Frage zum Erbrecht

olko

Neues Mitglied
Ich habe eine eher spezielle Frage zum Erbrecht im Mittelleter, auf die ich bis jetzt noch keine Antwort gefunden habe.
Angenomen ein Bauer (A) hat zwei Söhne (B und C). Der ältere Sohn (B) wird den Hof erben (bzw. das Lehen). Er hat weiterhin selbst einen Sohn (D).
Wenn nun B aus irgendwelchen Gründen vor A stirbt, wer erbt dann? Der Bruder(d.h. C), oder der Sohn des ursprünglich erbberechtigten (d.h. D).
Das ist jetzt ein sehr spezielle Frage, aber ich hoffe, jemand kann mir helfen.
 
Ich Wenn nun B aus irgendwelchen Gründen vor A stirbt, wer erbt dann? Der Bruder(d.h. C), oder der Sohn des ursprünglich erbberechtigten (d.h. D).Das ist jetzt ein sehr spezielle Frage, aber ich hoffe, jemand kann mir helfen.


Ich habe hier die zwei Bände des Standardwerks "Deutsche Rechtsgeschichte" von Hermann Conrad vor mir liegen. Danach stellt sich das Erbrecht im Deutschen Reich des Mittelalters wie folgt dar:

Schon zu Lebzeiten des Hausherrn hatten die Hausgenossen an dem Gut Anwartschaftsrechte (Warterechte), die das freie Verfügungsrecht des Hausherrn einschränkten. Starb ein Hausgenosse, so wuchs sein Anteil den übrigen zu. Starb der Hausherr, so erstarkten die Anwartsrechte der Hausgenossen zum Vollrecht. Die Hausgenossen nahmen das Gut des Verstorbenen als Gesamthänder. Doch waren die Töchter von der Teilhabe an Grund und Boden ausgeschlossen. Diesen erhielten die Söhne, die den väterlichen Hof gemeinsam bewirtschafteten.

Hierbei kam dem ältesten Bruder eine bevorzugte Stellung zu. Nach dem Tod des Hausherrn nahm er dessen Sitz ein und übte die Hausgewalt aus. Die Brüder konnten in ungeteilter Gemeinschaft (Brüdergemeinschaft) verbleiben. Kam es zur Auseinandersetzung, so wurde zu gleichen Teilen geteilt. Dem ältesten Bruder konnte der Hof zugeteilt werden.


Danach erben also in letzter Konsequenz alle Brüder zu gleichen Teilen. Das gilt auch für den kleinen Sohn D, der an die Stelle seines Vaters B tritt. Hier greift der alte Rechtssatz "Gut fließt wie Blut".
 
Bist du sicher Dieter, daß diese Regelung im gesamten Reich so galt? Da habe ich leise Zweifel, nicht umsonst fragte doch auch Mercy nach dem Territorium...
 
Bist du sicher Dieter, daß diese Regelung im gesamten Reich so galt? Da habe ich leise Zweifel, nicht umsonst fragte doch auch Mercy nach dem Territorium...


Das Werk "Deutsche Rechtsgeschichte" sagt dazu, dass es sich um Grundlagen des Erbrechts handelt. Man kann also davon ausgehen, dass zumindest im Mittelalter nach diesem Gewohnheitsrecht in der Regel verfahren wurde. Die uns bekannte umfangreiche und zersplitterte Rechtsetzung ergab sich erst seit der frühen Neuzeit. Auch damals gab es aber Grundkonstanten, die das Recht aus altem Herkommen schöpften.

Das Erbrecht seit der frühen Neuzeit ist Bestandteil von Band 2 und damit nicht identisch mit dem Quellenauszug oben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das Werk "Deutsche Rechtsgeschichte" sagt dazu, dass es sich um Grundlagen des Erbrechts handelt. Man kann also davon ausgehen, dass zumindest im Mittelalter nach diesem Gewohnheitsrecht in der Regel verfahren wurde. Die uns bekannte umfangreiche und zersplitterte Rechtsetzung ergab sich erst seit der frühen Neuzeit. Auch damals gab es aber Grundkonstanten, die das Recht aus altem Herkommen schöpften.

Das Erbrecht seit der frühen Neuzeit ist Bestandteil von Band 2 und damit nicht identisch mit dem Quellenauszug oben.
Völlig falsch, es hängt davon ab, in welcher Region dieser Erbfall spielt, von der Epoche und auch vom sozialen/rechtlichen Status der Betroffenen zudem, sächsisch oder allemanisch, vielleicht fränkisch, ober/niederdeutsches Stadtrecht, Spezialrecht des Adels, jede Familie kann da bis heute tun und lassen was sie will. Das deutsche Recht des Ma kennt im Grunde nur eines, Chaos!, jedenfalls im Rückblick eines modernen Juristen.
Damit ein Rechtshistoriker Deine Frage schlüssig beantworten kann braucht er Folgendes:
Genauer Ort des Rechtsfalles
Genaue Zeit des usw, auf 20 Jahre genau
Status der Beteiligten.
 
... es hängt davon ab, in welcher Region dieser Erbfall spielt, von der Epoche und auch vom sozialen/rechtlichen Status der Betroffenen zudem, sächsisch oder allemanisch, vielleicht fränkisch, ober/niederdeutsches Stadtrecht,
Dem ist zuzustimmen, ohne dass ich jetzt allzusehr ins Detail gehen kann.
In Norddeutschland erbte häufig der jüngste Sohn, in anderen Gegenden der älteste. Im schwäbisch-fränkischen Raum gab es das Ganerbenrecht, d.h. alle Söhne erbten gleichmäßig. Das führte zu der für Süddeutschland typischen Zerstückelung des Grundbesitzes, während es in Norddeutschland traditionell große Höfe gibt.

Spezialrecht des Adels, jede Familie kann da bis heute tun und lassen was sie will.
Auch der Adel unterliegt heute dem demokratisch-rechtsstaatlichen Zivilrecht und die "alten Rechtsverhältnisse" (Fideikommiss, "Hausgesetz" etc.) werden danach ausgelegt. Die Erben des letzten deutschen Kaisers haben darüber z.B. einen Rechtsstreit geführt, der auch in einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen wurde.
 
@Dieter

Ich gehe zwar auch davon aus, daß die Anwartschaft vererblich war, doch muß ich bemerken, daß in dem Zitat nicht geklärt wird, ob der Enkel D auch das Privileg des B als Erster Sohn erbt.
 
@ Olko - in den relativ aktuellen Buch von Michael Borgolte "Europa entdeckt seine Vielfalt 1050 - 1250" ( aus der Reihe Handbuch der Geschichte Europas)
befasst sich dieser in mehr als 20 verschiedenen Kapiteln mit dem sich ausbildenden Erbrecht. (UTB Verlag ISBN 3-8252-2298-5)

Wie die Vorredner schon sagten: genaue Zeit, Ort und Sippe spielen eine Rolle.
Da du allerdings von einem Grundstücke besitzenden Bauern redest, ist Dein Fall schon deutlich im Hochmittelalter angesiedelt und Dein Bauer muß schon fast ein Edelfreier sein, wenn er über vererblichen Allodialbesitz verfügt.
Es ist also völlig unmöglich, Deine Frage " auf die Schnelle " zu beantworten und bedarf eigentlich intensiver Befassung mit dem Thema.
Immerhin, der von mir genannte Lesevorschlag dürfte z.Zt. nahezu das Aktuellste sein, wobei M. Borgolte natürlich nicht in das - zudem noch von Fall zu Fall mögliche - Detail gehen konnte.

salu, jeanne
 
Auch der Adel unterliegt heute dem demokratisch-rechtsstaatlichen Zivilrecht und die "alten Rechtsverhältnisse" (Fideikommiss, "Hausgesetz" etc.) werden danach ausgelegt. Die Erben des letzten deutschen Kaisers haben darüber z.B. einen Rechtsstreit geführt, der auch in einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen wurde.
Das heutige Prinzip ist, dass der Adel dem Steuerrecht wie jeder anderer Mensch unterworfen ist. Über die Führerschaft können die Häuser, soweit ich weiss, frei entscheiden, und auch bei der Verteilung gibt es Abweichungen, solange am Schluss die Steuerquote stimmt.
Beim Rechtsstreit der Hohenzollern ging es auch genau darum, ob das Familienvermögen nach jedem Erbfall kleiner werden darf, obwohl eigentlich nur wenig Geld, dafür aber hochbewertete Sachwerte vorlagen.
Die rot-grüne Regierung, in ihrer unendlichen proletarischen Weisheit, hat ja beschlossen, dass alte Teppiche, Vasen, Geschirr usw auf einmal für die Erbschaftssteuer relevant sein sollten.
 
Bei den Erbgängen sind vielfach die noch gültigen Hausgesetze der Adelsfamilien relevant, die mit alten Ländern abgeschlossen worden sind, zB
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20000221_1bvr193797.html

http://de.wikisource.org/wiki/Bayer...tnisse_an_Gegenständen_im_Staatsarchiv_Coburg

Erbschaftsteuer liegt anders und kennt keine Besonderheiten. Hier ist mW einerseits die Abgeltung in Naturalien aus dem Nachlass möglich, andererseits:
...alte Teppiche, Vasen, Geschirr usw auf einmal für die Erbschaftssteuer relevant sein sollten.
hat solcher Kleinkram, natürlich auch Schmuck etc. rd. 22 Mio. Euro bei einer professionellen Versteigerung zur Tilgung der Erbschaftsteuer des Hauses Thurn und Taxis beigetragen. Das Land war damals nicht interessiert.
 
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