"Strohzopf im Mittelalter" - Mittel der Ausgrenzung aus der Gesellschaft?

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Gast

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Hallo liebe Community,

Bin auf dieses Forum gestoßen weil mir seit längerem eine Frage unter den Nägeln brennt:

Ich bin Schüler der 13. Klasse mit Leistungskurs Deutsch, z.Z. nehmen wir Faust I. durch. In der Szene "Am Brunnen" spricht Gretchen mit Lieschen, wobei sich die beiden über die Schande unterhalten die einem blüht sollte man ein uneheliches Kind zur Welt bringen. Zeilenummer: 3575 Zitat: " Das Kränzel reißen die Buben ihr,
Und Häckerling streuen wir vor die Tür!"

Nach dieses Aussage entspann sich eine Diskussion zwischen mir und meiner Lehrerin: Ich hatte in den Sommerferien dieses Jahres auf einer Interrail-Tour das "Foltermuseum" in Siena (Italien) besucht. Dort wurden vorrangig Folterinstrumente des Mittelalters ausgestellt unter anderem aber auch Methoden aufgeführt mit Hilfe derer Menschen aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden konnten (Narrenkappe, Brandmarkungen etc. ).

Auf einer Schautafel wurde erklärt das man Frauen die ein uneheliches Kind geboren hatten mit sogenannten Strohzöpfen "schmückte" und sie dann durch das Dorf "trieb". Als Zeichen ihrer "Schande" musste sie diese Zöpfe mit sich herumtragen so das jeder über ihr vermeintliches "Verbrechen" Bescheid wusste.

Während unserer Unterrichtsdiskussion äußerte ich mein zugegeben leider nicht sehr fundiertes Wissen, welches ich ja auch nicht wirklich beweisen konnte. Ich behauptete das eine weitere Möglichkeit eine Frau zu ächten darin Bestand ihr die besagten Strohzöpfe aufzusetzen. Meine Deutschlehrerin tat das als Quatsch ab...

Nun würde ich gerne wissen ob es sich bei dem "Strohzopfritual" wirklich um eine angewendete Methode handelt. Wurde diese "Mobing-Folter" im Mittelalter wirklich angewandt? Habe ich mich verlesen?
Ich habe versucht dazu etwas dazu auf der Seite des Museums zu finden, aber wie erwartet leider nichts gefunden!
Vielleicht kennt sich jemand mit solchen Bräuchen aus dem Mittelalter aus, weiß etwas dazu etc.
Ich bin für jede Antwort dankbar! ;)


Gruß, Robert
 
Ich vermute mal, dass dir der folgende Eintrag aus dem LexMA weiterhilft:

LexMA schrieb:
Schandstrafgeräte
waren die Werkzeuge, mit denen die Ehrenstrafen (Strafe) vollstreckt wurden. Sie mußten daher so beschaffen sein, daß sie als solche oder im Zusammenhang mit bestimmten Inszenierungen die äußere soziale Stellung des Betroffenen und die Wertschätzung in den Augen der anderen beeinträchtigen konnten: durch Verspottung, Lächerlichmachen, Beschimpfen, Demütigung. Deshalb mußten die Verurteilten - oft am Pranger stehend - Gegenstände des Alltags halten oder im »schimpflichen Aufzug« umhertragen, denen aber eine verzerrte und übertriebene Form gegeben war, unterstützt durch erläuternde Schrifttafeln oder Bilder oder Schmähgesänge. S. waren z. B. Schandkleid (oder -laken) für Marktdiebe, Warenfälscher, Ehebrecherinnen oder bei Verstößen gegen die städt. Kleiderordnungen; Strohkranz für gefallene Mädchen; Ehrbeleidiger oder auffällige Frauen (und Männer) mußten den Lasterstein (Bagstein) um den Marktplatz tragen oder eine phantasievoll ausgeführte Schandmaske oder einen hölzernen Schandkragen aufsetzen oder Hals und Hände in einer Schandgeige (-fidel, Halsgeige) fixieren lassen, so auch bei sexuellen Vergehen: Warenfälscher wurden in der Wippe (oder Schupfe) unter Wasser getaucht; Falschspieler mußten eine riesige Holzkette mit Würfeln um den Hals tragen, schlechte Musikanten ein Schandinstrument, dem Laster der Völlerei Verfallene zwei Schandflaschen; betrogene Ehemänner mußten einen Esel durch die Stadt führen, auf dem ihre Gattin verkehrt zu sitzen hatte. Das Publikum sollte zu einem den Betroffenen herabsetzenden und entwürdigenden Auslachen gereizt werden, was in schärfster Form zu seiner Ausstoßung aus der Gemeinschaft führen konnte (weshalb diese Bestrafung oft gemeinsam mit der Stadtverweisung durchgeführt wurde).

Die Gebrüder Grimm haben ebenfalls etwas zum Strohkranz geschrieben:

Grimm'sches Wörterbuch schrieb:
auch der strohkranz hat manigfache bedeutung, wie wir ihn noch als gegensatz des myrtenkranzes kennen, wenigstens aus der sprache. im 13. jahrh. singt eine jungfrau, die 'ledig' bleiben will:

mir ist von strôwe ein schapel und mîn vrîer muot
lieber danne ein rôsenkranz, so ich bin behuot.
BURKART V. HOHENFELS, MSH. 1, 204b, Bartsch lied. 145. frauen, die frei bleiben und versagen wollten, müssen wirklich zum zeichen ihren kranz beim tanze und sonst von stroh gemacht haben. ein liebhaber erzählt von seiner not Hätzl. 189a:

ains tags bat ichs durch all ir gu̔t,
das si mir kunt tät ir gemu̔t
mit ainem krenzlin schöne ...
nit lang darnach gieng si gen mir,
ain ströin kranz trůg si uf ir.
ich erschrack zu der stunden ...
si sprach, gesell, erschrick nicht,
wilt du dén kranz, so nimm in hin,
du hast verstanden den sin, er bittet sie den strohkranz ins feuer zu werfen, was sie thut:

'und wölt mir icht grünes geben'.
si sprach, gsell, benügt dich nit (gedr. icht)?
du bist des stros doch worden quit,
davon dir mocht chain frucht entspringen,
beit (warte), dir mag noch wol gelingen. in Schwaben ärgert man mädchen, indem man zu neujahr einen strohkranz beim hause aufhängt (MEIER sagen s. 470), das soll wol heiszen, dasz sie einen mann nicht bekommen werde. Selbst in den ernstesten politischen dingen spielte man mit solchen kränzen; bei der fehde zwischen Nürnberg und dem markgr. Albrecht von Brandenburg schickte dieser der stadt seinen fehdebrief in einem strohkränzlein zu, die stadt hatte ihm den ihren gesandt an einem seidenen kränzlein hängend mit sieben farben, was er als schmach und verachtung aufgefaszt hatte, s. Nürnberger chron. 2, 387.

Du musst unbedigt erzählen, was sie dazu sagt!
 
In manchen Gegenden Deutschland war es bis vor kurzem noch Brauch, das bei Eheschliessungen von ledigen Müttern oder geschiedenen, anstelle eines Schleiers ein Strohkranz getragen wird. Eine Erinnerung daran ist das sogenannte beige Brautkleid (farblich dem Stroh nahe), das heute noch bekannt ist.

Der Begriff Strohwitwe stammt auch aus diesem Zusammenhang.

Bis 1994 konnte ein Mädchen seinen Freund auf Schadensersatz für die verlorene Jungfräulichkeit verklagen, bis max. 2000 DM.
Der sogenannte "Kranzgeldparagraph" im BGB war aber dann doch etwas zu altmodisch.
 
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