stadt', der Stadtbewohner hat nicht von ungefähr die Bezeichnung Bürger erhalten.

Im Germanistikstudium wurde diese kleine Abweichung (beim "französischen" Autor übernachtet der Ritter in der Stadt bzw. im Gasthaus, beim "deutschen" Autor dagegen auf der Burg) als Hinweis darauf gesehen, dass die Übernachtungsmöglichkeiten aus dem Umfeld eines Chrestien der Troies gegenüber dem Umfeld des Hartmann von Aues sozusagen schon etwas "fortschrittlicher" waren.

Der burc-Begriff in Hartmanns Erec:

und dô si nâch der wîle
geriten wol vünf mîle,
ein burc si sâhen vor in stân,
michel unde wol getân.
[...]
ich enwil iuch niht verdagen
wie diu burc geschaffen wære:
daz vernemet an dem mære.

Vil guot was daz burcstal:
als uns der âventiure zal
urkünde dâ von gît,
sô was ez zwelf huoben wît.
ez was ein sineweller stein
dâ niender bühel ane schein,
ebene sam er wære gedrân,
und ouch rehte getân
nâch des wunsches werde,
ûf von der erde
entwahsen wol den mangen.
den berc hete in gevangen
ein burcmûre hôch und dic.
ein ritterlîcher aneblic
ziertez hûs innen.
ez rageten vür die zinnen
türne von quâdern grôz,
der vuoge niht zesamene slôz
dehein sandic phlaster:
si wâren gebunden vaster,
mit îsen und mit blîe,
ie drîe unde drîe
nâhen zesamene gesat.
dâ enzwischen was diu stat
gezimbers niht lære.
dâ sâzen die burgære
nâch grôzer ir werdekeit.
alsô was daz hûs zebreit
mit den türnen. nâch ir zal
sô was ir drîzec über al.

sus was daz hûs gevieret:
die türne gezieret
obene mit goldes knophen rôt,
der iegelîcher verre bôt
in daz lant sînen glast.
[...]
an der anderen sîten
dâ man zuo mohte rîten,
dâ stuont ein stat vil rîche,
bezimbert rîchlîche,
diu einhalp anz wazzer gie.
anderhalp daz undervie
ein boumgarte schœne und wît,
daz weder vor noch sît
dehein schœner wart gesehen:
des hôrte ich im den meister jehen.

Als Êrec daz hûs ersach,
ze sînem gesellen er sprach,
ob er die burc erkande,
und bat in daz er si nande.
[...]
dô sprach der künec Êrec:
[...]
diz hûs ist sô wünneclich
und alsô schœne daz ich
ûzen dar an kiuse wol,
ist ez etewes innen vol
daz man sol gerne schouwen,
ez enist niht âne vrouwen.
ich wil daz hûs erkunnen:
des sult ir mir wol gunnen.»

Die Burg wird zwölf Hufen groß - also mit knapp 51.000 m2 - veranschlagt. Die Burg soll 30 Türme haben und in ihr wohnen - nach Wertigkeit gestaffelt - Bürger.
Auf der anderen Seite wird von immer nur einem Haus geredet und natürlich darf man das mit den zwölf Hufen und den 30 Türmen nicht wortwörtlich nehmen, es ist eine recht idealistische Darstellung. Da ich den Inhalt des Erec nicht kenne, kann ich nur mutmaßen, dass hier eine durchaus paradiesische Vorstellung mit einfließt, also keine reale Burg oder Stadt beschrieben wird.
 
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